Łućo

Łućo

Merzdorf, obersorbisch Łućo, war ein Dorf im Kreis Hoyerswerda im Bezirk Cottbus und Verwaltungssitz der gleichnamigen, aus drei Dörfern bestehende Gemeinde. Bekanntheit erlangte das Dorf als Geburtsort des sorbischen Volksschriftstellers Jan Arnošt Smoler. Merzdorf wurde ab 1978 vom Tagebau Bärwalde überbaggert.

Inhaltsverzeichnis

Geographie

Am rechten Ufer des ursprünglichen Spreelaufs gelegen, war Merzdorf von einer weitläufigen, dünn besiedelten Heidelandschaft umgeben. Rund 1,5 Kilometer südwestlich des Straßendorfes lag Schöpsdorf, nach weiteren zwei Kilometern folgte Uhyst. Flussabwärts betrug die Distanz nach Bärwalde etwa zwei Kilometer. Rund vier bis fünf Kilometer von der ursprünglichen Ortslage ist Boxberg in nordöstlicher und Kringelsdorf in östlicher Richtung entfernt. Etwa zehn Kilometer in südöstlicher Richtung liegen Klitten und Jahmen.

Heute ist das Gebiet der ursprünglichen Ortslage rekultiviert, in etwa einem Kilometer Entfernung liegt das Nordwestufer des Bärwalder Sees.

Geschichte

Fachwerkkirche aus dem Jahr 1611
Merzdorfer Sühnekreuz

Ortsgeschichte

Archäologische Grabungen vor der Überbaggerung des Dorfes bargen einige Werkzeuge nacheiszeitlicher Jäger und Sammler, die der Alt- und Mittelsteinzeit zuordbar sind.

Die dauerhafte Wiederbesiedlung der Region um Hoyerswerda durch die Milzener und Lusitzer erfolgte wahrscheinlich vom Süden her ab dem 10. Jahrhundert. Für Merzdorf wird eine Besiedlung um 1200 angenommen, die im 14. Jahrhundert durch deutsche Einwanderer aus Schwaben in der Phase der zweiten deutschen Ostsiedlung erweitert wurde. Die urkundliche Ersterwähnung als Merteinsdorf erfolgt 1418 zusammen mit Schewbsdorf im Lahnbuch König Wenzels IV.

Um das Jahr 1500 hatte Merzdorf bereits eine Kirche, die damals noch Filialkirche von Klitten war. 1611 wurde die Kirche als Fachwerkkirche neu gebaut. In ihr waren die beiden Nachbardörfer Bärwalde und Schöpsdorf eingepfarrt.

Im Zuge des Wiener Kongresses gelangte Merzdorf 1815 an Preußen und wurde 1825 dem neu entstandenen Landkreis Hoyerswerda in der Provinz Niederschlesien zugeordnet. Die fast durchgängig sorbische bäuerliche Bevölkerung musste neben der Landwirtschaft zu dieser Zeit auf die Forstwirtschaft zurückgreifen. Der Landrat schrieb hierzu 1881 an die Regierung des Regierungsbezirks Liegnitz: „Die Gemeinden Bärwalde, Merzdorf und Schöpsdorf gehören mit zu den ärmsten Gemeinden des Kreises, die Ländereien daselbst bestehen größtenteils aus sehr leichten Sandböden und gewähren nur äußerst geringen Ertrag.“

Unter diesen Umständen verkauften viele Bauern Anfang des 20. Jahrhunderts ihre Ländereien an die Braunkohlegesellschaften, die im Lausitzer Revier tätig waren. Bis zum geplanten Grubenaufbruch war den Bauern die weitere Bewirtschaftung der Felder erlaubt. Die alte Fachwerkkirche wurde 1934 abgerissen und durch einen massiven Kirchbau ersetzt, der bereits 1935 geweiht werden konnte.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die Braunkohlegesellschaften enteignet und ihre Ländereien im Zuge der Bodenreform („Junkerland in Bauernhand“) neu verteilt.

Durch die Verwaltungsreform von 1952 lag die Gemeinde am südöstlichen Rand des Kreises Hoyerswerda. Die Kreise Weißwasser und Niesky lagen in unmittelbarer Nähe. Am 1. Januar 1957 wurden Bärwalde und Schöpsdorf nach Merzdorf eingegliedert. Auf diese Weise sollten sozialistische Strukturen gefestigt und die Kollektivierung der Landwirtschaft vorangetrieben werden.

Die Planung des Ortsabbruchs wurde am 16. Dezember 1969 in einer Einwohnerversammlung offiziell bekannt gegeben. Die Umsiedlung des Dorfes erfolgte in den Jahren 1975 und 1976. Das Sühnekreuz aus dem 14./15. Jahrhundert wurde 1977 kurz vor dem Ortsabbruch nach Bärwalde gebracht und dort aufgestellt. Am 19. Mai 1978 fand die letzte Gemeinderatssitzung der Gemeinde Merzdorf im Ortsteil Bärwalde statt. Am 1. Juli des gleichen Jahres wurde der – vom Tagebau nicht betroffene – Ortsteil Bärwalde wieder eine unabhängige Gemeinde. Im gleichen Jahr begann der Ortsabbruch Merzdorfs. Dessen Flur wurde der Gemeinde Bärwalde eingegliedert.

