Britisches Empire

Britisches Empire
Das Britische Weltreich im Jahre 1921

Das Britische Weltreich (englisch British Empire), auch Britisches Imperium genannt, war die größte Kolonialmacht der Geschichte mit Kolonien auf allen Kontinenten. Die vom Vereinigten Königreich beherrschten Gebiete umfassten im Jahre 1921 ein Gebiet von mehr als 37 Millionen km², etwa ein Viertel der von Land bedeckten Erdoberfläche. Die Gesamtbevölkerung betrug ca. 500 Millionen (rund ein Drittel der damaligen Weltbevölkerung).

Dass Englisch heute die wichtigste Verkehrs- und Handelssprache der Welt ist, ist auf die einstige Bedeutung der Kolonialmacht zurückzuführen. Den Begriff „British Empire“ prägte John Dee, der Astrologe, Alchimist und Mathematiker von Königin Elisabeth I.

Inhaltsverzeichnis

Überblick

Das Britische Weltreich wurde im Verlauf von über dreihundert Jahren gebildet. Expansive Phasen der Besiedlung und Eroberung wechselten sich ab mit relativ friedlichen Phasen, die von Handel und Diplomatie geprägt waren. Die verschiedenen Territorien waren über die gesamte Erde verteilt und es wurde zu Recht als Reich bezeichnet, „in dem die Sonne nie untergeht“. Der Höhepunkt dieser Entwicklung wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts erreicht.

Das Weltreich erleichterte die Verbreitung der britischen Technologie, des Handels, der englischen Sprache und der Regierungsform über die gesamte Welt. Die imperiale Hegemonie trug entscheidend zum wirtschaftlichen Wachstum bei und unterstrich den Einfluss des Vereinigten Königreichs auf die Politik vieler Länder. Auch als das Empire immer größer und mächtiger wurde, wurden im Mutterland die demokratischen Institutionen ausgebaut und gestärkt.

Aus Sicht der Kolonien ist der Einfluss des Britischen Weltreichs eher zwiespältig. Die Kolonien erhielten die englische Sprache, einen administrativen und rechtlichen Rahmen nach britischem Muster sowie technologische und wirtschaftliche Entwicklung. Während der Entkolonialisierung versuchte das Vereinigte Königreich, in den ehemaligen Kolonien die parlamentarische Demokratie und den Rechtsstaat zu etablieren, jedoch mit unterschiedlichem Erfolg. Die meisten Kolonien haben sich dazu entschlossen, dem Commonwealth of Nations beizutreten, einem lockeren Bündnis, das an die Stelle des Weltreichs trat.

Die britische Kolonialpolitik diente hauptsächlich dazu, die wirtschaftlichen Interessen des Vereinigten Königreichs durchzusetzen. Während die Kolonien der Auswanderer die Infrastruktur schufen, um eine eigenständige Wirtschaft aufzubauen, wurden die tropischen Territorien in Afrika und Asien lediglich als Rohmateriallieferanten betrachtet und erhielten nur eine minimale Infrastruktur. Noch heute ist die Wirtschaft vieler Entwicklungsländer nur von einem einzigen Rohstoff abhängig.

Ein Hauptpfeiler der britischen Kolonialpolitik war es, Konflikte zwischen einzelnen Volksgruppen zu schüren, um sie daran zu hindern, sich gegen die Kolonialmacht aufzulehnen. Diese klassische Teile-und-herrsche-Strategie ist die Ursache für viele Konflikte der heutigen Zeit, so z. B. in Nordirland, Indien, Simbabwe, Sudan, Uganda oder Irak. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Mau-Mau-Revolte in Kenia von 1952 bis 1957, als ein kleiner Aufstand sich zu einem blutigen Stammeskrieg entwickelte. Insgesamt wurden weniger als 100 Weiße getötet, während es bei den einheimischen Stämmen zwischen 18.000 und 30.000 Opfer gab.

Englischer Kolonialismus

Expansion auf den Britischen Inseln und in Frankreich

Nach der Eroberung durch die Normannen im Jahre 1066 herrschte England zunächst über die Besitzungen von Wilhelm I. in Frankreich. Einige Jahrhunderte lang übte England Einfluss auf die Politik in Kontinentaleuropa aus. Am Ende des 14. Jahrhunderts hatte sich der Handel mit Kontinentaleuropa, vor allem der Export von Wollprodukten, zu einem Eckpfeiler der nationalen Politik entwickelt.

Die Expansion Englands begann mit der Eroberung der Insel Irland (seit 1169) und von Wales (bis 1282). Schottland wurde zwar 1296 erobert, konnte sich jedoch 1314 in der Schlacht von Bannockburn wieder die Unabhängigkeit erkämpfen, die 1328 im Abkommen von Edinburgh und Northampton bestätigt wurde. Die beiden Königreiche sollten erst 1603 wieder durch Personalunion vereinigt werden.

Obwohl die Normandie im Jahre 1204 verloren ging, konnten im Westen Frankreichs durch eine geschickte Heirats- und Erbpolitik weite Gebiete hinzugewonnen werden. Diese gingen jedoch bis 1453 im Hundertjährigen Krieg verloren; lediglich die strategisch wichtige Hafenstadt Calais blieb vorläufig in englischem Besitz, fiel jedoch 1558 ebenfalls endgültig an Frankreich.

Grundsteinlegung des überseeischen Reiches

König Heinrich VII.

