Berührungsbahnhof

Berührungsbahnhof
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Bahnhofsgebäude von Ilmenau (Thüringen) aus den 1870er Jahren
Das Empfangsgebäude des Bahnhofes von Munderkingen
Ein zum Haltepunkt zurückgebauter Bahnhof (Schnaittach)
Bürgerbahnhof Landsberg, 2005 erster privatisierter Bahnhof Deutschlands und Bahnhof des Jahres 2007

Ein Bahnhof (abgekürzt Bf oder Bhf) ist eine Verkehrs- und Betriebsanlage einer Bahn, zum Beispiel einer Eisenbahn.

Inhaltsverzeichnis

Definitionen und Benennungen

Der Begriff Bahnhof wird in verschiedenen Bedeutungen verwendet:

„Bahnhöfe sind Bahnanlagen mit mindestens einer Weiche, wo Züge beginnen, enden, ausweichen oder wenden dürfen.“
Damit gehört in Deutschland der Bahnhof als Betriebsstelle zur Gruppe der Zugmeldestellen.
  • Nach der österreichischen Definition muss ein Bahnhof nicht unbedingt eine Weiche, jedoch Signale aufweisen:
„Bahnhöfe sind Betriebsstellen, in denen Züge beginnen, enden, oder einander ausweichen können. Bahnhöfe werden von Einfahrsignalen oder Trapeztafeln begrenzt…“[1]
  • Umgangssprachlich ist ein Bahnhof eine Anlage, an der Reisende Züge besteigen oder verlassen dürfen, Güter auf Züge ver- oder von diesen entladen oder Züge neu zusammengestellt oder umgruppiert werden.
  • Umgangssprachlich ist ein Bahnhof auch das Bahnhofsgebäude, das jedoch in der Fachsprache als Empfangsgebäude (in der Schweiz und in Österreich: Aufnahmegebäude) bezeichnet wird.
  • Haltepunkte bei U-Bahnen werden – sowohl von den Verkehrsbetrieben, als auch umgangssprachlich – z. T. ebenfalls als Bahnhöfe bezeichnet. Somit sind viele umgangssprachlich „Bahnhof“ genannte Anlagen aus betrieblicher Sicht Haltepunkte.

Bahnhof und Haltepunkt

Nach der obigen Definition ist in Deutschland eine Zugangsstelle zum Zug ohne Weiche kein Bahnhof, sondern ein Haltepunkt auf freier Strecke zwischen zwei Bahnhöfen oder als Streckenendpunkt mit nur einem Stumpfgleis. Der Unterschied zwischen einem Bahnhof und einem Haltepunkt ist für Fahrgäste u. A. im Fall einer punktuellen Streckensperrung bedeutsam – normalerweise wird dann der Verkehr auf der Schiene bis zu den nächstgelegenen Bahnhöfen aufrechterhalten. Bahnhöfe und Haltepunkte gehören zu den Bahnanlagen.

Dem deutschen Haltepunkt entspricht die österreichische Haltestelle. In Deutschland wiederum ist eine Haltestelle ein Haltepunkt, der mit einer Abzweigstelle oder einer Anschlussstelle zusammenfällt.

Ebenso, wie Bahnsteige nicht unbedingt eines Bahnhofs bedürfen (die oben genannten Haltepunkte auf der freien Strecke), gibt es andererseits Bahnhöfe, die keinen Reisendenzugang (Bahnsteige und Empfangsgebäude) haben. Neben Güterbahnhöfen gibt es dabei Bahnhöfe, die ausschließlich eisenbahnbetrieblichen Funktionen dienen, insbesondere der Zugbildung und Auflösung von Zügen, der Zugkreuzung und dem Überholen von Zügen. Dient ein solcher Bahnhof auf Grund der Fahrplanlage vornehmlich einer dieser Funktionen, spricht man auch von einem Betriebsbahnhof, speziell Rangierbahnhof oder Überholbahnhof.

Hauptbahnhof

Gibt es mehrere Bahnhöfe an einem Ort, von denen einer den anderen betrieblich übergeordnet ist oder das zumindest historisch einmal war, wird dieser häufig als Hauptbahnhof bezeichnet. Dieser liegt meistens – aber nicht notwendigerweise – an zentraler Stelle im Ort und ist verkehrstechnisch gut erschlossen, insbesondere als zentraler Verknüpfungspunkt verschiedener Zuglinien.

