- Bioplastik
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Als Biokunststoff oder auch Bioplastik (engl. bioplastics) werden Kunststoffe bezeichnet, die auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen erzeugt werden (bio-basierte Kunststoffe bzw. biobased plastics). Nach einer alternativen Definition sind Biokunststoffe alle biologisch abbaubaren Kunststoffe unabhängig von ihrer Rohstoffbasis, welche alle Kriterien zum Nachweis der biologischen Abbaubarkeit und Kompostierbarkeit von Kunststoff(produkt)en erfüllen (bio-abbaubare Kunststoffe bzw. compostable plastics).[1] Während die erste Definition nicht oder nur schwer abbaubare Kunststoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe einschließt, werden nach der zweiten Definition diese ausgeschlossen und biologisch abbaubare Kunststoffe auf Mineralölbasis mit eingeschlossen. Die Brockhaus-Enzyklopädie definiert Biokunststoffe als kunststoffanaloge Werkstoffe, die vollständig oder zu überwiegenden Anteilen aus Biopolymeren erzeugt und unter Anwendung der für Kunststoffe üblichen Verfahren modifiziert werden.[2]
Abzugrenzen sind Biokunststoffe von anderen Biowerkstoffen wie den Verbundwerkstoffen, zu denen etwa die Wood-Plastic-Composites gehören und bei denen biogene Anteile (Holzmehl) mit fossilen Kunststoffen oder Biokunststoffen kombiniert werden, und naturfaserverstärkten Kunststoffen. Allerdings sind auch Mischformen wie naturfaserverstärkte Biokunststoffe denkbar und werden teilweise realisiert.
Biokunststoffe werden zu Formteilen, Halbzeugen oder Folien verarbeitet. Sie dienen entsprechend ihrer Abbaueigenschaften vor allem als Material für Verpackungen, Cateringprodukte, Produkte für den Garten- und Landschaftsbau, Materialien für den medizinischen Bereich und andere kurzlebige Produkte. Auf dem internationalen Kunststoffmarkt haben Biokunststoffe derzeit einen verhältnismäßig geringen Stellenwert, der sich Prognosen zufolge jedoch in den nächsten Jahren durch neu zu erschließende Produktfelder und ihre im Vergleich geringeren Rohstoffpreise deutlich erhöhen wird. Bei einem weltweiten Verbrauch von Kunststoffen von etwa 225 Millionen Tonnen stellen die Werkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen mit rund 250.000 Tonnen pro Jahr einen Anteil von nur 0,1 Prozent dar,[3] für die Zukunft werden jedoch enorme Marktzugewinne für Biokunststoffe prognostiziert. Es wird geschätzt, dass unter geeigneten Bedingungen etwa 10 % der gesamten Kunststoffproduktion bzw. 70 % der Kunststoffverpackungen durch Bioplastikprodukte substituiert werden können.[4] Für die USA wird ein jährliches Wachstum des Bedarfs an bioabbaubaren Kunststoffen von mehr als 15% bis 2012 prognostiziert, der Gesamtbedarf soll von 350.000 t auf 720.000 t pro Jahr steigen.[5]
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Biokunststoffe waren die frühesten Massenkunststoffe, die industriell hergestellt wurden. Bereits im Jahr 1869 eröffneten die Gebrüder Hyatt die erste Fabrik zur Herstellung von Celluloid, einem thermoplastischen Kunststoff auf der Basis von Cellulose. John Wesley Hyatt erfand das Celluloid im Rahmen eines Preisausschreibens, bei dem eine preiswerte Alternative für das in Billardkugeln verwendete Elfenbein gefunden werden sollte. In der Folge wurde Celluloid für eine Reihe weiterer Verwendungen, vor allem für Filme, Brillengestelle, Spielzeug, Kämme und Tischtennisbälle eingesetzt; aufgrund seiner schnellen Entflammbarkeit wurde es allerdings rasch wieder verdrängt. Der Werkstoff Galalith (aus Casein) wurde 1897 erfunden und ähnelt stark dem tierischen Horn oder Elfenbein. Man fertigte daraus zum Beispiel Knöpfe, Anstecknadeln, Gehäuse für Radios, Zigarettendosen, Spielzeuge, Griffe für Regenschirme und vieles mehr in den verschiedensten Farben.
Im Jahr 1923 startete die Massenproduktion von Cellulosehydrat bzw. Zellglas unter dem Markennamen Cellophan, welches ebenfalls auf Cellulosebasis entstand und bis heute vor allem für Verpackungen sowie als Einsatz in Briefumschlägen genutzt wird. Es wurde vor allem für die Herstellung von transparenten Folien eingesetzt, wobei die Kosten für die Herstellung im Vergleich zu späteren Konkurrenten sehr hoch waren und Zellglas somit in vielen Bereichen verdrängt wurde. Aufgrund seiner Wasserempfindlichkeit wird Zellglas allerdings mit Polyvinylidenchlorid beschichtet und ist damit nicht mehr biologisch abbaubar.
Durch die Entdeckung von Kunststoffen auf der Basis von Mineralölen entstand schnell eine Konkurrenz, bei der die ersten Biokunststoffe weitestgehend verdrängt wurden. 1907 wurden von Leo Hendrik Baekeland die Bakelite erfunden, duroplastische Kunststoffe auf der Basis von Phenolharz. 1930 folgte Acrylglas, besser bekannt als Plexiglas, und nachfolgend kamen Polyamid (Nylon, Perlon), Polystyrol und Polytetrafluorethylen (Teflon) auf den Markt. Ab 1956 wurden schließlich großtechnische Herstellungsverfahren für die bis heute marktbeherrschenden Kunststoffe Polyethylen und Polypropylen eingeführt und Kunststoffe wurden für unterschiedlichste Einsatzgebiete mit verschiedenen Materialeigenschaften entwickelt.