Der Grundstein für die späteren überseeischen Besitzungen wurde mit der pionierhaften Seefahrtspolitik Heinrichs VII. gelegt, der von 1485 bis 1509 regierte. Basierend auf dem Handel mit Wolle, der unter seinem Vorgänger Richard III. stark expandiert hatte, baute Heinrich die moderne englische Handelsmarine auf, die die Entwicklung im Schiffbau und Seefahrt vorantrieb. Die Handelsmarine bildete auch die Grundlage für die Schaffung von Handelsgesellschaften, die später eine wichtige Rolle in der britischen Kolonialpolitik spielen sollten. Dazu gehörten die Massachusetts Bay Company und die Britische Ostindien-Kompanie. Heinrich ordnete auch den Bau des ersten Trockendocks in Plymouth an und reformierte die noch kleine englische Marine.

Die Seefahrten John Cabots

Noch viel bedeutender war die Unterstützung Heinrichs für die Entdeckungsreisen des Italieners Giovanni Caboto (zu John Cabot anglifiziert) nach Nordamerika in den Jahren 1496 und 1497. Cabot folgte damit dem Beispiel Christoph Kolumbus', der 1492 die Karibik erreicht hatte. Auf der Suche nach einer westlichen Route zu den Handelsposten in Ostindien segelte Cabot nach Neufundland im heutigen Kanada, entdeckte neue Landstriche und Inseln, zeichnete Karten und nahm das Land im Namen des Königs in Besitz. Cabot beschrieb auch detailliert die reichen Kabeljau-Fischgründe an der Küste Neufundlands. Seine Erzählungen lockten viele englische Fischer in diese Region. Auf Neufundland wurde eine saisonale Fischfangkolonie gegründet, die erste englische Kolonie in Übersee. Doch auch die Schiffe anderer Nationen beuteten die Fischgründe aus.

Aufstieg der Royal Navy

Die Seemacht, die Heinrich VII. begründet hatte, wurde nach und nach ausgebaut, um den englischen Handel zu schützen und neue Handelsrouten zu erschließen. König Heinrich VIII. gründete die moderne Royal Navy. Er ließ die Anzahl der Schiffe verdreifachen und die ersten großen Kriegsschiffe mit weit reichenden Kanonen bauen. Die Kriegsmarine erhielt eine zentralisierte Verwaltung. Entlang der Küste entstanden zahlreiche Leuchtfeuer und Leuchttürme, die die Navigation für englische und ausländische Seefahrer erleichterten.

Die Elisabethanische Ära

Königin Elisabeth I.

Während der Herrschaft Königin Elisabeths I. ging die Entwicklung rasant weiter. Francis Drake segelte rund um die Welt, was seit Ferdinand Magellan niemand mehr versucht hatte (→ Weltumsegelung des Francis Drake). Am 5. Juni 1579 landete Drake auf 38 Grad Breite am Ufer der nordamerikanischen Küste (unweit des heutigen San Francisco im nördlichen Kalifornien). Er nahm das Land im Namen der Königin in Besitz und taufte das Gebiet Nova Albion. Auf die Besitznahme folgte jedoch keine Besiedlung.

Der Einfluss Englands außerhalb Europas wuchs beständig. 1583 segelte Humphrey Gilbert auf den Spuren von John Cabot nach Neufundland und errichtete am 5. August die erste offizielle englische Kolonie namens St. John’s. Sir Walter Raleigh errichtete 1587 die Siedlung Roanoke, die erste Kolonie in Virginia. Diese beiden Kolonien waren jedoch kurzlebig und mussten schon sehr bald, in erster Linie wegen Nahrungsmittelknappheit (da sie es nicht verstanden, in diesen Klimazonen Lebensmittel anzubauen), aber auch wegen Unwettern und Schiffsunglücken aufgegeben werden.

Die Stuart-Ära

Der Sieg gegen die spanische Armada im Jahre 1588 machte England zu einer bedeutenden Seemacht. Der anhaltende Krieg gegen Spanien in den 1590er-Jahren durchkreuzte vorerst die Pläne zur Bildung neuer Kolonien. Die Feindseligkeiten wurden 1604 beendet, nachdem Jakob I. einen Friedensvertrag mit Spanien abgeschlossen hatte. 1607 wurde die Ortschaft Jamestown am James River im heutigen Virginia gegründet. Sie war damit die erste ständige Kolonie, doch gibt es von dieser Stadt nur noch Ruinen. Die erste Kolonie, die dauerhaft bestehen sollte, war Boston in Massachusetts, die 1620 von den Pilgervätern gegründet wurde. Während des 17. Jahrhunderts entstanden in Nordamerika insgesamt dreizehn Kolonien.

Schottische Kolonien

Auch Schottland strebte danach, in Nord- und Südamerika Kolonien aufzubauen, wenn auch mit sehr geringem Erfolg. 1621 wurde Neuschottland in Besitz genommen, ging jedoch nur acht Jahre später an Frankreich verloren. Das Darién-Projekt von 1695 sah die Errichtung einer Kolonie und eines Handelspostens in Panama vor, um den Handel zwischen Schottland und dem Fernen Osten anzukurbeln. Das Vorhaben scheiterte kläglich und zerrüttete die Staatsfinanzen. Mit dem Act of Union 1707 übernahm England die schottischen Staatsschulden. Mit der formellen Vereinigung von England und Schottland entstand das Königreich Großbritannien.

