Berufsheer

Berufsheer

Eine Berufsarmee ist eine Armee, deren Personalbestand nicht aus Wehrpflichtigen, sondern aus Zeit- und Berufssoldaten auf freiwilliger Basis besteht.

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Berufsheer

Häufig werden die Begriffe Berufsheer und Berufsarmee synonym benutzt. Der Begriff Heer bezieht sich im eigentlichen Wortsinn auf die Landstreitkräfte. Diese bilden mit den Luft- und Seestreitkräften, auch Luftwaffe und Marine genannt, die Gesamtstreitkräfte.

Vorteile

Der Vorteil einer Berufsarmee gegenüber einer Wehrpflichtigenarmee ist der auf zeitgemäße Anforderungen besser zu optimiernde Ausbildungsstand der Soldaten. Hinzu tritt die Senkung der Fluktuation in spezialisierten Aufgabenbereichen, was gegenüber Wehrpflichtarmeen das Ansammeln von Erfahrungswissen und die Fortentwicklung von „Best Practises“ deutlich fördert. Der klassische Vorteil der Wehrpflichtigenarmee, eine größere Zahl an Soldaten, hat spätestens in der Zeit nach dem Kalten Krieg – zumindest für entwickelte Industriestaaten – an Bedeutung verloren, da sich sowohl die modernen Kriegsszenarien und Konfliktbilder als auch die politisch vorgegebenen Aufgaben der Streitkräfte nachhaltig verändert haben. Gleichbedeutend in diesem Wandel sind rüstungstechnische Entwicklungen vor allem im Bereich der Informationstechnik.

Vorteile einer Berufsarmee sind

  • höhere Professionalität und Kompetenz in der internationalen Konfliktbewältigung
  • schnellere Verfügbarkeit
  • keine Gleichberechtigungs- und Gleichbehandlungsprobleme, wenn der Zugang Männern und Frauen offen steht
  • eine höhere Bewertung des Humankapitals, da Berufssoldaten knapper sind, eine höherwertige Ausbildung genossen haben und sie und ihre Angehörigen über eine bessere Versorgung verfügen
  • Obwohl eine Berufsarmee als ökonomisch bessere Lösung angesehen wird ([1]) und auch besser zu den Prinzipien einer Marktwirtschaft passt, ist zumindest umstritten, ob eine Professionalisierung und eine damit ermöglichte Umfangsreduzierung tatsächlich zu einer geringeren Belastung von Haushaltsmitteln führt.

Kernpunkte der Diskussion zum heutigen Zeitpunkt sind:
Umfangszahlen und damit Personalkosten: Strittig ist, ob die aus Rekrutierungsgründen allgemein für notwendig erachtete Attraktivitätssteigerung einschließlich eventuell notwendiger Werbeaufwendungen die zu erwartenden Einsparungen bei (geringbesoldeten) Wehrpflichigen aufzehren oder nicht.
Ausrüstungsfragen: Beachtliches Einsparpotenzial liegt im Bereich des für Ausbildungszwecke benötigten Gerätes. Denn der auszubildende Regenerationsbedarf einer Berufsarmee bedingt einen deutlich geringeren Aufwand als die umfängliche Rekrutenausbildung einer Wehrpflichtarmee.
Liegenschaften: Eine weitere Verringerung der Standorte wegen geringerer Umfangszahlen, die Aufgabe überflüssiger Aus- und Weiterbildungseinrichtungen und die unter Experten notwendig erachtete Verschlankungen der Führungsorganisation lassen eine erhebliche Senkung der sich daraus ergebenden Betriebskosten erwarten.

Nachteile

Nachteilig wirken sich aus

  • eine tendenziell niedrigere politische Hemmschwelle vor dem Einsatz der Armee, da „nur“ freiwillige Soldaten betroffen sind und weil der potenziell betroffene Kreis der Wahlbürger aus dem sozialen Umfeld der Soldaten marginalisiert wird
  • die weniger kontrollierbare Herausbildung und Verstärkung eines ausschließlich an sogenannten „soldatischen Tugenden“ orientierten Korpsgeistes mit Tendenzen zur Verselbständigung und damit möglicherweise einhergehender Verlust politischer und gesellschaftlicher Kontrolle (Staat im Staate). Dieser Kritikpunkt wird aber dadurch invalidiert, dass Wehrpflichtige keinerlei Einflussnahme auf die Strukturen innerhalb der Armee haben.
  • steigender Aufwand für die Nachwuchswerbung und Besoldung, um die Attraktivität des Soldatenberufes gegenüber den zivilen Berufsfeldern konkurrenzfähig zu gestalten
  • Verlust der schnellen Aufwuchsfähigkeit der Armee bei unvorhergesehenen Bedrohungen des Staatsgebietes, was aufgrund der heutzutage technisch anspruchsvollen Waffen ebenfalls von zunehmend niedrigerer Bedeutung ist, da Wehrpflichtige nicht den Umgang mit modernen Waffensystemen erlernen.
  • Armee wird leichter zum Sammelbecken sozial und wirtschaftlich gescheiterter Existenzen

Beispiel USA

Ein gutes Beispiel für die kontroversen Erfahrungen mit einer Berufsarmee sind die USA. Prinzipiell galt und gilt in den USA Wehrpflicht. Während des Vietnamkrieges jedoch kam es zu Demonstrationen gegen den Krieg und die Regierung, große Teile der Bevölkerung (zumeist junge, wehrpflichtige) standen gegen den Staat auf. Aus Angst, nach Vietnam geschickt zu werden, versuchten (wie bereits im Verlauf des Zweiten Weltkrieges) viele junge Männer auszuwandern, ein Studium zu beginnen, der Nationalgarde beizutreten oder unterzutauchen, so dass es an Rekruten mangelte.

