- Bounty (Schiff und Meuterei)
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Die Bounty war ein dreimastiges Segelschiff der britischen Admiralität, das 1787 unter Führung von Lieutenant (Kapitänleutnant) William Bligh zu einer Expedition in die Südsee aufbrach, um Stecklinge des Brotfruchtbaums aus Tahiti zu den Antillen zu bringen. Auf der Rückreise kam es zur berühmten „Meuterei auf der Bounty“, die seither immer wieder Gegenstand von Romanen, Filmen, Theaterstücken und Sachbüchern ist.
Vorgeschichte
Wegen des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs waren die früher regelmäßigen und preisgünstigen Getreidelieferungen aus den nordamerikanischen Kolonien Englands in die Karibik ausgefallen. Danach gab es dort mehrere Hungersnöte, denen zwischen 1780 und 1787 etwa 15.000 Menschen zum Opfer fielen. Insbesondere die Besitzer der großen Zuckerrohrplantagen auf Jamaika verlangten deshalb nach einem ständig verfügbaren und preiswerten Grundnahrungsmittel für ihre Sklaven.
Joseph Banks, der Präsident der Royal Society, der Königlichen Gesellschaft zur Förderung wissenschaftlicher Forschung, empfahl hierfür die der Süßkartoffel ähnlich schmeckende, vitaminreiche Brotfrucht. Einmal gepflanzt kämen die Bäume fast ohne Pflege aus und könnten das ganze Jahr über beerntet werden. Banks hatte sich für die in Europa vorher wenig bekannte Frucht auf James Cooks erster Weltumsegelung begeistert.
Statt die Beschaffung und Überführung der Stecklinge selbst durchzuführen, erwirkten die Großgrundbesitzer die Finanzierung des Projekts durch die Krone, wobei sie von Banks unterstützt wurden: Am 5. Mai 1787 beauftragte König Georg III. seine Admiralität mit einer Expedition. Die Admiralität versuchte ihren ersten kommerziellen Auftrag, hinter dem weder militärische noch Forschungszwecke standen, mit geringstmöglichen Kosten zu erfüllen.
Das Schiff
Herkunft und Name
Aus Zeitgründen und weil für nichtmilitärische Fahrten Stauraum wichtiger war als Feuerkraft, erwarb die Admiralität den zivilen Kohletransporter Bethia. Auch James Cook hatte für seine Südseereisen ähnliche Schiffe genutzt, die jedoch deutlich größer waren.
Die Bethia hatte eine Rumpflänge von 27,7 m, eine größte Breite von 7,3 m und ein Fassungsvermögen von 215 Tonnen (zum Vergleich: Cooks Endeavour hatte 368 Tonnen). Sie wurde Ende Mai in die Werft der Admiralität in Deptford Yard bei Chatham on Thames verlegt. Dort wurde sie zum „segelnden Treibhaus“ umgebaut, und die Masten wurden gekürzt. Am 8. Juni wurden der Neuerwerb und der neue Name Bounty öffentlich bekanntgegeben.
Die geringe Größe des Schiffs sollte sich später als problematisch erweisen, da durch die physische Enge auf dem Schiff mit über 40 Mann Besatzung ein schlechtes Umfeld durch dauerndes „Aufeinandersitzen“ entstand. Weiterhin war es aufgrund der beengten Verhältnisse nicht möglich, Marineinfanterie auf dem Schiff zu stationieren, welche die Disziplin als bewaffnete Schiffspolizei hätte sichern können.
Der Name bedeutet „Wohltat, Güte, gnädige Gabe“ und sollte die „Gnade“ des Königs zum Ausdruck bringen, den vom Hungertod bedrohten Sklaven seiner Untertanen in Westindien mit Hilfe der Brotfrucht-Expedition ein billiges Nahrungsmittel zu verschaffen.
Mögliche Namenszusätze HMS oder HMAV
Als Bewaffnung der Bounty waren vier Vierpfünder-„Kanonen“ und zehn kleine Drehbassen an Bord – genug zwar für den Zweck der Reise, aber die Ursache für heutige Verwirrung über die genaue Bezeichnung des Schiffs: Ob es „HMS, His Majesty’s Ship“ oder „HMAV, His Majesty’s Armed Vessel“ hieß, ist unklar. Die Bezeichnung HMAV geht auf die geringe Größe, Bewaffnung und Bemannung zurück: Was man zur damaligen Zeit „Schiff“ nannte, war in sechs Klassen eingeteilt, von Rang 1, Linienschiff mit mindestens hundert Kanonen und rund 850 Mann Besatzung, bis Rang 6 (meist Fregatten) mit 20 bis 28 Kanonen und gut 150 Mann Besatzung. Niedriger als Schiffe rangierten die Sloops mit 10 bis 18 Kanonen und einer Besatzung von 60 bis 120 Mann und noch kleinere bewaffnete Schoner, Briggs und Kriegskutter.