Kolonialisierung Amerikas und Ozeaniens

Im frühen 17. Jahrhundert nahm das Britische Weltreich langsam Gestalt an, als die Kolonien an der Ostküste Nordamerikas besiedelt wurden. Daraus sollten später die Gründerstaaten der USA sowie die atlantischen Provinzen Kanadas entstehen. Weitere Kolonien entstanden auf den kleineren Inseln der Karibik, wie z. B. Jamaika, Bahamas und Barbados.

Die Zuckerrohr produzierenden Kolonien der Karibik, wo die Sklaverei zur Grundlage der Wirtschaft wurde, waren zunächst die wichtigsten und lukrativsten Kolonien Englands. Die nordamerikanischen Kolonien, die Tabak, Baumwolle, Reis, Holz und Pelze lieferten, waren finanziell gesehen weniger erfolgreich, boten aber gutes Landwirtschaftsland und lockten die meisten englischen Emigranten an.

Die amerikanischen Besitzungen Englands wurden durch Krieg und Kolonialisierung langsam erweitert. England eroberte 1664 die niederländische Kolonie Neu Amsterdam (heute New York). Auf der Suche nach immer mehr Landwirtschaftsland dehnten sich die Kolonien weiter nach Westen aus.

Der Siebenjährige Krieg (1756–1763) zwischen Großbritannien und Frankreich wurde auch in den Kolonien ausgetragen und dort als Franzosen- und Indianerkrieg bezeichnet. Zwischen 1758 und 1760 eroberten die Briten die wichtigsten französischen Stellungen in den heutigen USA und Kanada und siegten 1759 in der entscheidenden Schlacht auf der Abraham-Ebene bei Québec. Frankreich akzeptierte 1760 den Verlust seiner Besitzungen in Nordamerika; das Louisiana-Territorium westlich des Mississippi zuzüglich New Orleans ging an Spanien, Kanada und das übrige Louisiana-Territorium an Großbritannien.

Die Weigerung der Siedler in den dreizehn südlichen Kolonien, ohne angemessene Vertretung im Parlament Steuern an Großbritannien abzuliefern, führte zum amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und schließlich zur Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika im Jahre 1783. Die Herrschaft der Briten beschränkte sich fortan auf Kanada.

Diese Periode wird manchmal als Ende des „Ersten Britischen Weltreichs“ bezeichnet. Die Expansion in Nordamerika war zu Ende und Großbritannien dehnte sich nun in anderen Weltgegenden aus. Dies führte zur Bildung des „Zweiten Britischen Weltreichs“ in Asien und Ozeanien, später auch in Afrika.

Die Besiedlung Australiens begann mit der Errichtung einer Sträflingskolonie auf dem Gebiet der heutigen Metropole Sydney. Die Auswanderung konzentrierte sich nun auf Australien und Neuseeland (im Besitz der Krone seit 1840). Die Urbevölkerung (Aborigines und Māori) wurde im Verlaufe eines Jahrhunderts durch Krieg (u. a. den Black War) und eingeschleppte Seuchen um 60 bis 70 % dezimiert. Die Kolonien erhielten später das Recht auf Selbstverwaltung und wurden wohlhabende Exporteure von Wolle und Gold.

Freier Handel und das „informelle Weltreich“

Das alte britische Kolonialsystem näherte sich im 18. Jahrhundert seinem Ende. Während einer lang anhaltenden Dominanz der Whig-Partei in der Innenpolitik (1714–1762) spielte das Weltreich eine untergeordnete Rolle und wurde kaum beachtet. Dies änderte sich nach der Niederlage im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg schlagartig, als das Vereinigte Königreich seine meistbevölkerten Kolonien verlor. Dieser Verlust zeigte, dass Kolonien wirtschaftlich gesehen nicht immer gewinnbringend waren. Das Vereinigte Königreich konnte ja noch immer den Handel mit den Ex-Kolonien dominieren und musste nicht für deren Verteidigung und Verwaltung aufkommen.

Bis zu jenem Zeitpunkt war der Merkantilismus vorherrschend; eine Wirtschaftsform, in der jedes Land versuchte, möglichst mit eigenen Ressourcen einen Wirtschaftskreislauf aufzubauen. Dieser wurde nun durch die liberale Wirtschaftsordnung abgelöst, wie sie durch Adam Smith oder Richard Cobden propagiert wurde.

Die durch den Verlust der amerikanischen Kolonien gewonnene Einsicht, dass Handel auch ohne die Errichtung von Kolonien den Wohlstand mehren kann, führte zur Erweiterung der Selbstverwaltungsrechte der Kolonien in Kanada, Australien und Neuseeland. Die britischen und europäischen Einwohner wurden als Außenposten des Mutterlandes betrachtet.

Während dieser Periode verbot das Vereinigte Königreich den Sklavenhandel (1807) und begann, dieses Prinzip anderen Nationen aufzuzwingen. Bis um die Mitte des Jahrhunderts hatte Großbritannien den Sklavenhandel weltweit fast zum Erliegen gebracht. In den britischen Kolonien selbst wurde die Sklaverei 1834 abgeschafft, doch in einigen Weltgegenden hielt sich diese Form der Unterdrückung bis 1920. Die Abschaffung der Sklaverei ging einher mit der Einführung des Freihandels. Der ungehinderte Zugang zum britischen Markt ließ den Wohlstand ansteigen, andere Länder folgten um die Mitte des 19. Jahrhunderts diesem Beispiel.