Erst nach 1980 gab es wieder Innovationen im Bereich der Biokunststoffe, die vor allem auf ein verändertes ökologisches Bewusstsein zurückzuführen sind. Als Argumente wurde erneuerbare Rohstoffe und geschlossene Stoffkreisläufe angeführt, später kam die Substitution des Erdöls als Hauptrohstoff aufgrund der steigenden Erdölpreise und der Endlichkeit der Ressourcen zum Tragen. Während der Anteil neuer Patente im Bereich petrochemischer Kunststoffe in der Folge zurückging, nahmen die Patentanmeldungen für Biokunststoffe vor allem auf Stärke- und Cellulosebasis zu. Aktuell wird die Entwicklung der Biokunststoffe vor allem auf der Basis der Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung vorangetrieben. Agrarflächen zur stofflichen Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen werden zukünftig als ein wesentliches Standbein der Landwirtschaft betrachtet, wobei auch neue Technologien wie die industrielle Weiße Biotechnologie eine große Rolle in der Entwicklung neuer sowie der Optimierung bestehender Technologien spielen.
Rohstoffe und Biokunststofftypen
Als Ausgangsstoffe für Biokunststoffe dienen aktuell vor allem Stärke und Cellulose als Biopolymere von Zuckern, mögliche Ausgangspflanzen sind stärkehaltige Pflanzen wie z.B. Mais oder Zuckerrüben sowie Hölzer, aus denen Cellulose gewonnen werden kann. Weitere potenzielle Rohstoffe wie Chitin und Chitosan, Lignin, Casein, Gelatine, Getreideproteine und Pflanzenöl kommen für die Herstellung von Biokunststoffen in Frage. Abhängig von ihrer Zusammensetzung, dem Herstellungsverfahren und Beimischung von Additiven ändern sich Formbarkeit, Härte, Elastizität, Bruchfestigkeit, Temperatur-, Wärmeformbeständigkeit und chemische Beständigkeit.
Stärke und Stärkeblends
→ Hauptartikel Thermoplastische Stärke, Stärke
Mit einem Marktanteil von etwa 80 Prozent bildet thermoplastische Stärke den derzeit wichtigsten und gebräuchlichsten Vertreter der Biokunststoffe. Die wichtigsten Pflanzen, die zur Gewinnung von Stärke genutzt werden, sind aktuell Mais, Weizen und Kartoffeln in Europa, Afrika und Nordamerika sowieTapioka in Asien. Die Rohmasse wird von Beiprodukten wie Proteinen, Pflanzenölen und Pflanzenfasern gereinigt und entsprechend für die Nutzung vorbereitet.
Reine Stärke besitzt die Eigenschaft Feuchtigkeit zu absorbieren und wird deshalb vor allem im Pharmabereich zur Erzeugung von Medikamentenkapselhüllen eingesetzt, wurde hier allerdings von der Hartgelatine weitgehend verdrängt. Um die leicht verfügbare Stärke auch thermoplastisch verarbeitbar zu machen, werden ihr natürliche Weichmacher und Plastifizierungsmittel wie Sorbit und Glycerin hinzugefügt. Diese Zusatzstoffe ermöglichen durch variierbare Dosierung eine spezifische, dem Verwendungszweck entsprechend angepasste Veränderung der Materialeigenschaften der sogenannten thermoplastischen Stärke.
Thermoplastische Stärke ist aufgrund ihrer für die Nutzung negativen Eigenschaft, Wasser aufzunehmen, im Regelfall nur eine der Komponenten, aus der moderne Biokunststoffe auf Stärkebasis hergestellt werden. Der zweite Grundbestandteil dieser Kunststoffblends besteht aus wasserabweisenden, biologisch abbaubaren Polymeren wie Polyester, Polyesteramiden, Polyurethanen oder Polyvinylalkohol. Ein Kunststoffblend setzt sich demnach aus der hydrophoben Polymerphase sowie der dispersen und hydrophilen Stärkephase. Während des Schmelzvorgangs im Extruder verbinden sich die wasserlösliche, disperse Stärkephase und die wasserunlösliche, kontinuierliche Kunststoffphase zu einem wasserfesten Stärkekunststoff. Diese Erkenntnisse bildeten die Basis für die Weiterentwicklung und den schließlichen Durchbruch der Stärkekunststoffe (EP 0596437, EP 0799335).
Stärkeblends und –compounds werden je nach Einsatzgebiet individuell für ihre weitere Nutzung in der Kunststoff verarbeitenden Industrie entwickelt und produziert. Als Kunststoffgranulate lassen sie sich auf den vorhandenen Anlagen zu Folien, tiefziehbaren Flachfolien, Spritzgussartikeln oder Beschichtungen verarbeiten. Beispiele dafür sind Tragetaschen, Joghurt- oder Trinkbecher, Pflanztöpfe, Besteck, Windelfolien, beschichtete Papiere und Pappen. Auch durch chemische Veränderung wie die Umsetzung zu Stärkeestern oder Stärkeethern mit hohem Substitutionsgrad kann Stärke thermoplastisch modifiziert werden. Diese Verfahren haben sich aber wegen der damit verbundenen hohen Kosten bislang noch nicht durchgesetzt.
Celluloseprodukte
Ebenso wie die Stärke stellt auch Cellulose ein natürliches Biopolymer aus Zuckermolekülen dar. Cellulose ist in den meisten Pflanzen als Hauptstrukturbaustoff neben dem Lignin vorhanden und kann entsprechend aus Pflanzenmaterial gewonnen werden. Ihr Anteil beträgt etwa bei Baumwolle fast 95 Prozent, bei Hartholz 40 bis 75 Prozent und bei Weichholz 30 bis 50 Prozent. Entsprechend ist Cellulose nach dem Holz weltweit der bedeutendste Nachwachsende Rohstoff und es wird jährlich in Mengen von etwa 1,3 Milliarden Tonnen genutzt. Über verschiedene chemische Verfahren wird die Cellulose von Lignin und Pentosen gereinigt und zu Zellstoff, der Basis für Papier, Pappe und andere Werkstoffe wie Viskose, verarbeitet.
