Zünfte

Zünfte

Eine Zunft – von althochdeutsch zumft „zu ziemen“ – bezeichnet eine ständische Körperschaft von Handwerkern, die im Mittelalter zur Wahrung gemeinsamer Interessen entstand und bis ins 19. Jahrhundert existierte. In den Zünften wurden die Regeln der jeweiligen Handwerksberufe aufgestellt und überwacht, beispielsweise Ausbildungsregeln, Arbeitszeiten, Produktqualität und Preise. Neben dieser wirtschaftlichen Funktion nahmen die Zünfte auch noch religiöse, soziale, kulturelle und militärische Aufgaben wahr. Alle Handwerker des Mittelalters mussten zur Berufsausübung in der Stadt Mitglied ihrer Zunft sein. Zünfte hatten ihren Sitz in größeren Orten oder dort, wo eine bestimmte Berufsgruppe besonders häufig anzutreffen war. Jede Zunft hatte ein Zunfthaus oder eine Zunftstube in der einmal im Jahr ein Zunftmahl stattfand.

Inhaltsverzeichnis

Begriff

In den Quellen des Mittelalters und der frühen Neuzeit wird der Zusammenschluss von Handwerkern neben dem heute gängigen Begriff Zunft auch als Gilde, Gaffel, Amt, Einung oder Innung bezeichnet.

Heute benennt die wissenschaftssprachliche Übereinkunft in Deutschland den Zusammenschluss von Handwerkern als Zunft und den Zusammenschluss von Kaufleuten seit dem Mittelalter und der frühen Neuzeit als Gilde. Wohingegen in England mit guild beides bezeichnet wird.

Geschichte

Die Anfänge sind im Hochmittelalter zu finden, als zahlreiche neue Städte gegründet wurden (Stadtgründungsphase) und die Handwerkszweige in den Städten sich stark spezialisierten. Urkundlich ist als erste Zunft die der Weber in Mainz bekannt. In den meisten deutschen Städten lag die Macht anfänglich nur in den Händen des städtischen Adels und der Ministerialen der Klöster, Bischöfe und Hochadligen. Später konnten sich auch die Fernkaufleute gewisse Rechte und politischen Einfluss erkämpfen. Die Vereinigung von Handwerkern zu Zünften, das heißt ihre Organisation innerhalb der Stadt, war während dieser Zeit oft stark eingeschränkt oder gar verboten. Ein Zusammenschluss einer Gruppe von Menschen oder eine „Verschwörung“, wie man das zeitgenössisch nannte, bedeutete in einer mittelalterlichen Stadt fast automatisch politische Einflussnahme. Die Gründung der Zünfte war deshalb in den meisten Städten mit einer so genannten „Zunftrevolution“ oder einem politischen Umschwung verbunden. In manchen Städten im Deutschen Reich gelang es den in den Zünften organisierten Handwerkern sogar, die politische Macht ganz oder teilweise zu erobern. In den Freien Reichsstädten galten häufig Zunftverfassungen, die mit Großem und Kleinem Rat, sowie dem Bürgermeister die Angelegenheiten der Stadt demokratisch regelten. So fanden in Pfullendorf jedes Jahr Wahlen statt. Diese Verfassung hatte Modellcharakter für viele Städte und galt in Pfullendorf von 1383 bis 1803. Auch Zürich hatte bis 1798 eine „Zunftverfassung“. Im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit verschwanden jedoch die meisten Zunftrepubliken unter dem Druck der Landesfürsten wieder und der politische Einfluss der Zünfte wurde wieder eingeschränkt oder ganz auf die Wirtschaft reduziert.

Die nicht in Zünften organisierten Handwerker gehörten zur sogenannten Meinheit. Sie hatten, im Gegensatz zu Gesellen, Knechten und Tagelöhnern, jedoch das Bürgerrecht.