Namensgebung

Bahnhöfe werden meistens nach dem Ort oder Ortsteil benannt, in dem sie sich befinden. Nach Eingemeindungen oder Umbenennungen können jedoch auch historische Namen erhalten bleiben. Kopfbahnhöfe von Eisenbahnstrecken waren in Deutschland oft nach dem Endpunkt der in diesem Bahnhof beginnenden Strecke benannt. So hieß zum Beispiel der in Berlin gelegene Bahnhof der Berlin-Görlitzer Eisenbahn Görlitzer Bahnhof. In anderen Ländern ist diese Praxis noch beibehalten worden.

In ländlichen Gebieten bestehen manchmal Doppelnamen für den gemeinsamen Bahnhof zweier davon jeweils in etwa gleicher größerer Entfernung liegender Orte.

In Orten mit mehreren Bahnhöfen bestehen hierfür verschiedene Bezeichnungsmöglichkeiten, neben dem (nicht immer) vorhandenen Hauptbahnhof benannt zum Beispiel nach:

  • betrieblicher Bahnhofsart (Personen-, Güter-, Rangierbahnhof usw.)
  • Himmelsrichtungen im Ort: vielerorts gibt es jeweils einen Nordbahnhof, Ostbahnhof, Südbahnhof und/oder Westbahnhof
  • Stadtteilen, Vororten oder eingemeindeten Orten, und zwar bestehend aus:
    • dem vorangestellten Namen des Hauptortes und nachfolgendem Namen des Ortsteiles (in manchen Ländern mit und in anderen Ländern ohne Bindestrich) oder
    • nur dem Namen des Ortsteiles
  • Straßennamen
  • Eigennamen von beim Bahnhof befindlichen Einrichtungen oder Unternehmen
  • Namen von Persönlichkeiten
  • in der ehemaligen Sowjetunion neben den vorerwähnten Möglichkeiten auch durchgehende römische Nummerierung, die jedoch nicht von der Art und Wichtigkeit der Bahnhöfe abhängt (beispielsweise im Eisenbahnknoten Pensa fünf Bahnhöfe mit den Bezeichnungen Penza I bis Penza V).

Personal

Die verantwortliche Gesamtleitung des Verkehrs- und Betriebsdienstes lag vor Zeiten in einer Hand, dem sog. „Bahnhofsvorstand“. Diese Funktion gibt es per Definition seit Jahrzehnten nicht mehr. Bei den deutschen Bahnen war der „Bahnhof“ einerseits eine Begrifflichkeit aus dem behördlichen Organisationsgefüge. In diesem Sinne war der „Bahnhof“ als Dienststelle eine unmittelbare Bundesbehörde, die betrieblich zumeist aus mehreren „Bahnhöfen“ (im betrieblichen Sinne) bestand. Diese Stelle wurde von einem Dienststellenleiter geführt, einem Beamten zumeist des gehobenen Dienstes mit polizeilichen Befugnissen. Insofern gibt es den Begriff „Bahnhof“ nach der Auflösung der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn nur noch im betrieblichen Sinne der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO). Kommerzielle, technische und betriebliche Aufgaben sind heute in verschiedenen Händen. Einheitlich steht der Bahnhof unter der gesetzlichen Begrifflichkeit der Bahnanlage, die dem Hausrecht eines Infrastrukturunternehmens untersteht. Betrieblich ist der Bahnhof zumeist eine Zugmeldestelle, die nach den gesetzlichen Bestimmungen stets mit einem verantwortlichen Fahrdienstleiter besetzt sein muss. Im Zuge der technischen Entwicklung ist der Fahrdienstleiter allerdings immer öfter nicht mehr örtlich anzutreffen, sondern regelt den Verkehr ferngesteuert als Mitarbeiter einer Betriebszentrale, als Zugleiter oder als Bediener ferngesteuerter Bahnhöfe.

Bahnhofsarten

Lageplan des historischen Berliner Bahnhofs in Hamburg
Historischer Kopfbahnhof: Görlitzer Bahnhof in Berlin (1928)

Die Bezeichnung von Bahnhöfen werden unterschieden nach betrieblichen Bedeutung, nach ihrer baulichen Anordnung der Gleis- und sonstigen Anlagen und nach ihrer verkehrlichen Funktion.

Unterscheidung nach betrieblicher Bedeutung

Kopfbahnhof

Die geschichtlich älteste Bauweise ist der Kopfbahnhof oder Sackbahnhof. Hierbei enden eine oder mehrere Eisenbahnstrecken in Kopfgleisen, eine Durchfahrt ist nicht möglich, siehe auch Liste der Kopfbahnhöfe.

Endbahnhof

Der Endbahnhof ist dem Kopfbahnhof sehr ähnlich, im Gegensatz zu diesem bietet er die Möglichkeit der Durchfahrt durch den Bahnhof und Gleiswechsel am Kopfende, z. B. der historische Berliner Bahnhof in Hamburg.