Pax Britannica

Die endgültige Niederlage Napoléon Bonapartes im Jahre 1815 führte dazu, dass das Vereinigte Königreich die dominierende Weltmacht war. Während die Industrielle Revolution für die unangefochtene wirtschaftliche Vormachtstellung sorgte, kontrollierte die Royal Navy die Handelswege auf See. Da andere Mächte durch Konflikte in Europa gebunden waren, konnte das Vereinigte Königreich sich auf den Handel konzentrieren und die Vormachtstellung noch weiter ausbauen. Das Vereinigte Königreich hatte zwar nur wenige Kolonien und gab 1816 sogar die 1811 im britisch-niederländischen Krieg auf Java gewonnenen Gebiete wieder an die Niederlande zurück, bildete aber wegen des Freihandels und der strategischen Überlegenheit ein „informelles“ Weltreich. Diese Zeitperiode der technischen und wirtschaftlichen Überlegenheit wird auch als Pax Britannica bezeichnet.

Die englische Sprache wurde zur wichtigsten Verkehrs- und Handelssprache, das britische Maßsystem und das britische Rechtssystem breiteten sich in der ganzen Welt aus. Als die Kolonien schließlich die Kapazität (aber nicht das Recht) hatten, selbst Handel zu treiben, führte dies zu Auseinandersetzungen mit der Zentralmacht und zum „Neuen Imperialismus“. Die Pax Britannica begann ihre Wirkung einzubüßen, als die durch den Wiener Kongress auferlegte Ordnung in Europa nach einem halben Jahrhundert ins Wanken geriet und neue Nationalstaaten wie Deutschland und Italien entstanden. Die Überlegenheit der britischen Industrie endete um 1870 mit der Industrialisierung Deutschlands und der USA.

Das Britische Weltreich in Asien

Indien

Das im Rahmen des Sepoy-Aufstands von den Briten erstürmte Secundra Bagh in Lakhnau, Aufnahme von Felice Beato, März 1858

Der Sieg von Truppen der Britischen Ostindien-Kompanie unter Robert Clive über den Herrscher von Bengalen bei Plassey im Jahre 1757 ermöglichte es den Briten, die Herrschaft über die wichtige indische Provinz Bengalen zu übernehmen. Doch eine Hungersnot im Jahre 1770, die durch die Enteignung der Einnahmen der Provinzregierung noch verschlimmert wurde, führte in Großbritannien zu heftiger Kritik. Die britische Regierung störte sich daran, dass eine Privatfirma so viel Einfluss ausüben konnte und erließ Gesetze, die die Aktivitäten der Kompanie in Indien einschränkten und die Rolle des Staates stärkten.

Bis 1818 dehnte die Kompanie ihren Einfluss auf fast den gesamten indischen Subkontinent aus. Die lokalen Herrscher wurden gezwungen, die Vorherrschaft Großbritanniens anzuerkennen und wurden im Falle einer Weigerung abgesetzt. Einige Gebiete wurden direkt von den Briten verwaltet, in anderen Gebieten wiederum konnten die lokalen Machthaber weiterherrschen, wenn auch unter strenger Kontrolle. Nach der Niederschlagung des Sepoy-Aufstands im Jahre 1857 wurden die Territorien der Kompagnie der Krone unterstellt und die Indian Army wurde die Armee der britischen Regierung von Indien. Der letzte, nur noch nominell regierende 80-jährige Großmogul Bahadurshah Zafar wurde abgesetzt und nach Birma verbannt und Königin Victoria 1877 zur Kaiserin von Indien proklamiert. Ceylon (heute Sri Lanka), Birma (heute Myanmar) und Malaysia kamen ebenfalls unter die Herrschaft des Vereinigten Königreichs.

China

Die europäischen Mächte und Japan teilen das chinesische Reich auf.

Das Vereinigte Königreich begann im späten 18. Jahrhundert, sich für China zu interessieren und importierte von dort riesige Mengen Tee. Dies führte zu einem großen Handelsbilanzdefizit, das Großbritannien durch den Import von Opium aus Indien ausgleichen wollte. Die chinesischen Behörden waren gegen diese Art von Handel, was schließlich zum Ersten Opiumkrieg führte. Nach der vernichtenden Niederlage der Chinesen wurde 1841 an der Südküste Chinas die Kolonie Hongkong gegründet, um die Handelsaktivitäten der Kompanie zu schützen.

Nach dem Opiumkrieg hielt das Vereinigte Königreich eine komplexe Beziehung mit China aufrecht. Trotz der Annektierung Hongkongs lief der größte Teil des Handels über andere Hafenstädte, vor allem Shanghai. Großbritannien war an einem unabhängigen China interessiert, weil der Zusammenbruch des Reiches bloß zu territorialen Erweiterungen anderer westlicher Mächte geführt hätte. Andererseits war man daran interessiert, den chinesischen Staat zu schwächen, denn sonst hätte China die verschiedenen unter Zwang abgeschlossenen Verträge gekündigt oder neu ausgehandelt. Diese Interessen erklären die scheinbaren Widersprüche der britischen China-Politik. Einerseits unterstützte das Vereinigte Königreich die Niederschlagung des Taiping-Aufstands, andererseits zettelte man (in einem Bündnis mit Frankreich) den Zweiten Opiumkrieg gegen die Qing-Dynastie an.

Niedergang der Pax Britannica

Da das Vereinigte Königreich das erste industrialisierte Land der Welt war, konnten die Briten auf der ganzen Welt die Rohstoffmärkte sichern. Doch diese Vorherrschaft schwand im Verlaufe des 19. Jahrhunderts allmählich, als andere Großmächte ebenfalls begannen, die Industrialisierung voranzutreiben und auf Rohstoffe angewiesen waren. Um 1870 mussten sich die britischen Schlüsselindustrien erstmals mit ernstzunehmender ausländischer Konkurrenz auseinandersetzen.