Für die ursprüngliche Bezeichnung HMAV spricht:
- Der Seitenriss der Bounty ist mit Bounty armed Transport... beschriftet (siehe privaten Weblink).
- Lieutenant Bligh wurde erst nach seiner Rückkehr zum Post Captain (unter Überspringung des Dienstgrades Master and Commander (Korvettenkapitän) befördert. Der Dienstgrad entsprach in etwa dem heutigen Fregattenkapitän. Nach drei Jahren im Rang erfolgte automatisch der Aufstieg zum vollwertigen Captain. Einem Post Captain sollte die Admiralität mindestens ein Schiff der Klasse 6 zur Verfügung stellen, allerwenigstens aber mehr Mannschaft, als an Bord der Bounty unterzubringen gewesen wäre.
- Bligh selbst beklagte in Briefen, die er in Batavia nach seiner Rettung an Banks und Duncan Campbell schrieb, den Verlust von wörtlich His Majesty’s Armed Vessel.
Die Bounty trat also ihre Reise wohl als HMAV, bewaffnetes Fahrzeug, an. Erst als der spektakuläre Prozess die Nation beschäftigte, war Seiner Majestät ein Schiff entwendet worden, und danach gab es eine Art offizieller Sprachregelung: HMS Bounty. Die Nachfahren der Meuterer bleiben bis heute bei der Bezeichnung Armed Vessel; ebenso der britische Kronrat Privy Council in seinem Spruch vom 30. Oktober 2006[1]. Die nautische Ausrüstung des Schiffes war relativ gut: „Borduhr“ war die von Larcum Kendall gebaute K2. Dass dem Kommandanten auch der Bericht über die 1767 entdeckte Insel Pitcairn vorlag, die bereits Cook (be)suchen wollte, gilt als sicher.
Die Besatzung
Das Kommando des Unternehmens erhielt der 33-jährige Kapitänleutnant William Bligh, der bereits als Steuermann (Sailing Master) James Cooks auf dessen dritter Reise gedient und dabei auch Tahiti kennen gelernt hatte, daher kannte er die Verhältnisse für die Verhandlungen vor Ort. Ohne das Wohlwollen der einheimischen Machthaber wäre das Abnehmen und Bewurzeln einer derartigen Anzahl von Stecklingen kaum möglich gewesen. Bestellt wurde Bligh auch auf Betreiben seines Mentors Joseph Banks und des Onkels seiner Gattin, Duncan Campbell, Großgrundbesitzer auf Jamaika und Reeder (dem auch die Bethia gehört hatte). Campbell hatte dem König die Expedition nahelegen lassen, Banks hatte die Petition, die seinem eigenen Vorschlag entsprach, nach Kräften unterstützt, und Bligh war beiden verpflichtet. Beide brachten Protegés auf seinem Schiff unter, weshalb Bligh beispielsweise fünf statt der nötigen zwei Midshipmen einstellte.
Der Ranghöchste nach Bligh war der Steuermann (Sailing Master) John Fryer. Fryers Bestellung durch die Admiralität hatte ihn für die Dauer der Reise in den Rang eines Acting Lieutenant (etwa: amtierender Leutnant) versetzt – er übte eine Funktion aus, die ansonsten ein Lieutenant zu bekleiden gehabt hätte. Er befehligte auch die Erste Wache.
Zu Beginn der Reise gab es neben dem Kommandanten fünf Offiziersfunktionen, die von Offiziersstellvertretern (Warrant Officers) und deren Gehilfen (Mates; Mate = Gehilfe, Maat) ausgefüllt wurden: Der Steuermann John Fryer sowie dessen beiden Gehilfen (Master’s Mates) Fletcher Christian und William Elphinstone. Außerdem der Artilleriemeister (Gunner) und Zweite Wachhabende William Peckover, den Bootsmann (Boatswain) William Cole, den Schiffszimmermann (Carpenter) William Purcell und den Arzt (Surgeon) Thomas Huggan. Offiziersähnlichen Status hatten der Waffenmeister (Armourer), der Bordschreiber (Captain’s Clerk) und der Kapitänsdiener (Captain’s Steward), der Assistent des Arztes und die beiden für die Expedition an Bord gekommenen Botaniker.