Durchgangsbahnhof

Die häufigste Bahnhofsbauart ist der Durchgangsbahnhof. Hierbei durchlaufen eine oder mehrere parallele durchgehende Strecken das Bahnhofsgelände, erhalten dort Gleisverbindungen und erweitern sich gegebenenfalls durch zusätzliche Bahnhofsgleise, z. B. Wuppertal Hbf, Bern HB, Innsbruck Hbf.

Das Empfangsgebäude liegt meistens seitlich zum Gleisfeld und ist mit den Bahnsteigen durch Unter- oder Überführungen verbunden.

Trennungsbahnhof

Von hoher betrieblicher Bedeutung ist der Trennungsbahnhof, dieser ist im Grunde genommen auch wieder ein Durchgangsbahnhof, in dem auf einer Seite des Bahnhofs mindestens eine Strecke abzweigt (z. T. auch neu beginnt), z. B. Essen Hbf, Bahnhof Arth-Goldau, Bahnhof Gießen.

Kreuzungsbahnhof

Von einem Kreuzungsbahnhof spricht man, wenn ein beidseitiger Trennungsbahnhof vorliegt, dies ist insbesondere der Fall, wenn sich mindestens zwei Strecken niveaugleich in einem Bahnhof kreuzen, z. B. Duisburg Hbf, Neuss Hbf.

Berührungsbahnhof

Ein sehr seltener Typ ist der Berührungsbahnhof, der aus (mindestens) zwei verschiedenen, betrieblich nicht miteinander verbundenen Durchgangsbahnhöfen besteht, z. B. Bahnhof Landquart und Berlin Hauptbahnhof.

Zur Zeit der ehemaligen privaten Eisenbahn-Gesellschaften war Bahnhof Mülheim-Eppinghofen ein Berührungsbahnhof der Bergisch-Märkischen Eisenbahn-Gesellschaft und der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft.

Anschlussbahnhof

Bei einem Anschlussbahnhof liegt ein Durchgangsbahnhof an einer Hauptstrecke vor, an den ein Kopf- oder Endbahnhof einer Anschlussbahn angeschlossen ist, wobei eine betriebliche Verknüpfung in der Regel nicht vorgesehen ist, insbesondere bei unterschiedlichen Spurweiten, daher ist ein Umsteigen bzw. Umladen der Fracht zwingend erforderlich.

Spurwechselbahnhof

Ein Spurwechselbahnhof ist ein Anschlussbahnhof, der in der Regel aus zwei Endbahnhöfen verschiedener Spurweite besteht. Rollendes Material mit der Möglichkeit zum Umspuren der Fahrgestelle ersparen dabei das Umsteigen bzw. Umladen der Fracht. Beispiel für Umspurbahnhof: Brest Passaschyrski, Beispiel für Umladebahnhof: Galaţi Transbordare (wörtliche deutsche Übersetzung: Umladen) in Rumänien.

Unterscheidung nach baulicher Anordnung

Reiterbahnhof

Bei einem Reiterbahnhof ist das Empfangsgebäude quer über das Gleisfeld gebaut, z. B. Hamburg Hbf oder Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe, sowie Bahnhöfe, bei denen die Gleise über dem Empfangsbereich liegen, z. B. Köln Hbf.

Keilbahnhof

Auch selten, aber etwas häufiger anzutreffen ist der Keilbahnhof, die Strecken werden bei diesem nur auf einer Seite des Bahnhofs betrieblich verknüpft oder zusammengeführt.

Das Empfangsgebäude liegt hierbei meist mittig zwischen den sich trennenden Strecken, z. B.: Bahnhof Göschwitz (Saale), Döbeln Hauptbahnhof, Bahnhof Wuppertal-Vohwinkel.

Beim Hamburger Hauptbahnhof befindet sich das Empfangsgebäude quer über den Bahnsteigen (siehe Abschnitt Reiterbahnhof). Die Strecken Richtung Harburg (Bahnstrecke Wanne-Eickel–Hamburg, Bahnstrecke Hannover–Hamburg und Bahnstrecke Berlin–Hamburg) bzw. Berliner Tor (Bahnstrecke Lübeck–Hamburg und S-Bahn Hamburg) zweigen noch innerhalb der Bahnsteige auseinander, auf der anderen Seite werden sie in der Hamburg-Altonaer Verbindungsbahn zusammengeführt.

Inselbahnhof

Bei einem Inselbahnhof wird das Empfangsgebäude komplett von den Gleisanlagen umschlossen, z. B. Halle (Saale) Hbf oder Bahnhof Minden (Westfalen).

