- Bundesländerfusionen
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Neugliederung des Bundesgebietes ist ein Begriff aus dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (Art. 29 ) und regelt den territorialen Zuschnitt der Länder z. B. durch Fusionen oder Grenzkorrekturen. Voraussetzung ist ein Volksentscheid, bei dem die Bürger eines Landes die Neugliederung befürworten.
Seit Gründung der Bundesrepublik wird eine Neugliederung des Bundesgebiets immer wieder diskutiert, etwa im 1952 eingesetzten Luther-Ausschuss oder der 1970 eingesetzten Ernst-Kommission.
Trotz mehrfacher Anläufe ist die bislang einzige Neugliederung die Fusion der Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern zum neuen Land Baden-Württemberg im Jahre 1952.
Der Versuch einer Fusion von Berlin und Brandenburg zu einem neuen Land Berlin-Brandenburg scheiterte im Mai 1996, weil nicht einmal 25% der wahlberechtigten Brandenburger, das verfassungsmäßig notwendige Minimum, für den Fusionsvertrag stimmten; 63% der abstimmenden Bürger stimmten mit Nein. Der Fusionsvertrag wäre also schon mangels Mindestzustimmung nicht in Kraft getreten.
Auch weitere Neugliederungsversuche sind in absehbarer Zeit nicht realistisch, da der Volksentscheid nicht erfolgreich wäre. Trotzdem wird die Forderung nach einer Neugliederung von Bayern und Baden-Württemberg oft aus wahltaktischen Gründen aufgegriffen.
Die fünf neuen Bundesländer erhielten 1990 teilweise veränderte Grenzen im Vergleich zu den Ländern, wie sie in der Sowjetischen Besatzungszone bzw. DDR bis 1952 bestanden. Dies wird auch oft als Neugliederung bezeichnet, ist jedoch keine im Sinne der Definition des Grundgesetzes.
Kommunale Neugliederungen, also Zusammenschlüsse und Änderungen der Grenzziehung von Gemeinden und Landkreisen, fasst man dagegen häufig unter dem Begriff Gebietsreform zusammen.
Inhaltsverzeichnis
Regelung der Neugliederung im Grundgesetz
Artikel 29 GG ermöglicht eine Neugliederung des Bundesgebiets, „um zu gewährleisten, dass die Länder nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können.“ (Art. 29 Abs. 1). Sie muss durch Bundesgesetz erfolgen und durch einen Volksentscheid in allen betreffenden Ländern bestätigt werden. Es stehen zwar nicht die Länder als solche (siehe Art. 79 Abs. 3), aber deren Zahl und territorialer Zuschnitt durch den Neugliederungsartikel des Grundgesetzes unter Vorbehalt.
Der Neugliederungsartikel war bis 1955 von den Alliierten suspendiert und wurde mehrfach geändert, so dass aus der ursprünglichen Pflicht zur Neugliederung zuletzt eine Kann-Bestimmung wurde.
Ein beschleunigtes Neugliederungsverfahren sehen die eigens für Baden-Württemberg und später auch für Berlin und Brandenburg eingefügten Grundgesetz-Artikel 118 und 118a vor. Danach kann abweichend von der Regelung nach Art. 29 (mit obligatorischem Volksbegehren und Volksentscheid) auch eine bloße „Vereinbarung“ der jeweiligen Länder getroffen werden, die jedoch von der betroffenen Bevölkerung bestätigt werden muss.
Schleswig-Holstein
Bereits der erste gewählte Landtag Schleswig-Holsteins brachte seine Erwartung einer Neugliederung zum Ausdruck: er erließ 1949 nicht etwa eine Landesverfassung, sondern eine „Landessatzung“, um – analog zum Begriff „Grundgesetz“ – deren vorläufigen Charakter zum Ausdruck zu bringen. Erst die nach der Verfassungsreform von 1990 vom Landtag verabschiedete Verfassung trug auch den Namen Landesverfassung. Die damaligen Bestrebungen Schleswig-Holsteins zur Neugliederung spiegeln sich auch im Gerichtsaufbau des Landes wider: Erst 1991 errichtete das Land ein eigenes Oberverwaltungsgericht, welches fortan die Aufgaben wahrnahm, die bis dato das Oberverwaltungsgericht Lüneburg als gemeinsames Oberverwaltungsgericht der Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein wahrgenommen hatte. Erst am 1. Mai 2008 nahm das Schleswig-Holsteinische Landesverfassungsgericht seine Arbeit auf. Bis dahin wurden landesverfassungsrechtliche Rechtsstreite vor dem Bundesverfassungsgericht ausgetragen, das als Landesverfassungsgericht tätig wurde.