Innere Erstarrung, verbunden mit der Aufhebung der Zunftverfassung und der Einführung der Handels- und Gewerbefreiheit nach der französischen Revolution, läutete das Ende der Zünfte ein. Mit dem Aufkommen von Manufakturen und der vorindustriellen Massenproduktion verloren die Zünfte zu Beginn des 19. Jahrhunderts an Bedeutung. Der Zunftzwang und die wirtschaftliche Macht der Zünfte wurde deshalb stark eingeschränkt oder ganz aufgehoben. In der Schweiz war die Beseitigung der Macht der Zünfte in den Stadtkantonen mit der erzwungenen politischen und wirtschaftlichen Gleichberechtigung der Landbevölkerung mit der Stadtbevölkerung um 1830 verbunden. Die modernen Nachfolger der Zünfte sind die Handwerkerinnungen. Mancherorts bestehen Zünfte noch als Handwerkervereinigungen mit reduzierten Aufgaben, folkloristische oder gesellschaftliche Vereine, z. B. in Zürich fort. Durch die Einführung der Gewerbefreiheit in den verschiedenen deutschen Gebieten wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts die Zünfte abgeschafft.

Gegen die Macht der Meister innerhalb der Zünfte bildeten die Gesellen ab dem Spätmittelalter eigene Gesellenvereinigungen.

Kultur

Aufgrund der engen Gemeinschaft bildeten sich eine gemeinsame Kultur und feste rituelle Handlungen heraus: Die Zunftversammlungen wurden in der Zunftstube vom Obermeister durch das Öffnen der Zunftlade, in dem sich die Zunftstatuten befanden, eröffnet. Im Spätmittelalter gründeten die Zünfte Singschulen, an denen schließlich der Meistergesang ausgebildet wurde.

Kodex

Für Zunftmitglieder galt ein Ehrenkodex. Bei Verstößen gegen diesen Kodex, dem unzünftigen Verhalten, konnte man die Mitgliedschaft verlieren. Als äußeres Zeichen des Ausschlusses wurde häufig ein zur Zunfttracht gehörender Ohrring – welcher als Entgelt für den Bestatter diente – aus dem Ohrläppchen gerissen. Das hierdurch entstehende Schlitzohr wurde sprichwörtlich zur Bezeichnung für listige, durchtriebene Menschen.

Beitritt

Um die Qualität der Handwerksarbeit hoch zu halten und um die Anzahl der Meister in einer Stadt in Maßen zu halten, wurden an den Zugang zur Meistertätigkeit hohe Anforderungen gestellt. Die Gesellen, die ihre Meisterprüfung ablegen wollten, hatten je nach Stadt, Zunft und historischer Zeit verschiedene Bedingungen zu erfüllen. Meist waren dies:

  • eine mehrjährige Gesellenwanderung (Wanderjahre) abschließen
  • ein Meisterstück auf eigene Kosten anfertigen
  • das Bürgeraufnahmegeld zahlen
  • sich einen eigenen Brustpanzer anfertigen lassen
  • verschiedene Beträge an die Zunft zahlen
  • für die Zunftkirche Wachskerzen kaufen
  • einen Hausbesitz oder das nötige Geld dazu vorlegen und
  • ein Mahl von mehreren Gängen für alle Meister der Zunft spenden.
  • außerdem musste er von ehrbarer Geburt sein, Eltern durften nicht von bestimmten unehrbaren Berufen stammen (regional verschieden) und im deutsch-slawischen Grenzgebiet musste der werdende Meister zudem deutsch sein.

Vielen Gesellen fehlte das nötige Kapital, um selbständig tätig zu werden.

Die Zunft umfasste sowohl die selbständigen Meister wie auch ihre Mitarbeiter, die Gesellen und Lehrlinge.

Zugang für Frauen und Juden

Nach Etienne Boileau, Prévôt von Paris, ist überliefert, dass von etwa hundert Handwerksberufen mindestens fünf reine Frauenberufe existieren, außerdem einige gemischte.

Für Paris finden sich Belege für reine Frauenzünfte:

„Gewerbe, in denen Frauen das Monopol hatten, waren auf der gleichen Basis organisiert wie die von Männern betriebenen, und den Branchen, in denen Männer und Frauen gleichermaßen tätig waren, traten Frauen zu den gleichen Bedingungen bei wie Männer und waren dem gleichen Reglement unterworfen.“

Eileen Power: Das Leben der Frau im Mittelalter. S. 76f

Für Köln findet sich ein Beleg für eine gemischte Zunft:

„Die Goldspinnerinnen waren mit einem Teil der Goldschläger zu einer Zunft vereinigt.“

Edith Ennen: Frauen im Mittelalter. S. 160

Daneben gab es weitere Zünfte, die Frauen als Zunftmitglieder akzeptierten wie z. B.: die Garnmacher, die Seidenweber und die Seidenmacher.