Im Unteroffiziersrang waren sechs Leute: zwei Quartiermacher (Quartermaster) und ein Quartiermachergehilfe (Quartermaster’s Mate), ein Artilleriemeistergehilfe (Gunner’s Mate), der Segelmacher (Sailmaker), der Gehilfe des Zimmermanns (Carpenter's Mate).
Fünf Seekadetten (Midshipmen) standen ebenfalls noch mehr (formal) oder weniger (fachlich) über den Matrosen, unter denen der Hannoversche Küfer Heinrich Hillbrant aufschien. Als Leichtmatrose geführt wurde ein halbblinder irischer Geiger namens Michael Byrn. Bligh wollte so für gute Laune und gesunde Bewegung sorgen, was aber innerhalb der Mannschaft nicht sonderlich gut aufgenommen wurde: Man wollte ungern „auf Befehl“ tanzen und hätte auf dem schwach bemannten Schiff lieber einen Vollmatrosen mehr gehabt. Byrn war nach der Meuterei der erste im Beiboot und wurde prompt von seinen „Kameraden“ hinausgedrängt. Neben ihm waren noch sieben andere, die meist als Matrosen geführt wurden, wegen ihrer Funktionen vom Wachdienst befreit, beispielsweise der Küfer, der Koch, der Fleischer, der Segelmacher und die beiden Botaniker.
Somit hatte Bligh zwar 45 Mann, aber keine zwei Dutzend echte Matrosen zur Verfügung. In Spithead (in Sichtweite von Portsmouth), wo die Bounty Ende September angekommen war, um letzte Vorkehrungen zu treffen und den endgültigen Befehl zur Reise abzuwarten, hatte es bereits vierzehn Desertionen gegeben, die aber weitgehend wieder aufgestockt werden konnten. Den späteren Meuterer Christian kannte Bligh von mehreren gemeinsamen Fahrten, zunächst auf HMS Cambridge 1782 und später für Campbell. Um die Bestellung für die Bounty hatte Christian den Kapitänleutnant brieflich gebeten. Auch mit einigen anderen Mitgliedern seiner Crew war Bligh schon früher unterwegs gewesen, mit dem altgedienten Artilleristen Peckover beispielsweise unter Cook.
- Eine vollständige Liste der Besatzung und verfügbare Biografien, soweit nicht in eigenen Artikeln behandelt, finden sich unter Bounty (Biografien der Crew). Siehe auch Anmerkungen.
Die Hinfahrt
Befohlen war die kürzeste Route über Kap Hoorn nach Tahiti. Von dort aus sollte die Bounty mit ihrer Ladung die Torres-Straße ansteuern, eventuell auf Java weitere Pflanzen aufnehmen[2], über das Kap der Guten Hoffnung die Antillen erreichen, die Pflanzen abliefern und nach England zurückkehren. Allenfalls unbekannte Küstenabschnitte oder Inseln sollten, soweit der Zeitplan dies erlaubte, kartografiert werden - ein für jedes Schiff der Admiralität gültiger allgemeiner Auftrag.
Am 23. Dezember 1787 stach die Bounty endlich in See. Es war der zweite Anlauf nach dem im Dezember eingegangenen Befehl – der erste hatte nach wenigen Tagen wegen Schwerwetters abgebrochen werden müssen. In Santa Cruz de Tenerife bunkerte Bligh Wasser und Proviant. Mit der Abreise am 10. oder 11. Januar führte Bligh zum Wohl seiner Crew dort ein fortschrittliches Drei-Wachen-System ein und bestellte Christian zum Dritten Wachführer.
Am 7. Februar 1788 passierte das Schiff den Äquator.
Am 23. März begann die Bounty den Angriff auf Kap Hoorn. Trotz minimaler Wahrscheinlichkeit, das Kap mit dem kleinen Schiff um diese Jahreszeit runden zu können, versuchte Bligh den Befehl trotz des schweren gegenan wütenden Sturms auszuführen. In der Mannschaft gab es kleinere Verletzungen und Erkrankungen, über die Verpflegung wurde gemurrt. Man warf Bligh vor, er habe einen Käse aus dem Proviant der Mannschaft für sich selbst abzweigen lassen.
