Bundestagswahlgesetz

Bundestagswahlgesetz

Das Bundestagswahlrecht regelt die Wahl der 598 Mitglieder des Deutschen Bundestages. Nach den in Art. 38 Grundgesetz (GG) festgelegten Wahlrechtsgrundsätzen ist die Wahl allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim. Weiterhin ist im Grundgesetz vorgeschrieben, dass die Wahlen zum Bundestag normalerweise alle vier Jahre stattfinden und dass man das passive Wahlrecht als Volljähriger, das aktive Wahlrecht ab der Vollendung des 18. Lebensjahr hat. Alle weiteren Bestimmungen zur Bundestagswahl werden von einem Gesetz, dem Bundeswahlgesetz, geregelt.

Personalisierte Verhältniswahl der Bundesrepublik Deutschland

Inhaltsverzeichnis

Verfassungsrechtliche Grundlagen

Wahlrechtsgrundsätze

Nach Art. 38 Abs. 1 GG werden „die Abgeordneten des Deutschen Bundestages […] in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt.“ Diese fünf Wahlrechtsgrundsätze sind grundrechtsgleiche Rechte: Ihre Verletzung kann durch eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht gerügt werden.

Eine Wahl ist allgemein, wenn grundsätzlich jeder Staatsbürger an ihr teilnehmen kann: Es gibt keine Einschränkung etwa bezüglich des Einkommens, des Geschlechts, der Gesundheit oder anderer willkürlicher Unterschiede. Dagegen ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes die Vorschrift eines Mindestwahlalters mit der Allgemeinheit der Wahl vereinbar.

Auch der Ausschluss vom aktiven Wahlrecht ist – in engen Grenzen – mit dem Grundgesetz vereinbar. Der Ausschluss vom passiven Wahlrecht unterliegt etwas weniger strengen Bestimmungen.

Wahlplakate in Nürnberg, Bundestagswahl 1961

Das Wahlrecht ist aber prinzipiell deutschen Staatsbürgern und den in Deutschland niedergelassenen deutschstämmigen Flüchtlingen und Vertriebenen, den so genannten Statusdeutschen, vorbehalten. Die Einführung eines Ausländerwahlrechtes bedürfte einer Änderung von Art. 20 GG.

Eine Wahl ist unmittelbar, wenn der Wählerwille direkt das Wahlergebnis bestimmt. Eine Zwischenschaltung von Wahlmännern wie etwa bei der Wahl des US-Präsidenten ist damit unzulässig. Das Verfahren der Listenwahl hingegen ist mit dem Grundsatz der unmittelbaren Wahl vereinbar.

Eine Wahl ist frei, wenn der Staat den Bürger nicht zu einer bestimmten inhaltlichen Wahlentscheidung verpflichtet. Die Freiheit der Wahl würde aber nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes durch eine Wahlpflicht, sofern sie durch das Bundeswahlgesetz eingeführt würde, nicht verletzt. Unvereinbar mit diesem Wahlrechtsgrundsatz wäre jedoch etwa die Durchführung von Wahlwerbung auf Kosten des Staates. Allerdings darf die (parteipolitisch gebildete) Bundesregierung unter strikter Wahrung ihrer Neutralität Öffentlichkeitsarbeit betreiben.

Eine Wahl ist geheim, wenn die Entscheidung eines Wählers keinem anderen bekannt ist. Das Bundestagswahlrecht sieht sogar vor, dass kein Wähler im Wahllokal seine Entscheidung bekannt machen darf. Problematisch ist die Briefwahl, die daher verfassungsrechtlich als Ausnahmefall gelten muss, da hier das Wahlgeheimnis nicht gesichert ist. Da aber ansonsten die als höherwertig betrachtete Allgemeinheit der Wahl beeinträchtigt würde, ist die Briefwahl mit den Wahlrechtsgrundsätzen vereinbar.

Eine Wahl ist gleich, wenn jeder Wähler grundsätzlich das gleiche Stimmgewicht besitzt. Die Gleichheit des Stimmgewichtes ist beispielsweise nicht gewahrt, wenn die Wahlkreise deutliche Unterschiede in ihrer Größe aufweisen oder von staatlicher Seite in der Weise bestimmt werden, dass gewisse Gruppen etwa durch Hochburgbildung Vor- oder Nachteile haben (Gerrymandering).

Für die Wahlgesetzgebung ist die Gleichheit der Wahl der schwierigste Teil der Verfassungvorschriften. Einerseits sind gewisse Ungleichheiten unvermeidbar, da die Wahlkreise nicht genau gleich groß gemacht werden können und auch die Wahlbeteiligung nicht homogen ist. Andererseits wird durch Überhangmandate und ein nicht ausgeschaltetes negatives Stimmgewicht in nicht zwingend gebotener Weise in die Wahlgleichheit eingegriffen. Mit seinem Urteil vom 3. Juli 2008 erklärte das Bundesverfassungsgericht das im Bundestagswahlrecht mögliche negative Stimmgewicht für verfassungswidrig. Der Gesetzgeber muss das Wahlgesetz bis zum 30. Juni 2011 so ändern, dass negatives Stimmgewicht nicht mehr möglich ist.[1]

Weitere starke Eingriffe sind die Fünfprozenthürde und die sog. Grundmandatsklausel, weil sie ganzen politischen Strömungen und ihren Wählern den Einfluss im Parlament komplett verweigert.

