Burgaere

Burgaere

Als Bürger (lat. civis) wird der Angehörige eines Staates bezeichnet. In diesem Sinne nennt man den Staatsangehörigen auch „Staatsbürger“. Noch enger können auch nur solche Staatsangehörigen gemeint sein, die zur politischen Mitwirkung berechtigt sind; so unterscheidet das Kommunalrecht beispielsweise den Gemeindebürger vom bloßen Einwohner.

In einem weiteren Sinn kann Bürger aber auch alle Menschen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit bedeuten. Dann ist die allen liberalen Verfassungen zugrunde liegende Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft (früher: Obrigkeit und Untertan - dazu Staat und Gesellschaft) gemeint. Bürger sind dann alle gesellschaftlichen, d.h. nichtstaatlichen Akteure („Zivilpersonen“). Sie sind grundrechtsberechtigt, der Staat dagegen grundrechtsverpflichtet.

Inhaltsverzeichnis

Historie

Der Begriff Bürger leitet sich von „burga“ (ahd = Schutz) ab, ursprünglich ein befestigter Wohnsitz, eine Burg, in dem sich Gewerbetreibende und Händler niederließen. Im englischen, speziell in Schottland ist auch „Burgh“ als Bezeichnung für eine Stadt mit Stadtrechten bzw. eine freie Stadt weiterhin gebräuchlich.

Im europäischen Mittelalter waren Bürger im Sinne der Ständeordnung Bewohner einer befestigten ("geborgenen") Stadt mit eigenem Stadtrecht. Sie unterschieden sich vom einfachen „Einwohner“ durch besondere Bürgerrechte, das heißt Privilegien und Besitz. Einen minderen Rechtsstatus besaßen "Ausbürger", meist Adlige, die keinen voll gültigen Wohnsitz mit Steuerpflicht und Mitbestimmungsrecht in der Stadt, sondern wegen ihrer Immunitätsrechte lediglich ein Wohnrecht ohne Beteiligung am Stadtregiment besaßen. "Pfahlbürger" lebten ebenfalls mit eingeschränkten Rechten innerhalb der Ummauerung oder in den Vorstädten, zahlten aber nur reduzierte Steuern und konnten nach Erwerb des erforderlichen Grundvermögens das volle Bürgerrecht erhalten. Beide Personengruppen werden auch als "Mitbürger" bezeichnet.

Ausgelöst durch die französische Revolution wurden schließlich die Rechte der Bürger (fr. Citoyen) durch Verfassungen auf jedes männliche vollberechtigte Glied eines Staates ausgedehnt.

Als sich in der Zeit des Absolutismus die moderne Staatsgewalt herausbildete, bezeichnete man die Staatsangehörigen, welche einem mit legalen Mitteln nicht absetzbaren Regime - etwa einer Monarchie - unterworfen waren, als Untertanen. In diesem Sinne steht der Untertan im Gegensatz zum freien Bürger einer Republik.

Antike

Griechenland

Der Bürgerbegriff hat seine historischen Wurzeln im antiken Griechenland. Nach Aristoteles' berühmter Definition (Politik III, 1275a22ff.) ist der Bürger (griechisch πολίτης - polites = der zu Stadt - πόλις - Polis - Gehörende) durch seine „Teilhabe am Richten (κρίσις - krisis) und an der Herrschaft (ἀρχή - arche)“ bestimmt.

In der voll entwickelten athenischen Demokratie des fünften vorchristlichen Jahrhunderts, an der dieser Begriff entwickelt wurde (und, strenggenommen, galt er nur für diese resp. für die gleich oder ähnlich verfassten, demokratischen Poleis des antiken Griechenland) bedeutete dies: Bürger (im vollen Sinne des Wortes) war derjenige, der an den zahlreichen Gerichtshöfen als Richter fungieren und an den mindestens viermal pro Monat stattfindenden Volksversammlungen, in denen über alle wichtigen Fragen der Polis entschieden wurde, teilnehmen konnte. Dieser Begriff war das Ergebnis eines langen und komplexen Prozesses, während dem sich das Verständnis der Zugehörigkeit zum Gemeinwesen grundlegend veränderte; er spielte sich gleichzeitig mit der Entstehung der Polis resp. der Demokratie ab (also ungefähr von der Mitte des 8. bis zur Mitte des 5. Jahrhundert v. Chr.) und war ein wesentlicher Teil dieses Vorgangs.