Für die Herstellung von Biokunststoffen auf Cellulosebasis bedarf es im Regelfall weiterer chemischer Modifizierung. Dabei wird die gereinigte Cellulose vor allem verestert, um das Celluloseacetat (CA) als wichtigsten Kunststoff auf Cellulosebasis zu gewinnen. Celluloseacetat wird den thermoplastischen Kunststoffen gezählt, ist aber entsprechend ein modifizierter Naturstoff. Schon 1919 wurde ein mit Weichmachern modifiziertes Celluloseacetat als erste Spritzgießmasse patentiert und ermöglichte damit ganz neue und sehr effektive Produktionsmethoden für Schirmgriffe, Tastaturen, Lenkrädern, Spielzeuge, Kugelschreiber und viele weitere Produkte.
Auch das Celluloid sowie das Cellophan sind Kunststoffe auf der Basis von Cellulose. Weitere Kunststoffe auf Cellulosebasis sind Vulkanfiber, Cellulosenitrat, Cellulosepropionat und Celluloseacetobutyrat.
Polymilchsäure (PLA)
→ Hauptartikel Polymilchsäure
Die Polymilchsäure (Polylactid, PLA) entsteht durch Polymerisation von Milchsäure, die wiederum ein Produkt der Fermentation aus Zucker und Stärke durch Milchsäurebakterien ist. Die Polymere werden nachfolgend bei der Polymerisation aus den unterschiedlichen Isomeren der Milchsäure, der D- und der L-Form, entsprechend der gewünschten Eigenschaften des resultierenden Kunststoffs gemischt. Weitere Eigenschaften können durch Copolymer wie Glykolsäure erreicht werden.
Das durchsichtige Material gleicht herkömmlichen thermoplastischen Massenkunststoffen nicht nur in seinen Eigenschaften, sondern lässt sich auch auf den vorhandenen Anlagen ohne weiteres verarbeiten. PLA und PLA-Blends werden als Granulate in verschiedenen Qualitäten für die Kunststoff verarbeitende Industrie zur Herstellung von Folien, Formteilen, Dosen, Bechern, Flaschen und sonstigen Gebrauchsgegenständen angeboten. Vor allem für kurzlebige Verpackungsfolien oder Tiefziehprodukte (z. B. Getränke- oder Joghurtbecher, Obst-, Gemüse- und Fleischschalen) birgt der Rohstoff großes Potenzial. Der Weltmarkt für das Marktsegment „Transparente Kunststoffe“ beträgt immerhin 15 Mio. Tonnen (2001). Nicht nur bei Verpackungen ist die Durchsichtigkeit positiv, auch für Anwendungen in der Bauindustrie, Technik, Optik und im Automobilbau hat sie Vorteile. Außerdem gibt es lukrative Spezialmärkte, zum Beispiel im medizinischen und pharmazeutischen Bereich, wo PLA bereits seit längerem erfolgreich zum Einsatz kommt. Vom Körper resorbierbare Schrauben, Nägel, Implantate und Platten aus PLA oder PLA-Copolymeren werden zur Stabilisierung von Knochenbrüchen verwendet. Auch resorbierbares Nahtmaterial und Wirkstoffdepots aus PLA sind schon lange im Gebrauch.
Ein großer Vorteil von PLA ist die besondere Vielfalt dieses Biokunststoffes, der wahlweise schnell biologisch abbaubar oder auch jahrelang funktionsfähig eingestellt werden kann. Weitere Vorteile der Polylactid-Kunststoffe sind die hohe Festigkeit, die Thermoplastizität und gute Verarbeitung auf den vorhandenen Anlagen der Kunststoff verarbeitenden Industrie. Trotzdem hat PLA auch Nachteile: da der Erweichungspunkt bei etwa 60 Grad Celsius liegt, ist das Material für die Herstellung von Trinkbechern für Heißgetränke nur bedingt geeignet. Die Copolymerisation zu hitzebeständigeren Polymeren oder der Zusatz von Füllstoffen können für größere Temperaturstabilität sorgen. Die japanische Elektronikfirma NEC Corporation konnte die Hitzeempfindlichkeit durch eine Verstärkung mit Kenaffasern und Metallhydroxiden beheben und so einen gut formbaren und schwer entflammbaren Biokunststoff entwickeln, als erstes Produkt wurde das Gehäuse des Mobiltelefons FOMA N701iEco für den japanischen Markt entwickelt.[6] Für die Herstellung von PLA aus Glucose über die Zwischenschritte Milchsäure und Dilactid existieren sowohl Batch-Verfahren als auch – bisher weitgehend im Pilotmaßstab realisiert – kontinuierliche Verfahren.[7] Damit ist die Industrie in der Lage, das Material kostengünstig und mittelfristig wettbewerbsfähig gegenüber Massenkunststoffen herzustellen. Die weltweit erste größere PLA-Produktionsanlage wurde 2003 in den USA in Betrieb genommen, deren Jahreskapazität theoretisch 70.000 t beträgt.[8] Weitere Anlagen sind heute international verfügbar. Eine erste deutsche Anlage zur Herstellung von PLA im brandenburgischen Guben befindet sich in der Planung und soll ab 2009 eine Anfangskapazität von 60.000 t haben.[9]
Polyhydroxyalkanoate, speziell Polyhydroxybuttersäure (PHB)
→ Hauptartikel Polyhydroxyalkanoate, Polyhydroxybuttersäure
Das Biopolymer Polyhydroxybuttersäure (PHB) ist ein fermentativ herstellbarer Polyester mit Eigenschaften ähnlich denen des petrochemisch erzeugten Kunststoffs Polypropylen. Es kann auf Basis von Zucker und Stärke hergestellt werden, die Synthese ist jedoch auch aus andere Nährstoffen wie Glycerin und Palmöl möglich.
