Kaihōgyō

Kaihōgyō
Abgenutzte Waraji (Sandalen) eines Mönches

Das Kaihōgyō (jap. 回峰行, dt. „Gipfelumkreisungs-Askese“) ist ein Ritual von Mönchen der Tendai-Schule, das für die Dauer von 100 oder 1000 Tagen durchgeführt wird. Dabei wird der Berg Hiei bei Kyōto immer wieder umrundet. Das 1000-tägige Ritual wird in mehreren Etappen, aufgeteilt auf sieben Jahre, absolviert. Dabei legt der Mönch eine Strecke zurück, die angeblich fast einer Erdumrundung gleicht (rund 23.300 Meilen)[1]. Daher werden die Absolventen des Kaihōgyō auch "Marathon-Mönche" genannt. Somit gleicht das Ritual einer Pilgerreise.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und Umfeld

Das Ritual Kaihōgyō geht wahrscheinlich auf den Mönch Sōō (相応; 831-918) zurück. Er praktizierte Rituale in asketischer Weise. Schon früh in seinem Leben schloss er sich der noch kleinen Tendai-Bewegung im Enryaku-Tempel auf dem Hiei-Berg im Nordosten Kyotos an. Es wird angegeben, dass Sōō selbst ein tausendtägiges asketisches Ritual durchführte, nachdem er einen lokalen Gott (Shikobuchi Myōjin) nach intensivem Gebet getroffen hatte.

Sōō gab den Ursprung des Rituals, das sich in den folgenden Jahrhunderten zu einem Pilgerritual entwickelte, bei dem verschiedene Berge angesteuert wurden. Ab dem 14. Jahrhundert[2] wurde Kaihōgyō stark systematisiert. Nachdem der Enryaku-ji im Jahre 1571 von Oda Nobunaga niedergebrannt worden war, wurde bereits ein Jahrzehnt später ein Kaihōgyō verzeichnet. Seitdem haben wohl nur rund 40 Mönche den Kaihōgyō erfolgreich absolviert.

Im den späten 1980er Jahren löste ein Bericht des japanischen Fernsehsenders NHK hohe Popularität des außergewöhnlich umfangreichen Rituals aus. Es folgten TV-Berichte, Dokumentationen und Artikel, die über englischsprachige Literatur auch den Weg nach Europa fanden[3].

Ablauf

Das Kaihōgyō wird in der Nacht durchgeführt, da der Mönch trotz seiner Beschäftigung mit dem Ritual und dem Pilgerstatus nicht von seinen monastischen Pflichten des Tages (Gebete) entbunden ist. So steht der Asket in der Regel kurz nach Mitternacht auf und absolviert in den Stunden bis zum Morgen einen rund 18 Meilen langen Weg um den Berg Hiei. Auf dem Weg hat er die Aufgabe, in kurzen Abständen Gebetszeremonien durchzuführen. Da der Weg weit ist und sich in den späteren Etappen verdoppelt und verdreifacht, muss der Mönch rennen.

Dieser Ablauf, das Kaihōgyō, kann vom Mönch für hundert aufeinanderfolgende Tage, hyaku-nichi (百日), absolviert werden. Danach bezeichnet man ihn als shingyō (新行), als Neu-Asketen.

Entscheidet sich der Mönch dazu, die tausendtägige Praxis durchzuführen, sen-nichi (千日), so werden in sieben Jahren Etappen zu 100 und 200 Tagen absolviert - jeweils aufeinanderfolgend. Zwischen den Etappen geht der Mönch nicht dem Ritual nach.

Die asketische Übung erfährt am Ende des fünften Jahres eine Zäsur, in dem das dōiri (堂入り), das Betreten des Tempels vollzogen wird. Nach 700 Tagen fastet der Mönch für neun Tage. Er trinkt nichts, isst nichts und schläft nicht[4]. Erst danach tritt er die letzten zwei Jahre des Kaihōgyō an, in denen sich die zurückzulegende Strecke verdoppelt bzw. verdreifacht, wenn der Mönch in den Tagen 801 bis 900 eine Runde um Kyoto und den Hiei zurücklegt[5].

Die Aufteilung der Etappen, nach Jahr, aufeinanderfolgenden Tagen und Streckenlänge in der folgenden Tabelle:

Jahr Tage Weg in Meilen
1 100 18
2 100 18
3 100 18
4 200 18
5 200 18
6 100 37
7 100/100 52/18

Literatur

  • Robert Rhodes: The Kaihōgyō Practice of Mt. Hiei. In: Nanzan University Nagoya (Hrsg.): Japanese Journal of Religious Studies. Vol. 14, Nr. 2/3, 1987, S. 185-202 (PDF).
  • Catherine Ludvik: In the Service of the Kaihōgyō Practitioners of Mt. Hiei. The Stopping-Obstacles Confraternity (Sokushō kō) of Kyoto. In: Nanzan University Nagoya (Hrsg.): Japanese Journal of Religious Studies. Vol. 33, Nr. 1, 2006, S. 115-42 (PDF).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Zählweisen und Längenangaben unterscheiden sich in den Berichten.
  2. Vgl. Rhodes, S. 191 ff.
  3. "Marathon Monks", ausgestrahlt bei ABC Australien, November 2004
  4. So wird es behauptet. Der Mönch geht dabei im Vorraum des Tempels umher und versucht, nicht einzuschlafen.
  5. Rhodes spricht von 48 Meilen (S. 194), andere geben 52 an.

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