Schöpsdorf wurde bis 1981 umgesiedelt und anschließend überbaggert, die Flur wurde der südlichen Nachbargemeinde Uhyst angeschlossen.

Bevölkerungsentwicklung

Jahr Einwohner
1825 [1] 152
1840 [2] 175
1871 228
1885 219
1905 212
1925 240
1939 202
1946 234
1950 283
1964 497
1971 [3] 476
kursiv: Gemeinde mit Ortsteilen


Im Jahr 1777 wirtschafteten in Merzdorf 10 besessene Mann, 3 Gärtner und 14 Häusler.

Die erste Volkszählung, bei der jeder einzelne Einwohner gleichwertig gezählt wurde, erbrachte 1825 eine Ortsbevölkerung von 152 Einwohnern. Bis zur Reichsgründung im Jahr 1871 stieg die Einwohnerzahl auf 228, fiel danach bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts leicht ab. Arnošt Muka zählte um 1880 unter den 226 Einwohnern nur 9 Deutsche, die Sorben stellten mit 96 % die Bevölkerungsmehrheit.

Die relativ hohe Zahl von 240 Einwohnern zur Zeit der Weimarer Republik konnte bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nicht gehalten werden. Nach dem Krieg stieg die Einwohnerzahl durch Flüchtlinge und Vertriebene aus dem Osten wieder auf Vorkriegsniveau an und erreichte 1950 einen Stand von 283 Einwohnern.

Durch den Zusammenschluss von Bärwalde, Merzdorf und Schöpsdorf hatte die Gemeinde rund 500 Einwohner. War die Einwohnerzahl 1964 noch über der Summe der Einwohnerzahlen der drei Orte von 1950, so zeichnete sich 1971 eine rückläufige Tendenz ab.

Offiziell wurden im Zuge des Merzdorfer Ortsabbruchs 182 Personen in 72 Haushalten umgesiedelt. Der Großteil davon zog nach Hoyerswerda und Weißwasser, der Rest nach Bärwalde oder baute in anderen ländlichen Gemeinden, zumeist im Raum Uhyst/Boxberg, neue Eigenheime.

Ortsname

Der deutsche Ortsname ist 1418 als Merteinsdorf, 1429 als Mertensdorff (1473 mit -ss-) und bereits 1536 als Merzdorff belegt. Neben der heute gängigen Schreibweise Merzdorf (1597, 1768) ist im Jahr 1658 noch Mertzdorff nachweisbar. Wahrscheinlich geht der Name auf einen Marten, Merten oder Martin zurück, der vermutlich als Lokator eine Gruppe deutscher Siedler anführte.

Der sorbische Ortsname wird um 1400 als Lucze erwähnt, spätere Formen sind Wucżo (1767 in Christian Knauthes Derer Oberlausitzer Sorbenwenden umständliche Kirchengeschichte), Wuczo (1800) und Łućo (1843). Ernst Eichler gibt 1975 als mundartliche Aussprache wuč an,[4] was eine Erklärung dafür liefern könnte, dass der sorbische Name auf einer Ortstafel nur mit Łuć angegeben wurde. Der Name geht wahrscheinlich auf das sorbische Wort łut für ‘Linde, Lindenbast’ zurück.

Erinnerung

An der Stelle der früheren Ortslage erinnert heute ein Gedenkstein an das Dorf. In Bärwalde trägt die ursprüngliche Merzdorfer Straße noch immer diesen Namen, in der Hoyerswerdaer Neustadt wurden im Wohnkomplex 10 (bei Kühnicht) einige Straßen nach Dörfern benannt, die von Tagebauen im früheren Kreisgebiet devastiert wurden. Der Charakter der dortigen Merzdorfer Straße hat sich, seit um 2000 ein starker Wohnungsrückbau einsetzte, von einer Wohn- zu einer Durchgangsstraße geändert.

Quellen und weiterführende Literatur

Literatur

  • Günter Meusel et al.: Merzdorf. Aus der Geschichte eines kleinen Heidedorfes. Bautzen 1979. 
  • Frank Förster: Verschwundene Dörfer. Die Ortsabbrüche des Lausitzer Braunkohlenreviers bis 1993. In: Schriftenreihe des Instituts für sorbische Volksforschung in Bautzen. 8, Domowina-Verlag, Bautzen 1995, ISBN 3-7420-1623-7, S. 127–133. 
  • Von der Muskauer Heide zum Rotstein. Heimatbuch des Niederschlesischen Oberlausitzkreises. Lusatia Verlag, Bautzen 2006, ISBN 978-3-929091-96-0, S. 272. 

Fußnoten

  1. Merzdorf im Digitalen Historischen Ortsverzeichnis von Sachsen
  2. Frank Förster: Verschwundene Dörfer, S. 130
  3. Von der Muskauer Heide zum Rotstein, S. 272
  4. Ernst Eichler, Hans Walther: Ortsnamenbuch der Oberlausitz – Studien zur Toponymie der Kreise Bautzen, Bischofswerda, Görlitz, Hoyerswerda, Kamenz, Löbau, Niesky, Senftenberg, Weißwasser und Zittau. I Namenbuch. In: Deutsch-slawische Forschungen zur Namenskunde und Siedlungsgeschichte. 28, Akademie-Verlag, Berlin 1975, S. 134 f. 

Verweise

51.39444444444414.53757Koordinaten: 51° 24′ N, 14° 32′ O


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