Blasengrieß

Blasengrieß

Die Feline Lower Urinary Tract Disease (FLUTD, „untere Harnwegserkrankung der Katzen“, auch Feline Lower Urinary Tract Inflammation, FLUTI; veraltet: Feline urologic syndrome, FUS) ist ein bei Hauskatzen auftretender Krankheitskomplex der ableitenden Harnwege (Harnblase und Harnröhre). Unter diese Krankheitsbezeichnung wurde bis in die jüngere Zeit sämtliche Krankheitsbilder des unteren Harntrakts eingeordnet, heute wird der Begriff vorwiegend nur noch für gutartige Entzündungen ohne erkennbare Ursache (idiopathisch) verwendet, die meist spontan binnen einer Woche ausheilen.

Inhaltsverzeichnis

Vorkommen

Etwa 0,5 % der Katzen erleiden im Verlauf ihres Lebens eine FLUTD, zwischen 4 und 10 % aller einem Tierarzt vorgestellten Katzen sind FLUTD-Patienten. Eine Geschlechtsabhängigkeit besteht nicht. Die Mehrzahl der Fälle kommt im Winter und im Frühjahr vor. Die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Auftretens bei einem einmal erkrankten Tier wird mit 30 bis 70 % angegeben. Übergewichtigkeit gilt als prädisponierender Faktor. Die Mortalitätsrate wird mit 6 bis 36 % angegeben [1].

FLUTD-Ätiologie

Die Vorstellungen zur Ätiologie der FLUTD war seit den 1960er Jahren zahlreichen Strömungen unterworfen. Zunächst wurden primär Bakterien und Viren (v. a. Caliciviren), also eine infektiöse Natur als Ursache angesehen. Heute weiß man, dass nur bei einem geringen Teil der Katzen Harnwegserkrankungen infektiöser Natur sind, bei jungen Katzen praktisch nie.

Eine in den 1970er-Jahren in Mode gekommene Hypothese fokussierte auf Struvitsteine als wichtigsten Auslöser der FLUTD. Hier wurden eine übermäßige Zufuhr von Magnesium über die Nahrung und ein zu hoher pH-Wert als wichtigste krankheitsauslösende Faktoren angenommen. Die Futtermittelindustrie reagierte auf diese Forschungsergebnisse und veränderte die Rezepturen ab Mitte der 1980er-Jahre auf magnesiumarme und harnansäuernde Inhaltsstoffe. Die Folge war, dass die Zahl der Struvitsteine rapide abnahm und an ihre Stelle Calciumoxalatsteine traten.

Eine vierte Hypothese postulierte Fehlbildungen im Urogenitaltrakt, insbesondere vesicourachale Fisteln (Überbleibsel des fetalen Harngangs, des Urachus) als maßgeblichen Faktor. Heute geht man davon aus, dass die Mehrzahl dieser Urachusfisteln eher Folge als Auslöser einer FLUTD sind [2].

Die jüngste Hypothese war die einer interstitiellen Cystitis (das Interstitium betreffende Blasenentzündung), vergleichbar zur Interstitiellen Cystitis des Menschen, einer gutartigen Entzündung unbekannter Genese.

Das Hauptproblem der Ätiologie ist, dass der Begriff FLUTD als Sammelbegriff ganz unterschiedlicher Krankheitsbilder verwendet wurde. Osborne et al. (2000) empfehlen daher, den Begriff nur für Krankheiten zu verwenden, die unbekannter Genese sind („idiopathisch“), für abgrenzbare infektiöse Erkrankungen oder Harnsteine jedoch diese Bezeichnung zu vermeiden [3].

Klinisches Bild

FLUTD zeigt sich in häufigen Urinieren kleiner Mengen (Pollakisurie), Schmerzäußerungen beim Urinieren (Dysurie oder wenn noch wenige Tropfen abgegeben werden Strangurie) und Blut im Urin (Hämaturie). Darüber hinaus urinieren Wohnungskatzen häufig außerhalb der Katzentoilette.

Bei männlichen Tieren kann es zu einer Verlegung der Harnwege (Obstruktion) kommen. Diese Erkrankung sollte aber als Urolithiasis, nicht als FLUTD angesprochen werden. Hier ist der Verlauf dramatischer. In den ersten Stunden versuchen die Kater vergeblich Harn abzusetzen. Sie zeigen Schmerzlautäußerungen, belecken den Penis und zeigen Angstsymptome: Die Tiere verkriechen sich häufig. Nach ein bis zwei Tagen zeigt sich das Bild einer Anreicherung giftiger Stickstoff-Verbindungen im Blut (Azotämie) mit Fressunlust (Anorexie), Erbrechen Teilnahmslosigkeit (Apathie), Absinken der Körpertemperatur (Hypothermie), Azidose, erhöhter Atemfrequenz und Abnahme der Herzfrequenz (Bradykardie). Löst sich der Harnstein nicht, führt diese Komplikation ohne Behandlung zum Tod.