Während die Fünfprozenthürde und die Überhangmandate vom Bundesverfassungsgericht und von der Rechtswissenschaft grundsätzlich gebilligt werden, erscheinen die hieraus resultierenden Nebenwirkungen mit dem Grundgesetz nicht ohne Weiteres vereinbar.

Wahlrecht

Aktives Wahlrecht

Aktives Wahlrecht bezeichnet die Befugnis, andere zu wählen. Aktiv wahlberechtigt ist, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat, Art. 38 Abs. 2 GG. Zu den Bestrebungen, ein Wahlrecht für Kinder einzuführen, siehe Artikel Kinderwahlrecht.

Gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus, d. h. vom deutschen Staatsvolk. Daher bestimmt § 12 Abs. 1 BWahlG in verfassungsrechtlich zulässiger Weise, dass nur Deutsche i. S.v. Art. 116 Abs. 1 GG das aktive Wahlrecht besitzen.

Vom Wahlrecht ausgeschlossen sind Deutsche,

  • denen ein Gericht im Zusammenhang mit einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Delikten aus den Bereichen Friedensverrat, Hochverrat, Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats, Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit, Straftaten gegen Verfassungsorgane sowie bei Wahlen und Abstimmungen sowie Straftaten gegen die Landesverteidigung das aktive Wahlrecht entzogen hat, §§ 13 Nr. 1 BWahlG, 92a, 101, 108c, 109i, 45 Abs. 5 StGB
  • für die nicht nur durch einstweilige Anordnung ein Betreuer mit umfassendem Aufgabenkreis bestellt worden ist, § 13 Nr. 2 BWahlG
  • die sich nach der Begehung einer rechtswidrigen Tat in schuldunfähigem Zustand aufgrund strafgerichtlicher Anordnung gemäß §§ 63, 20 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus befinden.

Passives Wahlrecht

Passives Wahlrecht ist die Befugnis, sich wählen zu lassen. Das passive Wahlrecht genießt jeder volljährige Deutsche im Sinne des Grundgesetzes (Art. 38 Abs. 2 GG). Hierbei ist zu beachten, dass die Volljährigkeit durch einfaches Bundesgesetz geändert werden kann.

Das passive Wahlrecht setzt das aktive voraus. Jedoch ist auch wählbar, wer bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen für das aktive Wahlrecht dieses nur deswegen nicht besitzt, weil er seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Bundesgebiet hat und auch nicht die Voraussetzungen für das Wahlrecht als Auslandsdeutscher erfüllt. Allerdings kann unter bestimmten Voraussetzungen das passive Wahlrecht aberkannt werden. Dies ist z. B. im Falle der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe aufgrund eines Verbrechens von mehr als einem Jahr durch § 45 Abs. 1 StGB geregelt.

Wahlorgane

Das wichtigste Wahlorgan ist der Bundeswahlleiter, der unter anderem die ordnungsgemäße Durchführung der Wahl überwacht, dem Bundeswahlausschuss vorsitzt und vom Bundesministerium des Innern ernannt wird. In der Regel wird das Amt vom Leiter des Statistischen Bundesamtes wahrgenommen. Dem Bundeswahlleiter zur Seite stehen für jedes Bundesland der Landeswahlleiter und der Landeswahlausschuss, für jeden Wahlkreis der Kreiswahlleiter und der Kreiswahlausschuss und für jeden Wahlbezirk der Wahlvorsteher und der Wahlvorstand. Sie werden von der Landesregierung oder von einer von ihr bestimmten Stelle ernannt. Die übrigen Mitglieder der Wahlausschüsse werden vom Wahlleiter berufen.

Die Wahlorgane sind Einrichtungen gesellschaftlicher Selbstorganisation und damit Organe eigener Art. Sie haben im weiteren Sinne die Stellung von Bundesbehörden. Als oberste staatliche Wahlbehörde ist das Bundesministerium des Innern für den Erlass der zur Vorbereitung und Durchführung der Bundestagswahl erforderlichen Vorschriften der Bundeswahlordnung und der Bundeswahlgeräteverordnung zuständig. Das Bundesministerium des Innern ist aber gegenüber den Wahlorganen nicht weisungsbefugt.

Wahlprüfung

Binnen 2 Monaten nach der Bundestagswahl kann von jedem Wähler die Wahlprüfung beantragt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes muss der Wahlprüfungsausschuss des Bundestages einen Einspruch ablehnen, wenn sich die Mandatsverteilung auch bei Annahme des Einspruches nicht ändern würde. Der Wahlprüfungsausschuss prüft nur die korrekte Anwendung des Bundeswahlgesetzes. Eine etwaige Verfassungswidrigkeit desselben wird von ihm nicht festgestellt.

Wird der Einspruch vom Bundestag abgelehnt, so kann binnen weiterer 2 Monate beim Bundesverfassungsgericht eine Wahlprüfungsbeschwerde erhoben werden. Der Beschwerde müssen 100 Wahlberechtigte beitreten.

Ist der Einspruch erfolgreich, so endet die Mitgliedschaft des betroffenen Mitglieds des Bundestages. Dieser kann gegen die Entscheidung seinerseits klagen.

