Chemisch

Chemisch
Griechische Münze mit Demokrit und Atomdarstellung

Die Chemie (Standardaussprache: [çe'mi:]; Rheinisch-Westfälisch, Sächsisch: [ʃe'mi:]; bairisch, badisch, Österreichisches Deutsch: [ke'mi:]) ist die Lehre vom Aufbau, Verhalten und der Umwandlung von Stoffen sowie den dabei geltenden Gesetzmäßigkeiten.

Die Chemie entstand in ihrer heutigen Form als exakte Naturwissenschaft im 17. und 18. Jahrhundert allmählich aus der Anwendung rationalen Schlussfolgerns basierend auf Beobachtungen und Experimenten der Alchemie. Einige der ersten großen Chemiker waren Robert Boyle, Humphry Davy, Jöns Jakob Berzelius, Joseph Louis Gay-Lussac, Joseph Louis Proust, Marie und Antoine Lavoisier und Justus von Liebig.

Spiritusflamme und ihr Spektrum

Bei chemischen Reaktionen werden Bindungen zwischen Atomen getrennt und neu gebildet, es findet also eine Stoffveränderung statt. Da die für die Chemie relevanten Eigenschaften der Atome fast ausschließlich in der Struktur ihrer Elektronen (Elektronenhülle) begründet liegen, können grundlegende Aufgabengebiete der Chemie auch als „Physik der äußeren Elektronenhülle“ betrachtet werden.

Alle Eingriffe, die die Art des Stoffes (Stoff = Substanz) unverändert lassen (z. B. Schmelzen, Erstarren), gehören zur Physik. Zur Kernphysik zählen Veränderungen am Atomkern.

Inhaltsverzeichnis

Wortherkunft

Alchemist

„Chemie“ entstand aus dem neueren Griechisch χημεία [çiːˈmiːa], wörtlich „[die Kunst der Metall-]Gießerei“ im Sinne von „Umwandlung“. Die heutige Schreibweise Chemie löste zu Beginn des 19. Jahrhunderts die seit dem 17. Jahrhundert bestehende als Chymie ab. Diese Chymie war wahrscheinlich eine Vereinfachung und Umdeutung der seit dem 13. Jahrhundert als Wort belegten Alchimie („die Kunst des Goldherstellens“), welches selbst eine mehrdeutige Etymologie aufweist (zu den Konnotationen vergleiche die Etymologie des Wortes Alchemie[1]: Das Wort wurzelt wohl in arabisch al-kīmiyá, welches u. a. „Stein der Weisen“ bedeuten kann, eventuell aus altgriechisch χυμεία, chymeía, „die Gießung“, oder aus koptisch/altägyptisch kemi, „schwarz[e Erden]“; vergleiche hierzu auch Kemet).

Allgemeines

Die Chemie befasst sich mit den Eigenschaften der Elemente und Verbindungen, mit den möglichen Umwandlungen eines Stoffes in einen anderen, macht Vorhersagen über die Eigenschaften für bislang unbekannte Verbindungen, liefert Methoden zur Synthese neuer Verbindungen und Messmethoden, um die chemische Zusammensetzung unbekannter Proben zu entschlüsseln.

Obwohl alle Stoffe aus vergleichsweise wenigen „Bausteinsorten“, nämlich aus etwa 80 bis 100 der 118 bekannten Elemente aufgebaut sind, führen die unterschiedlichen Kombinationen und Anordnungen der Elemente zu einigen Millionen sehr unterschiedlichen Verbindungen, die wiederum so unterschiedliche Materieformen wie Wasser, Sand, Pflanzen- und Tiergewebe oder Kunststoffe (z.B. PVC) aufbauen. Die Art der Zusammensetzung bestimmt schließlich die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Stoffe und macht damit die Chemie zu einer umfangreichen Wissenschaft.

Fortschritte in den verschiedenen Teilgebieten der Chemie sind oftmals die unabdingbare Voraussetzung für neue Erkenntnisse in anderen Disziplinen, besonders in den Bereichen Biologie und Medizin, aber auch im Bereich der Physik und der Ingenieurwissenschaften. Außerdem erlauben sie es häufig, die Produktionskosten für viele Industrieprodukte zu senken. Beispielsweise führen verbesserte Katalysatoren zu schnelleren Reaktionen und dadurch zur Einsparung von Zeit und Energie in der Industrie. Neu entdeckte Reaktionen oder Substanzen können alte ersetzen und somit ebenfalls von Interesse in der Wissenschaft und Industrie sein.

  • Für die Medizin ist die Chemie bei der Suche nach neuen Medikamenten und bei der Herstellung von Arzneimitteln unentbehrlich.
  • Die Ingenieurwissenschaften suchen häufig je nach Anwendung nach maßgeschneiderten Materialien (leichte Materialien für den Flugzeugbau, beständige und belastbare Baustoffe, hochreine Halbleiter…). Deren Synthese ist eine der Aufgaben der Chemie.
  • In der Physik werden z. B. zur Durchführung von Experimenten oft hochreine Stoffe benötigt, deren Herstellung spezielle Synthesemethoden erfordern.

