Brüderliche vereynigung

Brüderliche vereynigung
Titelseite der Schleitheimer Artikel

Die sogenannten Schleitheimer Artikel, eigentlich: Brüderliche vereynigung etzlicher kinder Gottes / siben Artickel betreffend [1], bilden die erste ausformulierte Bekenntnisschrift der Täuferbewegung. Sie sind benannt nach ihrem Entstehungsort Schleitheim, einer Schweizer Gemeinde in der Nähe von Schaffhausen.

Inhaltsverzeichnis

Entstehungsgeschichte

Michael Sattler, einer der führenden Persönlichkeiten der schweizerischen Täuferbewegung, wurde am 18. November 1525 wegen seines Glaubens der Stadt Zürich verwiesen und gelangte nach Württemberg, wo er eine umfangreiche Missionstätigkeit entfaltete. Um der jungen Täuferbewegung, die innerhalb kürzester Zeit an vielen Orten Süddeutschlands und in der Schweiz unabhängige Gemeinden gebildet hatte, eine theologische Richtung zu geben, lud Sattler zu einer Täuferkonferenz ein. Diese kam am 24. Februar 1527 in Schleitheim zusammen. Die anwesenden Abgesandten der Täufergemeinden beschlossen während dieses Treffens ein Glaubensbekenntnis, das erste in der Geschichte der Täuferbewegung. Es trug den Titel Brüderliche vereynigung etzlicher Kinder Gottes siben Artickel betreffend. Sie stammen wohl im Wesentlichen aus der Feder Michael Sattlers und sind als Schleitheimer Artikel in Kirchengeschichte eingegangen.

Zwischen 1527 und 1529 erschienen die Schleitheimer Artikel in gedruckter Form bei Peter Schöffer dem Jüngeren in Worms. Zwei Exemplare dieser Ausgabe befinden sich im Besitz der Bayrischen Staatsbibliothek München. Ein identischer Text erschien 1533, allerdings ergänzt durch eine Abhandlung über die Ehescheidung. Herausgeber dieser gedruckten Ausgabe war Jacob Cammerlander aus Straßburg. Im Jahr 1550 erschien eine weitere deutschsprachige Ausgabe, die um einige kurze Texte erweitert worden ist. Bekannt sind lediglich zwei Exemplare dieser Schrift, wovon sich eines in der Mennonite Historical Library in Goshen befindet und das andere im Schleitheimer Heimatmuseum[2]

Inhalt

Im Folgenden werden die Gliederung der Brüderlichen vereynigung beibehalten und deren Lehraussagen kurz zusammengefasst. Die wörtlichen Zitate finden sich bei Heinrich Böhmer (Hrsg.), aaO.

  • Die Taufe wird nach Artikel 1 der Schleitheimer Bekenntnisschrift an drei Voraussetzungen geknüpft. Erstens sollen die Täuflinge über Buße und Änderung des Lebens belehrt worden sein und in Wahrheit glauben, dass ihre Sünden durch Christus weggenommen sind. Zweitens müssen sie wollen, dass sie in der aufferstehung Jesu Christi wandeln und in der Taufe mit Jesus Christus begraben werden, um mit ihm aufzuerstehen. Drittens sollen sie in solcher meynung die Taufe durch sich selps begehren und vom Täufer fordern. Die Säuglingstaufe als des Bapsts höchste und erste grewel wird verworfen.
  • Ein Gemeindemitglied, die ettwann entschlipffen und fallen in eyn fall und sünd, sollen zunächst zweimal im Geheimen ermahnt werden. Wenn diese Mahnungen fruchtlos bleiben sollen das Gemeindemitglied nach der im 18. Kapitel des Matthäusevangeliums aufgestellten Regel Christi öffentlich zur Rede gestellt werden. Bleibt der Betreffende auch hier ohne Reue, kommt es zu Exkommunikation, bzw. Bann. Solches soll vor der Feier des Brotbrechens geschehen, damit eine geheiligte Gemeinde in Liebe von eynem brot brechen und essen mögen und von eynem Kelch trinken.
  • Am Abendmahl (die Schleiheimer Artikel sprechen vom Brotbrechen) dürfen nur solche teilnehmen, die zuvor durch den Empfang der Gläubigentaufe Glieder am Leib Christi, dessen Haupt Jesus Christus ist, geworden sind. Ebenfalls wird von den Abendmahlsteilnehmern verlangt, dass sie im Gehorsam gegenüber den Geboten Christi leben.
  • Im Blick auf die Welt erwarten die Schleitheimer Artikel, dass die Mitglieder der Täuferbewegung sich absondern und keine Gemeinschaft mit denen haben, die nicht in Christus sind. Die Absonderung bezieht sich vor allem auf den gesellschaftlichen Verkehr außerhalb der Gemeinde, die politische Verantwortungsübernahme und die Zugehörigkeit zur päpstlichen und reformierten Kirche.
  • Der Pastor oder Hirt soll ein Mann mit gutem Leumund sein. Er wird von der örtlichen Gemeinde berufen (verordnet). Sein Amt besteht vor allem in lesen (biblischen Schriften; erg.),vermanen und leren, manen, straffen, bannen in der gemeyn, ... allen brüdern und schwestern zur besserung vorbeten, dz brot anheben zu brechen.... Für den Lebensunterhalt des Pastors hat die Gemeinde zu sorgen, jedoch nicht (wie in den Kirchen üblich) durchen Steuern und Lehen. Wenn ein Pastor das Martyrium erleidet, soll sofort ein anderer Hirte an seine Stelle treten, damit die Gemeinde nicht zerstört wird.
  • Zwar hat Gott außerhalb der Gemeinde Christi das Schwert zur Erhaltung von Gesetz und Ordnung eingesetzt (Römerbrief, Kapitel 13). Innerhalb der Gemeinde darf es nur den Bann als erzieherische und seelsorgerliche Maßnahme geben. Den Mitgliedern der Täufergemeinde ist es untersagt, das Schwert zu führen und Kriegsdienst zu leisten. Sie orientieren sich am Beispiel Christi und seinem gewaltfreien Leben.
  • Christen dürfen unter keinen Umständen die Hand zum Schwur erheben, weil Jesus Christus den Eid für seine Jünger ausdrücklich verbietet. Schwören kann allein nur Gott, da er keinen Begrenzungen unterliegt und seine Absichten vollkommen ausführen kann.