Bislang war keine Wahlprüfungsbeschwerde gegen eine Entscheidung des Deutschen Bundestages erfolgreich, auch wenn die Richter einem Beschwerdeführer in der Sache Recht gaben.

Bestimmung der Kandidaten

Vorschlagsrecht von Parteien

Einen Wahlvorschlag dürfen nur diejenigen Parteien abgeben, die im Bundestag oder einem Landtag seit dessen letzter Wahl aufgrund eines eigenen Wahlvorschlages ununterbrochen mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten sind. Sonst müssen sie dem Bundeswahlleiter rechtzeitig, d. h. bei turnusmäßigen Bundestagswahlen spätestens 90 Tage vor dem Wahltag, ihre Beteiligung an der Bundestagswahl angezeigt haben und vom Bundeswahlausschuss als Partei anerkannt worden sind.

Kreiswahlvorschläge

Die Bewerber einer Partei müssen in einer demokratischen und geheimen Wahl durch die Versammlung der Mitglieder der Partei im Wahlkreis gewählt werden, oder von einem von dieser Partei bestimmten ähnlichen Gremium. Aktiv vorschlagsberechtigt ist jedes stimmberechtigte Parteimitglied; der Vorgeschlagene muss nicht Parteimitglied sein. Ab der Bundestagswahl 2009 darf kein Bewerber mehr aufgestellt werden, der einer anderen Partei angehört. Über die Wahl des Kreiswahlvorschlages muss ein Protokoll geführt werden; es muss dem Kreiswahlleiter vorgelegt werden. Dieser prüft den Wahlvorschlag, benennt eventuelle Mängel und gibt Gelegenheit zur Nachbesserung.

Zur Wahl zugelassen wird ein Kreiswahlvorschlag nur dann, wenn er von einer Partei stammt, die im Bundestag oder einem Landtag vertreten ist. Ansonsten muss die Partei eine nationale Minderheit vertreten, oder der Vorschlag muss mindestens 200 Unterschriften von Wahlberechtigten aus dem Wahlkreis enthalten, unabhängig davon, ob er von einer Partei eingereicht wird oder nicht. Daher braucht ein Kandidat in einem Wahlkreis nicht von einer Partei unterstützt werden, sofern der die Unterschriften vorzeigen kann. Der Kreiswahlvorschlag soll eine Vertrauensperson und einen Stellvertreter benennen, die zur Abgabe von Erklärungen gegenüber dem Kreiswahlleiter berechtigt ist.

Ein Kreiswahlvorschlag kann durch gemeinsame Erklärung der beiden Vertrauenspersonen oder durch Erklärung der Mehrheit der Unterzeichner des Wahlvorschlages zurückgezogen werden. Durch Erklärung der beiden Vertrauenspersonen kann auch der Name der vorgeschlagenen Person geändert werden, sofern der ursprünglich Vorgeschlagene seine Wählbarkeit verliert oder stirbt. Ist der Wahlvorschlag bereits zugelassen, so kann er weder zurückgezogen noch geändert werden.

Stirbt ein Direktkandidat vor dem Wahltermin, so wird die Wahl in dem Wahlkreis abgesagt. Spätestens sechs Wochen nach dem allgemeinen Wahltermin wird sie neu angesetzt (§ 43 Bundeswahlgesetz), damit die Partei des verstorbenen Direktkandidaten einen Ersatzkandidaten benennen kann. Dabei findet die Nachwahl nach den gleichen Vorschriften statt wie die Hauptwahl; insbesondere können zwischen Haupt- und Nachwahl volljährig gewordene Deutsche nicht mitwählen.

Landeslisten

Nach dem Bundeswahlgesetz erfolgt die Aufstellung der Landeslisten grundsätzlich analog zur Aufstellung von Kreiswahlvorschlägen. Zusätzlich ist festgelegt, dass die Reihenfolge der Landesliste in geheimer Wahl bestimmt werden muss.

Eine Landesliste von einer nicht im Bundestag oder in einem Landtag vertretenen Partei, die auch keine nationale Minderheit vertritt, benötigt zu ihrer Zulassung die Unterzeichnung durch mindestens ein Promille der Wahlberechtigten in dem Land, höchstens jedoch 2.000 Unterschriften. Für die Benennung von Vertrauenspersonen und die Veränderung der Landesliste finden die Vorschriften für Kreiswahlvorschläge entsprechende Anwendung.

Landeslisten der gleichen Partei gelten für die Berechnung der Sperrklausel grundsätzlich als verbunden, es sei denn, die Vertrauenspersonen geben gegenüber dem Bundeswahlleiter eine abweichende Erklärung ab.

Wahlsystem

Beispiel: Stimmzettel des Wahlkreises 252 für die Wahl zum 16. Bundestag

Der Wähler hat 2 Stimmen. Das Bundestagswahlrecht unterscheidet die beiden Stimmen als Erststimme und Zweitstimme. Diese Begriffe kennzeichnen aber weder ein Rangverhältnis unter den Stimmen noch eine logische Abfolge bei einem korrekten Wahlvorgang. Irrtümlich bezeichneten in Umfragen ca. 63 % (2005) bis 70 % (2002) der Wahlberechtigten die Erststimme als wichtiger. Demzufolge werden in den Landeswahlgesetzen einiger Bundesländer, die für die Landtagswahlen ein dem Bundestagswahlrecht nachgebildetes Zwei-Stimmen-Wahlrecht haben, die Stimmen als Personenstimme und Listenstimme bezeichnet. Zutreffend ist, dass jede Stimme des Wählers eine eigene Funktion hat.

