Bundesanwaltschaft (Deutschland)

Bundesanwaltschaft (Deutschland)
Logo des Generalbundesanwalt

Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA) ist in der Bundesrepublik Deutschland das Strafverfolgungsorgan des Bundes und nimmt Aufgaben neben der Justizgewalt der Länder wahr. Oft als „Bundesanwaltschaft“ bezeichnet, leitet der Generalbundesanwalt nicht eine Behörde, er ist vielmehr selbst Behörde.

Ihm sind mehrere Bundesanwälte, Oberstaatsanwälte beim Bundesgerichtshof und Staatsanwälte beim Bundesgerichtshof zugeordnet. Er verfügt über circa 200 Mitarbeiter, von denen etwa 90 Juristen sind.[1] Auch sind einige wissenschaftliche Mitarbeiter beschäftigt, dies sind Staatsanwälte oder Richter aus den Ländern, die in der Regel für drei Jahre abgeordnet werden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Gründung und Sitz

Die Behörde wurde 1950 gegründet; ihre Vorgängerbehörde war die Oberreichsanwaltschaft. Die Behörde hat ihren Hauptsitz beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Eine weitere Dienststelle der Behörde befindet sich in Leipzig beim Sitz des 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes. Ursprünglich hatten der 5. Strafsenat und die dazugehörige Dienststelle der Behörde ihren Dienstsitz in Berlin. Der Berliner Dienstsitz sollte u. a. der – von westdeutscher Seite allerdings stets bestrittenen – Rechtsauffassung der West-Alliierten Rechnung tragen, dass West-Berlin nicht integraler Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland sei und daher nicht von Karlsruhe aus „regiert“ werden könne. Der Wechsel des 5. Strafsenats und der dazugehörigen Dienststelle der Behörde von Berlin nach Leipzig erfolgte als „Ausgleich“ für die Verlegung von (Teilen) der Bundesregierung von Bonn nach Berlin. Der Wechsel nimmt zudem Bezug auf den historischen Sitz des Reichsgerichts in Leipzig.

Neuorganisation

Bis zur Gründung des Bundesamtes für Justiz am Jahresbeginn 2007 hatte die Behörde ferner in Bonn eine Dienststelle, die das Bundeszentralregister führte. Das Bundeszentralregister wird seitdem vom Bundesamt für Justiz geführt, das seinen Dienstsitz ebenfalls in Bonn hat.

Aufgabenbereiche

Der Generalbundesanwalt ist nicht vorgesetzte Behörde der Staatsanwaltschaften der Länder. Er steht in seiner Funktion als Anklagevertreter bei Verfahren vor dem Bundesgerichtshof sowie als Ermittlungsbehörde in bestimmten – gesetzlich geregelten – Fällen des strafrechtlichen Staatsschutzes neben den Landesstaatsanwaltschaften.

Der Generalbundesanwalt hat im Wesentlichen folgende Aufgabenbereiche:

Bis zum 31. Dezember 2006 war der Generalbundesanwalt auch für die Führung verschiedener Register (Bundeszentralregister, Erziehungsregister, Gewerbezentralregister und zentrales staatsanwaltschaftliches Verfahrensregister) sowie für die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben im internationalen Familienrecht zuständig. Diese Aufgaben wurden zum 1. Januar 2007 auf das neu errichtete Bundesamt für Justiz übertragen.[1]

Evokative Zuständigkeit

Das Evokationsrecht des Generalbundesanwalts ist in § 120 Abs. 2 GVG geregelt. Dort werden die Voraussetzungen umschrieben, unter denen der Generalbundesanwalt die Strafverfolgung von bestimmten staatsgefährdenden Delikten übernimmt (so genannte „gekorene Staatsschutzdelikte“). Die Vorschrift des § 120 Abs. 2 GVG sieht 3 Fallgruppen für die Übernahme der Ermittlungen vor. Der Generalbundesanwalt ist zuständig, wenn