Dass Bligh Fryer lautstark tobend vor den Augen der Mannschaft kritisierte, weil dieser nicht rechtzeitig die Segel gekürzt, also das Schiff gefährdet hatte, sollte die Spannungen zwischen den beiden Ranghöchsten an Bord in Zukunft erheblich steigern.
Erst am 22. April beschloss Bligh den Kurswechsel zum Kap der Guten Hoffnung, den ihm die Admiralität als Notlösung zugestanden hatte.
Die Bounty traf am 24. Mai in der False Bay bei Kapstadt ein, wo sie generalüberholt werden musste. Christian, der kaum Bargeld dabei hatte (ein Zwischenaufenthalt war ja nicht vorgesehen gewesen), musste von Bligh Geld borgen, um während der Liegezeit standesgemäß an Land auftreten zu können, was Bligh ihm später mehrmals öffentlich vorwerfen sollte. Das Schiff lief Ende Juni wieder aus.
Einen vierzehntägigen Zwischenaufenthalt gab es ab 20. August in der Adventure Bay (Insel Bruni, südöstlich von Tasmanien). Danach, am 19. September, entdeckte Bligh die Bountyinseln, eine Gruppe winziger Felsen auf 47°44’S, 179°7’E (südöstlich Neuseelands). Das Schiff stand jetzt nahe der Datumsgrenze.
Am 9. Oktober starb der Vollmatrose James Valentine an Blutvergiftung, was Bligh auf unsaubere Instrumente des Bordarztes zurückführte. Am selben Tag gab es auch wieder einen Eklat mit Fryer, der sich geweigert hatte, das Logbuch zu unterschreiben, und es erst tat, als Bligh ihm dies vor versammelter Mannschaft befahl.
Tahiti
Die Bounty erreichte Tahiti am 25. Oktober 1788 und ging in der Matavai-Bucht vor Anker.
Das Schiff verbrachte fünf Monate dort, da sich der Brotfruchtbaum zur Ankunftszeit in einer Ruhephase befand und nicht sofort Stecklinge zu ziehen waren.
Die Mannschaft und auch Bligh genossen das Leben mit den freundlichen Menschen, es gab zahlreiche Kontakte zu Tahitianerinnen. Einige Besatzungsmitglieder, etwa Fletcher Christian und Peter Heywood, gingen längerfristige Beziehungen ein. Manche, insbesondere Heywood, ließen sich tätowieren, wie es bei den Einheimischen Brauch war.
Am 9. Dezember 1788 erlag der zwischenzeitlich seiner Funktion enthobene Schiffsarzt seiner Trunksucht.
Ende Dezember scheint die Disziplin verfallen zu sein. Am 5. Januar 1789 versuchten drei Männer mit einem Beiboot zu desertieren, wurden jedoch am 22. wieder eingefangen und mit einem Dutzend oder zwei Dutzend Hieben mit der Neunschwänzigen Katze bestraft, das heißt äußerst milde: Sogar die Todesstrafe durch Erhängen wäre für Desertion und Diebstahl des Beibootes in Frage gekommen.
Am 4. April 1789 verließ die Bounty Tahiti mit Kurs auf die Endeavour-Straße, den südlichsten Teil der Meerenge zwischen Australien und Neuguinea. Sie hatte 1015 Jungpflanzen an Bord; entsprechend eng muss es an Bord gewesen sein (Bild).
Meuterei
Am 24. April legte Bligh einen Zwischenstopp in Nomuka (Tongainseln) ein, um wie Cook 1777 und Tasman 1643 Proviant und Wasser zu ergänzen. Einer der Einwohner, ein älterer Mann, erinnerte sich an ihn. Es kam bald zum Streit. Einheimische stahlen Ausrüstungsgegenstände der Bounty, wofür Bligh seinen dritten Wachführer Christian verantwortlich machte. Dann versuchte er, einige Stammesführer als Geiseln festzuhalten, um das Diebesgut wiederzubekommen, ließ sich aber zuletzt überzeugen, dass dies nichts nützen würde, und gab die Geiseln wieder frei. Dass das erfolglose Hin und Her Blighs Autorität ein weiteres Mal geschwächt haben muss und die Stimmung an Bord bedrückte, ist sehr wahrscheinlich.