Wirkungen

Die Schleitheimer Artikel fanden sehr schnell Verbreitung und Akzeptanz - nicht nur in den Kreisen der Täufer, sondern auch darüber hinaus. So sah sich Huldrych Zwingli genötigt, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Im zweiten Teil seines Elenchus (erschienen 1527) unternahm er eine Widerlegung.

Auch Johannes Calvin geht auf die Schleitheimer Artikel ein. In seiner 1544 erschienenen polemischen Schrift gegen die Täufer (Eine kurze Belehrung , um alle guten Gläubigen gegen die Irrtümer der kommunistischen Sekte der Wiedertäufer zu wappnen) geht er auf die täuferische Bekenntnisschrift ein.

Für die Hutterer und Teile der mennonitischen Bewegung bilden die Schleitheimer Artikel bis in die Gegenwart hinein eine wichtige Bekenntnisgrundlage ihrer Lehre. Für viele freikirchliche Bewegungen, darunter vor allem die Baptisten, bildet die Brüderliche vereynigung einen frühen Beleg für die auch von ihnen erhobene Forderung der Trennung von Kirche und Staat und das Postulat der Religionsfreiheit.

Wikisource

Literatur

  • Heinrich Böhmer (Hrsg): Urkunden zur Geschichte des Bauernkrieges und der Wiedertäufer, Berlin 1933, S. 28 - 33
  • J. C. Wenger: Die dritte Reformation. Einführung in die Geschichte und Lehre der Täuferbewegung, Kassel 1963

Textausgaben (mit Erläuterungen):

  • Quellen zur Geschichte der Täufer in der Schweiz (QGTS), Bd. II, Hg. Heinold Fast, Zürich 1973, S. 26-36. (Originalsprachlich!)
  • Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation (FEJR), Bd. II, Hg. Otto Clemen, Halle 1907-1911, Nachdruck Nieuwkoop 1967, S. 277-316. (Originalsprachlich!)
  • Das Schleitheimer Täuferbekenntnis 1527, v. Beatrice Jenny, Thayngen 1951 = Separatdruck aus Heft 28, 1951 der Schaffhauser Beiträge zur vaterländischen Geschichte (SBVG), S. 5-81. (Originalsprachlich!)
  • Der linke Flügel der Reformation = Klassiker des Protestantismus (KlProt), Bd. IV, Hg. Heinold Fast, Bremen 1962. (Sprachlich modernisiert!)
  • Das Schleitheimer Bekenntnis 1527. Einleitung, Faksimile, Übersetzung und Kommentar, Hgg. Urs B. Leu, Christian Scheidegger, Zug o.J. [2004] [3] ISBN 3-905351-10-2 (Originalsprachlich [als Faksimile] und sprachlich modernisiert).

Siehe auch

Weblinks

Anmerkungen und Einzelnachweise

  1. Rechtschreibung entspricht dem Original; siehe Abbildung
  2. Erläuterungen zum gedruckten Text der Schleitheimer Artikel; eingesehen am 4. Oktober 2008
  3. Zusammenfassung der im Achius Verlag erschienenen kommentierten Ausgabe des Schleitheimer Bekenntnisses

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