Von πολίτης abgeleitet ist unser heutiges Wort Politik πολιτεία - politeia - das, was den Bürger und die Stadt betrifft.

Rom

Das römische Bürgerrecht war anfangs wie in den griechischen Poleis nur auf die Einwohner der einen Stadt Rom und die Bauern der umgebenden Landstriche beschränkt. Daneben existierten die Stadtrechte anderer Städte. Es war ein Geburtsrecht, das den jungen Männern zusammen mit der Toga virilis verliehen wurde.

Der Civis, der Alteingesessene, durfte im Gegensatz zum Zugezogenen (Peregrinus), Gast (Hostis, Hospes) und zum Bundesgenossen (Socius) an der gesetzgebenden Volksversammlung und an der Wahl teilnehmen, wobei die einzelne Stimme abhängig von Vermögen und Wahlbezirk (Tribus) unterschiedliches Gewicht hatte, oder auch selbst Ämter übernehmen, wenn er genügend Geld dafür hatte. Seine Geschäfte, auch mit Nichtrömern, waren durch die römischen Gesetze geschützt, und sollte er in Schwierigkeiten geraten oder eines Verbrechens angeklagt werden, so konnte er sich auf Vorrechte berufen (Civis romanus sum). Er war zum Kriegsdienst verpflichtet, wenn er in der Lage war, seine Ausrüstung selbst zu stellen. Der römische Civis durfte nur Römerinnen heiraten (ein Grund, weshalb die Ehe zwischen Marcus Antonius und Cleopatra als so skandalös angesehen wurde).

Andererseits war es für Peregrini und Socii durchaus möglich, für persönliche Verdienste besonders im Krieg das Bürgerrecht verliehen zu bekommen. Auch Freigelassene konnten das Bürgerrecht erhalten, meist zusammen mit der Freilassung. Mit dem Bürgerrecht erhielt der Neubürger den Namen dessen, der es ihm verliehen hatte, und wurde zu dessen Klient.

Mit der Ausbreitung des römischen Einflussgebietes erhielt das römische Bürgerrecht einen höheren Status als die Bürgerrechte der einverleibten Städte (vgl. municipium). Diese Socii (Bundesgenossen) waren zwar verpflichtet, als Hilfskräfte an den römischen Kriegen teilzunehmen, besaßen aber weder Mitbestimmungsrechte noch die Privilegien, die römische Bürger genossen, wie z.B. eine gewisse Immunität vor Gericht und die Möglichkeit, in die besser bezahlten Legionen einzutreten. Dieser Zustand führte zum Bundesgenossenkrieg (91 - 88 v. Chr.), der allen italischen Stämmen zwischen Po und Golf von Tarent das volle römische Bürgerrecht einbrachte.

Nichtitaler konnten das Bürgerrecht für sich und ihre Nachkommen erwerben, wenn sie nach Ableistung der vollen Zeit als Auxiliarkräfte ehrenvoll aus der Armee entlassen wurden. Auch wurde den Anführern eroberter Gebiete das Bürgerrecht verliehen, um sie an das Römische Reich zu binden.

Mit dem Ende der römischen Republik endete auch das bürgerliche Mitbestimmungsrecht, obwohl der Senat und die Ämter offiziell weiterexistierten. Civis zu sein bedeutete jetzt nur noch einen sichereren Rechtsstatus und die Möglichkeit in die Legionen einzutreten. Ersteres wurde schon bald zugunsten der Bevorzugung der Reichen vor den Armen aufgeweicht.

Im Jahr 212 erteilte Caracalla mit der Constitutio Antoniniana allen Einwohnern des römischen Reiches das Bürgerrecht, einerseits um die Identifikation der verschiedener Völker mit dem Reich zu fördern, andererseits um leichter neue Legionäre rekrutieren zu können.