Turmbahnhof

Ein Turmbahnhof ist aus betriebstechnischer Sicht meist ein Berührungsbahnhof, wobei sich die Strecken niveaufrei kreuzen, z. B. Berlin Hbf. Osnabrück Hbf ist aus betriebstechnischer Sicht im Prinzip ein Kreuzungsbahnhof, da beide Strecken über Verbindungsstrecken miteinander verknüpft sind.

Tunnelbahnhof

Tunnelbahnhöfe liegen vollständig unterirdisch. Meistens handelt es sich um einfache Durchgangsbahnhöfe oder quasi unterirdische Turmbahnhöfe, wenn sie mehrere Tunnelstrecken verbinden, z. B. die S-Bahnhöfe Bahnhof Frankfurt (Main) Konstablerwache und Zürich Stettbach.

Die Bezeichnung Tiefbahnhof wird meistens gleichbedeutend verwendet, kann aber auch einen Bahnhof in einem nach oben offenen Trogbauwerk bezeichnen, z. B. der Bahnhof Köln/Bonn Flughafen oder der Bahnhof Zürich Stadelhofen.

Dreiecksbahnhof

Der sehr seltene Dreiecksbahnhof ist ein Keilbahnhof, bei dem eine zusätzliche Verbindung zwischen den abzweigenden Strecken besteht, z. B. Ludwigshafen Hbf oder Herlasgrün.

Unterscheidung nach Funktionen

Personenverkehr

Güterverkehr

Personen- und Güterverkehr

  • Eisenbahnknoten, wichtige Verknüpfung verschiedener Strecken,
  • Grenzbahnhof, z. B. Aachen Hbf,
  • Fährbahnhof, an der Küste eines Flusses, eines Sees oder des Meeres, der unmittelbar in einen Fähranleger übergeht, sodass Eisenbahnfahrzeuge auf die Eisenbahnfähren auffahren und übergesetzt werden können; Beispiel: Messina,

Ohne Personen- und Güterverkehr

Mehrere Funktionen

Bahnhofsanlagen können aus mehreren Teilen unterschiedlicher Funktion zusammengesetzt sein: so liegen z. B. Güter- oder Abstellbahnhöfe bei kleinen und mittleren Bahnhöfen meistens unmittelbar neben oder auch häufig direkt hinter dem Personenbahnhof. Vielen größeren und manchen mittleren Bahnhöfen ist oder war ein Bahnbetriebswerk angeschlossen. In den größten Eisenbahnkomplexen sind oft mehrere Bahnhöfe unterschiedlicher Funktion getrennt voneinander angelegt, zum Beispiel in Mannheim der Hauptbahnhof und der Rangierbahnhof.

In den Anfangsjahren der Eisenbahn wurden Bahnhöfe in Deutschland häufig an großen Flüssen angelegt, um den Bahntransport mit dem gut ausgebauten Flusstransportverkehr zu verbinden. Nachdem die ersten Knotenpunkte der Eisenbahnen entstanden, wurde die Forderung nach der Projektierung der Bahnhöfe unter logistischen Gesichtspunkten gestellt. Der Ingenieur und Direktor der sächsischen Eisenbahnverwaltung Max Maria von Weber stellte dazu die ersten verbindlichen Regeln auf, die später allgemein anerkannt wurden.

Geschichte

Anfangsphase

Bahnhöfe wurden für den Betrieb einer Eisenbahn sofort notwendig, da die Fahrzeuge abgestellt werden – daher die deutsche Bezeichnung: Bahn-Hof –, Züge gebildet und Reisenden und Gütern eine Gelegenheit gegeben werden musste, den Zug zu erreichen. Erste Vorbilder waren hinsichtlich der Empfangsgebäude die Relaisstationen des Postverkehrs, die ebenfalls Warteräume und Fahrschein-Ausgaben beherbergten. Da Züge aber länger als Postkutschen waren und die Zahl der Reisenden höher, kamen bald Bahnsteige, Bahnsteigüberdachungen und – vor allem in den Endbahnhöfen – Bahnsteighallen hinzu.

Da in der Anfangszeit der Eisenbahn das reisende Publikum mit der neuen Technik noch nicht vertraut war und deren Gefahren unterschätzte – oder die Eisenbahnverwaltungen davon zumindest ausgingen – wurde der Kontakt zwischen den Reisenden und dem Zug streng reglementiert: Reisende durften den Bahnsteig erst betreten, wenn der Zug dort zum Stehen gekommen war[2] und die Reisenden wurden, bevor der Zug sich in Bewegung setzte, in den Wagen eingeschlossen.[3] Nach dem Eisenbahnunfall von Versailles am 8. Mai 1842, bei dem es über 50 Tote gab, da die Reisenden sich selbst nicht mehr aus dem brennenden Zug befreien konnten, wurde darauf bald verzichtet. Die baulichen Maßnahmen, ein möglichst strenger Ausschluss von Nichtberechtigten beim Betreten des Bahnhofsgeländes, wurden aber beibehalten.[4] Die Bahnhofsgebäude aus dieser Frühphase der Eisenbahn waren vorrangig an technischen Notwendigkeiten orientiert und im allgemeinen bescheiden dimensioniert und ausgeführt. Ein Beispiel dafür waren die weitestgehend in Holz errichteten Empfangsanlagen der Bayerischen Ludwigsbahn, der ersten deutschen Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth. Empfangsgebäude dieser Phase sind heute nicht mehr erhalten.

