Bericht über Bruno

Bericht über Bruno

Bericht über Bruno ist ein Roman des Schriftstellers Joseph Breitbach, der 1962 im Insel-Verlag erschien. Neu aufgelegt wurde er 2009 im Wallstein Verlag, Göttingen.

Handlung

Der Roman ist der Bericht eines Industriellen und liberalen Politikers über seinen Enkel Bruno Collignon. Diesem ist es in seiner Feindschaft zu seinem Großvater gelungen, dessen Abdankung als Innenminister herbeizuführen. Aus diesem Anlass entsteht der Bericht über das Aufwachsen und die Entwicklung des Bruno Collignon. Hervorgegangen aus der Ehe der Tochter des fiktionalen Verfassers wird das Enkelkind nach dem Scheitern der Ehe und im Zusammenhang mit der Drogenabhängigkeit der Mutter von den Großeltern auf Schloss Belvedere aufgenommen. Das Schloss ist Eigentum des Chemie-Unternehmens, dem der Großvater vorsteht. Es war Stammsitz der adligen Familie, deren Spross der Unternehmer (Baron) ist. Neben seiner Tätigkeit als Unternehmer und Chemiker ist der Baron ein Politiker von nationaler Bedeutung, er gehörte verschiedenen Regierungen an. (Unschwer lassen sich die Niederlande als Modell für das Land, in dem der Roman spielt, erkennen.)

Nach des Großvaters Bericht handelt es sich bei Bruno um einen Jungen, der hoch intelligent, eigenwillig und berechnend ist. Die Beziehung zwischen Großvater und Enkel ist unterkühlt aber beherrscht von dem gegenseitigen Wunsch nach Zuwendung und Anerkennung. Brunos Beziehung zu seinen Eltern ist gleichfalls schwierig. Glaubt Bruno, dass ihm Besuche seiner Mutter durch den Großvater verwehrt werden, versucht diese, sich ihrer Verpflichtung zu entziehen. Vater Collignon lebt in Paris und lässt sich zeitweise von seinem Sohn aushalten. Dieser, nicht mit Taschengeld versehen, verkauft zu dem Zweck Gegenstände aus dem Schloss. Während eines Besuchs Brunos beim inhaftierten Vater in Paris überwirft er sich mit ihm.

Eine Wende in der vom Großvater als wenig hoffnungsvoll beschriebenen moralischen Entwicklung des Enkelsohnes zeichnet sich ab, als ein neuer Erzieher eingestellt wird, Rysselgeert. Der gewinnt schnell das (begrenzte) Vertrauen Brunos. Rysselgeerts an unbekanntem Ort verbrachte Sonntage säen bei Bruno Zweifel an der Lauterkeit von dessen Zuwendung. Breitbach lässt hier die Leser lange Zeit im Ungewissen über Rysselgeerts Geheimnis, hinter dem sich eine Liebesbeziehung zu einem Mann, Max Jans, Sohn eines Gewerkschaftsführers, verbirgt. Ähnlich verhält es sich mit der Beziehung des seit Jahren verwitweten Großvaters mit einer Frau, die nur durch eine Indiskretion bekannt wird.

Der Roman gewinnt vor der Folie einer homosexuellen Partnerschaft und der nicht durch eine Ehe legitimierten Beziehung des Unternehmer-Politikers eine politische Dimension, die sich auf die bis weit über die frühen 1960er Jahre hinaus herrschende Moral und Rechtslage zu Fragen der Sexualität bezieht. Er wird dadurch zu einer entschiedenen Streitschrift gegen die damalige Doppelmoral und die per Gesetz begrenzte sexuelle Selbstbestimmung (§ 175 StGB, der sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte, wurde 1994 aufgehoben. Vorehelicher Geschlechtsverkehr zwischen Männern und Frauen war in der BRD bis 1969 strafbar.)

Eine weitere Dimension des Romans ergibt sich aus der Thematisierung des Kalten Krieges anlässlich der Absicht der Königinmutter, die Sowjet-Union zu besuchen. Der Berichterstatter als Vorsitzender der Liberalen vermittelt zwischen dem sozialistischen Außenminister, einem seiner Freunde, und der Königinmutter. Gleichzeitig wird deutlich, wie sehr der sozialistische Politiker das kommunistische System der Sowjet-Union verabscheut. Breitbach lässt hier und an anderen Stellen seines Romans keinen Zweifel an seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem bolschewistischen Regime.

Diese Haltung wird besonders deutlich als der Unternehmer, der mittlerweile wieder der Regierung als Innenminister angehört, gebeten wird, für den neuen sowjetischen Botschafter eine Jagd auszurichten. Die Regierung sieht das Handelsabkommen mit der Sowjet-Union in Gefahr. Der eher undurchsichtige Botschafter hat allerdings weder Jagdglück, noch politisch Erfolg. Als ein von der Botschaft aus gesteuertes Spionagenetz auffliegt, wird er seines Postens enthoben.

Nach Erfüllung seiner Wehrpflicht wird Bruno zum politischen Gegenspieler seines Großvaters. Die Koalition von Sozialisten und Liberalen will die Sittengesetze des Landes grundlegend reformieren. Das nationale Boulevardblatt, bislang gut für Enthüllungen, schlägt sich auf die Seite der katholischen Kirche und führt eine erbitterte Kampagne gegen die Reformabsichten. Hier beschleunigt sich der Roman merklich und entwickelt eine einem Kriminalroman entsprechende Spannung.

Angesichts der Medienkampagne, die viele Vergehen aus den Reihen der Regierenden gegen die bestehenden Sittengesetze ans Licht zerrt, töten sich Rysselgeert (mittlerweile Staatssekretär im Außenministerium) und Jans (Kabinettschef des Innenministers) selbst. Schließlich scheitert das Reformvorhaben an Abweichlern im Parlament, der Innenminister (Großvater) tritt zum Ende einer flammenden Rede zurück. Bald darauf kandidiert Bruno Collignon erfolgreich für ein Parlamentsmandat und kämpft für die Abschaffung der Monarchie. Sein Großvater, der weiterhin die Liberalen als Abgeordneter vertritt, fürchtet, dass sein Enkel die demokratische Verfassung in Frage stellt und zieht einen vorsichtigen Vergleich mit dem Emporkommen Adolf Hitlers in Deutschland. Für den großväterlichen Politiker und Industrie-Manager ein Grund, den „Bericht über Bruno“ zu verfassen.

Ausgaben

  • Joseph Breitbach: Bericht über Bruno. Insel, Frankfurt/Main 1962 (Erstausgabe)
  • Joseph Breitbach: Bericht über Bruno. Wallstein-Verlag, Göttingen 2009, ISBN 3-8353-0494-1

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