Mittelalter

In der mittelalterlichen Verfassung einer Stadt war ein Bürger ein vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft, der alle Rechte und Pflichten genoss. Die übrigen Bewohner des Ortes hießen Inwohner oder Beisassen. Im Frühmittelalter besaßen zunächst nur die Mitglieder der städtischen Oberschicht, die aus ratsfähigen Familien stammten, das Bürgerrecht. Später weitete sich die Bürgerschaft aus, bis zunehmend auch Einwohner ohne Immobilienbesitz das Bürgerrecht erhalten konnten oder Beisassen eigene „Beisassenrechte“ eingeräumt wurden, die sich nur geringfügig von den Rechten der Bürger unterschieden.

Wichtigste und zumindest im Früh- und Hochmittelalter unabdingbare Voraussetzung für die Bürgerschaft war der Immobilienbesitz, genauer der Besitz eines grundsteuerpflichtigen Anwesens innerhalb der Gemeinde oder Stadt. Besitzer von kleinen Häusern, die auf den Grundstücken der Bürger errichtet waren, waren damit zunächst vom Bürgerrecht ausgeschlossen. Die Anzahl der Bürger war damit im Vergleich zur Zahl der Einwohner vergleichsweise klein. Weitere Voraussetzungen waren die ehrliche Geburt, d.h. dass man ehelich geboren sein musste und nicht von Henkern, Totengräbern und sonstigen „unehrlichen“ Berufen abstammte, ein Mindestvermögen und die Tatsache, dass man zum Zeitpunkt der Aufnahme nicht in Rechtsstreitigkeiten verwickelt war.

Der Titel Bürger, in alten Aufzeichnungen wie Matrikeln oft lateinisch civis genannt, war kein Titel, den man erbte oder auf Lebenszeit erhielt. Vielmehr musste er beantragt werden und wurde bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen gewährt. Diese Aufnahme in die Bürgerschaft wurde in der so genannten Bürgerrolle dokumentiert, wobei auch eine entsprechende Gebühr, das Bürgergeld, fällig war. Dieses Bürgergeld konnte auch gestundet werden - eine Maßnahme zu der Städte dann griffen, wenn sie Neubürger anwerben wollten. Rechtskräftig wurde die Aufnahme erst mit der Teilnahme des Neubürgers am Gesamtschwur, der meist beim Zusammentreten eines neu formierten Stadtrates von der gesamten Bürgerschaft geleistet wurde.

Bei Wegfall der Voraussetzung, insbesondere dem Verkauf oder Übergabe des Hauses, welches das Bürgerrecht begründete, verfiel das Bürgerrecht wieder und der Bürger kehrte auf den Status eines Einwohners zurück.

Wenn also der Sohn eines Ackerbürgers das väterliche Anwesen übernahm, konnte er damit das Bürgerrecht beantragen, das damit dem Vater verloren ging. Viele Handwerker ohne Nachfolger innerhalb der Familie verpachteten ihren Betrieb an einen Inwohner, blieben aber als Eigentümer noch Bürger. Häufig verkauften sie später das Anwesen an den Pächter unter Einräumung eines Wohnrechtes. Damit kehrte sich der Status um: der neue Eigentümer erhielt das Bürgerrecht, der alte wohnte als Inwohner auf dem Anwesen.

Mit der Aufnahme in die Bürgerschaft gingen verschiedene Pflichten einher, die die Inwohner nicht oder in geringerem Maß betrafen. Sie umfassten verschiedene Steuern, Wach- und Wehrdienst, Arbeitspflicht bei öffentlichen Bauarbeiten, die Bindung an die städtische Gerichtshoheit. Das Bürgerrecht umfasste neben der oft nach Einkommen abgestuften politischen Teilnahme und der Freiheit gegenüber Grundherren weitere Privilegien. So garantierte die Stadt den Rechtsschutz des Bürgers gegenüber äußeren Forderungen, beispielsweise gegenüber Gläubigern, kaufte Bürger aus der Gefangenschaft frei oder führte für ihre Bürger Fehden.