Bei Katzen ohne Obstruktion ist die Harnblase beim Abtasten in der Regel klein, die Palpation kann schmerzhaft sein. Bei Tieren mit Obstruktion ist die Harnblase dagegen stark gefüllt und lässt sich nicht ausdrücken. Gelegentlich ist der Penis aus der Vorhaut ausgeschachtet und kann durch starkes Belecken wund sein.

Weiterführende Untersuchungen

Eine wichtige Zusatzuntersuchung ist die Urinuntersuchung. Über ein Blasenkatheter kann versucht werden, Urin zu gewinnen, besser mit einer ultraschallgeführten Blasenpunktion. Der Nachweis von Blut in Urin ist ein wichtiges Diagnosekriterium für eine FLUTD. Darüber hinaus ist der pH-Wert und das Vorkommen von Harnkristallen im Sediment zu prüfen.

Harngrieß lässt sich auch sonografisch in der Harnblase darstellen, ebenso eine Verdickung der Harnblasenwand. Größere Steine können auch röntgenologisch nachgewiesen werden. Mittels Kontrastmittel können auch Missbildungen der Harnwege röntgenologisch erfasst werden. Bei Rezidiven empfiehlt sich eine Blasenspiegelung. Bei mikroskopischen Nachweis von Bakterien oder Eiter ist eine bakterielle Untersuchung erforderlich.

In der Blutuntersuchung sollten insbesondere die Harnstoff-, Kreatinin- und Kalium-Werte überprüft werden.

Therapie

Die Idiopathische FLUTD verschwindet meist auch ohne Behandlung binnen einiger Tage [3]. Unterstützend wird die Gabe von Glykosaminoglykanen sowie von entzündungshemmenden und schmerzlindernden Medikamenten empfohlen. Teilweise werden auch krampflösende Medikamente eingesetzt.

Bei früher ebenfalls zu FLUTD gezählten Erkrankungen richtet sich die Therapie nach der Ursache, also Harnansäuerung bei basischem pH-Wert und Struvitnachweis. Bei einer bakteriellen Beteiligung ist die Gabe von Antibiotika angezeigt, allerdings sind nur etwa 5 % der FLUTD-Fälle wirklich infektiöser Natur. Nach den Antibiotika-Leitlinien sollte die Gabe nur nach erfolgtem Erregernachweis und Antibiogramm erfolgen. Eine obstruktive Urolthiasis mit Verlegung der Harnwege ist ein Notfall. Zunächst kann eine mechanische Beseitigung des Harnsteins über einen Blasenkatheter unter Sedierung bzw. Kurznarkose versucht werden. Nach dessen Entfernen muss die Harnblase mehrmals am Tag ausgedrückt werden, denn im Anschluss an eine Obstruktion entsteht bei Katzen häufig eine Lähmung der Muskulatur der Blasenwand (Detrusor). Die Blasenmuskulatur kann mit einem Cholinergikum (z. B. Bethanechol) angeregt werden. In schweren Fällen ist eine chirurgische Beseitigung des Harnröhrensteins erforderlich. Zur Rezidivprophylaxe wird gelegentlich eine Penisamputation mit Schaffung eines künstlichen Harnröhrenausgangs im Bereich des Damms durchgeführt (Perineale Urethrostomie). Diese Operation kann allerdings ein erneutes Auftreten einer Obstruktion nicht vollständig verhindern und birgt auch ein erhöhtes Risiko für aufsteigende Harnwegsinfektionen [1].

Quellen

  1. a b Nelson, R.W. & Couto, C.G.: Small animal internal medicine. Mosby, 3. Auflage 2003. ISBN 0-323-01724-X
  2. Osborne, C.A. et al.: Medical management of vesicourechal diverticula in 15 cats with Lower Urinary Tract Disease. J. Small Anim. Practice 30/1989, 608.
  3. a b Osborne, C.A. et al.: Feline Lower Urinary Tract Diseases. In: Ettinger, S.J./Feldman, E.C. (Eds.): Textbook of Veterinary Internal Medicine. Bd. 2, Chapter 175, S. 1710-1747.
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