Arztnetz

Arztnetz

Arztnetze bestehen in Deutschland meist aus regionalen und fachgruppenübergreifenden Zusammenschlüssen von Ärzten. Ziel ist es, durch eine verbesserte Kooperation und Kommunikation zwischen Ärzten und weiteren Leistungserbringern die Versorgungsqualität, die Effizienz der Versorgung sowie die Patientenzufriedenheit in der Region des Netzverbundes nachhaltig zu erhöhen. Neben möglichen Einsparungen insbesondere bei veranlassten Leistungen wie Arzneimitteln oder Krankenhauseinweisungen soll auch die Qualität der Leistungserbringung verbessert werden.

Inhaltsverzeichnis

Historie

In den vergangen 10 Jahren haben sich in Deutschland rund 400 Arztnetze mit ca. 30.000 Mitgliedern gegründet. Das entspricht rund einem Viertel aller niedergelassener Ärzte.[1] Bereits das Zweite GKV-Neuordnungsgesetz von 1997 förderte die Bildung neuer Versorgungsstrukturen. Der Gesetzgeber hat zudem zwei rechtliche Grundlagen im fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) geschaffen. Ziel der Zusammenschlüsse ist eine bessere Versorgungsqualität, engere Kooperation zwischen Vertragsärzten und mehr Wirtschaftlichkeit.

Erfolgsfaktoren von Arztnetzen

Die Kernelemente einer erfolgreichen Vernetzung sind

- das Zusammenführen einer ausreichenden Zahl niedergelassener Ärzte bei enger Vernetzung mit anderen Leistungsanbietern aus der Region, auch aus dem pflegerischen und sozialen Bereich
- die Etablierung einer ärztlich dominierten Managementgesellschaft
- ein sektorübergreifendes Versorgungsmanagement, das sich ausdrückt in einer qualitätsgesicherten Optimierung von Behandlungsprozessen
- die Förderung von Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention
- eine morbiditätsorientierte Evaluation zur weiteren Optimierung
- die Übernahme der Budgetverantwortung für eingeschriebene Patienten
- die definierte Aufteilung des Erfolgs zwischen regionalem Versorgungsnetz und Krankenkassen
- eine erfolgs- bzw. qualitätsorientierte Vergütung

Instrumente der Netzsteuerung

  • Instrumente und Maßnahmen zur Steigerung der Patientensouveränität, u.a.:
- die Durchführung von Patientenbefragungen
- der Einsatz eines QuE-Patientenvertreters
- die Entwicklung und Verteilung netzeigener (unabhängiger) Patientenleitlinien und Patientendossiers
- die Durchführung von Patiententagen und Informationsveranstaltungen
- die enge Kooperation mit Selbsthilfegruppen
- Veröffentlichung von Patientenmagazinen
  • Instrumente und Maßnahmen zur Steigerung der Struktur-, Prozess- u. Ergebnisqualität, u.a.:
- professionelle Qualitäts- und Effizienzzirkelarbeit mit verpflichtender Teilnahme der Praxen
- regelmäßige interne und externe Praxisteamschulungen
- die Implementierung eines sog. Risikomanagementsystems
- Qualitätssicherung durch Adaption und Umsetzung von evidenzbasierten Leitlinien
- verpflichtende Einführung von Qm-Strukturen sowie die verbindliche Umsetzung von praxisübergreifenden Arbeits- und Verfahrensanweisungen
- Zertifizierung der Netzmanagementstrukturen nach DIN EN ISO 9001:2008
- Aufbau eines Sets an Qualitätsindikatoren sowie – darauf aufbauend – die Einführung eines netzziel- bzw. erfolgsorientierten internen Vergütungssystems
- Durchführung von Mitgliederbefragungen
- Veröffentlichung der Netzergebnisse in Form von Jahresberichten
  • Instrumente und Maßnahmen zur Steigerung der Versorgungseffizienz, u.a.:
- Übernahme einer Budgetverantwortung für eingeschriebene Versicherte
- Einführung aktivitäts- und erfolgsorientierter Vergütungsansätze (pay for performance)
- differenziertes Monitoring und Controlling medizinischer und ökonomischer Indikatoren
- Schulungsmaßnahmen zum Thema Polypharmakotherapie