  • er bei bestimmten Staatsschutzdelikten, die nicht in seine originäre Zuständigkeit fallen, wie z. B. die Bildung einer kriminellen Vereinigung, die besondere Bedeutung des Falles bejaht,
  • bestimmte schwere Straftaten mit einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Zusammenhang stehen oder
  • bestimmte schwere Straftaten, wie z. B. Mord, Totschlag, Geiselnahme, schwere Brandstiftung nach den Umständen bestimmt und geeignet sind, die äußere oder innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen und der Generalbundesanwalt die besondere Bedeutung des Falles bejaht. Eine Beeinträchtigung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a GVG kann in der Regel nur angenommen werden, wenn die konkrete Tat nach den jeweiligen Umständen das innere Gefüge des Gesamtstaates beeinträchtigen kann oder sich gegen dessen Verfassungsgrundsätze richtet. Zu diesen Verfassungsgrundsätzen zählt der Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft gegenüber Minderheiten (Rechtsextremismus).[2]

Der Fall der Evokation stellt eine „bewegliche“ Zuständigkeit dar. Liegen die Voraussetzungen des § 120 Abs. 2 GVG vor, hat der Generalbundesanwalt das Verfahren an sich zu ziehen. Die Übernahme ist zwingend; sie unterliegt der Nachprüfung durch die Gerichte. Im Ermittlungsverfahren übt der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes die Kontrolle aus, sofern Entscheidungen über Maßnahmen zu treffen sind, die unter Richtervorbehalt stehen (Haftbefehl, Durchsuchung, Beschlagnahme, Telefonüberwachung). Nach Anklageerhebung geht die Zuständigkeitsprüfung auf das Oberlandesgericht über. Bei der Eröffnung des Hauptverfahrens verweist das Oberlandesgericht die Sache an das Landgericht oder an das Amtsgericht, wenn es der Ansicht ist, dass die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts nicht gegeben ist. Im Revisionsverfahren prüft der Bundesgerichtshof von Amts wegen, ob das Oberlandesgericht die Anklage des Generalbundesanwalts rechtsfehlerfrei zur Hauptverhandlung zugelassen hat. Die Prüfung der Zuständigkeit des Oberlandesgerichts dient hier nicht vorrangig dem Schutz individueller Rechte des Angeklagten, namentlich seines grundrechtlichen Anspruchs auf den gesetzlichen Richter (Artikel 101 Abs. 1 Satz 2 GG), sondern der Wahrung der objektiven Kompetenzordnung des Grundgesetzes. Denn mit der Zuweisung einer Sache an die Bundesjustiz werden nicht nur eine Ermittlungsbehörde (§ 142 a Abs.1 Satz 1 GVG) und ein Gericht des Bundes (§ 120 Abs. 1, 2 GVG und § 6 StPO) für die Strafverfolgung zuständig, vielmehr geht auch die Strafvollstreckung (§ 451 Abs. 1 StPO, § 4c StVollstrO) und das Gnadenrecht (§ 452 Satz 1 StPO, Artikel 60 Abs. 2 GG) auf den Bund über.[3]

Sonstige Aufgaben

Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof ist zudem im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz ein „Anwalt“ des Bundes. Ihm ist die Vertretung in Verwaltungsverfahren und gerichtlichen Verfahren übertragen, die den Bundesgerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht, den Bundesfinanzhof und das Bundesdisziplinargericht oder aber die Bundesanwaltschaft selbst betreffen. Die Aufsicht über die Bundesanwaltschaft und den Generalbundesanwalt übt das Bundesjustizministerium aus.

Auswahl und Ernennung

Nach § 149 Gerichtsverfassungsgesetz unterbreitet der Bundesminister der Justiz mit Zustimmung des Bundesrates dem Bundespräsidenten einen Ernennungsvorschlag für das Amt des Generalbundesanwalts und der Bundesanwälte.