Erststimme

Mit der Erststimme wählt der Wähler einen Direktkandidaten seines Wahlkreises, der sich dort für ein Direktmandat im Bundestag bewirbt (siehe obige Abbildung, Punkt 2). Gewählt wird nach dem relativen Mehrheitswahlrecht, d. h. der Kandidat mit den meisten Stimmen erhält das Mandat. Bei Stimmengleichheit entscheidet das vom Kreiswahlleiter zu ziehende Los. Die Stimmen für die anderen Kandidaten werden verworfen. Die Erststimme dient der Personalisierung der Wahl. Da zurzeit 299 Wahlkreise existieren, werden 299 Mandate des Bundestages an die jeweils in den Kreisen gewählten Kandidaten vergeben. Allerdings bestimmt man mit der Erststimme nicht die Stärke der Parteien im Bundestag. Für jedes Direktmandat in einem Bundesland erhält die Partei dort grundsätzlich ein Listenmandat weniger.

Die Größe und geografische Form der Wahlkreise wird von einer vom Bundespräsidenten bestellten Wahlkreiskommission überprüft. Die endgültige Entscheidung trifft der Bundestag mit einer Anlage zum Bundeswahlgesetz.

Zweitstimme

Die Zweitstimme ist die maßgebliche Stimme für die Sitzverteilung im Bundestag. Mit ihr wählt der Wähler eine Partei (siehe obige Abbildung, Punkt 3), deren Kandidaten auf einer Landesliste zusammengestellt werden. Alle 598 Proporzmandate werden nach ihren bundesweiten Zweitstimmenzahlen auf die Parteien verteilt, die bundesweit mindestens 5 % der gültigen Zweitstimmen auf sich vereinen (siehe Sperrklausel). Die Sitzverteilung erfolgte seit der Bundestagswahl 1987 nach dem Hare-Niemeyer-Verfahren. Nach einer im Januar 2008 beschlossenen Gesetzesänderung erfolgt die Sitzverteilung künftig nach dem Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren.[2]

Der Anteil der Bundestagssitze einer Partei entspricht damit in etwa ihrem Anteil der erhaltenen Wahlstimmen (siehe obige Abbildung, Punkt 4). Verzerrungen entstehen durch Überhangmandate und Sperrklausel. Gemäß § 6 Absatz 1 Satz 2 des Bundeswahlgesetzes bleiben die Zweitstimmen der Wähler für die Sitzverteilung unberücksichtigt, die mit ihrer Erststimme für einen erfolgreichen unabhängigen Direktkandidaten (Direktkandidat, der von keiner Partei aufgestellt wird) gestimmt haben. Mit dieser Regelung soll eine faktisch zweifache Einflussnahme dieser Wähler auf die Zusammensetzung des Bundestages verhindert werden. Ein prinzipiell ähnliches Problem trat bei der Bundestagswahl 2002 auf. Die PDS errang in Berlin zwei Direktmandate, scheiterte jedoch mit ihrem Zweitstimmenanteil von 4,0 % an der Sperrklausel. Die Zweitstimmen der Wähler dieser Direktkandidaten wurden trotzdem gewertet, da in diesem Fall beide einer Partei angehörten, die in dem betreffenden Bundesland eine Landesliste eingereicht hatte. Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber in seinem Beschluss vom 23. November 1988 (BVerfGE 79, 161) auf die entsprechende Regelungslücke im Bundeswahlgesetz hingewiesen. Bei einer Abschaffung des Zweistimmenwahlrechts mit der Möglichkeit des Stimmensplittings, nach dem der Wähler Direktkandidaten- und Parteienwahl unabhängig voneinander vornehmen kann, würde sich die Problematik von selbst beseitigen.

Sperrklausel

Bundestagsmandate über die Landesliste werden nur an Parteien vergeben, die eine Sperrklausel i. H.v. 5 % der bundesweiten Zweitstimmen überwinden. Alternativ genügt es, wenn eine Partei mindestens 3 Direktmandate erringt (Grundmandats-, Direktmandats- oder Alternativklausel). In diesem Fall erhält sie trotzdem Proporzmandate entsprechend ihrer Zweitstimmenanzahl. Die Zweitstimmen für Parteien, die weder die Sperr- noch die Grundmandatsklausel überwinden, werden beim Verhältnisausgleich (Verteilung der Proporzmandate) nicht berücksichtigt. Die Grundmandatsklausel bevorzugt unter den kleinen Parteien jene, deren Wählerschaft regional stark konzentriert ist, wie die Deutsche Partei zu den Wahlen 1953, als sie bei einem Zweitstimmenanteil von 3,3 % und 10 Direktmandaten mit 15 Abgeordneten und 1957, als sie bei einem Zweitstimmenanteil von 3,4 % und 6 Direktmandaten mit 17 Abgeordneten im Bundestag vertreten war.