1850 bis 1880

Der erste Bahnhof Hamburg-Altona, Straßenseite. Das halbkreisförmige Portal führt zu einer Drehscheibe vor dem Bahnhof zum Wenden der eingefahrenen Lokomotive
Erster Bahnhof Hamburg-Altona. Die mittleren Gleise zum Umsetzen der Lokomotive; Bahnsteiggleise und Bahnsteige überdacht

Das Empfangsgebäude des Bahnhofs war allerdings der repräsentativste und gegenüber Öffentlichkeit und Reisenden publikumswirksamste Ort für die Selbstdarstellung der Eisenbahngesellschaften. Hinzu trat, dass die Eisenbahn in dieser Zeit den Fortschritt symbolisierte und ein großer wirtschaftlicher Erfolg war. Deshalb wurden dort, wo eine größere Öffentlichkeit zu erwarten war, in der zweiten Phase des Bahnhofsbaus (ca. 1850–1880) hoch repräsentative Empfangsgebäude geschaffen, zum Teil auch mit Sondereinrichtungen, wie etwa gesonderten Wartebereichen für Höchste und Allerhöchste Herrschaften (Fürstenbahnhof). Aber auch die Empfangsgebäude der „Provinzbahnhöfe“ wurden aufwändig gestaltet. Ein Beispiel für den Bahnhofstyp dieser zweiten Phase war der erste Bahnhof der Ludwig-Süd-Nord-Bahn in Nürnberg, der zweite Bahnhof in Nürnberg, der in neugotischem Stil errichtet wurde oder das alte, später an anderer Stelle ersetzte Empfangsgebäude in Würzburg. Ein noch betriebener Großbahnhof dieser Zeit ist Augsburg Hauptbahnhof.

1880 bis 1914

Der dritte Nürnberger Bahnhof

Der zunehmende Bahnverkehr sprengte die Dimensionen der in der Mitte des 19. Jahrhunderts entstandenen Bahnanlagen bereits am Ende des Jahrhunderts. Hinzu kam, dass in dieser Zeit die städtischen Zentren enorm expandierten und dort die „alten“ Bahnanlagen zu einem städtebaulichen Hindernis wurden. Deshalb wurden entweder nur die Empfangsgebäude ersetzt (z. B. in Nürnberg 1906 – dritter Nürnberger Bahnhof) oder aber der ganze Bahnhof an den (damaligen) Stadtrand verlegt: Frankfurt (Main) Hauptbahnhof, Wiesbaden Hauptbahnhof, Bahnhof Hamburg-Altona oder Karlsruhe Hauptbahnhof. Eine dritte Möglichkeit war, dass Bahnhöfe (einstmals) unterschiedlicher Bahngesellschaften in einem neuen zusammengefasst wurden (Leipzig Hauptbahnhof, Darmstadt Hauptbahnhof).

1914 bis 1960

Skizze zur Verlegung des Miltenberger Bahnhofs

Aufgrund der in diesem Zeitraum aufkommenden Konkurrenz zum Eisenbahnverkehr ist auch die Gestaltung des Bahnhofs auf Einsparungen im Betrieb gerichtet. Hierzu zählt vor allem das Beseitigen von Kopfbahnhöfen, die bei schneller werdendem Verkehr und der Umstellung auf lang laufende elektrische und dieselgetriebene Lokomotiven zunehmend ein betriebliches Hindernis darstellten. So wurden vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg zahlreiche Kopfbahnhöfe durch Neubauten ersetzt: Kempten Hauptbahnhof, Heidelberg Hauptbahnhof oder Braunschweig Hauptbahnhof, eine Tendenz, die sich weiter fortsetzte (Miltenberg Hauptbahnhof oder Ludwigshafen Hauptbahnhof) und bis heute fortsetzt (Stuttgart 21, Lindau Hauptbahnhof/Lindau-Reutin).

