Botanischer Garten (Gießen)

Botanischer Garten (Gießen)
Blick aus dem Forstgarten über den Teich im Botanischen Garten Gießen

Der Botanische Garten Gießen ist der erste botanische Garten in Deutschland, der in Verbindung mit einer Universität entstand, sowie der älteste botanische Garten, der sich noch an seinem ursprünglichen Standort befindet.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte und Umfeld

Die Stadt Gießen war im 16. Jahrhundert Landesfestung, Bastionen und Wälle waren zuletzt 1560-1566 nach großzügigen Plänen wieder aufgebaut worden. Diese Befestigungsanlage war so mächtig, dass die Stadt die Fläche bis 1850 noch nicht ausgefüllt hatte. Im Anlagenring lässt sich der Verlauf der alten Stadtbefestigung noch verfolgen. Der Botanische Garten liegt am östlichen Rand des ehemaligen Festungswalls, unter einem künstlichen Hügel befinden sich noch Wallreste.

Im 19. Jahrhundert galt Gießen als „Gartenstadt“. Als ab 1805 der Festungswall abgetragen und der Graben zugeschüttet wurden, wurden diese Flächen begrünt. Danach betrug der Anteil von Gärten und Parkanlagen bezogen auf die Kernstadt 56 Prozent. Neben dem Botanischen Garten gab es private Gemüse-, Obst- und Lustgärten. Die Schulen hatten ihre eigenen Unterrichtsgärten, am Alten Schloss gab es einen Amtsgarten, und Gartenwirtschaften wie Steins' Garten (heute ein Hotel am Nahrungsberg) waren gut besucht. Außerdem waren fast alle Gründerzeitvillen von parkähnlichen Grünflächen umgeben. 1888 entfielen immer noch 40 Prozent der Stadtfläche auf Gärten und Parkanlagen, heute sind es nur noch 15 Prozent.

Gründung

Suchbild mit Fröschen

Vor dem Botanischen Garten in Gießen waren bereits Gärten etwa in Leipzig (1580), Heidelberg (1597) und Eichstätt (1600) angelegt worden. 1607 gründete Landgraf Ludwig V. die damals nach ihm benannte Universität und schenkte ihr zwei Jahre später auch einen Garten. Dieser befand sich hinter dem Kollegiengebäude am Brandplatz (Grundsteinlegung 1607, heute nicht mehr existent) und wurde auf der anderen Seite von der Verlängerung der Sonnenstraße begrenzt.

Die Universität umfasste von Anfang an auch eine medizinische Fakultät, und Botanik war im damaligen Verständnis vor allem Heilpflanzenkunde. Der Mediziner und Botaniker Ludwig Jungermann (1572-1653) legte den hortus medicus auf einer Fläche von zunächst 1200 Quadratmetern an. Von Jungermann stammen die ältesten deutschen Lokalfloren, so auch eine 1623 erschienene Flora von Gießen, die leider verschollen ist.

1699 wurde ein festes Überwinterungshaus eingerichtet, und 1720 entstand das erste Glashaus, das erst 1859 wieder abgerissen wurde. Für 1733 lässt sich zum ersten Mal die Bezeichnung „Botanischer Universitätsgarten“ nachweisen.

Gedenkstein der Universität für die gefallenen Studenten des Deutsch-französischen Krieges 1870/71

Forstgarten

Friedrich Ludwig Walther (1759-1824) begründete in Gießen die Forstwissenschaft. Zu diesem Zweck richtete er 1802 auf dem östlich anschließenden Gelände einen Universitätsforstgarten ein. Als nach 1805 die Festungswälle geschleift wurden, wurde die neu gewonnenen Fläche eingegliedert. Der Forstgarten wurde zwar 1825 an seinen heutigen Platz am Fuße des Schiffenbergs verlegt, aber dem Botanischen Garten ist der prächtige Baumbestand verblieben. Zwischen zwei Platanen erinnert ein Denkmal aus Eisenguss an Walther.

Die getrennten Anlagen wurden 1826 zu einem gemeinsamen, etwa drei Hektar großen Garten zusammengelegt, doch die alte Dreiteilung von hortus medicus, ersten Erweiterungsflächen und ehemaligem Forstgarten lässt sich noch heute gut erkennen. Als 1880 die Universitätsverwaltung in das neue Hauptgebäude in der Ludwigstraße zog, wurde das Gelände des Kollegiengebäudes ebenfalls dem Botanischen Garten zugeschlagen.

Ausgewählte Leiter des Botanischen Gartens

Efeu-überwachsenes Haus im Botanischen Garten Gießen

Der erste Vertreter der Botanik nach Ausgliederung aus der medizinischen Fakultät war Alexander Braun (1805-1877), der 1850 allerdings nur acht Monate lang in Gießen blieb. Sein Nachfolger wurde Hermann Hoffmann (1819-1891), der die Phänologie begründet hat. Adolf Hansen (1851-1920) gestaltete ab 1891 den Garten nach neueren systematischen Gesichtspunkten grundlegend um. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war ein großes Tropenhaus die Attraktion des Botanischen Gartens, das allerdings 1944 zerstört worden ist. Eine Fülle alter, äußerst wertvoller Bestände wurde ebenfalls durch Bomben vernichtet.

Ernst Küster (1874-1953) begann noch nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Wiederaufbau des stark zerstörten Gartens. Ihm ist gegenüber dem Alten Schloss ein Gedenkstein gesetzt. Der bedeutendste Botaniker und Leiter des Botanischen Gartens nach dem Krieg war dann Dietrich von Denffer (1914-2007), einer der Hauptautoren des internationalen Standardwerkes „Lehrbuch der Botanik für Hochschulen“ („Strasburger“). In seiner Amtszeit wurde 1961 gegenüber dem Botanischen Garten in der Senckenbergstraße der Neubau des Botanischen Instituts eingeweiht; 1976 ließ er den Garten auch für das allgemeine Publikum öffnen.

Heute dient der Botanische Garten der Forschung und dem Unterricht von Studenten der Biologie, Agrarwissenschaften, Geographie, Medizin und Tiermedizin. Er enthält rund 8000 verschiedene Pflanzenarten, die weitgehend deutsch und lateinisch beschildert sind. Der Haupteingang befindet sich etwas versteckt am Ende der Sonnenstraße an der Rückseite des Alten Schlosses.

Literatur

  • Hans-Joachim Weimann: Gärten der Ludoviciana. Lust und Frust- Geschichte und Geschichten. Biebertal 2001

Weblink

50.5886111111118.69805555555567Koordinaten: 50° 35′ 19″ N, 8° 41′ 53″ O


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