Südwestlich von Tofua, heute ebenfalls zu Tonga gehörig, kam es am 28. April zur Meuterei:
Am Vorabend war Christian von Bligh beschuldigt worden, sich am Schiffsvorrat an Kokosnüssen vergriffen zu haben. Christian, der sich erneut ungerecht behandelt fühlte, betrank sich anschließend und sprach gegenüber einigen Matrosen davon, mit einem Floß nach Tahiti zurückkehren zu wollen. Diese scheinen ihm dann zugeredet zu haben, statt dessen Bligh auszusetzen.
Christians vierstündige Wache begann um 4:00 Uhr, nachdem er keine halbe Stunde geschlafen haben konnte (er war in seiner Freiwache bis 3:30 Uhr an Deck geblieben). Ab 4:30 Uhr kam es zu Debatten an Deck, gegen 5:20 Uhr wurde Bligh festgenommen und an den Handgelenken gefesselt. Christian, Mills, Churchill, Burkett und Adams bedrohten ihn mit Waffen. Hitzige Debatten entstanden, Bligh tobte, Fryer brüllte auf Christian ein, und das kleine Beiboot wurde zum Wassern vorbereitet. Um 7:00 Uhr war das geschehen, aber das Boot war in einem so schlechtem Zustand, dass man Bligh die Barkasse zugestand.
Nach einer halben Stunde war diese gewassert, und zu Christians Verwunderung wollten jetzt 20 Mann einsteigen. Gegen acht Uhr war die Barkasse voll besetzt, Bligh aber noch an Bord der Bounty. Im Beiboot waren zwei kleine Fässer Wasser (maximal 125 Liter), etwas Wein, Rum, Brot und Zwieback (insgesamt rund 75 kg) sowie einige Kokosnüsse. Ein wenig Kleidung wurde ins Boot geworfen, der Zimmermann durfte sein Werkzeug mitnehmen, und der Bordschreiber konnte die allerwichtigsten Unterlagen Blighs zusammensuchen. Kurz nach acht Uhr wurde dieser als letzter ins Boot genötigt, und erneute Debatten begannen, als er Christian ein letztes Mal umzustimmen versuchte. Gleichzeitig erbaten und erhielten die Männer in der Barkasse noch etwa 10 kg Dörrfleisch. Kurz vor 10:00 Uhr, als das seit zwei Stunden nachgeschleppte Boot losgemacht wurde, warf man ihnen noch vier Entermesser zu, aber keine Feuerwaffen.
Der harte Kern der Meuterer bestand aus neun Personen: Edward „Ned“ Young (die treibende Kraft – er hatte Christian angestiftet) und Christian; des weiteren Adams, Brown, Martin, McCoy, Mills, Quintal und Williams. Dazu kamen neun aktive Mitläufer. Rund 22 waren relativ loyal, einige unentschlossen. Manche waren freiwillig auf der Bounty geblieben, andere waren dazu gezwungen gewesen, da es an Bord des Beiboots keinen Platz mehr gab. Martin war nach einem Streit mit Peckover aus dem Beiboot aufs Schiff zurück genötigt worden. Später entschieden sich sechzehn Männer, lieber in Tahiti zu bleiben und auf die unvermeidliche Suchexpedition zu warten, statt Christian zu begleiten.
Die Fahrt der Barkasse nach Kupang
Zusammen mit Bligh waren Fryer, Peckover und sechzehn andere im 7 m langen und rund 2 m breiten Beiboot, das um fast 20 cm tiefer eintauchte als bis zur vorgesehenen zulässigen Höchstmarke.
Ausgerüstet lediglich mit Kompass, Log, einem Oktanten und seiner Taschenuhr, navigierte Bligh das Beiboot der Bounty in 41 Segeltagen über 5.800 km zur niederländischen Faktorei Kupang auf Timor, dem einzig infrage kommenden europäischen Stützpunkt. Bligh konnte nicht wissen, dass 1788 in Port Jackson, dem Hafen des heutigen Sydney, ein viel näherer Stützpunkt gegründet worden war.
Das einzige Todesopfer unterwegs war John Norton, der noch auf Tofua, der unmittelbar nach der Meuterei zur Versorgung angelaufenen Insel, von Einheimischen erschlagen worden war. Wie aus Blighs Bericht (vgl. z. B. Forster 1791) heute klar genug hervorgeht, entstand der Kampf, weil Bligh und seine Leute nichts Brauchbares gegen die benötigten Nahrungsmittel einzutauschen hatten, aber auch keine Feuerwaffen besaßen, um sich die Lebensmittel mit Gewalt zu beschaffen. Die Tofuaner hatten ihre Ware angeboten und fühlten sich bestohlen, als die Gruppe ohne Gegenleistung aufbrach. Daher griffen sie an und paddelten auch den flüchtenden Briten nach, bis Bligh einige Kleidungsstücke ins Wasser werfen ließ.