Weltweit kündigen zahlreiche Firmen an, in die PHB-Produktion einzusteigen bzw. ihre Produktion auszuweiten, so beabsichtigt neben einigen mittelständischen Herstellern nun auch die südamerikanische Zuckerindustrie die Herstellung von PHB im industriellen Maßstab. PHB ist biologisch abbaubar, hat einen Schmelzpunkt von über 130 °C, bildet klare Filme und besitzt für viele Anwendungszwecke optimale mechanische Eigenschaften. Die Gewinnung des Kunststoffes aus den Bakterien stellt eine der Hauptschwierigkeiten dar. Die Zellen müssen durch Chloroform oder Enzyme lysiert werden, außerdem werden für ein Kilogramm PHB aktuell drei Kilogramm Zucker benötigt, der vor allem aufgrund der hohen Nachfrage nach Biokraftstoffen und der Nahrungsmittelindustrie limitiert ist.[6]
PHB wird auch, mit weiteren Bestandteilen kombiniert, als PHB-Blend verwendet. Dabei können z. B. durch den Zusatz von Celluloseacetaten besondere Materialeigenschaften erreicht werden. Die Palette der Eigenschaften von PHB-Blends erstreckt sich von Klebern bis Hartgummi. Statt Celluloseacetat sind auch Stärke, Kork und anorganische Materialien als Zusätze denkbar. Die Vermischung mit günstigen Zusatzstoffen (Celluloseacetat ist ein preisgünstiges Abfallprodukt aus der Zigarettenfilterproduktion) wirkt sich auch günstig auf die Produktionskosten von PHP-Blends aus. Mittelfristig lassen sich nach Angaben zahlreicher Forscher damit die Herstellungskosten bis in den Bereich Erdöl-basierter Plastikmaterialien absenken.[10]
Weitere Biopolymere
Neben den genannten Hauptgruppen der Biokunststoffe gibt es eine ganze Reihe Ansätze, weitere nachwachsende Rohstoffe wie Lignin, Chitin, Casein, Gelatine und weitere Proteine sowie Pflanzenöle für die Herstellung von Biokunststoffen zu nutzen. Als Lignin-Kunststoff wurde bereits 1998 Arboform entwickelt und bis heute vertrieben, verwendet wird das Material für Konsumgüter und in der Automobilbranche. Chitosan als Produkt aus Chitinabfällen bei der Garnelenverwertung ist ebenfalls als Ausgangsmaterial für Fasern, Schaumstoffe, Membranen und Folien etabliert. Zudem werden Kunststoffe produziert, die zu einem relativ großen Anteil auf nachwachsenden Rohstoffen basieren wie etwa die biologisch abbaubaren Kunststoffe Ecovio von BASF mit 45% PLA-Anteil und das Polytrimethylenterephthalat (PTT) von DuPont.
In jüngerer Zeit verfolgen einige Unternehmen die Strategie, die fossile Rohstoffbasis etablierter Standardthermoplaste durch eine erneuerbare Rohstoffbasis zu ersetzen; Beispiele hierfür sind Bio-PE und Bio-PP auf Basis von Zuckerrohr in Brasilien. In der Forschung sind zudem Bioraffinerien, die ebenfalls auf der Basis von Biopolymeren wie Zucker, Stärke oder Lignocellulose mit Hilfe von Weißer Biotechnologie Plattformchemikalien für die chemische Industrie herstellen sollen.[11]
Aktuelle wissenschaftliche Forschungen und Entwicklungen zielen zudem darauf ab, Kunststoffe aus Agrarreststoffen und Nebenprodukten herzustellen.
Verwendungsbereiche
Als Verwendungsbereiche für Biokunststoffe kommen prinzipiell alle Anwendungsbereiche von Kunststoffen in Frage. Bei den biologisch abbaubaren Kunststoffen bieten sich allerdings einige Anwendungsbereiche an, bei denen eine lange Lebensdauer nachteilig und ein schneller Abbau vorteilhaft ist. Noch schwierig sind technische Spezialanforderungen, die bei denen das Material z.B. hohen Temperaturen widerstehen muss.
Verpackungen
Vor allem im Verpackungsbereich bieten biologisch abbaubare Kunststoffe ein großes Potenzial, das Abfallaufkommen nicht verrottender Kunststoffe erheblich zu reduzieren. Sehr weit verbreitet sind mittlerweile die einfach aufgeschäumten duroplastischen Verpackungschips, die auf der Basis von Stärke hergestellt werden. Daneben gibt es noch viele weitere Verpackungsprodukte aus kompostierbaren Biokunststoffen, die vor allem in der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie zum Einsatz kommen könnten. Biokunststoffe können, wie oben beschrieben, zu Folien und Mehrschichtfolien geblasen werden; sie lassen sich als Flachfolien extrudieren, sind thermoverform- und tiefziehbar, man kann sie bedrucken, schweißen, spritzen und verkleben. Ohne weiteres ist es möglich, Biokunststoffe mit den gängigen Techniken und auf den herkömmlichen Maschinen zur Kunststoffverarbeitung zu konfektionieren.
Etabliert hat sich die Anwendung von Biokunststoffen bereits in der Fertigung von Tragetaschen und Tüten, die zuletzt als Sammelbeutel für kompostierbare Abfälle Verwendung finden, sowie bei der Erzeugung von Schalen für Gemüse, Obst, Eiern und Fleisch oder von Behältnissen für Getränke und Molkereiprodukte. Auch Blisterverpackungen, wie man sie von abgepacktem Obst oder Gemüse kennt, lassen sich aus Biokunststoffen herstellen. Verbundverpackungen aus Papier oder Karton mit Biokunststoffbeschichtungen bieten durch die Kompostierbarkeit eine zusätzliche Verwertungsoption ohne Trennungsverfahren. Zunehmend kommen auch kompostierbare Versandverpackungen wie Verpackungschips, Versandtaschen, Luftpolsterfolien, Etiketten und Luftkissen auf den Markt.