Seitdem wurde die Wehrpflicht in den USA „ausgesetzt“. Die USA etablierten eine Berufsarmee, die heute als die schlagkräftigste der Welt angesehen werden muss. Doch seit Beginn des zweiten Irak-Krieges mangelte es den Streitkräften wieder an Rekruten. Immer aufwendigere Kampagnen sind nötig, um die Soll-Stärke der Armee zu erreichen.

Trotzdem ist die gesellschaftliche Bindung der US-Armee ausgesprochen hoch und beispielsweise deutlich höher als bei der Bundeswehr in der Bundesrepublik Deutschland. Während hier ein "wohlwollendes Desinteresse" vorherrscht (Zitat von Bundespräsident Horst Köhler), gelten US-Soldaten in den USA tendenziell als Helden und genießen durch den vorherrschenden starken Patriotismus ein hohes Ansehen.

Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht wird zwar immer wieder diskutiert, gilt aber bislang als unwahrscheinlich.

Als Beispiel für Nachteile der US-Armee können entsprechend den oben aufgeführten Punkte folgende Entwicklungen aufgeführt werden. Heftige Proteste gegen den Irakkrieg wie zu Zeiten des Vietnamkrieges blieben bislang aus. Es gab zwar Proteste, doch sind diese sehr viel verhaltener als während des Vietnamkrieges. Allerdings bleiben die Verlustzahlen des Irakkrieges mit bisher (Stand November 2008) mehr als 4 200 Gefallenen[1] (die im Irak eingesetzten und umgekommenen Söldner sind hier nicht enthalten) auch weit hinter den 58.226 des Vietnamkrieges zurück.

Zur Problematik eines „Staates im Staate“ gibt es etliche Symptome: z.B. die ungeklärten Fragen zur Guantanamo-Bucht, dem Folterskandal im berüchtigten Abu-Ghuraib-Gefängnis etc. Jedoch muss darauf hingewiesen werden, dass auch die Wehrpflicht nicht vor derartigen Verfehlungen schützt. So steht das Massaker von My Lai für eines der schlimmsten Kriegsverbrechen der amerikanischen Wehrpflichtarmee während des Vietnamkrieges.

Geschichte

Die erste vergleichbare Berufsarmee moderner Ausprägung war die Armee im römischen Reich, die durch Gaius Marius im Jahr 104 v. Chr. gegründet wurde. Nach dessen Niedergang kam es erst im späteren Mittelalter in Europa zur Aufstellung kleinerer stehender Verbände, im Auftrag der Städte zur Sicherung der Handelswege. Diese Verbände rekrutierten sich zumeist aus verarmten Rittern, denen sich so eine Verdienstquelle eröffnete.

Die Söldnerheere des späten Mittelalters und der Neuzeit können teilweise als Berufsarmeen angesehen werden, teilweise sind sie jedoch durch Zwangsrekrutierungen aufgestockt worden. Gleiches gilt für die Armeen im Dienste der Fürsten, Grafen und Herzöge im 17. und 18. Jahrhundert. Aufgrund der fehlenden Finanzmittel waren hier nur die Offiziere und Unteroffiziere Berufssoldaten, Mannschaften wurden generell zwangsverpflichtet. Die Repressionen und teilweise grausame Durchsetzung von Disziplin und Gehorsam hatte ungünstige Auswirkungen auf die Kampfkraft der Truppen im Vergleich mit aus Freiwilligen bestehenden Verbänden. Dies trat besonders im Aufeinandertreffen von Napoleonischen Truppen und preußischer Armee in der Schlacht von Jena und Auerstedt zu Tage, die mit der Zerschlagung der zahlenmäßig überlegenen preußischen Armee endete. Ein gutes Beispiel für die Unterschiedlichkeit in der Kampfmoral zwischen den als Stehendes Heer zu bezeichnenden Heeres und einer aus Freiwilligen bestehenden Truppe bildet die unter dem damaligen Kommandanten der Festung Kolberg (heute polnisch Kołobrzeg) Hauptmann Gneisenau, dessen Truppe aus zahlreich frisch rekrutierten Freiwilligen bestand. Diese Festung wurde noch lange nach der Schlacht von Jena und Auerstedt gehalten und musste erst als die Verpflegung und Munition aufgebraucht war, im Jahre 1807 aufgegeben werden.

Dem französischen Beispiel folgend wurde ab 1812 in vielen Armeen die Wehrpflicht eingeführt. Bis zur Beendigung des Kalten Krieg in den 1990er waren Berufsarmeen eher selten, da die Militärstrategen eine große Armee als wichtiger ansahen als eine sehr gut ausgebildete kleine, aber schlagkräftigere Truppe. Nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ wurden die europäischen Armeen Schritt für Schritt verkleinert und Mitte der 1990er wurde als erstes in Belgien auch konsquenterweise auf die Wehrpflichtigen verzichtet.

Verbreitung

Die Freiwilligen - und Berufsarmee ist inzwischen die Standardarmee der meisten NATO-Staaten (20 von 26) [2] und auch der meisten Länder der freien Welt.

Nachdem nun auch Polen die Umwandlung seiner Armee in eine Freiwilligen und Berufsarmee angekündigt hat, ist Deutschland zusammen mit der Türkei die letzte bedeutende Militärmacht der NATO, die noch an der Wehrpflicht festhält.

Quelle

  1. http://www.michaelmoore.com/takeaction/deaths.php (Abgerufen am 17.November 2008)

Siehe auch


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