Bligh rationierte sofort drastisch die verbliebenen Lebensmittel auf 60 g Zwieback und 125 ml Wasser pro Person und Tag, abgemessen in einer improvisierten Waage aus Kokosschalen, mit einer Musketenkugel als Gewicht.
Am 24. Mai stellte sich beim Überprüfen des Proviants heraus, dass die Rationen nochmals gekürzt werden mussten.
Bis Kupang entdeckte und verzeichnete Bligh etwa 40 kleine Inseln. Zu landen getraute er sich nach den Erfahrungen auf Tofua kaum noch. Erst Ende Mai wagte er sich auf eine Insel, die er Restauration Island „taufte“ (nach restore, sich erholen). Dort war ein wenig Wild und Trinkwasser zu finden.
Am 14. Juni 1789, 48 Tage nach der Meuterei, erreichte die Barkasse Kupang. Die erfolgreiche Fahrt des überladenen Bootes galt, auch in Kreisen seiner Kritiker, als eine seemännische Meisterleistung Blighs. Zeitweise war der Seegang so stark gewesen, dass die Segel im Wellental keinen Wind mehr fassten, zeitweise hatte es Flauten gegeben, in denen die unterernährte Mannschaft rudern musste.
Die Männer warteten in Kupang auf die erste Möglichkeit zur Heimreise, litten aber weiterhin an den kaum überstandenen Strapazen und unter dem Tropenklima. Zwei verstarben in Kupang.
Bligh nahm die erste Möglichkeit zur Rückreise wahr. Er verließ Kupang am 20. August 1789, musste in Batavia noch einmal auf die Weiterreise warten und erreichte zusammen mit seinem Diener John Samuel und dem Koch John Smith am 14. März 1790 Portsmouth. Mit späteren Schiffen trafen zehn weitere Personen ein, darunter Fryer und Peckover; drei von ihnen, darunter Fryer, waren zeitweilig auf Blighs Anordnung in Ketten gelegt gewesen.
Zwei von Blighs Leuten waren in Batavia am Fieber gestorben, und der Wundarzt Thomas Ledward trat seine letzte Reise an Bord einer holländischen Fregatte an, die im Sturm unterging. Zwölf der achtzehn mit Bligh Ausgesetzten überlebten.
Im Oktober 1790 wurde Bligh in dem Kriegsgerichtsprozess, der bei Verlust eines Schiffes stets stattzufinden hatte, freigesprochen.
Die Irrfahrt der Bounty und ihr Ende
Zwischen Tubuai und Tahiti
Die Meuterer fuhren zunächst nach Tubuai, wo sie eine Woche lang ankerten, beratschlagten und entschieden, sich anzusiedeln. Sie segelten daher zuerst nach Tahiti zurück, trafen ihre Frauen wieder und rüsteten sich aus, um auf Tubuai eine Kolonie zu gründen. Den lokalen Machthabern logen sie vor, die Brotfruchtmission erfüllt und danach Captain Cook getroffen zu haben, der sie beauftragt habe, eine Kolonie zu gründen, und seine Freunde in Tahiti bitten lasse, die Bounty entsprechend zu versorgen.
In Tubuai ließ man das Schiff auf dem Strand trockenfallen und es wurde begonnen, ein Fort anzulegen, doch das Vorhaben musste nach drei Monaten als gescheitert aufgegeben werden, da sowohl Streitigkeiten untereinander, als auch Kämpfe mit den Einheimischen auftraten. Die abziehende Gruppe, der sich zwei Tubuaianer angeschlossen hatten, hinterließ 66 Getötete, darunter sechs Frauen. Unter den Europäern hatte es nur zwei Verletzte gegeben.
Am 22. September 1789 – Bligh war bereits aus Kupang Richtung England abgereist – traf Christian wiederum in Tahiti ein. Da die Meuterer erwarten mussten, dort aufgespürt zu werden, war Christian entschlossen, so schnell wie möglich wieder aufzubrechen. Sechzehn seiner Kameraden entschieden sich jedoch zu bleiben. Christian stach mit den acht übrigen und einer kleinen Schar von Polynesiern und Polynesierinnen heimlich wieder in See; sogar von Entführung ist die Rede: Er ließ in der ersten Nacht nach der Ankunft den Anker kappen. Einer der sechzehn auf Tahiti Verbliebenen sprang erst während des Segelsetzens über Bord, um nicht mitfahren zu müssen.