Wirtschaftliche Bedeutung der Chemie

Hochhaus des Chemiekonzerns BASF

Die chemische Industrie ist – gerade auch in Deutschland – ein sehr bedeutender Wirtschaftszweig: In Deutschland liegt der Umsatz der Chemieindustrie bei über 100 Milliarden Euro, die Zahl der Beschäftigten lag nach der Wiedervereinigung Deutschlands bei über 700.000 und ist jetzt unter 500.000 gesunken. Sie stellt einerseits Grundchemikalien wie beispielsweise Schwefelsäure oder Ammoniak her, oft in Mengen von Millionen von Tonnen jährlich, die sie dann zum Beispiel zur Produktion von Düngemitteln und Kunststoffen verwendet. Andererseits produziert die chemische Industrie viele komplexe Stoffe, u. a. pharmazeutische Wirkstoffe (Arzneistoffe) und Pflanzenschutzmittel (Pestizide), maßgeschneidert für spezielle Anwendungen. Auch die Herstellung von Computern, Kraft- und Schmierstoffen für die Automobilindustrie und vielen anderen technischen Produkten ist ohne industriell hergestellte Chemikalien unmöglich.

Chemie im Alltag

Verbrennung: eine chemische Reaktion

Chemische Reaktionen im Alltag finden zum Beispiel beim Kochen, Backen oder Braten statt, wobei oft gerade die hier ablaufenden, recht komplexen Stoffumwandlungen zum typischen Aroma der Speise beitragen. Nahrung wird bei körpereigenen Abbauvorgängen chemisch in ihre Bestandteile zerlegt und auch in Energie umgewandelt. Eine gut beobachtbare chemische Reaktion ist die Verbrennung.

Haarfärbung, Verbrennungsmotoren, Handy-Displays, Waschmittel, Dünger, Arzneimittel u.v.m. sind weitere Beispiele für Anwendungen der Chemie im alltäglichen Leben.

Im Alltag wird der Begriff 'Chemie' oft in einem eingeschränkten Sinn als Abkürzung für 'Produkt der chemischen Industrie' verwendet, zum Beispiel bei der 'Chemischen Reinigung': Diese reinigt Textilien mit (synthetischen) Lösungsmitteln. Der Reinigungsvorgang selbst ist in der Regel ein Lösen der Verunreinigung (beispielsweise eines Fettflecks) im Lösungsmittel und damit kein chemischer Prozess (Stoffumwandlung) im eigentlichen Sinne, sondern ein physikalischer Vorgang (Lösen). Im Gegensatz dazu ist das manchmal als 'Putzen ohne Chemie' gepriesene Auflösen von Kalkflecken mit Essig oder Zitronensaft sehr wohl ein chemischer Vorgang, da dabei festes Calciumcarbonat (Kalk) durch die Säuren zu löslichen Calciumsalzen und Hydrogencarbonat bzw. Kohlenstoffdioxid umgesetzt wird.

Ausbildung

Schulunterricht

→ Hauptartikel: Chemieunterricht (zu den Inhalten) und Chemiedidaktik (zum Konzept)

Es ist Aufgabe des Chemieunterrichts, einen Einblick in stoffliche Zusammensetzung, in Stoffgruppen und in stoffliche Vorgänge der Natur zu geben. Stoffumwandlungen in der belebten und unbelebten Natur beruhen ebenfalls auf chemischen Reaktionen und sollten als solche erkannt werden können. Ebenso sollte aus der Vermittlung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse Verständnis für die moderne Technik und eine positive Einstellung dazu aufgebaut werden, da doch gerade die Chemie durch Einführung neuer Produkte einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen des Menschen geleistet hat. Nicht zuletzt dient der Chemieunterricht auch dazu, die Schüler zu mündigen Verbrauchern zu erziehen. Er wird aus diesem Grund nach Lehrplänen (Curricula) und pädagogischen Konzepten gestaltet (Chemiedidaktik).

Beruf

Es ist möglich als Chemielaborant in Betrieb und Berufsschule im so genannten Dualen System ausgebildet zu werden. Ein weiterer Ausbildungsberuf für die Arbeit im Chemielabor ist der Chemisch-Technischer Assistent (CTA). Der Chemikant (auch Chemie- und Pharmatechnologe oder früher Chemiefacharbeiter) ist ein Ausbildungsberuf für Mitarbeiter in der chemischen Industrie

Viele Universitäten bieten einen Studiengang Chemie an. Ein Großteil der Chemiker schließt im Anschluss an das Studium eine Promotion an.

Ansehen der Chemie

Die Chemie hat in der Öffentlichkeit – auch aufgrund von Chemiekatastrophen und Umweltskandalen – ein relativ schlechtes Ansehen. Viele Fachleute empfinden dies angesichts des Nutzens und der allgemeinen Bedeutung der Chemie als nicht gerechtfertigt, weil in Europa unter anderem aufgrund der strikten Gesetzgebung (Chemikaliengesetz, Gefahrstoffverordnung) eine weitgehend sichere Handhabung von Chemikalien gewährleistet ist. Um das Ansehen der Chemie zu verbessern wurde das Jahr 2003 von verschiedenen Trägerorganisationen zum „Jahr der Chemie“ erklärt.

