Zweiniveau-System

Zweiniveau-System
schematische Darstellung eines Zweizustandssystems mit Absorption und Emission eines Energiequants

Ein Zweizustandssystem oder auch Zweiniveausystem in der Quantenmechanik ist ein einfaches, aber wichtiges Modellsystem, das zur Beschreibung von vielen Situationen herangezogen werden kann. Das System kann sich nur in einem von zwei möglichen Zuständen \left|1\right\rangle oder \left|2\right\rangle benannt, oder in einer Superposition dieser zwei Zustände befinden (Bra-Ket-Notation). Diese zwei Zustände haben dabei üblicherweise unterschiedliche Energien E1 und E2. Ein Beispiel ist etwa ein an ein Atom gebundenes Elektron, das eines von zwei Niveaus des Atomspektrums besetzen kann (Grundzustand, angeregter Zustand, siehe Abbildung rechts). Oft wird auch das Modellsystem eines quantenmechanischen Spins-1/2 (Drehimpulses) benutzt, der sich nur in zwei Einstellungen befinden kann. Zwischen den Niveaus existiert ein Übergang (z. B. ein optischer Übergang, der durch sichtbares Licht angeregt werden kann). Befindet sich das System einmal in einem der beiden Zustände, so bleibt es für immer dort, zumindest solange man das System nicht stört. Wird eine Störung in dem System eingeschaltet, so kann man beobachten, dass die Zustände ineinander übergehen können:

Befindet sich z. B. ein Elektron im Zustand \left|1\right\rangle (der energetisch niedriger liege als \left|2\right\rangle), so kann es durch einen resonant eingestrahlten Laser-Puls in den Zustand \left|2\right\rangle übergehen. Ein Elektron im Zustand \left|2\right\rangle kann durch Emission eines Photons, das die Differenzenergie \Delta E=E_2-E_1=\hbar\omega zwischen den Zuständen trägt, in den Zustand \left|1\right\rangle zurückfallen. Die nebenstehende Abbildung zeigt das schematisch.

Liegt die Störung längere Zeit an, so oszilliert die Wahrscheinlichkeit, das Atom in einem der Zustände zu finden. Nach einer halben Oszillationsdauer ist die Wahrscheinlichkeit hoch, das Atom im angeregten Zustand vorzufinden, nach einer ganzen Dauer ist es höchstwahrscheinlich wieder im Grundzustand usw. Dieses Phänomen entspricht den Rabi-Oszillationen.

Inhaltsverzeichnis

Mathematische Beschreibung im Rahmen der Quantenmechanik

Statische Behandlung

Zum gegebenen System gehört ein Hamiltonoperator \hat H_0. Die Zustände \left|1\right\rangle, \left|2\right\rangle sind Eigenzustände dieses Hamiltonians zu den Eigenwerten E1,E2:

\hat H_0\left|n\right\rangle=E_{n}\cdot\left|n\right\rangle, \ \ \ \ \ n \in \left\{1, 2\right\}

Wird zusätzlich zu \hat H_0 eine hermitesche Störung \hat W eingeschaltet, so sind \left|1\right\rangle, \left|2\right\rangle nicht mehr die Eigenzustände des neuen Hamiltonians \hat H=\hat H_0+\hat W. Die neuen Eigenzustände seien mit \left|+\right\rangle, \left|-\right\rangle und die neuen Eigenenergien mit E + ,E bezeichnet. Man erhält in der \{\left|1\right\rangle, \left|2\right\rangle\}-Basis folgende Darstellung für \hat H_0:

(\hat H_0)=\begin{pmatrix} E_1+W_{11} & W_{12} \\ W_{21} & E_2+W_{22} \end{pmatrix},\ \ \ \ \ W_{12}=W_{21}^*
  • Ist W12 = W21 = 0, so verschieben sich lediglich die Energieeigenwerte; die Eigenzustände bleiben gleich. Es gilt dann:
E_-=E_1+W_{11},\ \ \ \ \ E_+=E_2+W_{22}
\left|-\right\rangle=\left|1\right\rangle,\ \ \ \ \ \left|+\right\rangle=\left|2\right\rangle


Energie-Verschiebung im gestörten Zweizustandssystem
  • Im Falle W_{12}=W_{21}^*\neq0 vernachlässigen wir hier die Diagonalelemente (also: W11 = W22 = 0) und erhalten somit:
E_\pm=E_m\pm\sqrt{\Delta^2+|W_{12}|^2}
\left|+\right\rangle=\cos\frac{\theta}{2}\cdot e^{-\varphi/2}\cdot\left|1\right\rangle+\sin\frac{\theta}{2}\cdot e^{\varphi/2}\cdot\left|2\right\rangle
\left|-\right\rangle=-\sin\frac{\theta}{2}\cdot e^{-1\varphi/2}\cdot\left|1\right\rangle+\cos\frac{\theta}{2}\cdot e^{1\varphi/2}\cdot\left|2\right\rangle
Dabei wurden folgende Definitionen verwendet:
E_m=\frac{E_1+E_2}{2};\ \ \ \ \ \Delta=\frac{E_1-E_2}{2};\ \ \ \ \ \tan\theta=\frac{|W_{12}|}{\Delta};\ \ \ \ H_{12}=|H_{12}>\cdot e^{-i\varphi}
Man sieht, dass in diesem Fall die Energie-Eigenwerte so verschoben werden, dass ihr Abstand größer wird:
E +E > E2E1
Dieses Phänomen nennt man auch vermiedene Kreuzung, da die Energieniveaus ohne die Störung durch zwei sich kreuzende Linien dargestellt werden, während im gestörten System die Niveaus sich zwar annähern, aber nicht mehr kreuzen.
Beschreibung

Zeitentwicklung

Wird das System zum Zeitpunkt t = 0 im Eigenzustand \left|1\right\rangle präpariert, so bleibt es für alle Zeiten in diesem Zustand. Wird nun aber die Störung \hat W (mit nichtverschwindenden Nebendiagonal-Elementen) zugeschaltet, so ist die Wahrscheinlichkeit P12(t), das System zum Zeitpunkt t im Zustand \left|2\right\rangle zu finden, nicht mehr 0. Dies ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die Zustände \left|1\right\rangle und \left|2\right\rangle keine Eigenzustände des Systems mehr sind. Aus der etwas umfangreichen Rechnung erhält man:

P_{12}(t) = \frac{|W_{12}|^2}{|W_{12}|^2+\Delta^2}\cdot \sin^2\left[\frac{t\cdot\sqrt{|W_{12}|^2+\Delta^2}}{\hbar}\right]

Diese Oszillationen zwischen den Zuständen, wie sie auch die nebenstehende Abbildung zeigt, werden auch als Rabioszillationen bzw. als Rabiflops bezeichnet.

Siehe auch

Literatur

  • Claude Cohen-Tannoudji, Bernard Diu, Franck Laloë: Quantenmechanik 1/2. 2. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin – New York, S. 649 ff.

Weblinks


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