Neugliederung mit dem Ziel weniger Länder
Vorschläge zur Zusammenlegung von Ländern werden immer wieder von verschiedenster Seite vorgetragen. Der Vorstoß des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck zur Fusion seines Landes mit dem Saarland vom Januar 2003 stieß dort aber auf Ablehnung. Auch andere Vorschläge, wie zum Beispiel der immer wieder ins Gespräch gebrachte Beitritt des Landes Bremen zum Land Niedersachsen, besitzen derzeit geringe Aussichten auf Erfolg. In Teilen Norddeutschlands ist die Diskussion in Politik und Medien über einen Nordstaat ein Dauerthema.
Gründe für und gegen eine Neugliederung
Man kann darüber streiten, ob eine Neugliederung des Bundesgebietes sinnvoll ist oder nicht.
Als Gründe für eine Neugliederung werden typischerweise vorgebracht:
- Einsparung von Verwaltungskosten durch Wegfall von Landesparlamenten
- durch weniger Landtagswahlen Einschränkung des Dauerwahlkampfs und somit reformfreudigere Bundespolitik
- Gerechtere Verteilung der Stimmen im Bundesrat
- handlungsfähigeres, größeres Land
- gemeinsame Politik zwischen Stadtstaat und dem umliegenden Land
- für vormals geteilte Ballungsräume: bessere Entwicklung
- Länder als europäische Regionen oder sogar Staaten
Übliche Gründe gegen eine Neugliederung sind:
- Verlust regionaler Identifikation und Machtverlust durch Wegfall eines eigenen Landesparlaments
- Verlust von Sitzen im Bundesrat durch begünstigende Gewichtung kleinerer Länder im Grundgesetz
- mögliche Vernachlässigung des Umlandes bei Fusion mit Stadtstaat, falls sich die Politik auf die Großstadt konzentriert
- Übernahme der Probleme anderer Länder wie Landesschulden oder schwache Wirtschaft
- Größe des Landes ist kein Argument für Handlungsfähigkeit; Beispiel Luxemburg
- Verlust der Bürgernähe einer Regierung durch größere Zuständigkeitsbereiche und Schwächung der direkten Demokratie
Arten und Vorschläge der Neugliederung
In den 1955 legten der Luther-Ausschuss, Anfang der 1973 Jahre die Ernst-Kommission zum Teil sehr weitgehende Vorschläge für eine territoriale Neugliederung des Bundesgebiets vor.
Es gibt unterschiedliche Arten der Neugliederung, die in den verschiedenen Vorschlägen meist als Gesamtkonzept kombiniert werden: Fusionen von Ländern (wie 1952 zu Baden-Württemberg), oder Grenzkorrekturen zwischen zwei Ländern (wie z. B. 1955 Landkreis Lindau zurück an Bayern).
Konkrete Vorschläge für eine Neugliederung nach 1990
12 Länder 9 Länder 8 Länder 7 Länder 6 Länder 6 Länder 6 Länder Fusion (ohne kleine Länder) Fusion Neugliederung Fusion (ähnliche Einwohnerzahl) Neugliederung Fusion Fusion (ähnliche Einwohnerzahl) populäre Variante Döring 2003 Werner Rutz 1995 Miegel 1990 und Ottnad 1997 Werner Rutz 1995 Apel 1997 Alternativen zur Neugliederung
Alternativ zu einer Neugliederung werden im öffentlichen Bereich andere Wege gegangen, die durch Staatsverträge in den einzelnen Fällen geregelt werden.
Die Landesrundfunkanstalten der ARD sind das deutlichste Beispiel und prägen auch die regionale Zugehörigkeit über Ländergrenzen hinweg („Mitteldeutschland“, „SWR3-Land“). Beim Beispiel der Bundesbank, der Landesbanken, des DGB und der Bahn (DB Regio) sind es ökonomische oder verwaltungstechnische Gründe für eine Zusammenarbeit. Die Karte der Verkehrsverbünde zeigt wie derzeit schon grenzüberschreitend zusammengearbeitet wird. Bei der katholischen und evangelischen Kirche wurden schon einige Fusionen durchgeführt, die die Anzahl der Kirchenprovinzen verringern und die Grenzen von 1815 bzw. die Teilung West-/Ost-Deutschland überwinden.
Siehe auch
- Föderalismus
- Föderalismus in Deutschland
- Föderalismusreform
- Metropolregion
- Politisches System Deutschlands
Literatur
- Günter Püttner: Verwaltungslehre, 4. Aufl., München 2007, § 8, I, 8.
Weblinks
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