In der Sparte der Abfallentsorgung und der Verpackungen besitzen kompostierbare Säcke und Behältnisse zum Sammeln von Biomüll bereits einen beträchtlichen Marktanteil, während in anderen Bereichen die Verwendung von Biokunststoffverpackungen noch immer sekundär ist. In diesen Bereichen liegen die Potenziale der Biokunststoffe, die die Produktion von verbraucherfreundlichen und Entsorgungskosten verringernden Verpackungen ermöglichen. Entsprechend kommen Biokunststoffe als Verpackungsmaterial auch in Supermärkten bereits stärker zum Einsatz. Ein Vorteil für den Einzelhandel ist, das verdorbene Waren nicht mehr von der Verpackung getrennt entsorgt werden müssen.
Cateringartikel
Zu den besonders kurzlebigen Gegenständen zählen Cateringprodukte. Einmalgeschirr und –besteck sowie Trinkbecher und Schalen, Einwickelfolien für Hamburger oder Trinkhalme werden nach der einmaligen Benutzung mitsamt den anhaftenden Essensresten entsorgt und häufen sich nach Großveranstaltungen und Festen zu großen Müllbergen an. Die Verwendung von kompostierbaren Biokunststoffen bietet hier Vorteile. Mit dem Einsatz von Biokunststoffen lassen sich zudem hohe Entsorgungskosten sparen, was besonders für die Hersteller und Abnehmer von kurzlebigen Verpackungen in der Catering- und Systemgastronomiebranche von Interesse ist. Der Abfall könnte vollständig kompostiert werden, komplizierte und kostspielige Mülltrennungsverfahren wären hinfällig.
All jene oben genannten Produkte werden bereits aus Biokunststoffen erzeugt. Dabei ist eine große Vielfalt an Farben und Formen der Produkte realisierbar.
Garten- und Landschaftsbau
Im Garten- und Landschaftsbau finden Biokunststoffe vor allem als Mulchfolien sowie als Pflanz- und Aufzuchttöpfe Verwendung. In beiden Fällen ist es von Vorteil, wenn die Materialien schnell biologisch abgebaut werden und nicht gesondert von Erde und Pflanzenmaterial entsorgt werden müssen. Vor allem Mulchfolien, die auf größeren Flächen genutzt werden, können nach ihrem Gebrauch einfach untergepflügt werden.
Weiterhin gebräuchlich sind Kunststoffgarne und -bänder zum Hochbinden rankender Pflanzen, etwa Tomaten und Hopfen, kompostierbare Samenbänder, Wirkstoffkapseln, Folien und Netze sowie Friedhofsprodukte wie Pflanzschalen, Blumentöpfe, Kranzfolien oder Friedhofslichter. Auf Golfplätzen können verrottbare Abschlaghalter zur Anwendung kommen.
Medizin und Hygiene
Im Bereich der Medizin und der Pharmazie liegt der Fokus der Entwicklung von Biokunststoffprodukten vor allem in der Resorbierbarkeit der Produkte. So sollen Nahtmaterialien, Schrauben, Kleber oder Implantate vom Körper nach der Nutzungsphase abgebaut und resorbiert werden, um weitere Operationen oder Eingriffe überflüssig zu machen. Entsprechend kommen hier besonders hochwertige Biokunststoffe und bioabbaubare Kunststoffe zur Anwendung. PLA und deren Copolymere sowie das abbaubare Polycaprolacton werden entsprechend zu Nahtmaterialien und chirurgischen Schrauben, Nägeln und Platten verarbeitet. Die wasserempfindliche und schnellauflösende thermoplastische Stärke wird neben Gelatine als Kapselmaterial von Arzneimitteln verwendet. Für Implantate können Materialien mit unterschiedlichen Resorbtionszeiten genutzt werden, die dem jeweiligen Anwendungsfall entsprechend eingesetzt werden.
Im Bereich der Hygiene finden Biokunststoffe vor allem für Produkte Anwendung, die als Wergwerfprodukte eine kurze Lebensdauer haben sollen. Dazu gehören beispielsweise Wattestäbchen oder Windelfolien, Bettunterlagen, Damenbinden oder Einmalhandschuhe.
Biologischer Abbau
Ein großer Vorteil der meisten Biokunststoffe gegenüber Kunststoffen auf Mineralölbasis ist die biologische Abbaubarkeit, die unter geeigneten Bedingungen relativ rasch erfolgen kann. Dabei werden die Materialien nach ihrer Nutzungsphase teilweise oder vollständig durch Mikroorganismen wie Pilze und Bakterien in Wasser und Kohlendioxid zerlegt. Da Biokunststoffe aus Pflanzen gewonnen werden, setzen sie beim Abbau sowie bei einer energetischen Nutzung nur so viel CO2 frei, wie sie während der Wachstumsphase aufgenommen haben; sie sind entsprechend nach Abzug von Transport- und Prozessenergien als CO2-neutral einzustufen.
Bei der Herstellung können die Materialeigenschaften von Biokunststoffen aber auch so verändert werden, dass sie beständig sind. Bioabbaubarkeit kann auch bei konventionellen Kunststoffen oder Kunststoffgemischen gegeben sein.
Gesetzliche Regelungen
Vor allem Länder der Europäischen Union, hier vor allem Großbritannien, Italien und Deutschland, sowie die USA und einige asiatische Länder sind führend bei der Herstellung und Nutzung von Biokunststoffen, entsprechend gibt es für diese Regionen gesetzliche Rahmenbedingungen zur Bezeichnung, Kennzeichnung und Entsorgung.
