- Bürgerliches Zwiebelmuster
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Zwiebelmuster wird ein Unterglasurdekor der Meißener Porzellane genannt. Es ist das erfolgreichste Blaudekor der Porzellangeschichte.
Inhaltsverzeichnis
Herkunft
Das Zwiebelmuster wurde etwa 1730 aus fernöstlichen Vorbildern entwickelt – zuerst in Meißen. Um 1740 wurde es von verschiedenen Fayencefabriken aufgegriffen, jedoch erst um 1768 von anderen Porzellanmanufakturen - zuerst von der KPM Berlin. Die Bezeichnung „Zwiebelmuster“ löste um 1850 die bis dahin üblichen Bezeichnungen als „ordinaire Mahlerey“ und „ordinair blau“ ab. Obwohl dieses Dekor im 18. Jahrhundert nicht das populärste war und zwischen 1790 und 1830 kaum produziert wurde, gehörte es nach 1860 in wohlhabenden Kreisen des Bürgertums zum „guten Ton“, ein Zwiebelmuster-Service zu besitzen. Aussteuerlisten dieser Zeit empfehlen als Minimum sieben Dutzend Tassen mit Tellern.
Botanische Motive
Das ursprüngliche Zwiebelmusterdekor teilt sich in drei Motive gemäß der Tellereinteilung: Spiegel-, Fahnen- und Kehlenmotiv. Diese Motive lassen sich botanisch nur ungenau bestimmen, weil schon die asiatischen Vorbilder zur Stilisierung neigten und die Meißner Maler diese Stilisierung durch Abstraktion noch verstärkten. Trotz gewisser Abwandlungen bleiben die Grundmotive bis heute unverwechselbar.
- Das Spiegelmotiv besteht aus einem Chrysanthemenzweig, einer Bambusstaude und einem Rankengewächs, die aus einer Scholle emporwachsen. Die große Chrysanthemenblüte umgeben punktierte Staubgefäße, eine weitere ist unentfaltet in Seitenansicht wiedergegeben. Das Rankengewächs treibt Prunusblüten (eventuell Pfirsich-, Aprikosen-, Pflaumen- oder Mandelblüten). In der Mitte befindet sich ein gezacktes Doppelblatt und eine Päonienstaude – wohl eine Pfingstrose, die seit über 1000 Jahren kultivierte Nationalblume Chinas.
- Das Kehlenmotiv (die Bordüre) besteht aus Lotosblüten und Rankenpflanzen, die in Meißen girlandenartig ausgeführt wurden. Daraus entwickelte sich die heute übliche, schematisierte „Büschelkante“.
- Das Fahnenmotiv bestand ursprünglich aus drei Früchten: Pfirsich, Granatapfel und Melone – die in Europa übrigens als Zwiebel missdeutet wurde. Die ergänzenden Päonienblüten wurden in Meißen zu Phantasiegebilden, die großen Dreiblätter dazwischen mit den Jahren weggelassen, wie auch der Granatapfel häufig fehlt. Botanische Widersprüche in der Früchtedarstellung sind auf die Malerhandschrift zurückzuführen – etwa die manchmal vom Granatapfel auf den Pfirsich übertragenen Aufplatzungen, der vom Granatapfel auf die Melone übertragene Kelchrest oder die Anzahl der Stiele an der Melone.
Erfolg durch dekoratives Design
Der Erfolg des Zwiebelmusters erklärt sich aus seiner Flexibilität. Die Kombination aus Zweigen, Ranken, Blüten und Früchten lässt sich höchst dekorativ auf Flächen jeder Größe und Form aufbringen. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass beschädigte oder fehlende Stücke problemlos ersetzt oder ergänzt werden können. Auch kann ein Zwiebelmuster-Service neuen Essgewohnheiten angepasst werden: Beispielsweise wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts der Kuchenteller als Ergänzung zur Kaffetasse und -untertasse eingeführt, als das Kaffeetrinken zu einer Art eigenständiger Mahlzeit in der zweiten Tageshälfte sich entwickelt hatte - zuvor wurde Gebäck als Dessertgang eines mehrgängigen Essens auf Schalen herumgereicht oder von kleinen Kristalltellern gegessen.
Produktvielfalt
Allein im 19. Jahrhundert wurden über 1000 verschiedene Meißner Produkte mit dem Zwiebelmuster dekoriert: Gefäße, Gedecke, Geschirre, Küchengeräte. Schon zu dieser Zeit erschien es auch auf Kaffeedecken, Servietten und sogar Briefpapier. Inzwischen werden von allerlei Herstellern auch Blechdosen, Tücher, Vorhänge, elektrische Eierkocher und vieles mehr in diesem Dekor angeboten – allerdings darf seit 1888 nur Meißen die Schwertmarke im Fuß der Bambusstaude anbringen.
Herstellung
Heute wird das Meißner Zwiebelmuster mit einer Siebplatte mit den Hauptlinien aufgetragen, durch die der blaue Farbstoff (Kobaltoxid) aufgestäubt wird. Dies dient allerdings nur einer raschen Flächengliederung, die Details werden in Meißen bis heute von Hand aufgemalt. In anderen Manufakturen wurde schon im 19. Jahrhundert das Umdruckverfahren eingeführt. Neben der Meißner Manufaktur ist die Manufaktur Teichert recht bekannt (Bürgerlich Meißen), die ebenfalls in Meißen angesiedelt war und eine Filiale in Eichwald (Böhmen) betrieben hatte. Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts genießen die Zwiebelmusterkeramiken von Hutschenreuther in Selb hohe Bekanntheit.
Anbieter
Weitere Hersteller und Labels, unter denen das Zwiebelmusterdekor angeboten wird, sind z. B. Villeroy & Boch, Winterling (ehem. Oscar Schaller & Co.), Kahla (2 Dekors), Triptis, Alt Mitterteich, Zehendner Tirschenreuth, Tettau Bavaria, Marienbad, Wellco, Sandra Rich, gepo Royal Mainhausen, Gerold Porzellan Bavaria, Schumann Bavaria, Karlsbader (Bohemia) oder auch Harmonia Crivisa (Spanien), Cluj-Napoca (Rumänien) etc.
Literatur
- Lutz Miedtank: Zwiebelmuster. Zur 300jährigen Geschichte des Dekors auf Porzellan, Fayence und Steingut, Leipzig 1991.
- Lutz Miedtank u. Sebastian Miedtank: "Wahre Geschichten um das Zwiebelmuster", Tauchaer Verlag 2003.
- Hertha Wellensiek: Hundert alte Tassen aus Porzellan, München o. J.
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