Nach der Wahl 1957 kam die Grundmandatsklausel erstmals 1994 wieder einer Partei zugute: Die PDS errang in Berlin vier Direktmandate. Daher konnte sie mit einem Zweitstimmenanteil von nur 4,4 % mit 30 Abgeordneten in den Bundestag einziehen, hatte dort jedoch nur Gruppen- und keinen Fraktionsstatus. Für den wichtigen Fraktionsstatus, der bestimmte Rechte gibt, hätte sie die Sperrklausel überwinden müssen.

Die Sperrklausel soll eine Parteienzersplitterung verhindern, die in der Weimarer Republik zur Handlungsunfähigkeit des Parlaments zum Teil beigetragen hatte. Im Grundgesetz wird die Sperrklausel nicht erwähnt; sie könnte mit dem Grundsatz der gleichen Wahl in Konflikt sein, denn jede Wählerstimme muss das gleiche Gewicht haben. Jedoch ist man sich darüber einig, dass die Sperrklausel für die Stabilität des Parteinsystems, der Handlungsfähigkeit von Parlament und Regierung und damit für die politische Stabilität wichtig ist. Hier besteht Konkurrenz zwischen zwei Verfassungszielen, für die ein Ausgleich geschaffen werden muss. Das Bundesverfassungsgericht billigt die Sperrklausel mit dem Argument, dass gegen ein Verfassungsziel – hier also gegen die Einhaltung eines Wahlrechtsgrundsatzes – in engen Grenzen verstoßen werden darf, wenn dies zur Erreichung eines höheren Verfassungsziels unumgänglich ist. Demnach lässt das BVerfG eine Sperrklausel von maximal 5 % zu. Der Gesetzgeber hat also keinen Spielraum zu ihrer Erhöhung.

Parteien nationaler Minderheiten, wie etwa der SSW, der zuletzt 1961 an einer Bundestagswahl teilgenommen hat, sind aufgrund des verfassungsrechtlich gebotenen Minderheitenschutzes von der Sperrklausel ausgeschlossen. Diese Sonderregelung gilt nicht etwa für eine Partei der Türken, da Türken in Deutschland nicht den Status einer nationalen Minderheit genießen wie die Dänen in Schleswig-Holstein mit ihrer Partei SSW oder die Sorben in Sachsen.

Sitzverteilung

Wahlverfahren mit Ober- und Unterverteilung nach dem Hare-Niemeyer-Verfahren
Wahlverfahren mit Ober- und Unterverteilung nach dem Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren(ab 2009)

Zunächst wird von der Gesamtanzahl der 598 Mandate die Anzahl der erfolgreichen unabhängigen Direktkandidaten und erfolgreichen Direktkandidaten abgezogen, deren Partei nicht als solche den Einzug in den Bundestag geschafft hat. Bei der Bundestagswahl 2002 waren dies die beiden Direktkandidaten der PDS. Erfolgreiche unabhängige Direktkandidaten gab es bisher nur bei der Bundestagswahl 1949.

Die verbleibenden Proporzmandate (596 bei der Wahl 2002, 2005 alle 598 Sitze) werden entsprechend den bundesweiten Zweitstimmenergebnissen künftig nach dem Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren (bisher: Hare-Niemeyer-Verfahren) auf die Parteien verteilt, welche die Sperrklausel überwunden haben. Anschließend werden die errungenen Proporzmandate jeder Partei künftig ebenfalls nach dem Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren (statt des bisher verwendeten Hare-Niemeyer-Verfahrens) entsprechend der Anzahl ihrer Zweitstimmen in den Bundesländern auf ihre einzelnen Landeslisten unterverteilt.

Nach diesem Verfahren ergibt sich, wie viele Proporzmandate auf die einzelnen Parteien in jedem Bundesland entfallen. Danach wird ermittelt, welche Kandidaten tatsächlich in den Bundestag einziehen:

Zunächst erhalten die siegreichen Direktkandidaten einer Partei in jedem Bundesland ihre Mandate (siehe obige Abbildung, Punkt 5). In Bundesländern, in denen die Anzahl der gewonnenen Direktmandate einer Partei kleiner ist als die Anzahl ihrer gewonnenen Proporzmandate, wird die Differenz durch Listenmandate, d. h. Kandidaten der Landesliste entsprechend ihrer Kandidatenreihenfoge aufgefüllt, wobei Kandidaten, die in ihrem Wahlkreis (egal in welchem Bundesland) direkt gewählt sind, übersprungen werden.

Erringt eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate als Proporzmandate, ziehen trotzdem alle Wahlkreisgewinner in den Bundestag ein. Die Differenz bezeichnet man als Überhangmandate; der Bundestag vergrößert sich um deren Gesamtzahl. Ausgleichsmandate werden nicht vergeben. 1998 gab es dreizehn und 2002 fünf Überhangmandate. 2005 wurden sogar 16 Überhangmandate vergeben. Theoretisch sind bis zu 299 Überhangmandate möglich. Dies wäre der Fall, wenn alle 299 Direktmandate von Parteien errungen werden, die gar keine oder nur so wenige Zweitstimmen erhalten, dass sie nach dem Verhältnisausgleich (Proporz) kein Proporzmandat erhalten, obwohl sie wegen der Grundmandatsklausel an ihm teilnehmen.