Europäische Rahmenbedingungen
Über die Norm EN 13432 werden die Richtlinien für biologisch abbaubare Werkstoffe auf europäischer Ebene geregelt. Die Norm legt verbindliche Standards fest, nach denen ein Werkstoff als vollständig kompostierbar betrachtet wird. Die Zertifizierung erfolgt auf nationaler Ebene in Zusammenarbeit mit dem Branchenverband European Bioplastics, der die industriellen Hersteller, Verarbeiter und Anwender von Biokunststoffen und biologisch abbaubaren Werkstoffen (BAW), sowie daraus hergestellter Produkte in Europa vertritt. In Deutschland erfolgt die Zertifizierung über die Zertifizierungsgesellschaft DIN CERTCO.[12]
Mit der Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle sowie den europäischen und nationalen Verpackungsverordnungen und Bioabfallverordnungen wird die EN 13232 flankiert und konkretisiert. Dabei soll die EU-94/62/EG vor allem der Harmonisierung der unterschiedlichen Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Bereich der Verpackungen und der Verpackungsabfallbewirtschaftung dienen, „um einerseits Auswirkungen dieser Abfälle auf die Umwelt zu vermeiden oder solche Auswirkungen zu verringern und so ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen und andererseits das Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten und zu verhindern, daß es in der Gemeinschaft zu Handelshemmnissen und Wettbewerbsverzerrungen und -beschränkungen kommt.“[13] Sie sieht vor, „daß biologisch abbaubare Verpackungsabfälle durch physikalische, chemische, wärmetechnische oder biologische Prozesse so zersetzt werden können, daß der Grossteil des Endproduktes sich aufspaltet in Kohlendioxid, Biomasse und Wasser.“[13]
Verpackungsverordnung
→ Hauptartikel Verpackungsverordnung
Die Verpackungsverordnung (VerpackV) wurde erstmalig 1991 im Deutschen Bundestag beschlossen. Ziel der aktuell gültigen Verpackungsverordnung von 1998 ist es, die Umweltbelastungen aus Verpackungsabfällen zu verringern und die Wiederverwendung oder Verwertung von Verpackungen zu fördern (§ 1 Abfallwirtschaftliche Ziele). Mit der dritten Novellierung der Verpackungsverordnung vom 27. Mai 2005 wurde eine besondere Ausnahmeregelung für biologisch abbaubare Werkstoffe (und damit auch für die Mehrheit der Biokunststoffe, eingeführt:[14]
- § 16, Übergangvorschriften (2) § 6 findet für Kunststoffverpackungen, die aus biologisch abbaubaren Werkstoffen hergestellt sind und deren sämtliche Bestandteile gemäß einer herstellerunabhängigen Zertifizierung nach anerkannten Prüfnormen kompostierbar sind, bis zum 31. Dezember 2012 keine Anwendung. Die Hersteller und Vertreiber haben sicherzustellen, dass ein möglichst hoher Anteil der Verpackungen einer Verwertung zugeführt wird.[15]
Diese Regelung wird in der fünften Novellierung der Verpackungsverordnung vom 2. April 2008, die am 1. April 2009 in Kraft treten wird, aufgegriffen und erweitert:[16]
- § 16, Übergangvorschriften (2) Die §§ 6 und 7 finden für Kunststoffverpackungen, die aus biologisch abbaubaren Werkstoffen hergestellt sind und deren sämtliche Bestandteile gemäß einer herstellerunabhängigen Zertifizierung nach anerkannten Prüfnormen kompostierbar sind, bis zum 31. Dezember 2012 keine Anwendung. Die Hersteller und Vertreiber haben sicherzustellen, dass ein möglichst hoher Anteil der Verpackungen einer Verwertung zugeführt wird. § 9 findet für Einweggetränkeverpackungen aus Kunststoff, die die in Satz 1 genannten Voraussetzungen erfüllen und zu mindestens 75 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt sind, bis zum 31. Dezember 2012 keine Anwendung, soweit sich Hersteller und Vertreiber hierfür an einem oder mehreren Systemen nach § 6 Abs. 3 beteiligen. Die Erfüllung der in Satz 3 genannten Bedingung, wonach die Einweggetränkeverpackung zu mindestens 75 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden muss, ist durch einen unabhängigen Sachverständigen im Sinne des Anhangs I Nr. 2 Abs. 4 nachzuweisen. Im Übrigen bleibt § 9 unberührt. Im Fall des Satzes 3 und soweit Einweggetränkeverpackungen aus biologisch abbaubaren Kunststoffen nach Satz 1 nach § 9 Abs. 2 keiner Pfandpflicht unterliegen, haben sich Hersteller und Vertreiber abweichend von Satz 1 hierfür an einem System nach § 6 Abs. 3 zu beteiligen, soweit es sich um Verpackungen handelt, die bei privaten Endverbraucher anfallen.[17]
Mit dieser Ausnahmeregelung und dem daraus resultierenden Wettbewerbsvorteil durch die Befreiung von den Lizenzgebühren für das Duale System sowie der Rücknahmepflicht der Verpackungen bzw. der Pfandpflicht von Einwegflaschen bis zum Jahr 2012 soll die Entwicklung des Marktes für Biokunststoffe und biologisch abbaubare Werkstoffe in Deutschland angekurbelt werden.
Bioabfallverordnung
→ Hauptartikel Bioabfallverordnung
Die Bioabfallverordnung (BioAbfV) von 1998 (letzte Fassung von Februar 2007) zielt in 14 Paragraphen und drei Anhängen auf die ordnungsgemäße Untersuchung, Behandlung und Verwertung von Bioabfällen und Gemischen. Sie richtet sich an Entsorgungsträger, Erzeuger, Besitzer, Behandler und Hersteller für Bioabfälle und Gemische. In dieser Verordnung werden biologisch abbaubare Kunststoffe als Bioabfälle betrachtet und eine Entsorgung über die Biotonne oder den Kompost empfohlen. Dies gilt natürlich nicht für Biokunststoffe, die nicht oder nur schwer biologisch abbaubar sind.[18]
Amerikanische Standards
In den USA werden Biokunststoffe vor allem über die ASTM 6400 und die ASTM D6866 reglementiert. Dabei bestimmt die ASTM 6400 die Regularien für den biologischen Abbau und fordert eine Abbaubarkeit von Kunststoffen von 60% innerhalb von 180 Tagen, um Produkte als „kompostierbar“ (compostable) zu kennzeichnen. Die Kennzeichnung liegt in den USA beim Biodegradable Products Institute. Vor allem stärkebasierte Kunststoffe, PLA und einige Co-Polyester sind mit dem Zertifikat ausgestattet während die Kennzeichnung als fotodegradable oder Oxobiodegradable keine Erfüllung der Standards beinhalten.
