Ägyptenfeldzug

Ägyptenfeldzug

Die Ägyptische Expedition (1798 bis 1801) bezeichnet einen französischen Feldzug nach Ägypten unter dem Kommando von Napoléon Bonaparte.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Ägypten zur Zeit Napoleons

Die 1517 von den osmanischen Türken unterworfenen Machthaber, die Mamluken, hatten seit dem 17. Jahrhundert ihre Macht in Ägypten allmählich wieder ausgebaut und die eigene Stärke durch neue Sklaven aus dem Kaukasus wieder verstärkt. Bald war der türkische Pascha nur noch der formale Repräsentant der schwindenden Macht des Sultans im fernen Konstantinopel, während Mamluken-Beys wieder hohe Verwaltungsposten einnahmen. Ab 1768 dann erhob sich Ali Bey zur Revolte. Er wurde von seinem eigenen Schwiegersohn geschlagen, doch nach dessen Tod stritten verschiedene Mamluken-Fraktionen um die Macht. (Abdarrahman Al-Gabarti beschreibt diese Kämpfe und die erste Phase der französischen Expedition in dem in der Literaturliste angeführten Buch ausführlich.)

Schließlich gelang es den miteinander verbündeten Mamluken-Emiren Murad Bey und Ibrahim Bey, 1790 die mit den Türken verbündeten Mamluken-Fraktion um Ismail Bey endgültig von der Macht zu verdrängen. Frankreich hatte somit gleich zwei formale Anlässe zum Eingreifen: Zum einen war das Königreich Frankreich seit 1536 Verbündeter des Osmanischen Sultans und konnte behaupten, dessen Autorität wieder herstellen zu wollen. Zum anderen konnte Frankreich seit der Französischen Revolution argumentieren, auch den Ägyptern die Freiheit vom Joch der feudalen Mamlukenherrschaft bringen zu wollen.

Ausgangslage

Nach der Hinrichtung König Ludwigs XVI. 1793 hatten fast alle Monarchien Europas, darunter Spanien, Portugal und die meisten deutschen und italienischen Staaten, Frankreich den Krieg erklärt. Großbritannien befand sich durch die französische Kriegserklärung vom 1. Februar 1793 ebenfalls im Kriegszustand. Die hohe Moral der Revolutionstruppen und das Geschick des jungen Feldherrn Napoléon Bonaparte sorgten jedoch für anhaltende militärische Erfolge der Franzosen.

1795 wurden die Niederlande von der französischen Armee besetzt und standen nun unter französischer Kontrolle. Preußen und Spanien schlossen im selben Jahr einen Friedensvertrag mit Frankreich. Unter französischem Druck erklärte Spanien im August 1796 Großbritannien sogar den Krieg. 1797 wurde der Frieden von Campo Formio zwischen Frankreich und Österreich geschlossen. Großbritannien war damit 1798 das einzige einflussreiche europäische Land, das sich noch im Krieg mit der französischen Republik befand. Zu seinen Verbündeten zählten nur noch Portugal, das wenig einflussreiche Königreich von Neapel-Sizilien und die Insel Malta. Russland verhielt sich neutral.

Die Entscheidung für Ägypten

Das Direktorium Frankreichs hatte nach den Erfolgen in Kontinentaleuropa eine Invasion Großbritanniens erwogen. Napoleon hatte deswegen zu Beginn des Jahres 1798 die nordwestlichen Küsten Frankreichs bereist, um die Möglichkeiten einer solchen militärischen Operation zu überprüfen. Er kam jedoch zu dem Schluss, dass eine solche Invasion nicht umsetzbar sei, da die Seestreitkräfte Frankreichs dafür nicht ausreichten, und teilte dies in einem Brief vom 23. Februar 1798 auch dem Direktorium mit. In demselben Brief schlug er zwei Alternativen vor: einen Angriff auf das Kurfürstentum Hannover oder eine Expedition in die Levante. Beide Angriffe würden das britische Königreich schwächen. Hannover war das Stammhaus des britischen Königs Georg I. Entsprechend französisch-preußischen Abkommen waren 1795 und 1796 jedoch "Neutralitätslinien" (Demarkationslinien) vereinbart worden, und Hannover lag in der preußischen Interessenssphäre. Ein Krieg im Nahen Osten aber würde sich negativ auf den britischen Handel mit Indien auswirken. Als erster Schritt dazu sollte zunächst das unter osmanischem Einfluss stehende Ägypten besetzt und die Engländer aus allen Besitzungen vertrieben werden, in die Napoleon vordringen konnte. Dies hätte eine Operationsbasis für eine militärische Operation gegen Indien geschaffen.