Scheidet ein Bundestagsabgeordneter, der in einem Wahlkreis eines Bundeslandes gewählt ist, in dem seine Partei Überhangmandate erhalten hat, aus dem Bundestag aus, bleibt das Mandat unbesetzt und kein Listenkandidat rückt nach. In der Legislaturperiode nach der Bundestagswahl 2002 kam diese Regelung nach dem Tod der SPD-Abgeordneten Anke Hartnagel und dem Ausscheiden des Thüringer SPD-Chefs Christoph Matschie zum Tragen, so dass der 15. Bundestag fortan aus nur noch 601 Abgeordneten bestand.

Einordnung und Bewertung des Bundestagswahlrechts

Stimmenauszählung, Bundestagswahl 1961

Der Bundestag wird nach einem personalisierten Verhältniswahlrecht gewählt. Zuweilen wird dieses System auch als sog. Mischwahlsystem bezeichnet. Dies ist jedoch unsachgemäß, da in jedem Bundesland die errungenen Direktmandate einer Partei mit ihren auf Basis der Zweitstimmenanzahl errungenen Proporzmandate verrechnet werden und die eventuelle Differenz mit Kandidaten der Landesliste aufgefüllt wird. Es handelt sich also um eine mit der Personenwahl verknüpfte Verhältniswahl. Als sogenanntes Mischwahlsystem hingegen kann das Grabenwahlsystem bezeichnet werden, bei dem eine bestimmte Anzahl von Abgeordneten nach dem einen System und die restlichen unabhängig hiervon nach einem anderen System gewählt werden, ohne dass zwischen den beiden Systemen Mandatsverrechnungen vorgenommen werden.

Das Wahlverfahren für den Bundestag ist kompliziert; insbesondere die Wichtigkeit der Zweitstimme wird manchmal unterschätzt. Das Wahlverfahren vereint allerdings viele der Vorteile von Mehrheits- und Verhältniswahl. Es hat sich inzwischen gezeigt, dass mit dem Wahlverfahren eine im Wesentlichen proportionale Sitzverteilung, stabile Regierungen, Regierungswechsel, der Einzug neuer Parteien ins Parlament und ein im Vergleich zum Reichstag der Weimarer Republik handlungsfähiger Bundestag gewährleistet werden. Überlegungen der großen Parteien zur Einführung des Mehrheitswahlrechts, wie es sie zu Beginn der Großen Koalition 1966 gab, sind momentan nicht aktuell.

Das Bundestagswahlrecht zieht allerdings auch wesentliche Kritik auf sich. Die Überhangmandate an sich sind problematisch, da mit ihnen der Proporz (aus den Zweitstimmen) verzerrt wird. Hier wird vom Bundesverfassungsgericht argumentiert, dass diese Besonderheit durch den Wunsch des Gesetzgebers nach regionaler Ausgeglichenheit der Mitglieder des Bundestag gedeckt ist. Nebenprodukt der Überhangmandate ist jedoch die paradoxe Möglichkeit, dass eine Partei mehr Mandate im Bundestag erhielte, wenn sie (in bestimmten Bundesländern) weniger Zweitstimmen erhalten hätte, oder umgekehrt. Durch Urteil vom 3. Juli 2008 erklärte das Bundesverfassungsgericht das im Bundestagswahlrecht mögliche negative Stimmgewicht für verfassungswidrig. Der Gesetzgeber muss das Wahlgesetz bis zum 30. Juni 2011 so ändern, dass dieses künftig nicht mehr möglich ist.

Diskussion um die Einführung des Graben- oder des Mehrheitswahlrechts

Ende 1955 legte die CDU/CSU zusammen mit der Deutschen Partei den Entwurf eines Grabenwahlsystems vor. Danach hätten 60 Prozent der Mandate durch das Mehrheitswahlrecht und nur noch 40 Prozent durch Verhältniswahlrecht bestimmt werden sollen. Doch dieser Versuch Adenauers, die Abhängigkeit der CDU/CSU von der FDP zu beenden und die Wahlchancen der SPD zu mindern, scheiterte.

Zu Beginn der ersten Großen Koalition (1966–1969) gab es starke Strömungen innerhalb der CDU/CSU und der SPD, vom Verhältniswahlrecht, das es seit 1949 gegeben hatte, abzugehen und bei folgenden Bundestagswahlen vielmehr das Mehrheitswahlrecht anzuwenden. Eine entsprechende Absicht wurde sogar im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Die FDP, der jedoch mit Einführung dieses Wahlrechts das Ende ihrer Existenz gedroht hätte, protestierte. Schließlich scheiterte das Mehrheitswahlrecht aber am Widerstand der SPD, die in seiner Einführung letztendlich keine Vergrößerung ihrer Machtchancen erkannte. Daraufhin trat Innenminister Paul Lücke (CDU) am 2. April 1968 von seinem Amt zurück. Seither hat es keine Versuche mehr gegeben, ein Mehrheitswahlrecht in Deutschland einzuführen.