Die Industrialisierung schritt in Deutschland und den USA rasch voran, und die Wirtschaftskraft dieser beiden Länder näherte sich jener des Vereinigten Königreichs an. Die deutsche Textil- und Metallindustrie beispielsweise hatte um 1870 in den Bereichen Organisation und technische Effizienz die des Vereinigten Königreichs übertroffen. Um die Jahrhundertwende sollte das Vereinigte Königreich, die einstige „Werkstatt der Welt“, im großen Stil Waren aus Deutschland importieren.

Obwohl das Vereinigte Königreich im Banken-, Versicherungs- und Schifffahrtswesen weiterhin dominierend war, sank sein Anteil am Welthandel von einem Viertel (1880) auf ein Sechstel (1913). Es verlor Marktanteile nicht nur in den neu industrialisierten Ländern, sondern auch in weniger weit entwickelten Staaten auf anderen Kontinenten. Sogar in Indien, China, Lateinamerika und an den Küsten Afrikas, wo der britische Handel einst unangefochten war, ging die Vormachtstellung verloren.

Die wirtschaftlichen Probleme des Vereinigten Königreichs verschärften sich mit der „Langen Depression“, einer lang anhaltenden Rezessionsphase zwischen 1873 und 1896. Deflation und der schlechte Geschäftsgang vieler Unternehmen führten weitgehend zur Abschaffung des Freihandels in den europäischen Ländern (Deutschland 1879 und Frankreich 1881).

Die daraus folgende Beschränkung sowohl des Binnen- wie auch des Exportmarktes ließ bei Politik und Wirtschaft in Europa (und später in den USA) die Abschottung der Märkte als notwendig erachten. Die einheimischen Märkte wurden durch hohe Importzölle geschützt, die einzelnen Kolonien wurden stärker an die Heimmärkte gebunden und lieferten ihre Rohstoffe hauptsächlich an die jeweiligen Mutterländer.

Der neue Imperialismus

Königin Viktoria.

Die europäische Kolonialpolitik und die dazugehörende Ideologie zwischen 1870 und dem Beginn des Ersten Weltkriegs im Jahre 1914 werden oft als Neuer Imperialismus bezeichnet. Diese Periode ist gekennzeichnet durch die Aufteilung der Welt unter den verschiedenen Großmächten, einen aggressiven Konkurrenzkampf bei der Bildung neuer Kolonien und das Aufkommen der Ideologie der rassischen Überlegenheit, die den beherrschten Völkern die Fähigkeit absprach, sich selbst zu verwalten.

Während dieser Zeit wurden die europäischen Kolonien um mehr als 23 Millionen km² erweitert. Da Afrika bis um 1880 weitgehend nicht besetzt gewesen war, wurde dieser Kontinent das Hauptziel der neuen imperialistischen Expansion der europäischen Großmächte. In Südostasien und an den ostasiatischen Küsten erweiterten vor allem die USA und Japan ihre Gebiete.

Der Einstieg des Vereinigten Königreichs in dieses neue imperialistische Zeitalter lässt sich auf das Jahr 1875 festlegen. Damals kaufte die konservative Regierung Disraeli die Aktienanteile des ägyptischen Herrschers Ismail an der Sueskanal-Gesellschaft auf, um diesen strategisch wichtigen Handelsweg nach Indien zu sichern. Die gemeinsame britisch-französische Finanzkontrolle über Ägypten wurde mit der formellen Besetzung durch Großbritannien im Jahre 1882 im Rahmen der Niederschlagung der Urabi-Bewegung beendet.

Die Angst vor der südlichen Expansion Russlands war ein weiterer Faktor der britischen Politik. 1878 wurde die Insel Zypern besetzt, als Reaktion auf eine russische Attacke auf das Osmanische Reich und den Krimkrieg von 1854 bis 1856.

Auch Afghanistan wurde zeitweise besetzt, um dort den russischen Einfluss zurückzudrängen. Großbritannien führte in Afghanistan drei blutige und erfolglose Kriege gegen Aufständische und Heilige Krieger. Der erste britisch-afghanische Krieg endete mit einer der verheerendsten Niederlagen des viktorianischen Zeitalters, als die britische Armee 1842 beim Abzug aus Kabul durch paschtunische Stämme, die mit russischen Waffen ausgerüstet waren, vollständig ausgelöscht wurde. Der zweite britisch-afghanische Krieg führte 1880 zu einer verheerenden Niederlage bei Maiwand, der Belagerung Kabuls durch die Afghanen und dem britischen Rückzug nach Indien. Im dritten britisch-afghanischen Krieg von 1919 wurden die Briten endgültig vertrieben. Das „Great Game“ um die Vorherrschaft in Zentralasien endete mit einer blutigen, erfolglosen und völlig unnötigen britischen Invasion in Tibet in den Jahren 1903 und 1904.

Zur selben Zeit kamen mächtige Interessengruppen aus Wirtschaft und Politik zur Ansicht, dass die Bildung eines „formellen“ Weltreichs nötig sei, um den Bedeutungsverlust in den Weltmärkten aufzuhalten. Vor allem Joseph Chamberlain setzte sich vehement dafür ein. Während der 1890er Jahre wurde der neue Imperialismus zur Leitidee der britischen Politik. Das Vereinigte Königreich übernahm bald darauf die Vorreiterrolle in der Aufteilung Afrikas. Der neue Imperialismus entstand also nicht aus einer Position der Stärke heraus, sondern war vielmehr eine Folge der Angst vor dem wirtschaftlichen Bedeutungsverlust.