Die kleine Schar um Christian durchsegelte auf der Suche nach einer Bleibe die Cookinseln, die Tonga- und die Fidschi-Inseln, bevor sie sich nach Osten wandten. Einige der Frauen hatten inzwischen die Gruppe verlassen, so dass neben den neun Briten nur noch vier Männer aus Tahiti, zwei Männer aus Tubuai und zwölf Frauen aus Tahiti an Bord waren.
Am 15. Januar 1790 wurde die Insel Pitcairn gesichtet, die noch kein Europäer betreten hatte. Vieles spricht dafür, dass er zuletzt genau diese Insel gesucht hatte, mitten im Pazifik, fernab jeder Handelsroute. Pitcairns Position war damals mit einem Fehler von rund 180 Seemeilen (ca. 330 km) in den Seekarten der Admiralität eingezeichnet, was mindestens einer Tagesreise entspricht. Die Insel bot, falls sie bewohnbar war, das ideale Versteck.
Das Ende der Bounty: Vor Pitcairn gestrandet
Man beschloss, die Bounty auf Grund zu setzen, um das Anlanden der mitgebrachten Habseligkeiten, Yamswurzeln und Süßkartoffeln sowie einiger Schweine, Ziegen und Hühner zu erleichtern.
Einer der Meuterer steckte das Wrack am 23. Januar eigenmächtig in Brand, um jede von See aus sichtbare Spur zu vernichten. Gleichzeitig war damit ausgeschlossen, dass einer von ihnen in ein Gebiet zurückkehren konnte, in dem er von der Admiralität aufgegriffen würde: Dass jedem von ihnen in einem solchen Fall der Tod durch Erhängen beschieden gewesen wäre, war klar. Reste der Bounty liegen noch heute in wenigen Metern Tiefe und in unmittelbarer Nähe der „Bounty Bay“, des Landungsplatzes.
Die Geschichte der Meuterer endet auf Pitcairn mit dem Tod von John Adams (1829). 48 Personen, großteils direkte Nachkommen der Meuterer, leben heute noch dort. Alljährlich am 23. Januar, dem Bounty Day, schleppen sie ein Schiffsmodell aufs Wasser hinaus und zünden es an.
Verhaftung und Bestrafung der Meuterer
Die Expedition der HMS Pandora
Nach dem Bekanntwerden der Meuterei entschied die Admiralität, die Meuterer verhaften und vor ein Kriegsgericht stellen zu lassen. Mit der Suche wurde Kapitän Edward Edwards betraut, der Anfang November mit der Fregatte HMS Pandora und 160 Mann Besatzung aufbrach. Am 23. März 1791, 18 Monate nach der Ankunft der Meuterer, landete er auf Tahiti. Edwards ließ alle vierzehn noch lebenden Europäer in Ketten legen und in einen 3,4×5,5 m messenden Aufbau auf dem Achterdeck sperren, der als Pandoras Box bekannt wurde.
Zu dem Zeitpunkt waren zwei Europäer schon tot: 1789 oder 1790 hatte Matthew Thompson Charles Churchill erschossen und war der Blutrache durch dessen tahitianische Familie erlegen.
Auf der Rückreise lief die Pandora am 29. August 1791 vor der Küste Australiens auf ein Korallenriff und sank. Neben 31 Männern der Crew ertranken die angeketteten Gefangenen Stewart, Hillbrant, Skinner und Sumner. Die 99 Überlebenden legten in Beibooten etwa 1.100 Meilen zurück – wiederum nach Kupang.
Kriegsgericht
Im September 1792 wurden alle Engländer, die Edwards zurückgebracht hatte, angeklagt. Vier wurden freigesprochen:
- ...the Court further agreed That the Charges had not been proved against the said Charles Norman, Joseph Coleman, Thomas McIntosh and Michael Byrn, and did adjudge them and each of them to be acquitted. (Urteil, Transkription[3])
Die übrigen sechs wurden zum Tod durch Erhängen verurteilt; Peter Heywood, William Muspratt und James Morrison wurden jedoch am 22. Oktober vom König begnadigt. Burkitt, Ellison und Millward wurden am 29. Oktober 1792 an einer Rah des Kriegsschiffes HMS Brunswick im Hafen von Portsmouth gehängt und dem Urteil gemäß „zwei Stunden lang hängen gelassen“.
