- Abseilen (gewerblich)
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Dieser Artikel beschreibt das Abseilen in der gewerblichen Anwendung, welches sich maßgeblich von der Anwendung im Klettersport unterscheidet.
Inhaltsverzeichnis
Grundsätzliches
Beim Abseilen im beruflich-gewerblichen Umfeld handelt es sich um ein durch Unfallverhütungsvorschriften und Normen geregeltes Arbeitsverfahren. Diese können zum Einen bei der Rettung aus Höhen und Tiefen und zum Anderen bei der Arbeitsplatzpositionierung bzw. bei seilunterstützten Zugangstechniken zum Einsatz kommen. Die Betrachtung des Abseilens in der Rettung aus Höhen und Tiefen bleibt hier unberücksichtigt, da es anderen Vorschriften und Überlegungen folgt. Das Abseilen im beruflich-gewerblichen Umfeld wird häufig auch als Ablassen bezeichnet.
Technik
Genaugenommen ist Abseilen die Fortbewegung eines Menschen von einem höher gelegenen zu einem tiefer gelegenen Arbeitsplatz. In diesem speziellen Fall aber nicht durch Lifte, sondern mittels eines Abseilgerätes an semistatischen Seilen. Zudem ermöglichen aktuelle Abseilgeräte überwiegend über eine reversible Bewegungsrichtung, heißt: der Benutzer kann sich auch nach oben bewegen. Dies kann sowohl mittels zusätzlicher Geräte (z.B. Handsteigklemme mit Trittschlinge) oder auch durch das Gerät selbst (z.B. Rettungsgeräte mit Hubeinrichtung) geschehen.
Diese Abseilgeräte sind in Europa nach EN 341 zertifiziert, sind in verschiedenen Klassen (Typ A-C, der Unterschied ergibt sich aus der zu leistenden Abseilarbeit in Kilo-Joule) erhältlich und verfügen entweder über eine Bremse die sich durch Zentrifugalkraft regelt oder ermöglichen das Abseilen über Reibung die in Wärme umgewandelt wird.
Das Abseilen wie bei Klettertechniken (z.B. per HMS oder Abseilachter) ist ebenso wenig zulässig, wie das passive Abseilen (ein zweiter Anwender lässt eine Person ab).
Geräte
Es gibt Abseilgeräte in vielen Varianten.
Grundsätzlich lassen sich jedoch zwei Typen unterscheiden:
- Abseil(rettungs)geräte die auch ohne weiteres Zutun des Anwenders funktionieren und die Abseilgeschwindigkeit mittels Fliehkraftbremse auf eine ungefährliche Geschwindigkeit reduzieren.
- Abseilgeräte, die manuell bedient werden und die Abseilgeschwindigkeit über Reibung regeln.
Abseil(rettungs)geräte
Die meisten Abseilgeräte reduzieren die Abseilgeschwindigkeit - je nach Masse des Anwenders - auf 0,9 bis 1,2 m/s. Es sind auch Geräte erhältlich, die eine Abseilgeschwindigkeit von 2 m/s ermöglichen. Dies ist die Obergrenze entsprechend der europäischen Richtlinien.
Auch hier gibt es grundsätzlich zwei verschiedene Typen:
- Geräte zum reinen Abseilen/Evakuieren
- Geräte mit Hubeinrichtung
Geräte zum Abseilen/Evakuieren
Diese Geräte ermöglichen dem Anwender sich aus großen Höhen schnell und gefahrlos abzuseilen. Eine Beeinflussung der Geräte ist nur durch Halten des Gegenseils möglich. Sie verfügen üblicherweise nicht über Einrichtungen wie Handräder oder Ratschen, die den Abseilvorgang beeinflussen können.
Geräte mit Hubeinrichtung
Diese Geräte ermöglichen zum Einen das Abseilen eines Anwenders, zum Anderen jedoch auch das aktive oder passive Anheben oder das Befördern zu einem höher gelegenen Platz zu Rettungszwecken. Dabei verfügen die Geräte entweder über eine externe (Seilklemmen) oder interne Rücklaufsperre. Das Anheben erfolgt mittels Handrad (mit und ohne Kurbel) oder über Ratschen.
Abseilgeräte (manuell)
Diese Geräte funktionieren allesamt über Reibung des Kernmantelseils im Gerät. Zu diesem Zweck wird das Seil im Gerät einfach oder mehrfach umgelenkt um über entsprechende Flächen genug Reibung zu erzeugen. Die gesetzlichen Anforderungen sehen vor, dass Abseilgeräte mit einer Paniksicherung ausgestattet sind. Daher sind in modernen Geräten Exzenter verarbeitet, die unter Last den Querschnitt des Seilweges einengen und damit eine unkontrollierte Abwärtsbewegung verhindern. Diese funktionieren in zwei Richtungen: lässt der Anwender das Gerät los greift der Exzenter, greift der Anwender in Panik mit voller Kraft zu, greift der Exzenter ebenso. Nur in einer definierten, kontrollierten Stellung ist ein Abseilen möglich.
Anschlagpunkte/Ankerpunkte
Die konstruktiven Punkte an denen solche Abseilgeräte befestigt werden dürfen nennt man Ankerpunkte. Diese sind nach EN 795 so zu wählen, dass sie mindestens 10kN an Kräften aufnehmen können. Sind Rettungslasten zu erwarten, müssen diese Ankerpunkte mindestens 20 kN standhalten. Das ist z.B. in Windkraftanlagen der Fall, weswegen Ankerpunkte in Windkraftanlagen grundsätzlich auf 20 kN auszulegen und speziell zu markieren sind.
Normative und rechtliche Verweise
- EN 341 Abseilgeräte
- EN 795 Anschlagpunkte
- EN 50308 Windkraftanlagen
- Europäische Maschinenrichtlinie
- 89/686/EWG (Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für persönliche Schutzausrüstungen)
- 89/656/EWG (Richtlinie 89/656/EWG des Rates vom 30. November 1989 über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen durch Arbeitnehmer bei der Arbeit (Dritte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG)
- TRBS 2121-3: Gefährdungen von Personen durch Absturz - Bereitstellung und Benutzung von Zugangs- und Positionierungsverfahren unter Zuhilfenahme von Seilen (Download)
- BGR 198
- BGR 199
Anmerkung
Im Moment (August 2011) gehen auf europäischer Ebene die Bestrebungen dahin, diese System unter der Maschinenrichtlinie zu subsumieren (handbetriebene Maschinen, die Personen von einer Ebene zur anderen befördern).
Weblinks
- Homepage des deutschen Instituts für Normung
- Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken e.V.
Siehe auch
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