Ausblick

Durch die erfolgte Einführung des Sainte-Laguë/Schepers-Verfahrens werden die beim Hare-Niemeyer-Verfahren auftretenden Paradoxien vermieden. Die Problematik des negativen Stimmgewichts bleibt aber zunächst weiterhin bestehen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juli 2008 muss das Bundeswahlgesetz aber bis zum 30. Juni 2011 so geändert werden, dass negatives Stimmgewicht künftig nicht mehr möglich ist. Mit einer grundlegenden Änderung des Wahlsystems ist aber nicht zu rechnen.

Geschichte des Bundestagswahlrechts

Wahl zum 1. Deutschen Bundestag (14. August 1949)

Das zur Bundestagswahl 1949 geltende Wahlrecht wurde im Zeitablauf deutlich verändert. Da sich der Parlamentarische Rat nicht auf eine verfassungsrechtliche Festschreibung des Wahlsystems verständigen konnte, wurde das Bundeswahlgesetz von den Ministerpräsidenten der Länder erlassen. Das aktive Wahlrecht besaß, wer das 21. Lebensjahr, das passive Wahlrecht, wer das 25. Lebensjahr vollendet hatte.

Die gesetzliche Größe des Bundestages lag bei 400 Abgeordneten zuzüglich eventueller Überhangmandate und 19 Berliner Abgeordneten. Das Bundesgebiet war in 242 Wahlkreise eingeteilt, in denen wie nach heutigem Recht je ein Direktkandidat nach dem Prinzip der relativen Mehrheitswahl gewählt wurde. Aufgrund zweier Überhangmandate der CDU bestand der Bundestag aus 402 Abgeordneten.

Die Landeslisten einer Partei waren nicht verbunden, so dass jedes Bundesland ein eigenständiges Wahlgebiet bildete, in welchem die Abgeordnetenzahl zuzüglich eventueller Überhangmandate festgeschrieben war. Eine Partei brauchte nur in einem einzigen Bundesland Sperrklausel zu erfüllen, um in jedem anderen Bundesland Proporzmandate entsprechend ihrem Zweitstimmenanteil zu erhalten. Im Rahmen der Grundmandatsklausel genügte bereits ein einziges Direktmandat im gesamten Bundesgebiet.

Es gab ein Einstimmenwahlrecht. Mit dieser einen Stimme wählte der Wähler eine Landesparteiliste und gleichzeitig einen Direktkandidaten seines Wahlkreises, der von der entsprechenden Partei aufgestellt wurde. Der Wähler hatte somit nicht die Möglichkeit, Personen- bzw. Direktkandidatenstimme und Parteien- bzw. Listenstimme getrennt (unabhängig) voneinander abzugeben. Der Wähler eines unabhängigen Direktkandidaten hatte anders als beim heutigen Zweistimmensystem nicht die Möglichkeit eine Partei zu wählen, mit dem Risiko seine Stimme bei Erfolglosigkeit des Kandidaten verschenkt zu haben.

Im Falle des Ausscheidens eines Direktkandidaten aus dem Bundestag musste im Wahlkreis neu gewählt werden. Dies geschah vierzehnmal.

Die Zuteilung der Proporzmandate erfolgte nach dem kleine Parteien benachteiligenden D'Hondt-Verfahren. Die Benachteiligung kleiner Parteien verschärfte sich erheblich durch die jeweils nur landesweite Sitzzuteilung. Siehe auch: D'Hondt-Verfahren#Mehrfache Anwendung des Verfahrens

Wahl zum 2. Deutschen Bundestag (6. September 1953)

Zur Bundestagswahl 1953 wurde erstmals nach einem vom Bundestag selbst erlassenen Gesetz (Bundeswahlgesetz) gewählt. Dieses Gesetz enthielt einige bedeutende Neuerungen im Vergleich zum alten Wahlgesetz:

Das Zweistimmensystem mit der entsprechenden Möglichkeit des Stimmensplittings wurde eingeführt. Für die Überwindung der Sperrklausel musste eine Partei von nun an bundesweit 5 % der Zweitstimmen erhalten. Die Sperrklausel wurde für Parteien nationaler Minderheiten aufgehoben, trotzdem gelang dem SSW kein Wiedereinzug. Die Anzahl der Proporzmandate erhöhte sich von 400 auf 484 – unter Beibehaltung der Anzahl der Wahlkreise von 242, so dass der Bundestag unter Außerachtlassung zusätzlicher Listenmandate infolge von Überhangmandaten seither paritätisch mit Direkt- und Listenmandaten besetzt ist. Die Anzahl der Berliner Abgeordneten erhöhte sich von 19 auf 22. Im Falle des Ausscheidens eines Direktkandidaten aus dem Bundestag musste von nun an im Wahlkreis nicht mehr neu gewählt werden, da der Nächstplatzierte auf der entsprechenden Landesliste nachrückte.

Wahl zum 3. Deutschen Bundestag (5. September 1957)

Das Wahlrecht zur Bundestagswahl 1957 entspricht im Wesentlichen dem heutigen. Die zweistufige Sitzzuteilung mit verbundenen Landeslisten wurde eingeführt, welche das Problem des negativen Stimmgewichts mit sich brachte. Gleichzeitig hat sich die Benachteiligung kleiner Parteien durch das D'Hondt-Verfahren deutlich verringert. Die Grundmandatsklausel wurde modifiziert: Zu ihrer Überwindung mussten von nun an mindestens 3 Direktmandate errungen werden. Aufgrund des Beitritts des Saarlandes zur Bundesrepublik am 1. Januar 1957 wurden zu den 242 Wahlkreisen 5 saarländische Wahlkreise hinzugefügt und die Anzahl der Proporzmandate von 484 auf 494 erhöht. Die Briefwahl wurde eingeführt.

