Beobachtertechnik

Beobachtertechnik
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Die Beobachtung ist die zielgerichtete, aufmerksame Wahrnehmung von Objekten oder Vorgängen, ggf. unter Verwendung technischer Hilfsmittel. Sie ist ein Eckpfeiler der empirischen Sozialforschung.

Sie ist in der Wissenschaft eine grundlegende Methode der Erfahrungswissenschaft (neben z. B. dem Experiment). Beobachtungen sind empirische Grundlage von Daten. Die wissenschaftliche Beobachtung soll objektiv und wiederholbar sein.

Die Beobachtung als wissenschaftliche Methode ist von der naiven Alltagsbeobachtung zu unterscheiden: Die Alltagsbeobachtung ist tendenziell subjektiv und bedingt durch unmittelbare Bedürfnissen des Beobachters. Hingegen versucht die Wissenschaftliche Beobachtung, objektiv und systematisch zu sein. Um diese Systematik zu erreichen, bedarf es eines Beobachtungsplanes und einer Organisation des Beobachtungsprozesses, in denen festlegt wird,

  1. was von wem, wann und wo beobachtet wird,
  2. ob das Beobachtete und in welcher Form interpretiert wird, und
  3. wie das Beobachtete zu protokollieren ist.

Unter Umständen bedarf es einer intensiven Beobachterschulung.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines zur Beobachtung

Wissenschaftstheoretische Grundlagen

Die Beobachtung erfährt dementsprechend eine zentrale Aufmerksamkeit in der Wissenschaftstheorie (ausführlicher siehe dort). Es herrscht dort jedoch keine theoretische Einigkeit.

Bereits 1887 war (für die Soziologie) Ferdinand Tönnies und ausgearbeiteter dann in den 1930er Jahren der Wiener Kreis (für alle empirische Wissenschaft) davon ausgegangen, dass sich empirische Sätze („Protokollsätze“) und (von Axiomen abgeleitete) Theoriesätze trennen lassen. Protokollsätze halten demnach Beobachtungen fest, theoretische Sätze erlauben dann Fragestellungen an die Befunde und werden ggf. von diesen widerlegt.

Diese Annahmen wurden ab den 1940er Jahren u. a. durch Pierre Duhem und Willard Van Orman Quine, zurückgewiesen. Ihnen zufolge kann es keine theoriefreie Beobachtung geben („Duhem-Quine-These“). Man hat auch von einer Unterdeterminierung der Beobachtungsdaten bzw. Evidenz gesprochen. Im Kontext der Wahrnehmungstheorie hat dies eine Entsprechung in der Kritik u.a. von Wilfrid Sellars an einem „Mythos des Gegebenen“. Thomas Samuel Kuhn radikalisierte derartige Positionen zu der These, dass dann auch kein vollständig rationalisierbarer theorieübergreifender Disput über „rein empirische Beobachtungsdaten“ möglich sei.

Wissenschaftstheorien, die eine Objektivität der Wissenschaft nicht nur für unerreichbar, sondern das Streben danach für schädlich halten, beurteilen Beobachtungen nach anderen Vorgaben; Beispiele dafür reichen von einzelnen Theologien bis zu marxistisch beeinflussten Theorien.

Unterscheidungsmerkmale von Beobachtungen

  • Direkte und indirekte Beobachtung: direkte Beobachtung: Der Beobachtungsgegenstand wird unmittelbar zu einem bestimmten Zeitpunkt erfasst. indirekte Beobachtung: Der Beobachtungsgegenstand wird nicht zum Zeitpunkt des Geschehens erfasst, sondern nur dessen Spuren und Auswirkungen.
  • Vermittelte und unvermittelte Beobachtung: vermittelte Beobachtung: Verwendung eines Aufzeichnungsgerätes, zur Speicherung und späteren Analyse des Beobachtungsinhaltes. Mögliches Problem der medienspezifischen Selektion, mögliche Veränderung der ‚natürlichen‘ Situation. unvermittelte Beobachtung: Keine technischen Hilfsmittel bei der Beobachtung, lediglich Notizen werden angefertigt ggf. nachträglich. Ein mögliches Problem ergibt sich durch die selektiven Wahrnehmung des Beobachters.
  • Beobachtung enweder mit oder ohne Manipulation unabhängiger Variablen: mit Manipulation unabhängiger Variablen: Datenerfassung durch Beobachtung bei experimentellen und quasiexperementellen Designs. ohne Manipulation unabhängiger Variablen: reine Beobachtung.
  • Quantitative und qualitative Formen: Stark strukturierte Beobachtungsformen arbeiten eher quantitativ (etwa das Abzählen von Autos an einer Kreuzung, Erfassung der Passanten in einer Einkaufsstraße). Jedoch sind viele Beobachtungsverfahren eher qualitativ, etwa die (ggf. teilnehmende) Beobachtung eines Ethnologen eines Regentanzes in einer ‚fremden‘ Kultur oder die Beobachtungen eines Soziologen in einer Gerichtsverhandlung.