Charles de Talleyrand, damals Außenminister des Direktoriums, fand Napoleons Vorhaben überzeugend, weil ein Sieg leicht zu erringen zu sein schien: Ägypten wurde zwar von einem osmanischen Gouverneur regiert, dieser verfügte jedoch über keine türkischen Garnisonen. Der einzige Widerstand würde von den lediglich 10.000 Mamluken ausgehen. Deren militärische Stärke lag in der Kavallerie, die jedoch auf einem von Kanonen und Gewehren dominierten Schlachtfeld am Ende des 18. Jahrhunderts keine wirkliche militärische Bedeutung mehr hatte.

Geopolitisch gesehen war es eine Fortsetzung der französischen Expansion im Mittelmeerraum: Bereits seit 1768 gehörte Korsika und seit 1797 Korfu zum französischen Einflussgebiet. Für einige der Direktoriumsmitglieder war auch die Idee attraktiv, den politisch immer einflussreicher werdenden Napoleon außerdem für einige Zeit aus Paris fernzuhalten. Nach anfänglichem Widerstand billigte das Direktorium am 5. März 1798 gegen die Stimme von Paul Barras den Plan Bonapartes zu einem Feldzug in Ägypten. Napoleon erhielt den Auftrag, Ägypten zu besetzen und die Engländer aus allen Besitzungen zu vertreiben, „in die der General gelangen kann“. Er erhielt weiterhin den Befehl, die Landenge von Sues zu durchqueren, um eine französische Dominanz in der Region am Roten Meer zu erreichen. Im Sinne der Ideale der Französischen Revolution umfasste sein Auftrag auch die Anweisung, „das Los der Menschen in Ägypten zu verbessern“. Da Ägypten nominell zum Osmanischen Reich gehörte, sollte Außenminister Talleyrand nach einem entsprechendem Sieg nach Konstantinopel reisen, um mit dem türkischen Sultan Verhandlungen zu führen.

Die Vorbereitung der Expedition

Die Vorbereitungen für die Expedition waren verteilt auf Toulon, Marseille, Genua, Korsika und Civitavecchia und wurden im wesentlichen von Napoleons Stabschef Louis Berthier organisiert. Toulon fungierte dabei als Heimathafen für die Kriegsflotte, die das Übersetzen des französischen Heeres über das Mittelmeer begleiten sollte. Handelsschiffen wurde das Verlassen der Häfen von Toulon und seiner Umgebung verboten: So konnten sehr schnell genügend Transportschiffe bereitgestellt werden. 280 Handelsschiffe beförderten 28.200 Mann Infanterie, Ingenieure und Kanoniere sowie 2.800 Mann Kavallerie, 1.230 Pferde mit 60 Feld- und 40 Belagerungsgeschützen des französischen Expeditionsheers. 13 Linienschiffe, vier Fregatten und einige Kanonenboote unter dem Oberbefehl von François-Paul Brueys D'Aigalliers begleiteten diese Flotte. Dabei waren auch 150 Wissenschaftler und Forscher aus Frankreich.

Am 19. Mai verließ der erste Teil des Expeditionsheers den Hafen von Toulon. Napoleon war an Bord des Flaggschiffes L'Orient. Am 21. Mai schloss sich von Genua aus eine Flotte von 72 Schiffen an. Am 28. Mai stießen von Korsika her 22 Schiffe hinzu, am 30. Mai weitere 56 Schiffe, die von Civita Vecchia aus gestartet waren. Damit war das französische Expeditionsheer komplett und nahm Kurs in Richtung Sizilien. Bereits am 5. Juni umrundete es die Südspitze von Sardinien.