Der Wettlauf um Afrika

Kolonien in Afrika (1914)

Die wichtigsten europäischen Besitzungen in Afrika waren im Jahre 1875 Algerien und die Kapprovinz, der Rest des Kontinents bestand aus mehr oder weniger unabhängigen Reichen und Stammesgebieten. 1914 waren dagegen lediglich noch Äthiopien und Liberia formell unabhängig. Der Übergang vom „informellen“ Weltreichs (mit der Kontrolle der Handelswege und der technologischen Überlegenheit) zu einem „formellen“ Weltreich erfolgte durch die Aufteilung Afrikas unter verschiedene europäische Staaten. Diesen Vorgang nannte man auch Wettlauf um Afrika (engl. Scramble for Africa).

Als die Aktivitäten Frankreichs, Belgiens und Portugals im Mündungsbereich des Kongo die Gefahr eines Krieges heraufbeschworen, wurden auf der Kongokonferenz in Berlin (1884/85) Regeln für den Wettbewerb zwischen den einzelnen Nationen aufgestellt. Die „effektive Okkupation“ wurde als Kriterium für die internationale Anerkennung eines Anspruchs definiert; eine Formulierung, die regelmäßig als Vorwand für die Niederschlagung von Aufständen diente.

Westafrika

1874 zwang Garnet Joseph Wolseley dem Reich der Ashanti den Vertrag von Fomena auf, in dem diese auf alle ihre Rechte an der Küste verzichteten und der Sklavenhandel, ehemals die Haupteinnahmequelle der Ashanti, für illegal erklärt wurde. Etliche ehemalige Vasallen des Ashantireichs im Süden wurden in die britische Gold Coast Colony eingegliedert.

Nordafrika

Schlacht von Tel-el-Kebir in Ägypten (Urabi-Aufstand)

Die Kontrolle Ägyptens war wegen des 1869 fertiggestellten Sueskanals, der den Seeweg nach Asien verkürzte, von großer strategischer Bedeutung. 1875 kaufte Großbritannien dem verschuldeten Khediven von Ägypten alle Suezkanal-Aktien ab und beschnitt damit den französischen Einfluss im Land; Frankreich wurde aber an der Kontrolle der Staatsfinanzen beteiligt. Nach dem Urabi-Aufstand nationalistischer Gruppen besetzten 1882 britische Truppen unter Garnet Joseph Wolseley alleine Ägypten und machten es formell zu einem Teil des Reichs. Damit begann der Neue Imperialismus; die koloniale Erwerbspolitik beschleunigte sich. Allerdings war die britische Macht in Ägypten begrenzt, da auch andere Staaten, unter anderem Frankreich, Vorrechte im Land hatten.

Im Sudan, der ab 1821 unter die Herrschaft der osmanischen Vizekönige (Khediven) von Ägypten gekommen war, kam es im Zuge der Besetzung Ägyptens zum Mahdi-Aufstand. Der neue britische Gouverneur des Sudan Gordon Pascha versuchte vergeblich die Ausbreitung der Mahdi-Bewegung zu behindern. Am 26. Januar 1885 eroberten die Mahdisten Khartum, wobei Gordon Pascha getötet wurde. Die britische Expedition zur Rettung Gordons unter General Wolseley erreichte die Stadt am 28. Januar 1885, zwei Tage nachdem diese gefallen war. Daraufhin wurden die britischen Truppen aus dem Sudan, bis auf wenige Gebiete abgezogen. Gladstones Ansehen litt unter diesem Rückschlag. Erst 1896 wurde ein britisch-ägyptisches Expeditionskorps unter Kitchener in Marsch gesetzt, das die Mahdisten am 2. September 1898 in der Schlacht von Omdurman besiegte. Das zurückeroberte Land wurde nicht an Ägypten zurückgegeben, sondern 1899 als anglo-ägyptisches Kondominium konstituiert mit Lord Kitchener als erstem Generalgouverneur.

1898 kam es im Sudan zur Faschoda-Krise zwischen dem Vereinigten Königreich und Frankreich, die mit dem Rückzug Frankreichs und dem Sudanvertrag, der eine neue Grenzziehung festlegte, endete.

Südafrika

1843 annektierten die Briten Natal. Der mächtige militaristische Zulustaat in der Nachbarschaft erschien den Briten aber als Bedrohung ihrer Siedlungen. Im Januar 1879 drangen deshalb, nach Ablauf eines Ultimatums, englische Kolonialtruppen unter Generalleutnant Lord Chelmsford von Natal aus in das Zulureich König Cetshwayos ein. Nach anfänglichen Erfolgen der Zulu konnten die Briten den Zulukrieg gewinnen und das Zulureich hörte auf, als souveräner Staat zu existieren.

1899 begann das Vereinigte Königreich mit der vollständigen Eroberung Südafrikas und der Unterwerfung der Afrikaaner-Republiken Transvaal und Oranje-Freistaat mit ihren reichen Goldvorkommen (Burenkrieg). Die Britisch-Südafrikanische Gesellschaft hatte wenige Jahre zuvor bereits das Land nördlich davon besetzt und nach ihrem Vorsitzenden Cecil RhodesRhodesien“ getauft.