So bedeuteten die Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg für die Bahnhofskultur meist Rückbau, zum Teil auch einfach Verfall. Hinzu traten an manchen Stellen Neubauten von fragwürdiger architektonischer, baulicher oder verkehrlicher Qualität (z. B. Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe), mit historischen Gebäuden dagegen wurde lieblos umgegangen. So blieb beispielsweise in der Gleishalle des Hauptbahnhofs von Frankfurt (Main) 60 Jahre lang die „provisorische“, kriegsbedingt entstandene Bretterverkleidung der halben Dachfläche erhalten. Gerade in der Fläche verfielen Bahnhöfe nach Streckenaufgabe zusehends, die Empfangsgebäude oft auch an den noch betriebenen Strecken.

Neuere Entwicklungen

Ankunfts- und Abfahrtstafel (Hannover)

Zusammen mit der allmählichen aufkommenden Erkenntnis, dass der Abstieg der Eisenbahn in die Bedeutungslosigkeit verkehrspolitisch nicht wünschenswert ist, verstärkte sich im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts auch wieder das Interesse an Bahnhöfen.

Neubauten größerer Bahnhöfe gab es zwar nur wenige und sie erfolgten meist an den neuen Strecken des Hochgeschwindigkeitsverkehrs oder an Flughäfen. Vereinzelt wurden Bahnhöfe auch durch Neubau geringfügig verlegt. Häufiger waren Ersatzbauten an Stelle alter Empfangsgebäude, häufig unter Einbeziehung historischer Bausubstanz. Die mit Abstand häufigste Baumaßnahme war die Grundsanierung historischer Bahnhöfe, meistens unter völliger Entkernung, die mit einem Neubau vergleichbar ist. Nach Jahrzehnten der Unterfinanzierung wurde ab ca. 1990 in zahlreichen Ländern eine beispiellose Reihe von Kraftakten unternommen, um den Investitionsrückstau zu beseitigen.

Bei Neubauten oder Sanierungen werden in Empfangsgebäuden nahezu immer große Vermarktungsflächen geschaffen. Große Empfangsgebäude erwirtschaften für ihre Betreiber heute vor allem Geld als Gewerbeimmobilie, weniger als Verkehrsstation.

Die Entwicklung in der Fläche ist von Rationalisierungsmaßnahmen geprägt. Besonders bei privatisierten Eisenbahnen (z. B. DB), aber nicht nur dort (auch z. B. bei den SBB) werden die Gleisanlagen vieler Bahnhöfe stark verkleinert, auch Bahnhöfe zu Haltepunkten zurückgebaut. Die Besetzung von Bahnhöfen mit Personal endet häufig durch den Anschluss von Strecken an zentral gesteuerte elektronische Stellwerke. Fahrkarten werden dort ausschließlich an Automaten verkauft. Sicherheit und Sauberkeit sollen durch Videoüberwachung gesichert werden.

Auf der anderen Seite werden auch und gerade in der Fläche mit enormem Aufwand Bahnhöfe saniert. Dabei werden Bahnsteige auf Standardhöhe gebracht, um den niveaugleichen Einstieg zu ermöglichen, Aufzüge oder Flachrampen werden gebaut, um die Bahnsteige barrierefrei zugänglich zu gestalten, und – wo es vorher höhengleiche Gleisquerungen gab – werden Unterführungen gebaut.

Superlative

Innenaufnahme des Grand Central Terminals, um 1920
Längster Bahnsteig Deutschlands in Gößnitz