Liste der Generalbundesanwälte

Nr. Name Beginn der Amtszeit Ende der Amtszeit
1 Dr. Carlo Wiechmann (1) (1886–1967) 7. Oktober 1950 31. März 1956
2 Dr. h.c. Max Güde (1902–1984) 1. April 1956 26. Oktober 1961
3 Wolfgang Fränkel (* 1905) 23. März 1962 24. Juli 1962
4 Ludwig Martin (* 1909) 7. April 1963 30. April 1974
5 Siegfried Buback (1920–1977) 31. Mai 1974 7. April 1977 (2)
6 Prof. Dr. Kurt Rebmann (1924–2005) 1. Juli 1977 31. Mai 1990
7 Alexander von Stahl (* 1938) 1. Juni 1990 6. Juli 1993
8 Kay Nehm (* 1941) 7. Februar 1994 31. Mai 2006
9 Prof. Monika Harms (* 1946) 1. Juni 2006
1 Amtsbezeichnung Oberbundesanwalt.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Bundesanwaltschaft beim Bundesverwaltungsgericht — Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht (VBI) vertritt gemäß § 35 VwGO das öffentliche Interesse des Bundes in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Grundlage und Aufgaben Der VBI wird von der… …   Deutsch Wikipedia

  • Sperrungen von Internetinhalten in Deutschland — Von der Sperrung von Internetinhalten in Deutschland waren bisher mehrere Websites und Internetdienste aus unterschiedlichen Gründen betroffen. Weitere Sperrungen in größerem Umfang sind in Vorbereitung oder wurden gefordert. Inhaltsverzeichnis 1 …   Deutsch Wikipedia

  • Staatsanwaltschaft (Deutschland) — Eine Staatsanwaltschaft (StA) ist die Behörde, die für die Strafverfolgung und vollstreckung zuständig ist und als solche ein Teil der Rechtspflege ist. Sie wird auch mit dem Begriff Anklagebehörde bezeichnet. Inhaltsverzeichnis 1 Aufgaben 1.1… …   Deutsch Wikipedia

  • Revolutionäre Zellen (Deutschland) — Das Logo der Revolutionären Zellen Die Revolutionären Zellen (RZ) waren ein militantes Netzwerk bestehend aus autonomen Gruppen in Deutschland. Sie waren von den 1970er Jahren bis in die 1990er Jahre aktiv und begriffen sich als Teil der… …   Deutsch Wikipedia

  • Bundesrepublik Deutschland: Guillaume-Affäre —   Am 25. April 1974 gab die Bundesanwaltschaft bekannt, dass im Bundeskanzleramt ein enger Mitarbeiter des Bundeskanzlers Willy Brandt festgenommen worden sei, weil er im Verdacht stand, Spionage für die DDR betrieben zu haben. Günter Guillaume… …   Universal-Lexikon

  • Terrorismus in der Bundesrepublik Deutschland —   Aus einem kleinen Teil der studentischen Protestbewegung hatte sich nach 1968 eine terroristische Gruppierung unter dem Namen »Rote Armee Fraktion« (RAF) gebildet, die nach den Namen zweier ihrer Anführer auch Baader Meinhof Gruppe genannt… …   Universal-Lexikon

  • Bundesanwalt — Bundesanwaltschaft steht für: den deutschen Generalbundesanwalt und die ihm untergeordneten Bundesanwälte den Bundeswehrdisziplinaranwalt den Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht in Deutschland die Staatsanwaltschaft die… …   Deutsch Wikipedia

  • Mordserie Bosporus — Als Mordserie Bosporus wird, nach dem Namen der ermittelnden Sonderkommission, eine bundesweite Serie von Morden an Kleinunternehmern mit Migrationshintergrund genannt, die sich in den Jahren von 2000 bis 2006 in verschiedenen Großstädten… …   Deutsch Wikipedia

  • G8-Gipfel in Heiligendamm — Der G8 Gipfel in Heiligendamm 2007 war das 33. Gipfeltreffen der Regierungschefs der Gruppe der Acht. Das Treffen fand unter deutscher Präsidentschaft vom 6. bis zum 8. Juni 2007 im Grand Hotel Kempinski des rund 15 Kilometer westlich von Rostock …   Deutsch Wikipedia

  • G8 2007 — Der G8 Gipfel in Heiligendamm 2007 war das 33. Gipfeltreffen der Regierungschefs der Gruppe der Acht. Das Treffen fand unter deutscher Präsidentschaft vom 6. bis zum 8. Juni 2007 im Grand Hotel Kempinski des rund 15 Kilometer westlich von Rostock …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”