- C. M. Kertbeny
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Karl Maria Kertbeny (* 28. Februar 1824 in Wien; † 23. Januar 1882 in Budapest) war ein österreichisch-ungarischer Schriftsteller.
Biografie
Kertbeny wurde 1824 als Karl Maria Benkert in Wien als Sohn eines Schriftstellers und Malers geboren. Die Familie zog nach Budapest, als er noch ein Kind war. Nachdem er im Jahre 1843 im ungarischen 5. Artillerie-Regiment gedient hatte, arbeitete Kertbeny als Journalist und Reiseschriftsteller und schrieb über 25 Bücher über verschiedene Themen, allerdings keines von dauerhaftem Wert. Im Jahre 1847 änderte er seinen Namen standesamtlich von Benkert auf Kertbeny, einen ungarischen Namen mit aristokratischem Klang. Im Jahre 1848 zog er nach Berlin. Besondere Bedeutung erlangte Kertbeny durch die Übersetzung der Werke ungarischer Dichter und Lyriker ins Deutsche, etwa Werke von Sándor Petőfi, János Arany, Mihály Vörösmarty und Mór Jókai. Außerdem veröffentlichte er historische, politische und literatrurgeschichtliche Skizzen. Zu seinen Freunden gehörten Heinrich Heine, George Sand, Alfred de Musset, Hans Christian Andersen, Charles Sealsfield und die Gebrüder Grimm.
Zu dieser Zeit begann er, über Homosexualität zu schreiben, motiviert, wie er sagte, durch ein „anthropologisches Interesse“, Gerechtigkeitssinn und die Sorge um die Menschenrechte. Im Jahre 1869 veröffentlichte er anonym ein Flugblatt mit dem Thema: „Paragraph 143 des preußischen Strafgesetzbuches vom 14. April 1851 und seine Wiederbestätigung als Paragraph 152 im vorgeschlagenen Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund. Eine offene und berufliche Korrespondenz mit Seiner Exzellenz Dr. Leonhardt, dem Königlichen preußischen Justizminister.“
Ein zweites Flugblatt zum selben Thema folgte bald. In seinen Schriften behauptete Kertbeny, dass das Preußische Sodomie-Gesetz, Paragraph 143, die Menschenrechte verletze. Er brachte das klassisch freiheitliche Argument vor, dass der private und freiwillige Geschlechtsverkehr nicht Sache des Strafrechts sein solle. Bezüglich seines Freundes aus den Tagen seiner Buchhändler-Lehre behauptete er, dass Homosexuelle aufgrund des preußischen Gesetzes erpressbar seien und deshalb oft in den Selbstmord getrieben würden.
Kertbeny brachte auch die Ansicht vor, dass Homosexualität angeboren und unveränderlich sei, ein Argument, das später das „medizinische Modell“ der Homosexualität genannt wurde. Er widersprach damit der vorherrschenden Ansicht dieser Zeit, dass Männer Sodomie aus bloßer Boshaftigkeit begingen. Homosexuelle Männer, sagte er, seien nicht von Natur aus weichlich, und er wies darauf hin, dass viele große Helden der Geschichte homosexuell waren. Er war der erste Schriftsteller, der diese Argumente vorbrachte.
In seinen Schriften prägte Kertbeny das Wort „homosexuell“ als Bestandteil seines Systems für die Klassifikation von sexuellen Typen. Er nannte Männer, die von Frauen angezogen werden, „heterosexuell“, Masturbatoren nannte er „monosexuell“ und Anhänger des Analverkehrs nannte er „Pygisten“ (griechisch pygê = Steiß).
Klassische Gelehrte haben Kertbenys Wortschöpfung seitdem bedauert: Das Wort „homosexuell“ verbindet das griechische Adjektiv homós („gleich“), mit dem lateinischen Substantiv sexus („Geschlecht“) und ist damit eine Kombination griechischer und lateinischer Elemente. Das Wort „homosexuell“ führe zudem zur Verwechslung des griechischen homós mit dem lateinischen homo („Mensch“ oder „Mann“).
Männer wie Karl Heinrich Ulrichs, die sich als homosexuell zu erkennen gegeben hatten, begannen in der Folge für homosexuelle Rechte zu kämpfen; Kertbeny dagegen zog sich zurück. Im Jahre 1880 trug er ein Kapitel über Homosexualität zu Gustav Jägers Buch Entdeckung der Seele bei, jedoch entschied Jägers Herausgeber, das Thema sei zu umstritten, und ließ es weg. Dennoch gebrauchte Jäger die Fachsprache von Kertbeny an einer anderen Stelle des Buches.
Für seine eigenen Schriften entlehnte der österreichische Sexualwissenschaftler Richard von Krafft-Ebing Kertbenys Worte homosexuell und heterosexuell aus Jägers Buch. Krafft-Ebings Arbeit war so einflussreich, dass diese Bezeichnungen zu Standard-Begriffen für die sexuelle Orientierung wurden und Ulrichs Bezeichnung Urning (für den homosexuellen Mann) ersetzten.
Kertbeny starb 1882 im Alter von 58 Jahren in Budapest.
Sein Grab wurde im Jahre 2001 von der Soziologin Judit Takács, die sich intensiv der Forschungsarbeit an Kertbeny widmet, wiederentdeckt. Es liegt auf dem Kerepesi temető in Budapest, wo viele ungarische Berühmtheiten aus dem 19. und 20. Jahrhundert ruhen. Die Gay Community errichtete einen neuen Grabstein auf der Grabstätte, und seit dem Jahre 2002 wird dort bei homosexuellen Festivals regelmäßig ein Kranz niedergelegt.
Literatur
- Meyers Konversations-Lexikon: Fünfte Auflage, 10. Band, 1895
- Karl Maria Kertbeny; Manfred Herzer (Hrsg.): Schriften zur Homosexualitätsforschung, Verlag Rosa Winkel / Männerschwarmskript, 2000, ISBN 978-3-86149-103-3
- Mária Rózsa: Karl Maria Kertbeny - Vermittler ungarischer Literatur, in: Anachronia 06/2001, S. 135-143
Weblinks
- Literatur von und über Karl Maria Kertbeny im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Benkert, Karl Maria, in Constantin von Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 1. Band. Wien 1856.[1]
Personendaten NAME Kertbeny, Karl Maria ALTERNATIVNAMEN Karl Maria Benkert KURZBESCHREIBUNG österreichischer Journalist und Menschenrechtler GEBURTSDATUM 28. Februar 1824 GEBURTSORT Wien STERBEDATUM 23. Januar 1882 STERBEORT Budapest
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