Britische Eroberungen in Süd- und Ostafrika bewogen Rhodes und Alfred Milner (Hochkommissar für Südafrika) dazu, ein Reich vom „Kap nach Kairo“ anzustreben und eine transkontinentale Eisenbahn von Süd nach Nord zu bauen. Die deutsche Besetzung Tanganjikas verhinderte jedoch diese Pläne bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Gleichwohl wurde die transafrikanische Eisenbahn nur in Bruchstücken verwirklicht. Zwischen 1885 und 1914 nahm das Vereinigte Königreich fast ein Drittel des afrikanischen Kontinents in Besitz. Die Briten hatten sich dabei auf besonders lukrativ erscheinende Kolonien konzentriert. Allein Nigeria hatte mehr Einwohner als Französisch-Westafrika oder alle deutschen Kolonien zusammen (etwa 15 Millionen).

Selbstverwaltung in den Siedlerkolonien

Die britischen Siedlerkolonien erhielten teilweise schon sehr früh den Status eines Dominions mit dem Recht auf Selbstverwaltung. Dazu gehörten Kanada (1867), Australien (1901), Neuseeland (1907), Neufundland (1907) und die Südafrikanische Union (1910). Die Führer dieser neuen Staaten trafen sich bei regelmäßigen Imperialkonferenzen mit britischen Politikern. Die erste solche Konferenz fand 1887 in London statt.

Die Dominions waren relativ selbständig, doch die Außenpolitik war allein Sache des Vereinigten Königreichs. Als Außenminister fungierten dabei die von der britischen Regierung ernannten Generalgouverneure und Hochkommissare. Britisches Recht galt uneingeschränkt in allen Dominions. Als das Vereinigte Königreich 1914 dem Deutschen Reich den Krieg erklärte, galt diese Maßnahme auch für die Dominions. Doch die Dominions durften durchaus Beziehungen mit anderen Ländern unterhalten, solange dies nicht den britischen Interessen widersprach.

Auswirkungen des Ersten Weltkriegs

Gedenktafel für die Gefallenen des Britischen Weltreichs im Ersten Weltkrieg (Kathedrale von Brüssel)

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs erfolgte die letzte große Expansion der britischen Herrschaft, als das Vereinigte Königreich im Auftrag des Völkerbunds die Mandatsgebiete Palästina und Irak übernahm, daneben auch die ehemals deutschen Kolonien Tanganjika, Namibia und Neuguinea (die beiden letztgenannten wurden freilich von Südafrika resp. Australien verwaltet). Die britische Besatzungszone im Rheinland zählte nicht zum Reich.

Doch obwohl das Vereinigte Königreich den Krieg gewonnen hatte und die Herrschaft auf neue Gebiete ausdehnen konnte, unterminierten die hohen Kriegskosten die Fähigkeit, das riesige Weltreich zu verwalten. Das Vereinigte Königreich hatte Millionen von Opfern zu beklagen und musste in rascher Folge Vermögenswerte abstoßen. Dies führte zu einem hohen Budgetdefizit und zu Personalknappheit in den weit entfernten asiatischen und afrikanischen Kolonien. Der Nationalismus breitete sich in den Kolonien aus, verstärkt durch den Stolz, den Krieg gewonnen zu haben, und durch den Rassismus, den nichtweiße Soldaten während ihres Dienstes für das Reich erfahren hatten.

In den 1920er Jahren änderte sich der Status der Dominions. Obwohl keines der Dominions 1914 bei der Kriegserklärung mitentscheiden durfte, war jedes einzelne ein Unterzeichnerstaat des Versailler Vertrages von 1919, was ein Zeichen für die größer werdende Unabhängigkeit war. Die Abneigung der Dominions, 1922 einen Feldzug gegen die Türkei zu unterstützen, führte zu Verhandlungen über einen neuen Status. Die vollständige Unabhängigkeit der Dominions wurde 1926 im Balfour-Bericht formuliert und 1931 im Statut von Westminster bestätigt. Die Dominions waren nun frei von legislativen Einflüssen des Vereinigten Königreichs und in der Außenpolitik autonom.

Irland wurde 1921 nach einem blutigen Bürgerkrieg selbständig und löste 1937 die letzte verfassungsmäßige Bindung zum Vereinigten Königreich. Mit der Wahl eines Präsidenten wurde der englische Monarch als Staatsoberhaupt abgelöst. 1949 erfolgten der Austritt aus dem Commonwealth of Nations und die Gründung der Republik Irland. Ägypten, seit 1922 formell unabhängig, ging den gleichen Weg (das Land war bis 1936 durch einen Bündnisvertrag mit dem Reich verbunden und bis 1956 teilweise militärisch besetzt).

Entkolonialisierung

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden in den einzelnen Kolonien Unabhängigkeitsbewegungen. Zuerst verlangte Indien die Unabhängigkeit, dann auch andere Territorien in Asien und Afrika. Nach einigen katastrophalen Versuchen, diese Regungen zu unterdrücken, akzeptierte man die Wünsche der Untertanen, was zur Transformation des Weltreichs zum heutigen Commonwealth of Nations führte.

Die Kriegserklärung von 1939 an Deutschland galt aufgrund des Statuts von Westminster nicht mehr automatisch auch für die Dominions. Hierbei bildeten Australien und Neuseeland eine Ausnahme, da beide Staaten es vorgezogen hatten, das Westminster-Statut noch nicht umzusetzen (was schließlich 1942 bzw. 1947 nachgeholt wurde). Die anderen Dominions erklärten den Krieg selbständig. Irland, das damals noch zum Commonwealth gehörte, hatte ein Jahr zuvor den Abzug sämtlicher britischer Truppen durchgesetzt und blieb während des gesamten Krieges neutral.