Die ASTM D6866 wurde entwickelt, um Standards für biobasierte Kunststoffe festzulegen. Wie bereits dargelegt gibt diese Bezeichnung keinen Aufschluss über die Kompostierbarkeit, da auch Kunststoffe aus 100% nachwachsenden Rohstoffen nicht zwingend biologisch abbaubar sind.
Marktsituation und Perspektiven
Kunststoffe werden heute überwiegend aus Erdöl hergestellt. Da zumindest in der Kunststofferzeugung der eigentliche Rohstoff einen maßgeblichen Anteil an der Wertschöpfung des Produkts darstellt, ist der Preis des Kunststoffs mittelbar an den Rohölpreis gekoppelt. Insofern schlägt sich eine Preiserhöhung der fossilen Rohstoffe im Preis für Kunststoffe direkt nieder. Vor allem der weltweit steigende Energie- und Rohstoffbedarf sowie politische Instabilität in den Förderländern haben den Preis für Rohöl in den letzten Jahren stark ansteigen lassen, mit einem dauerhaft günstigen Ölpreis auf dem Niveau der 1990er Jahre ist in Zukunft nicht mehr zu rechnen. Vor diesem Hintergrund ist eine Zunahme des bisher geringen Marktanteils für Biokunststoffe abzusehen. Aussagen über die Potenziale von Biokunststoffen sind stark davon abhängig, ob es gelingt, mit positiven Rahmenbedingungen das Interesse der Kunststoff erzeugenden Industrie an Biokunststoffen verstärkt zu wecken. Zusätzliche Anreize könnten Veränderungen der politischen Rahmenbedingungen sowie die Optimierung der bisher am Markt befindlichen Biokunststoffe und die Erweiterung des Anwendungsspektrums erbringen.
Von 14 Mio. Tonnen Verpackungen, die jährlich in Deutschland hergestellt werden, bestehen fast 40 Prozent aus Kunststoff. Rund 1,8 Mio. Tonnen hiervon entfallen auf kurzlebige oder nur einmal gebräuchliche Kunststoffverpackungen wie Folien, Beutel, Tragetaschen, Säcke oder Einwegbesteck und -geschirr. Diese Produkte zur hygienischen Verpackung der Lebensmittel könnten problemlos auch aus Stärkekunststoffen und Polylactiden gefertigt werden. Aufgrund dieser Tatsache halten Experten ein Marktvolumen für Biokunststoffe in Deutschland von zwei Milliarden Euro für realistisch.[19] Dieser Einschätzung nach ist auch europaweit davon auszugehen, dass etwa die Hälfte der sechs Millionen Tonnen „Wegwerf-Verpackungen“ durch Biokunststoffe ersetzt werden könnten. Aufgrund des ausgeprägten Wettbewerbs auf dem Kunststoffmarkt können Biokunststoffe allerdings aktuell noch nicht mit dem branchenüblichen Preis-Niveau konkurrieren.
2007 lag der Verbrauch an biologisch abbaubaren Biokunststoffen in Westeuropa im Jahr 2007 bei ca. 60.000 – 70.000 Tonnen, was einem Marktanteil von unter 1% entspricht. Die Wachstumsraten sind zweistellig und erreichen in einigen Bereichen bis zu 50% pro Jahr. Die weltweiten Produktionskapazitäten für biologisch abbaubare Kunststoffe für das Jahr 2007 lagen bei 315.000 t, von denen 189.000 t auf Basis Nachwachsender Rohstoffe produziert wurden.[20] Dabei liegt Europa mit 140.000 t Produktionskapazität vor Nordamerika mit 80.000 t.[21] Die Prognosen für 2010 gehen von einer deutlichen Kapazitätssteigerung auf eine Gesamtmenge biologisch abbaubarer Kunststoffe in Höhe von etwa 1,4 Millionen Tonnen und einer Menge von etwa 900.000 t auf der Basis von Nachwachsenden Rohstoffen aus.[20]
Die folgende Tabelle stellt den Einsatz von Biokunststoffen in den wichtigsten Einsatzgebieten Verpackungen, Agrarbereich, Konsumgüterindustrie und Automobilindustrie und deren prognostizierte Entwicklung bis 2020 dar:[19]
Verpackungs- und Lebensmittelindustrie Agraindustrie, Garten- und Landschaftsbau Konsumgüterindustrie Automobilindustrie Gesamtmarkt 2005 - 3,5 Mio. t Kunststoffverpackungen
- 1,8 Mio t kurzlebige Produkte
- 230.000 t Gesamtmarkt Landwirtschaft
- Davon ca. 30.000 t besonders geeignet für Substitution (bgfS)
- 1,8 bis 2,7 Mio. t. Konsumgüter aus Kunststoff
- 800.000 t Gesamtmenge Kunststoff in Fahrzeugen
- ca. 400.000 t Kunststoff als Fahrzeuginnenteile
Biokunststoffe
(in t)- 2005: < 15.000 t
- Prognose 2010: 110.000 t (5% der kurzlebigen Kunststoffe)
- Prognose 2020: 520.000 t (20% der kurzlebigen Kunststoffe)
- 2005: < 100 t
- Prognose 2010: 3.500 t (10% der bgfS)
- Prognose 2020: 130.000 t (30% der bgfS)
- 2005: < 100 t
- Prognose 2010: 24.000 t (1% des Gesamtmarktes)
- Prognose 2020: 290.000 t (10% des Gesamtmarktes)
- 2005: < 10 t
- Prognose 2010: 48.000 t (10% der Fahrzeuginnenteile)
- Prognose 2020: 230.000 t (40% der Fahrzeuginnenteile)
Biokunststoffe
(in Euro)- 2005: < 45 Mio. Euro
- 2010: 165 Mio. Euro
- 2020: 780 Mio. Euro
- 2005: < 300.000 Euro
- 2010: 5 Mio. Euro
- 2020: 20 Mio. Euro
- 2005: < 300.000 Euro
- 2010: 35 Mio. Euro
- 2020: 440 Mio. Euro
- 2005: < 30.000 Euro
- 2010: 72 Mio. Euro
- 2020: 350 Mio. Euro
Marktwachstum
(in % p.a.)- 2005-2010: > 30%