Wahl zum 5. Deutschen Bundestag (19. September 1965)

Es erfolgte ein Neuzuschnitt der Wahlkreise. Ihre Anzahl erhöhte sich von 247 auf 248. Entsprechend wurde die Anzahl der Proporzmandate von 494 auf 496 erhöht.

Wahl zum 7. Deutschen Bundestag (19. November 1972)

Mit der Änderung des Art. 38 Abs. 2 GG im Jahre 1970 wurde das aktive Wahlrechtsalter von 21 auf 18 Jahre gesenkt und das passive Wahlrechtsalter an das Volljährigkeitsalter, welches damals noch bei 21 Jahren lag, gekoppelt. Bis dahin lag das passive Wahlrechtsalter bei 25 Jahren.

Wahl zum 8. Deutschen Bundestag (3. Oktober 1976)

Mit Inkrafttreten der Änderung des § 2 BGB zum 1. Januar 1975 wurde das Volljährigkeitsalter von 21 auf 18 Jahre gesenkt, so dass aktives und passives Wahlrecht seit der Bundestagswahl 1976 altermäßig zusammenfallen.

Wahl zum 11. Deutschen Bundestag (25. Januar 1987)

Seit der Bundestagswahl 1987 wird statt des Sitzzuteilungsverfahrens nach D’Hondt das sich neutral auf die Größe der Parteien verhaltende Verfahren nach Hare und Niemeyer verwendet. Hierdurch wurde die Benachteiligung kleiner Parteien bei der Verteilung der Proporzmandate vollständig beseitigt. Durch die Paradoxien des Hare-Niemeyer-Verfahrens hat sich die Gefahr des negativen Stimmgewichts auf alle Bundesländer ausgeweitet – also auch auf jene, in denen keine Überhangmandate auftreten. Bei dieser Bundestagswahl wurde das Wahlrecht für im Ausland lebende Deutsche eingeführt.

Wahl zum 12. Deutschen Bundestag (2. Dezember 1990)

Kurz vor der Bundestagswahl 1990 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Situation des gerade wiedervereinten Deutschlands einen besonderen Umstand darstelle. Eine Sperrklausel für das gesamte Wahlgebiet sei verfassungswidrig. Aus diesem Grund musste eine Partei entweder im alten Bundesgebiet einschließlich West-Berlins oder im neuen Bundesgebiet mindestens 5 % der Zweitstimmen erhalten, um in den Bundestag einzuziehen. Diese Sonderregelung galt nur für die Bundestagswahl 1990.

Auf dem Gebiet der neuen Bundesländer einschließlich Berlins wurden 80 Wahlkreise hinzugefügt. Die Anzahl der Wahlkreise erhöhte sich damit auf 328, die Anzahl der Proporzmandate auf 656. Infolge der Wiedervereinigung entfiel die Sonderregelung für West-Berlin, nach der das Berliner Abgeordnetenhaus jeweils am Tag der Bundestagswahl 22 Berliner Vertreter in den Bundestag wählte.

Wahl zum 15. Deutschen Bundestag (22. September 2002)

Zur Bundestagswahl 2002 wurde die Anzahl der Wahlkreise von 328 auf 299 und die Anzahl der Proporzmandate von 656 auf 598 verringert.

Siehe auch

Belege

  1. Urteil des Bundesverfassungsgerichtes.
  2. Deutscher Bundestag: Berechnungsverfahren für die Sitzverteilung

Literatur

  • Erhard H. M. Lange: Wahlrecht und Innenpolitik. Entstehungsgeschichte und Analyse der Wahlgesetzgebung und Wahlrechtsdiskussion im westlichen Nachkriegsdeutschland 1945–1956. Hain, Meisenheim am Glan 1975, ISBN 3-445-01152-4
  • Helmut Nicolaus: Grundmandatsklausel, Überhangmandate & Föderalismus, fünf Studien. Manutius-Verlag, Heidelberg 1996, ISBN 3-925678-66-2
  • Dieter Nohlen: Wahlrecht und Parteiensystem. Leske und Budrich, Opladen 2004 (4. Aufl.), ISBN 3-8100-3867-9
  • Wolfgang Schreiber: Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag. Kommentar zum Bundeswahlgesetz, unter Einbeziehung des Wahlprüfungsgesetzes, des Wahlstatistikgesetzes, der Bundeswahlordnung, der Bundeswahlgeräteverordnung und sonstiger wahlrechtlicher Nebenvorschriften. Heymann, Köln 2002 (7. Aufl.), ISBN 3-452-25141-1
  • Karl-Heinz Seifert: Bundeswahlrecht. Wahlrechtsartikel des Grundgesetzes, Bundeswahlgesetz, Bundeswahlordnung und wahlrechtliche Nebengesetze. Vahlen, München 1976 (3. Aufl.), ISBN 3-8006-0596-1

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