Verlauf

Schlacht bei den Pyramiden
„General Bonaparte in Kairo“ (Gemälde von Jean-Léon Gérôme)

Am 9. Juni traf die Flotte vor Malta ein. Tags darauf wurden französische Soldaten auf die Insel entsandt. Der Malteserorden unternahm keine Anstrengungen, gegen ein christliches Heer zu kämpfen. Am 11. Juni wurde an Bord der L'Orient das Kapitulationspapier unterschrieben. Napoléon hielt sich in Malta am 12. und 13. Juni an Land auf. Die Flotte segelte danach mit ihm weiter nach Ägypten und landete mit der gesamten Streitmacht bei Abukir. Am 2. Juli 1798 wurde Alexandria eingenommen. In der Schlacht bei den Pyramiden am 21. Juli 1798 etwas südlich von Gizeh wurde das türkisch-ägyptische Heer zusammen mit einer Mamluken-Eliteeinheit unter Mourad Bey und Ibrahim Bey, insgesamt rund 5.000 (zuzüglich 12.000 Diener bzw. Waffenträger), vernichtend in die Flucht geschlagen und Kairo sowie ganz Ägypten besetzt.

Allerdings wurde schon am 1./2. August 1798 die französische Flotte von den Briten unter Admiral Nelson in der Seeschlacht bei Abukir vollständig vernichtet, so dass die Verbindungswege nach Frankreich unterbrochen waren. Ein Aufstand in Kairo vom 22. bis 23. Oktober 1798 wurde von Napoleon niedergeschlagen.

Außenminister Talleyrand hatte unterdessen nicht, wie versprochen, Konstantinopel bereist. Das Osmanische Reich erklärte schließlich unter englischem Druck Frankreich den Krieg.

Im Februar 1799 führte Napoleon mit 14.000 Mann einen Feldzug nach Syrien zur Verteidigung der Eroberung Ägyptens gegen ein sich formierendes türkisches Heer. Die anfänglichen Erfolge in al-Arisch, Gaza, Hebron und Jaffa endeten vor der Stadt Akkon, die er vom 19. März bis Mai 1799 belagerte. Er scheiterte am englischen Kommodore Sidney Smith, der die militärische Führung der Stadt übernahm und eine Überzahl an Geschützen, Munition und Verpflegung besaß. Napoleon musste sich schließlich nach Ägypten zurückziehen, wo er am 25. Juli 1799 die Osmanen in der Schlacht von Abukir vernichtend schlug. Da sich die Lage in Europa dramatisch gegen ihn wandte, kehrte Napoleon am 22. August 1799 heimlich nach Frankreich zurück und überließ das Kommando in Ägypten General Kléber.

Kléber handelte zwar mit den Osmanen den freien Abzug aus Ägypten aus, doch als Großbritannien die bedingungslose Kapitulation forderte, wurde der Krieg wieder aufgenommen. Die Osmanen wurden am 20. März 1800 bei Heliopolis von Kléber vernichtend geschlagen und Kairo wieder besetzt. Allerdings wurde Kléber am 14. Juni 1800 in Kairo von einem Muslim ermordet. Sein Nachfolger Menou wurde von den 17.000 Mann starken britischen Truppen bei Abukir am 21. März 1801 und Ramanja am 9. April geschlagen. Am 31. August kapitulierte Alexandria, und die französischen Truppen mussten gegen freien Abzug Ägypten verlassen.

Nachwirkungen

Die Bedeutung der Ägyptischen Expedition liegt zum einen darin, dass die Vorherrschaft der Mamluken in der ägyptischen Gesellschaft durch die Niederlagen gegen die Franzosen schwer erschüttert war und dadurch der Aufstieg von Muhammad Ali Pascha ermöglichte wurde. Napoleons Reformen bestanden aus der Modernisierung der ägyptischen Verwaltung, der Einführung eines neuen Postdiensts, der Förderung des Baus von Windmühlen und der Bekämpfung der Beulenpest. Außerdem wurde der Buchdruck eingeführt und ganz Ägypten kartografiert.