Als Familienangehörige waren Frauen an einigen Leistungen der Zünfte beteiligt, konnten aber meist keine Vollmitgliedschaft erwerben. (Nach: LexMA. Bd. IV., Sp. 865)

Starb ein Meister, musste die Witwe innerhalb von ein oder zwei Jahren erneut heiraten, ansonsten verlor sie die Werkstatt ihres Mannes. In einigen Städten war es auch möglich, dass die Witwe, wenn sie einen Sohn und Nachfolger besaß, das Geschäft bis zu dessen Mündigkeit weiterführte.

Für die Ausübenden eines bestimmten Berufszweiges bestand Zunftzwang. Juden war die Mitgliedschaft in einer Zunft verwehrt.

Soziologie

Die Zünfte bildeten ein soziales, ökonomisches und religiöses System zur Regelung von Rohstofflieferungen, Beschäftigungszahlen, Löhnen, Preisen, Absatzmengen bis hin zur Witwenversorgung. Sie bestanden teilweise aus mehreren Berufsgruppen und symbolisierten sich häufig durch Wappen und/oder Zunftzeichen und Zunftkleidung.

Die Zünfte schrieben ihren Mitgliedern häufig auch die Produktionsmethoden vor. Dadurch wehrten sie zwar einerseits Überproduktionen ab, andererseits verhinderten sie die Einführung neuer, produktiverer, gelegentlich weniger gesundheitsgefährdender Produktionstechniken. Dadurch garantierten sie ihren Mitgliedern ein standesgemäßes, „gerechtes“ Einkommen und den Verbrauchern durch Ausschaltung von Preiswettbewerb ein stabiles Preis-Leistungs-Verhältnis – allerdings auf hohem Preis-Niveau.

Regionale Besonderheiten

Die Zünfte beinhalteten im norddeutschen Raum Amt und Gilde, wobei das Amt die ständische Beteiligung am Rat der Stadt und die Tätigkeit als Zunftmeister beschrieb, Gilde in Form der genossenschaftlichen Versorgung eventuell eintretender Notstände gesichert wurde als auch den geselligen Teil, welcher aus dem zünftigen Morgentrunk Eingang fand in die Rituale des Gildefestes und Gilde-Kommerses, der mit dem studentischen Kommers nur die Bezeichnung gemeinsam haben.

Siehe auch

Literatur

  • Allgemeine Zunft-Ordnungen Für Samtliche, in denen Hochfürstlich-Baden-Badischen Landen angesessene Künstlere, Profeßionisten und Handwerkere. Rastatt 1769 (Digitalisat)
  • Berent Schwineköper (Hrsg.): Gilden und Zünfte. Kaufmännische und Gewerbliche Genossenschaften im frühen und hohen Mittelalter. Jan Thorbecke Verlag, Sigmaringen 1985, ISBN 3-7995-6629-5. 
  • Evamaria Engel: Die deutsche Stadt des Mittelalters. C.H. Beck, München 1993, ISBN 3-406-37187-6. 
  • Karl Heinrich Rau: Ueber das Zunftwesen und die Folgen seiner Aufhebung. Goeschen, Leipzig 1816 (Digitalisat)
  • Thomas Weyrauch: Handwerkerorganisationen in der vorindustriellen Stadt. VVB Laufersweiler, Wettenberg 1996, ISBN 3-930954-02-8. 
  • Thomas Weyrauch: Craftsmen and their Associations in Asia, Africa and Europe. VVB Laufersweiler, Wettenberg 1999, ISBN 3-89687-537-X. 
  • Rudolf Wissel: Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit. 2. Auflage. Bd. 1–3, Colloqium-Verlag, Berlin 1971, 1974, 1981. 
  • Arnd Kluge: Die Zünfte. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2007. 

Weblinks


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