- 2010-2020: ca. 16%
- 2005-2010: > 70%
- 2010-2020: ca. 15%
- 2005-2010: > 160%
- 2010-2020: ca. 29%
- 2005-2010: > 380%
- 2010-2020: ca. 17%
Müssig und Carus sehen ein weiteres Wachstum der stärkebasierten Polymerwerkstoffe voraus, wobei sie annehmen, dass der Anteil an Polylactid sowie an Compounds wie Stärke/PLA deutlich höhere Potenziale hat und entsprechend ein stärkeres Wachstum aufweisen wird. Bei der Polyhydroxybuttersäure wird ein Potenzial vor allem bei Spezialanwendungen gesehen während sich der Markt für cellulosebasierte Polymere aus Kostengründen vollständig auf Spezialanwendungen beschränken wird. Eine zunehmende Bedeutung als Rohstoffe bei der Herstellung von Biokunststoffen wird auch den Pflanzenölen zugesprochen, bei denen sich allerdings kostengünstige Ölimporte gegenüber heimischen Produkten durchsetzen werden.[19]
Neben der Preisentwicklung der Standardkunststoffe, die an den Erdölpreis gebunden sind, spielen weitere Faktoren eine Rolle für die Marktentwicklung. So wird eine weitere Diversifizierung der Biokunststoffe für ein immer breiter werdendes Anwendungsspektrum angenommen. Hinzu kommen bessere und effektivere Verarbeitungstechniken und die zunehmende Akzeptanz seitens der Verbraucher und des Handels.
Einzelnachweise
- ↑ Definition Biokunststoff, European Bioplastics.
- ↑ Stichwort Biokunststoff In: Brockhaus Enzyklopädie online, abgerufen am 8. August 2008.
- ↑ Zahlen nach Lörcks 2005, Zahlen von 2004
- ↑ Florian Amlinger, Ines Fritz: Aspekte zur nachhaltigen Einführung und Verwertung bioabbaubarer Kunststoffe über Systeme der getrennten Erfassung und Kompostierung. Herausgegeben vom Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Gruppe Raumordnung, Umwelt und Verkehr, Abteilung Umweltwirtschaft und Raumordnungsförderung (RU3), St. Pölten 2008.
- ↑ Freedonia Group: Biodegradable Plastic to 2012. Veröffentlicht August 2008.
- ↑ a b Veronika Szentpétery: Natürlich künstlich. Technology Review September 2007; Seiten 89-90.
- ↑ Sven Jacobsen, 2000: Darstellung von Polylactiden mittels reaktiver Extrusion. Dissertation, Universität Stuttgart, S. 16. (pdf)
- ↑ Chris Smith: Natureworks PLA capacity is 70,000tpa. prw.com vom 2007-12-10
- ↑ Ankündigung der Firma Pyramid Bioplastics, aufgerufen am 14. Oktober 2008.
- ↑ Elisabeth Wallner (2002): Herstellung von Polyhydroxyalkanoaten auf der Basis alternativer Rohstoffquellen. Dissertation am Institut für Biotechnologie und Bioprozesstechnik, Technische Universität Graz 2002
- ↑ Birgit Kamm: Das Konzept der Bioraffinerie - Produktion von Plattformchemikalien und Materialien. In: Brickwede, F.; Erb, R.; Hempel, E.; Schwake, M.: Nachhaltigkeit in der Chemie. 13. Internationale Sommerakademie St. Marienthal. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2008
- ↑ Informationen zum Kompostierbarkeitszeichen bei DIN CERTCO
- ↑ a b Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle
- ↑ Dritte Verordnung zur Änderung der Verpackungsverordnung vom 24. Mai 2005
- ↑ Geltende Verpackungsverordnung unter Berücksichtigung der 3. und 4. Änderungsverordnung; Nichtamtliche Fassung des Bundesministeriums für Umweltschutz.
- ↑ Fünfte Verordnung zur Änderung der Verpackungsverordnung vom 2. April 2008
- ↑ Verpackungsverordnung unter Berücksichtigung der 5. Änderungsverordnung; Nichtamtliche Fassung des Bundesministeriums für Umweltschutz.
- ↑ Bioabfallverordnung in der aktuell gültigen Fassung
- ↑ a b c Daten nach Müssig und Carus 2007
- ↑ a b Dynamischer Verlauf der Produktionskapazität für thermoplastische Biopolymere. Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe 2008
- ↑ Globale Marktsituation der Biokunststoffe. Kunststofforum, 2008-03-08.
Literatur
- Jürgen Lörcks: Biokunststoffe. Pflanzen - Rohstoffe, Produkte. Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V., Gülzow 2005 (PDF-Download)
- P. Eyerer, P. Elsner, T. Hirth (Hrsg.): Die Kunststoffe und ihre Eigenschaften. 6. Auflage, Springer Verlag, Heidelberg 2005; Seiten 1443-1482. ISBN 3-540-21410-0
- Jörg Müssig, Michael Carus: Bio-Polymerwerkstoffe sowie holz- und naturfaserverstärkte Kunststoffe. In: Marktanalyse Nachwachsende Rohstoffe Teil II. Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V., Gülzow 2007 (PDF-Download)
Weblinks
- bioplastics magazine - Fachzeitschrift ausschließlich zum Themenkomplex Biokunststoffe (nur in engl. verfügbar)
- www.biokunststoffe.com - Informationsportal zum Thema Biokunststoffe
- European Bioplastics - Verband, Informationen über Biokunststoffe, Kompostierbare Kunststoffe und Marktsituation
- plasticker - biokunststoffe - Informationsportal, ausgewählte Artikel zum Thema Biokunststoffe
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