Für die Wissenschaft

War die Expedition auch letztlich ein militärischer Fehlschlag, führte sie doch zu bedeutenden wissenschaftlichen Entdeckungen, da durch die an der Expedition teilnehmenden Wissenschaftler die altägyptische Kultur weithin bekannt wurde und so ein starkes Interesse an der Frühgeschichte geweckt wurde. Die Resultate dieser Forschungen wurden in der umfangreichen Text- und Bildsammlung "Description de l'Égypte" veröffentlicht. Bedeutendste einzelne Entdeckung war der Fund des Steins von Rosetta am 15. Juli 1799, der letztlich die Entzifferung der altägyptischen Hieroglyphen durch Jean-François Champollion ermöglichte.

Für Ägypten

Für die Mamluken war im neuen Ägypten kein Platz mehr. Murad Bey, der sich 1799 auf die Seite der Franzosen geschlagen hatte, starb 1801, seine Fraktion wurde mit britischer Hilfe zunächst von Alfi Bey weitergeführt. Ibrahim Bey hatte die Franzosen konsequent bekämpft und wurde nach dem britischen Sieg formal nochmals bis 1804 Statthalter, ehe er dem von den Türken entsandten Befehlshaber des albanischen Kontingents, Muhammad Ali Pascha (Statthalter seit 1805), unterlag. 1807 wurden auch Alfis Fraktion und die Briten geschlagen, 1811 dann schließlich alle restlichen Mamluken in einen Hinterhalt gelockt und auf Mehmet Alis Geheiß massakriert. Nur einigen Wenigen soll die Flucht nach Sudan gelungen sein.

Für Algerien

Ein weiteres Nachspiel hatte die Ägyptische Expedition in Algerien. Der Bey von Algier hatte Frankreich zur Finanzierung der Ägyptenexpedition, aber auch zur Finanzierung weiterer Kriege Napoleons drei Kredite gewährt. Nach dem Sturz des Kaisers verweigerten die französischen Könige die Rückzahlung. 1827 ließ der inzwischen ungehaltene Bey den französischen Gesandten einen Schlag mit dem Fliegenwedel verpassen, was Frankreich schließlich 1830 als Vorwand zur Eroberung Algiers diente. Zuvor hatte sich Frankreich in einem Abkommen mit Ägyptens Machthaber Muhammad Ali den Rücken gesichert.

Siehe auch

Literatur

  • Abdarrahman Al-Gabarti: Bonaparte in Ägypten. Aus der Chronik des Abdarrahman Al-Gabarti (1754–1829). Übersetzt von Arnold Hottinger. (Bibliothek des Morgenlandes, Band 21) Artemis, Zürich 1983, ISBN 3-7608-45320 (451 Seiten)
  • John Keegan: Intelligence in war. Knowledge of the enemy from Napoleon to Al-Qaeda. Pimlico, London 2004, ISBN 0-7126-6650-8 (engl.)
Keegan befasst sich in diesem militärgeschichtlichem Buch ausführlich damit, welche Informationen Nelson während der Verfolgung Napoleons zur Verfügung standen und wie diese die jeweiligen Entscheidungen beeinflussten.
  • Brian Lavery: Nelson and the Nile - The Naval War against Bonaparte 1798. Caxton Publishing Group, London 2003 ISBN 1-55750-640-X (engl.)
  • Jean Michalla: Ägypten. Gesundheitsdienst seit dem Feldzug Napoleons. Kölner medizinhistorische Beiträge, Forschungsstelle Robert-Koch-Straße, Köln 1989, ISBN 3-925341-50-1 (deutsch, 252 Seiten) Aktualisierte Online-Version
  • Melanie Ulz: Auf dem Schlachtfeld des Empire. Männlichkeitskonzepte in der Bildproduktion zu Napoleons Ägyptenfeldzug, Marburg, Jonas Verlag 2009, ISBN 978-3-89445-396-1

Weblinks



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