Vertragsgestaltung und gesetzliche Grundlagen

Da der Begriff Praxis- oder Ärztenetz nicht gesetzlich definiert ist, bietet er den beteiligten Vertragspartnern einen großen Spielraum in der Gestaltung ihrer Zusammenarbeit. Dadurch haben sich im Laufe der Jahre viele unterschiedliche Vernetzungen zwischen den niedergelassenen Vertragsärzten gebildet. Sie reichen von losen, aber regelmäßigen Treffen bis zu Gesundheitsunternehmen mit einer festen vertraglichen Grundlage.

Die gesetzliche Vorgabe ist im Rahmen von Strukturverträgen nach § 73a SGB V oder von Modellvorhaben nach § 63 ff. SGB V verankert.[2] Auch die Aufhebung der vormals starken sektoralen Trennung der Aufgaben zwischen ambulanter (d.h. niedergelassener Ärzte) und stationärer Versorgung (Krankenhaus) sowie Rehabilitation (Nachsorge) führt zu neuen Herausforderungen. Gesetzliche Grundlage bildet das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) (BGB, 2003), welches Anfang 2004 in Kraft trat. Darin wird die Integrierte Versorgung gemäß der neuen Regelungen in § 140a bis § 140d SGB V als bedarfsorientierte, Sektor übergreifende und moderne Versorgungsform definiert.

Umsetzungsformen und Aufgabengebiete

Meist entsteht zunächst ein loser Verbund zwischen 15 bis 100 niedergelassener Ärzte einer Stadt oder Region, um die Versorgung vor Ort zu verbessern. Daraus bilden sich später teilweise enge unterschiedliche Praxis- oder Ärztenetze zwischen niedergelassenen Vertragsärzten.

Praxis- oder Ärztenetze nehmen folgende Aufgaben für ihre Mitglieder wahr:

  • Gemeinsame Interessenvertretung gegenüber Krankenkassen und Politik
  • Förderung und Unterstützung der Berufsausbildung in der freien Arztpraxis
  • Sicherung der Marktposition insbesondere der niedergelassenen Vertragsärzte
  • Einsatz für freie Arztwahl und Therapiefreiheit für die Patienten
  • Nutzung neuer Vertragsmöglichkeiten im Gesundheitswesen
  • Organisation von notwendiger und wichtiger Fortbildung ohne weite Wege für die Teilnehmer
  • Hilfe und Unterstützung zur Vertragserfüllung durch die Netzzentrale
  • Nutzen besserer Einkaufsbedingungen[3]

Agentur deutscher Ärztenetze

14 der großen und professionellsten Ärztenetze und Gesundheitsverbünde haben sich mit dem Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands, NAV-Virchow-Bund, zusammengeschlossen, um ihre Interessen und Kompetenzen in einer gemeinsamen Netzagentur zu bündeln und sich auf Bundesebene besser zu positionieren. Am 8. Juli 2011 wurde in Berlin den Verein „Agentur deutscher Ärztenetze“ aus der Taufe gehoben. Der Verband ist politischer Interessenvertreter für die rund 400 Arztnetze in Deutschland, will seine Mitglieder bei der Professionalisierung unterstützen und Dienstleister bei Vertrags- und Versorgungskonzepten sein. Die Agentur deutscher Ärztenetze verfolgt folgende Ziele:

- Etablierung als zentraler Ansprechpartner für die deutschen Ärztenetze in Berlin
- Lobbyarbeit für Netzverbünde und -organisationen gegenüber Politik, Krankenkassen, Kassenärztlicher Bundesvereinigung und weiteren Verbänden
- Bündelung von Know-how , Informationsvermittlung und Wissenstransfer
- Entwicklung von neuen Dienstleistungs- und Serviceangeboten für Mitgliedsnetze

Gründungsmitglieder der Agentur deutscher Ärztenetze sind:

Ärztenetz „Medizin und Mehr“ (MuM Bünde)
Ärztenetz Südbrandenburg, ANSB Consult GmbH
Bundesverband der Netzmanager Deutschlands e.V.
Gesundheitsnetz Dreiländereck Südbaden e.V.
Gesundheitsnetz Köln-Süd e.V.
GMZ GmbH, Greifenberg
HNOnet NRW eG.
MEDI-Verbund Berlin
Praxisnetz Herzogtum Lauenburg e.V.
Praxisnetz Nürnberg Süd e.V.
Gesundheitsnetz QuE Nürnberg - Qualität und Effizienz eG, Praxisnetz Nürnberg Nord e.V.
Regensburger Ärztenetz
UGOM Unternehmen Gesundheit Oberpfalz Mitte GmbH & Co. KG
NAV-Virchow-Bund

Literatur zu Arztnetzen

  • Fricke, A.,: Liebe Worte, aber keine Taten für Ärztentze, in: Ärztezeitung, 12. April 2011
  • Gieseke, S.,: Praxisnetze sind für KBV Innovationsmotor, in: Ärztezeitung, 4. Mai 2011.
  • Lindenthal, J., Sohn, S., Schöffski, O.: Praxisnetze der nächsten Generation: Ziele, Mittelverteilung und Steuerungsmechanismen, Schriften zur Gesundheitsökonomie 3, HERZ, Burgdorf, 2004.
  • Lindenthal, J.: Netzwerkinterne Vergütungsstrukturen, in: Hellmann, W., Eible, S. (Hrsg.), Gesundheitsnetzwerke managen - Kooperationen erfolgreich steuern, MWV, Berlin, 2009.
  • Lindenthal, J., Wambach, V.: Kundenorientierung als Erfolgsfaktor für das Überleben im Wettbewerb, in: Hellmann, W., Wambach, V. (Hrsg.), Das Strategiebuch für den niedergelassenen Arzt, Optionen und praktische Tipps für die Zukunftssicherung, MWV, Berlin, 2009.
  • Purucker, J., Schicker, G., Böhm, M., Bodendorf, F.: Praxisnetz-Studie 2009. Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik II, Universität Erlangen-Nürnberg, Nürnberg, 2009.
  • Schicker, G.: Koordination und Controlling in Praxisnetzen mithilfe einer prozessbasierten E-Service-Logistik. Wiesbaden, 2008.
  • Stoschek, J.: Vernetzung ist gelebte Praxis, in: Ärztezeitung, 14. Juli 2011.
  • Wambach, V., Lindenthal, J.: Pfadarbeit in medizinischen Praxisnetzen am Beispiel des Gesundheitsnetzes QuE Nürnberg, in: Hellmann, W., Eble, S. (Hrsg.), Ambulante und Sektoren übergreifende Behandlungspfade. Qualität und Wirtschaftlichkeit durch strukturierte Behandlungsabläufe, MWV, Berlin, 2010.
  • Wambach, V., Lindenthal, J.: Finanzierung und Vergütung aus Sicht der Ärztegenossenschaft Qualität und Effizienz – QuE Nürnberg, in: Braun, G. E., Güssow, J., Schumann, A., Heßbrügge, G. (Hrsg.), Innovative Versorgungsformen im Gesundheitswesen – Konzepte und Praxisbeispiele erfolgreicher Finanzierung und Vergütung, Deutscher Ärzte-Verlag, Köln, 2009.
  • Wambach, V., Lindenthal, J.: Innovative Managementkonzepte für Unternehmen der Integrierten Versorgung am Beispiel des Versorgungsnetzwerks Qualität und Effizienz – QuE Nürnberg, in: Hellmann, W., Handbuch Integrierte Versorgung, 17. Aktualisierung 11/08, Economica, Heidelberg, 2008.

Weblinks

Agentur deutscher Ärztenetze Gesundheitsnetz QuE Nürnberg Gesundes Kinzigtal

Einzelnachweise

  1. Grill M.: Klarheit schaffen. In: Spiegel,Ausgabe Nr.5 vom 31. Januar 2011
  2. http://www.kbv.de/koop/8793.html
  3. http://www.gesundheitsnetzosthessen.de/cms/front_content.php
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