Beobachtung in der Sozialforschung insbesondere

Beobachtung ist neben der Befragung und der Inhaltsanalyse eine wichtige Methode der Sozialwissenschaften. Mit ihr soll soziales Verhalten erfasst werden. Beobachtung bezeichnet Methoden des systematischen Verfolgens von sozialer Interaktion unter Zuhilfenahme von eigenen Notizen, Protokollen oder medialer Aufzeichnungen.

Die Beobachtung wird differenziert nach

  • dem Grad der Strukturiertheit (unstrukturiert, teilstrukturiert, vollstrukturiert
  • dem Grad der Natürlichkeit der Beobachtungssituation (Feld oder Labor)[1]
  • danach, ob teilnehmend oder nicht-teilnehmend
  • danach, ob offen oder verdeckt

Strukturierte und unstrukturierte Beobachtung

  • unstrukturierten Beobachtung: Es werden nur ein grober Rahmen und Leitlinien, sowie nur wenige Beobachtungskategorien vorgegeben. Dadurch bleibt eine gewisse Flexibilität und Offenheit des Beobachters für den Beobachtungsgegenstand.
  • strukturierten Beobachtung: Es wird ein festes Beobachtungsschema angewandt. Hierfür muss ein Merkmals- oder Kategoriensystem erstellt werden.

Teilnehmende und nichtteilnehmende Beobachtung

   aktiv:  Der Beobachter ist in der Gruppe, die er beobachtet, selbst aktiv. Er besitzt eine Alltagsrolle im sozialen Feld.
   passiv: Eher unbedeutende Rolle im Feld, zum Beispiel die eines Besuchers.
  • nicht-teilnehmend Beobachtung: Der Beobachter beobachtet eine Gruppe bzw. die Personen ohne persönliches eingreifen. (z. B. Videoaufzeichnung).

Offene und verdeckte Beobachtung

  • offene Beobachtung: Der Beobachter gibt sich den Probanden als Beobachter zu erkennen. Ein mögliches Problem der offenen Beobachtung ist Reaktivität und das Auftreten sozialer Erwünschtheit.
  • Verdeckte Beobachtung: Der Beobachter gibt sich nicht als solcher zu erkennen. Eine verdeckte Beobachtungsmethode ist das Mystery Shopping. Die verdeckte Beobachtung wirft besonders nachdrücklich wissenschaftsethische Fragen auf.

Mischformen

Hier sind einige Mischformen hervor zu heben:

  • Offen nicht-teilnehmende Beobachtung: Der Beobachter gibt sich gegenüber seinen Interaktionspartnern zu erkennen, nimmt aber nicht an der Situation teil (Videoaufzeichnung).
  • Offen teilnehmende Beobachtung: Der Beobachter nimmt an der Situation teil und gibt sich auch gegenüber seinen Interaktionspartnern als Beobachter zu erkennen.
  • Bei der verdeckt nicht-teilnehmenden Beobachtung: Der Beobachter versucht, unbemerkt zu bleiben und nicht einzugreifen.
  • Verdeckt teilnehmende Beobachtung: Der Beobachter gibt sich gegenüber seinen Interaktionspartnern nicht als solcher zu erkennen (Spionagemethode mit Undercover-Agent oder berühmten Beobachtungen von Günter Wallraff). Die wissenschaftsethische Frage wird hier völlig offenkundig; verdeckt teilnehmend beobachtet auch der Geheimagent oder der Kriminelle, der einen Banküberfall vorbereitet.

Feldbeobachtung und Laborbeobachtung

  • Feldbeobachtung: die Beobachtung erfolgt in einer natürlichen sozialen Situation. Die Feldbeobachtung ermöglicht die langfristige Untersuchung der Auswirkungen von nicht durch den Beobachter manipulierbare Variablen und im Rahmen eines komplexen sozialen Geschehens.
  • Beobachtung im Labor: Die Beobachtung erfolgt in einer künstlich hergestellten Situation.

Zu einzelnen sozialwissenschaftlichen Fächern

Ethnologie

Wo die Befragung große Probleme aufwirft, etwa wenn Forscher und Erforschte unterschiedlichen Kulturen angehören, ist die Beobachtung der Königsweg zur Erforschung von sozialem Handeln und Verhalten

Soziologie

Dies gilt auch für die Soziologie, wenn der Forschungsgegenstand heikel ist oder Forscher und Erforschte einander stark milieufremd sind.

In der Soziologie spielt der Begriff „Beobachtung“ als anders gefasster Fachbegriff in der Systemtheorie eine Rolle - siehe Beobachtung (Systemtheorie).

Psychologie

In der Psychologie wird eigens zwischen Fremd- und Selbstbeobachtung unterschieden. Bei der Fremdbeobachtung werden fremde Verhaltensweisen beobachtet, bei der Eigen- und Selbstbeobachtung (auch Introspektion) werden eigenes Verhalten, eigene Gefühle und Gedanken beobachtet.

Literatur

  • Diekmann, Andreas: Empirische Sozialforschung. 17. Aufl. Rowohlt, Reinbek 2007, S. 456 ff., ISBN 3-499-555514
  • Gehrau, Volker: Die Beobachtung in der Kommunikationswissenschaft, UVK, Konstanz 2002, ISBN 978-3-8252-2355-7.

Einzelnachweise

  1. R. König (1962): Beobachtung und Experiment in der Sozialforschung>

Weblinks


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