Der Zweite Weltkrieg untergrub die schon geschwächte Position der Wirtschaftsmacht Großbritannien noch weiter und erhöhte die Bedeutung der Dominions und der USA als militärische Bündnispartner. Als der australische Premierminister John Curtin 1942 unerwartet die Truppen zurückzog, die eigentlich für die Verteidigung Burmas vorgesehen waren, war klar, dass man von den Dominions nicht mehr verlangen konnte, ihre nationalen Interessen denjenigen des Reichs unterzuordnen.

Das Vereinigte Königreich litt unter den Folgen des Krieges und die ehemaligen Verbündeten waren nicht mehr bereit, den Kolonialstatus weiterhin zu akzeptieren. Eine Wirtschaftskrise im Jahre 1947 zwang die Labour-Regierung unter Clement Attlee dazu, jegliche Versuche aufzugeben, sich wieder als Supermacht zu etablieren und die militärische und wirtschaftliche Überlegenheit der USA anzuerkennen.

In der Karibik, Afrika, Asien und im Pazifik geschah die Entkolonialisierung angesichts der zunehmend blutigen Unabhängigkeitsbewegungen mit schon beinah übertriebener Hast. Das Vereinigte Königreich wehrte sich kaum gegen die Auflösung des Weltreichs. Diese Schwäche wurde 1956 schonungslos aufgedeckt, als die USA sich gegen die anglofranzösische Intervention während der Sueskrise wandte und dieses Unterfangen als Abenteuer betrachtete, das die amerikanischen Interessen im Nahen Osten gefährdete.

Die Unabhängigkeit Indiens im Jahre 1947 beendete eine 40-jährige Auseinandersetzung mit dem Indischen Nationalkongress unter der Führung Mahatma Gandhis, zuerst um Selbstverwaltung, später um volle Unabhängigkeit. Der Konflikt um die Teilung des Landes in Indien und Pakistan führte zu Hunderttausenden von Toten. Indien erklärte sich 1949 zwar zur Republik, blieb aber Mitglied des Commonwealth.

Burma erlangte die Unabhängigkeit 1948 (jedoch außerhalb des Commonwealth), Ceylon ebenfalls 1948 und Malaysia 1957. Das britische Mandat in Palästina endete 1948, nach einem blutigen Krieg zwischen Juden und Arabern wurde der Staat Israel gegründet. Zypern wurde 1960 nach einem Aufstand der griechischstämmigen Bevölkerungsmehrheit unabhängig.

Das Ende des Britischen Weltreichs in Afrika kam außerordentlich rasch. So rasch, dass die neuen Staaten oft nicht in der Lage waren, mit den Problemen der Unabhängigkeit fertig zu werden. Zuerst wurde Ghana unabhängig (1957), danach Nigeria (1960), Sierra Leone und Tanganjika (1961), Uganda (1962), Kenia und Sansibar (1963), Gambia (1965), Botswana und Lesotho (1966) sowie Swasiland (1968).

Der Rückzug des Vereinigten Königreichs aus den südlichen und östlichen Teilen Afrikas wurde durch die relativ große Anzahl weißer Siedler verkompliziert. Kenia wurde von der Mau-Mau-Rebellion erschüttert, die sich an der Frage des Landbesitzes entzündet hatte und sich zu einem großen Stammeskrieg ausweitete. Die weiße Minderheit in Südafrika unterdrückte die schwarze Bevölkerungsmehrheit bis 1994 mit dem Apartheid-System. Die weiße Minderheit in Rhodesien erklärte 1964 lieber selbst die Unabhängigkeit, als sich einer schwarzen Herrschaft zu unterwerfen. Das rhodesische Regime hielt sich bis 1979, als die Übergabe der Macht an die Schwarzen und die Bildung von Simbabwe vereinbart wurde.

Die meisten karibischen Territorien entschlossen sich zur Unabhängigkeit, nachdem die Westindische Föderation gescheitert war. Zuerst wurden Jamaika sowie Trinidad und Tobago unabhängig (1962), danach folgten Barbados (1966) sowie die kleinen Inseln in der östlichen Karibik. Die Entwicklung im Pazifik verlief ähnlich. 1997 lief der 99-jährige Pachtvertrag für die New Territories ab und ganz Hongkong wurde an die Volksrepublik China zurückgegeben.

Siehe auch

Literatur

  • Peter Wende: Das Britische Empire. Geschichte eines Weltreichs. C. H. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-57073-5
  • Claudia Schnurmann: Vom Inselreich zur Weltmacht. Kohlhammer, Stuttgart 2001, ISBN 3-17-016192-X (Entwicklung des britischen Weltreichs vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert)
  • Brian Moynahan, Petra Dubilski: Das Jahrhundert Englands. Goldmann, München 2002, ISBN 3-442-15144-9 (Geschichte des britischen Königreichs im 20. Jahrhundert)
  • Edward Allhusen: British Empire Throughout the World 1905. Old House Books, Moretonhampstead 1993, 2004, ISBN 1-873590-03-2 (Nachdruck einer Karte des Britischen Weltreichs von 1905, mit einer Kurzbeschreibung aller Kolonien)
  • Lawrence James: The Rise and Fall of the British Empire. Abacus, London 1994, 2001. ISBN 0-349-10667-3
  • Nicholas Mansergh: Das britische Commonwealth, Kindler, München 1969 ISBN 0333331680

Weblinks


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