Spezialformen waren das Pfahlbürgertum, das Personen, die außerhalb der Stadt wohnten einen Teil der Bürgerrechte gewährte, und das Ausbürgertum, mit dem auswärtige Adlige, die Grundbesitz in der Stadt hatten, das Bürgerrecht erwerben konnten. Beide Formen verschwanden im Spätmittelalter. Die Kleriker hatten in den meisten Städten einen Sonderstatus inne, der sie vom Bürgerrecht ausschloss, ihnen aber einige Privilegien gewährte. Im Verlauf des Mittelalters bemühten sich viele Städte um die Einbürgerung der Geistlichen, um die Privilegien der Kirche aufzulösen. Die Juden besaßen in den meisten Städten seit der Kammerknechtschaft 1236 ein eingeschränktes Bürgerrecht, das oft nur das Wahlrecht zum Stadtrat ausschloss und einen speziellen „Judeneid“, analog zum Bürgereid, umfasste. Nach den Judenpogromen um 1350 wurde dieses Recht meist nur noch auf Jahresfrist begrenzt erteilt.

Gegenwart

Mit der Verwirklichung der allgemeinen und freien Wahlen in der Weimarer Verfassung von 1918 erhielten alle deutschen Einwohner des Deutschen Reiches das volle Bürgerrecht. Bis heute ist die Staatsbürgerschaft an das ius sanguinis gekoppelt, d.h. der volle Umfang aller staatsbürgerlichen Rechte (insbesondere Wahlrecht, Freizügigkeit, konsularische Unterstützung im Ausland) und Pflichten (also etwa die Wehrpflicht oder die ehrenamtliche Berufung zum Schöffen oder als Wahlhelfer in einer Gemeinde) ist bis auf wenige Ausnahmen des Einbürgerungsrechtes vornehmlich an die Abstammung bereits deutscher Eltern gebunden. Durch die erweiterte Form des Staatszugehörigkeitsrechtes für Minderjährige nicht-deutscher Herkunft erlangen diese jedoch bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres einen Rechtsstatus, der sich den minderjährigen Deutschen annähert, die ja auch keine vollen Bürgerrechte genießen. Im heutigen Sprachgebrauch wird der Ausdruck "Mitbürger" häufig zur Unterscheidung vollrechtlicher Deutscher und eingeschränkt berechtigter Nicht-Deutscher verwendet. Bundeskanzler Helmut Kohl unterschied in der Neujahrsansprache 1993/94 "Mein herzlicher Gruß am heutigen Abend gilt Ihnen, liebe Landsleute, und unseren ausländischen Mitbürgern...". Diese Unterscheidung nutzte auch der unterfränkische Regierungspräsidenten Paul Beinhofer am 6. Februar 2007 beim Empfang des Integrationsforums „Miteinander leben – voneinander lernen“, hier in der Differenzierung zwischen "ausländischen Mitbürgern" und (deutschen) "Spätaussiedlern".

Schweiz

Der Begriff Bürger ist in der Schweiz als klarer juristischer Begriff (anders als im heutigen Deutschland oder Österreich) definiert. Das Bürgerrecht ist hier ein von einer Gemeinde verliehenes Recht, das vererbbar ist - siehe auch Schweizer Bürgerrecht. Somit ist der Begriff Einwohner und Bürger nicht identisch. Grundsätzlich hat der Schweizer ein Gemeindebürgerecht und daraus folgt der Kantonsbürger oder Schweizer Bürger. Die von der Einwohnergemeinde oft separaten Bürgergemeinden, teils auch Burgergemeinde genannt, sind eigenständige Körperschaften mit Behörden, Vermögen und Rechnungslegung und besitzen eine abnehmende Bedeutung.

Diese Bürgergemeinden sind genau genommen die Nachfolger der mittelalterlichen Gemeinden, die spätestens mit der Bundesverfassung von 1848 Teile ihrer Kompetenzen abgeben mussten. Die genauen Regelungen sind kantonal verschieden.

Siehe auch

Weblinks


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