Meistfrequentierte Fernbahnhöfe in Deutschland

Platz Bahnhof Reisende und
Besucher pro Tag
Fernverkehrszüge
pro Tag
Nahverkehrszüge
pro Tag
S-Bahnzüge
pro Tag
Anzahl
Bahnsteige
Anzahl
Gleise
1. Hamburg Hauptbahnhof (S-Bahn, U-Bahn) 450.000 000000000000189.0000000000189 000000000000407.0000000000407 000000000000982.0000000000982 000000000000006.00000000006 000000000000014.000000000014
2. Frankfurt (Main) Hauptbahnhof (S-Bahn, U-Bahn) 350.000 000000000000342.0000000000342 000000000000290.0000000000290 000000000001100.00000000001.100 000000000000015.000000000015 000000000000032.000000000032
2. München Hauptbahnhof (S-Bahn, U-Bahn) 350.000 000000000000220.0000000000220 000000000000246.0000000000246 000000000000967.0000000000967 000000000000018.000000000018 000000000000034.000000000034
4. Berlin Hauptbahnhof (S-Bahn) 300.000 000000000000225.0000000000225 000000000000325.0000000000325 000000000000627.0000000000627 000000000000007.00000000007 000000000000014.000000000014
5. Düsseldorf Hauptbahnhof (S-Bahn, Stadtbahn) 250.000 000000000000169.0000000000169 000000000000423.0000000000423 000000000000550.0000000000550 000000000000008.00000000008 000000000000020.000000000020
5. Köln Hauptbahnhof (S-Bahn, Stadtbahn) 250.000 000000000000243.0000000000243 000000000000521.0000000000521 000000000000466.0000000000466 000000000000010.000000000010 000000000000011.000000000011
7. Stuttgart Hauptbahnhof (S-Bahn, Stadtbahn) 220.000 000000000000164.0000000000164 000000000000426.0000000000426 000000000000649.0000000000649 000000000000008.00000000008 000000000000017.000000000017
8. Hannover Hauptbahnhof (S-Bahn, Stadtbahn) 200.000 000000000000208.0000000000208 000000000000210.0000000000210 000000000000204.0000000000204 000000000000006.00000000006 000000000000012.000000000012
9. Leipzig Hauptbahnhof (S-Bahn) 150.000 000000000000111.0000000000111 000000000000539.0000000000539 000000000000227.0000000000227 000000000000026.000000000026 000000000000023.000000000023
10. Essen Hauptbahnhof (S-Bahn, Stadtbahn) 135.000 000000000000175.0000000000175 000000000000226.0000000000226  ? 000000000000006.00000000006 000000000000024.000000000024
11. Nürnberg Hauptbahnhof (S-Bahn, U-Bahn) 130.000 000000000000150.0000000000150 000000000000316.0000000000316  ? 000000000000011.000000000011 000000000000024.000000000024
12. Dortmund Hauptbahnhof (S-Bahn, Stadtbahn) 125.000 000000000000195.0000000000195 000000000000485.0000000000485 000000000000302.0000000000302 000000000000008.00000000008 000000000000023.000000000023
13. Bremen Hauptbahnhof 100.000 000000000000100.0000000000100 000000000000410.0000000000410 000000000000000.00000000000 000000000000005.00000000005 000000000000009.00000000009

Quelle: DB-AG, http://www.bahnhof.de

Größte Personenbahnhöfe der Welt

Die ist eine Liste der größten Personenbahnhöfe der Welt nach der Gleiszahl.

Gleise Bahnhof Ort Notizen
67 Grand Central Terminal Manhattan, New York City 41 Gleise verlaufen auf der oberen Ebene und 26 auf der unteren Ebene.
44 Gare du Nord Paris 40 Gleise auf der Hauptebene, davon zwei nicht öffentliche Gleise, und vier Gleise im Untergeschoss.
40 München Hauptbahnhof München, Deutschland 32 Gleise oberirdisch, 2 S-Bahngleise unterirdisch, 6 U-Bahngleise
37 Köln Hauptbahnhof Köln, Deutschland 11 Gleise mit Zwischensignalen für Dreifachbelegung, 4 U-Bahngleise in 2 Stationen
35 Frankfurt Hauptbahnhof Frankfurt am Main, Deutschland 25 Gleise oberirdisch, 4 S-Bahngleise unterirdisch, 4 U-Bahngleise, 2 Straßenbahngleise
33 Shinjuku Tokio, Japan
30 Birmingham New Street Birmingham, Vereinigtes Königreich 12 Durchgangsgleise und 3 Kopfgleise, jeweils mit Zwischensignalen für 'A' und 'B' Belegung
30 Manchester Piccadilly Manchester, Vereinigtes Königreich 14 Gleise mit Zwischensignalen für 'A' und 'B' Belegung, 2 U-Bahngleise
30 Napoli Centrale Neapel, Italien 26 Gleise auf der Hauptebene, 4 Gleise im Untergeschoss (Napoli Piazza Garibaldi).
30 Tokio Haiptbahnhof Tokio
29 Pennsylvania Station Manhattan, New York City
28 Roma Termini Rom
27 London Waterloo London, Vereinigtes Königreich
27 Gare Montparnasse Paris
27 Gare Saint-Lazare Paris
26 London Euston London
26 Zürich Hauptbahnhof Zürich
25 Madrid Atocha Madrid, Spanien
25 Sydney Hauptbahnhof Sydney
25 Ueno Tokio
24 Düsseldorf Hauptbahnhof Düsseldorf, Deutschland Gleise 4 bis 10 und 12 bis 20 für Eisenbahn, 4 U-Bahngleise unterirdisch, 4 Straßenbahngleise
24 Kapstadt Hauptbahnhof Kapstadt
24 Leipzig Hauptbahnhof Leipzig, Deutschland
24 Milano Centrale Mailand
24 Peking Südbahnhof Peking
24 Hoboken Hoboken, New Jersey
23 London Victoria London
23 Nürnberg Hauptbahnhof Nürnberg Größter Durchgangsbahnhof Europas
23 Kyōto Kyōto, Japan
22 London Liverpool Street London
22 Bahnhof Ōmiya Saitama, Japan
22 Bahnhof Nagoya Nagoya, Japan
21 Madrid Chamartín Madrid, Spanien
21 Bahnhof Howrah Kolkata, Indien
21 Bruxelles-Midi/Brussel-Zuid Brüssel
21 Bahnhof Shinagawa Tokio
20 Wien Südbahnhof Wien, Österreich
20 Union Station Chicago
20 Paddington London
20 Stockholms centralstation Stockholm