Nach dem Prozess
Von den Meuterern lebten Ende Oktober 1793 nur noch vier, nämlich Young, Adams, McCoy und Quintal, ab Ende 1799 nur noch John Adams, der als Drittletzter der gesamten Mannschaft am 5. März 1829 starb.
William Bligh erhielt den Auftrag zu einer zweiten Brotfruchtreise, diesmal auf einem geeigneten Schiff und eskortiert von HMS Assistance. Er brachte die Pflanzen am 24. Januar 1793 nach St. Vincent und am 5. Februar nach Jamaika. 1801 nahm er direkt neben Nelson an der Seeschlacht von Kopenhagen teil, wurde wegen seiner Tapferkeit besonders gelobt und 1805 zum Gouverneur von New South Wales bestellt. Er stand einmal wegen seines Umgangstons mit einem untergebenen Offizier vor Gericht und erlebte zwei weitere Meutereien, wurde jeweils rehabilitiert und zuletzt zum Vizeadmiral befördert. Ab 1810 erhielt er jedoch kein Kommando mehr. Er starb im Dezember 1817.
John Fryer blieb im Flottendienst und wurde Kapitän, obwohl Bligh ihm eine Referenz verweigerte. Er starb in England, ein halbes Jahr vor Bligh.
Thomas Hayward und John Hallet reisten mit der Strafexpedition der HMS Pandora und befuhren nach dem Schiffbruch die Torresstraße ein weiteres Mal im offenen Boot. Beide kamen später auf See um.
Peter Heywood durfte nach der Begnadigung in der Marine bleiben und brachte es ebenfalls bis zum Kapitän. Aus seinen Aufzeichnungen aus Tahiti entstand das erste Wörterbuch der tahitianischen Sprache. Er starb 1831.
Der Zimmermann William Purcell starb als letzter Überlebender der Bounty am 10. März 1834 im Haslar Hospital, Portsmouth. Sein Sterbezimmer soll Ausblick auf Spithead gehabt haben, wo die Bounty 47 Jahre zuvor Segel gesetzt hatte.
Das Wrack der Bounty heute
Die Einwohner von Pitcairn haben einige Relikte der Bounty-Meuterer aufbewahrt, die sich noch auf Pitcairn befinden, so zum Beispiel die Schiffs-Bibel im Museum von Adamstown. 1933 fanden die Bewohner von Pitcairn das hölzerne Ruder der Bounty, es befindet sich heute im Museum von Suva, der Hauptstadt von Fidschi (Pitcairn wurde bis 1970 vom Britischen Gouverneur in Fidschi verwaltet).
1957 führte der Unterwasserfotograf Louis Marden im Auftrag der National Geographic Society eine Tauchexpedition nach Pitcairn durch. Ihm gelang es, zusammen mit Tom Christian, einem Nachfahren von Fletcher Christian, die Überreste des ausgebrannten Wracks aufzusuchen. Der Kiel des Schiffes war noch auszumachen, außerdem fanden sie Beschlagteile, eine Kanone, Kanonenkugeln und den Anker. Die Kanone und der Anker sind inzwischen gehoben und vor dem Gemeindehaus am Zentralplatz von Adamstown ausgestellt.
Im Oktober 1998 suchte eine Gruppe von Unterwasserarchäologen der James Cook University in Townsville (Queensland), Australien, das Wrack erneut auf. Die Taucher fanden mehrere Beschlagteile und eine weitere Kanone, die ebenfalls gehoben wurde. (siehe Expeditionsbericht[4])
Das Wrack liegt heute noch in der Bounty-Bay vor Pitcairn nahe der Landestelle („The Landing“) in drei bis fünf Metern Wassertiefe. Die Stelle liegt im Brandungsbereich, so dass ein Tauchgang – der nur mit Genehmigung des Inselrates durchgeführt werden darf – nicht ungefährlich ist. Hölzerne Überreste des Schiffes sind nicht mehr erkennbar, allerdings sind die großen Kieselsteine aus dem Ballast, die sich in Form, Struktur und Färbung deutlich von der Umgebung unterscheiden, gut sichtbar über ein Areal von etwa 8 x 15 Metern verteilt (Stand März 2000).
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