Dachtraufrecht

Dachtraufrecht

Das Dachtraufrecht ist ein Begriff der Behörden- und Gerichtsorganisation des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit bis ins 17. Jahrhundert.

Es bezeichnet das Recht eines Hausbesitzers, Angelegenheiten selbst zu untersuchen und allenfalls zu bestrafen, die sich innerhalb des Dachtraufes seines Hauses ereignet hatten und definierte damit dessen behördliche Berechtigung.

Als Dachtrauf wurde dabei jene Fläche gesehen, die (neben der Grundfläche des jeweiligen Gebäudes) von der Außenmauer des Gebäudes bis zu der Linie reichte, die durch die vom Dach fallenden Wassertropfen (die Dachtraufe[1]) gezeichnet wurde. Die Größe des Dachtraufs hing davon ab, wie groß das Gebäude war und wie weit das Dach über dessen Außenwand vorsprang.

Das Recht ist eine Form des Hausrechts. Die Dachtraufe bezeichnete die Grenze der Hofstatt, ihres Rechts und ihres Friedens.[1] Diese Definition war dann relevant, wenn es darum ging festzustellen, ob ein Verhalten zwar außerhalb des Hauses, aber noch innerhalb des Dachtraufes als Hausfriedensbruch zu werten war.

Das Dachtraufrecht stand dem Hauseigentümer zu, wenn er freier Eigentümer war, ansonsten der Grundherrschaft, zu der dieses Haus gehörte. Wie weit dieses Recht reichte und welchen Personen es tatsächlich zustand, war unterschiedlich und änderte sich im Lauf der Zeit.

Die Dachtraufe konnte außerhalb der Behördenorganisation auch wirtschaftliche Bedeutung bekommen, wenn sie Berechtigungszonen definierte: „wil ieman win verchoufen, der sol in geben mit dem eimer uzerhalb dem tachtroufe“ (will jemand Wein verkaufen, der soll ihn mit dem Eimer außerhalb der Dachtraufe geben).[1]

In der Steiermark war das Dachtraufrecht im 16. Jahrhundert ein Vorrecht, das allen Grundherren zustand. Innerhalb eines Dachtraufes übte der Grundherr die volle niedere Gerichtsbarkeit.[2] Die steirische Landgerichtsordnung, die am 24. Dezember 1574 von Erzherzog Karl in Graz publiziert worden war, anerkannte die Freiheit des Grundherren vor dem persönlichen Eingreifen des Landrichters bei der Bestrafung der innerhalb des Dachtraufes vorkommenden Straffälle.[3]

Mit dem Recht (Traufrecht, auch Dachrecht genannt[4]), das von einem Dach ablaufende Wasser auf ein anderes Grundstück abzuleiten (oder der Pflicht, ein Dach so gestalten zu müssen, dass das nicht geschah), hat der Begriff nichts zu tun.

Literatur

  • Anton Mell: Hohe und niedere Strafgerichtsbarkeiten. Landgerichte und Burgfrieden in Steiermark. In: Anton Mell, Hans Pirchegger: Steirische Gerichtsbeschreibungen. Als Quellen zum Historischen Atlas der österreichischen Alpenländer. I. Abteilung. Landgerichtskarte: Steiermark. In der Reihe: Quellen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der Steiermark. I. Band. Herausgegeben von der Historischen Landeskommission für Steiermark. Graz 1914. Seiten XIX–XLIV.

Einzelnachweise

  1. a b c Jakob und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch (DWB). Band 2 Biermörder-Dwatsch. Leipzig 1860. Stichwort „Dachtraufe“. Spalte 670 Zeile 12. Nachdruck Deutscher Taschenbuch Verlag. München 1991. dtv 5945. ISBN 3-423-05945-1. Gliederung zitiert nach: Der digitale Grimm - Elektronische Ausgabe der Erstbearbeitung. Version 12/04. Verlag Zweitausendeins, Frankfurt am Main. Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs‑ und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften an der Universität Trier in Verbindung mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. ISBN 3-86150-628-9.
  2. Mell: Strafgerichtsbarkeiten, Seite XXVI.
  3. Mell: Gerichtsbeschreibungen, Seite XXXII (L.-G.-O. = Landgerichtsordnung, I.T. = 1. Teil).
  4. Grimm: Deutsches Wörterbuch, Band 2, Spalte 665, Zeile 73.

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