Zitate und Redewendungen

  • Auf einer Spazierfahrt, bei der man nach Belieben aussteigen kann, gibt es keine Ankunft, bei der Eisenbahnfahrt aber wird der Unterschied von Ankunft und Abfahrt geheimnisvoll schematisiert durch eine Operation, die sich in den Bahnhöfen, diesen ganz besonderen Stätten, vollzieht, die sozusagen kein Teil der Stadt sind und doch die Essenz ihrer Persönlichkeit so deutlich enthalten wie sie auf dem Signalschild ihren Namen tragen.Marcel Proust (Im Schatten der jungen Mädchen, ISBN 3-518-57875-8, S. 219)

Siehe auch

Anmerkungen

  1. Betriebsvorschrift der ÖBB (DV V3): § 2 Begriffe (1) (a)
  2. Letzte Relikte dieser Reisendensicherung waren die – in Deutschland – erst in den 1970er Jahren abgeschafften Bahnsteigsperren.
  3. In Großbritannien lassen sich teilweise heute noch die Türen der Eisenbahnwagen von innen nicht öffnen (man muss vielmehr das Fenster öffnen, um den außen angebrachten Türgriff zu betätigen).
  4. In Syrien wird z. B. noch heute – auch jeder neu gebaute – Bahnhof von einer Mauer umgeben und sogar die Ein- und Ausfahrtsgleise durch verschließbare Tore gesichert.

Literatur

  • Otto Blum: Personen- und Güterbahnhöfe. Zweite neubearbeitete Auflage von Dr.-Ing. habil. Kurt Leibrand. Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg, 1961. (= Handbuch für Bauingenieurwesen)
  • Prof. Berthold Grau: Bahnhofsgestaltung. Bände 1 und 2. Transpress VEB Verlag für Verkehrswesen, Berlin (Ost) 1968.
  • Mihály Kubinszky: Bahnhöfe Europas. Ihre Geschichte, Kunst und Technik. Franckh'sche Verlagshandlung, Stuttgart 1969.
  • Jean Dethier: Die Welt der Bahnhöfe. Herausgeber: Centre National d'Art et de Culture Georges Pompidou/Centre de Création Industrielle und Staatliche Kunsthalle Berlin. Ausstellungskatalog. Elefanten-Press-Verlag, Berlin (West) 1980 (= EP: 47), ISBN 3-88520-047-3.
  • Jean Dethier, Paul Delacroix, François-Xavier Bouchard (Fotos): Gares d'Europe. Neuilly S. E. (Denoël), Boulogne-sur-Mer: 1988, ISBN 2-207-23505-X. (Hervorragender Bildband in Französisch, auch für Leserinnen und Leser ohne französische Sprachkenntnisse informativ.)
  • Dr. Gérard Blier: Nouvelle géographie ferroviaire de la France. Paris: La Vie du Rail. Tome (Band) I: Le réseau: structure et fonctionnement. 1991, ISBN 2-902808-34-8, Tome II: L'organisation régionale du trafic. 1993, ISBN 2-902808-43-7. (Hervorragendes Werk in Französisch unter anderem über französische Bahnhöfe aller Art mit schematischen Übersichtsplänen und vielen Fotos.)
  • Bahnhöfe. München: GeraNova Verlag. (= Bahn Extra Nr. 53: 4/2001 August/September).
  • Erich Preuss (Hrsg.): Das große Archiv der deutschen Bahnhöfe. GeraNova Zeitschriften-Verlag, München. Loseblattausgabe. ISSN 0949-2127
  • Beatrice Sendner-Rieger: Die Bahnhöfe der Ludwigs-Süd-Nord-Bahn 1841–1853. Zur Geschichte des bayrischen Staatsbauwesens im 19. Jahrhundert. Deutsche Gesellschaft für Eisenbahngeschichte e. V., 1989, ISBN 3-921700-57-4.
  • Clemens Niedenthal (Hg.): Bahnhöfe in Deutschland - Moderne städtische Zentren. JOVIS Verlag Berlin 2008, ISBN 978-3-939633-47-1

Weblinks


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