Geschichte

Die „alchemistischen Figuren“ des Nikolaus Flame
→ Hauptartikel: Geschichte der Chemie

Die Chemie in der Antike bestand im angesammelten praktischen Wissen über Stoffumwandlungsprozesse und den naturphilosophischen Anschauungen der Antike. Die Chemie im Mittelalter entwickelte sich aus der Alchemie, die in China, Europa und Indien schon seit Jahrtausenden praktiziert wurde.

Die Alchemisten beschäftigten sich sowohl mit der Veredlung der Metalle (Herstellung von Gold aus anderen unedlen Metallen) als auch mit der Suche nach Arzneimitteln bzw. einem Allheilmittel für Krankheiten. Insbesondere für die Herstellung von Gold suchten die Alchemisten nach einem Elixier (Philosophen-Stein, Stein der Weisen), das die unedlen („kranken“) Metalle in edle („gesunde“) Metalle umwandeln sollte. Im medizinischen Zweig der Alchemie wurde ebenfalls nach einem Elixier gesucht, dem Lebenselixier, ein Heilmittel für alle Krankheiten, das schließlich auch Unsterblichkeit verleihen würde. Kein Alchimist hat allerdings je den Stein der Weisen oder das Lebenselixier entdeckt.

Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts basierte die Vorstellungswelt der Alchemisten in der Regel nicht auf wissenschaftlichen Untersuchungen, sondern auf Erfahrungstatsachen und empirischen Rezepten. Alchemisten führten eine große Auswahl Experimente mit vielen Substanzen durch, um ihre Ziele zu erreichen. Sie notierten ihre Entdeckungen und verwendeten für ihre Aufzeichnungen die gleichen Symbole, wie sie auch in der Astrologie üblich waren. Die mysteriöse Art ihrer Tätigkeit und die dabei oftmals fabrizierten farbigen Flammen, Rauch oder Explosionen führten dazu, dass sie als Magier und Hexer bekannt und teilweise verfolgt wurden. Für ihre Experimente entwickelten die Alchemisten die gleichen Apparaturen, wie sie heute noch in der chemischen Verfahrenstechnik verwendet werden.

Albertus Magnus; Fresko (1352), Treviso, Italien

Ein bekannter Alchimist war Albertus Magnus. Er befasste sich als Kleriker mit diesem Themenkomplex und fand bei seinen Experimenten ein neues chemisches Element, das Arsen. Erst mit Paracelsus wandelte sich die Alchemie von einer mehr empirischen zu einer mehr experimentellen Wissenschaft, die zur Basis der modernen Chemie wurde.

Die Chemie in der Neuzeit erhielt als Wissenschaft entscheidende Impulse im 18. und 19. Jahrhundert: Sie wurde auf die Basis von Messvorgängen und Experimenten gestellt – den Gebrauch der Waage sowie die Beweisbarkeit von Hypothesen und Theorien über Stoffe und Stoffumwandlungen.

Die Arbeiten von Justus von Liebig über die Wirkungsweise von Dünger begründeten die Agrarchemie und lieferten wichtige Erkenntnisse über die anorganische Chemie. Die Suche nach einem synthetischen Ersatz für den Farbstoff Indigo zum Färben von Textilien waren der Auslöser für die bahnbrechenden Entwicklungen der organischen Chemie und der Pharmazie. Auf beiden Gebieten hatte man in Deutschland bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts eine absolute Vorrangstellung. Dieser Wissensvorsprung ermöglichte es beispielsweise, den zur Führung des Ersten Weltkrieges notwendigen Sprengstoff statt aus importierten Nitraten mit Hilfe der Katalyse aus dem Stickstoff der Luft zu gewinnen (siehe Haber-Bosch-Verfahren).

Die Autarkiebestrebungen der Nationalsozialisten gaben der Chemie als Wissenschaft weitere Impulse. Um von den Importen von Erdöl unabhängig zu werden, wurden Verfahren zur Verflüssigung von Steinkohle entwickelt (Fischer-Tropsch-Synthese). Ein weiteres Beispiel war die Entwicklung von synthetischem Kautschuk für die Herstellung von Fahrzeugreifen.

In der heutigen Zeit ist die Chemie ein wichtiger Bestandteil der Lebenskultur geworden. Chemische Produkte umgeben uns überall, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Allerdings haben Unfälle der chemischen Großindustrie wie beispielsweise die von Seveso und Bhopal der Chemie ein sehr negatives Image verschafft, so dass Slogans wie „Weg von der Chemie!“ sehr populär werden konnten.

Die Forschung entwickelte sich um die Wende zum 20. Jahrhundert soweit, dass vertiefende Studien des Atombaus nicht mehr zum Bereich der Chemie gehören, sondern zur Atomphysik bzw. Kernphysik. Diese Forschungen lieferten dennoch wichtige Erkenntnisse über das Wesen der chemischen Stoffwandlung und der chemischen Bindung. Weitere wichtige Impulse gingen dabei auch von Entdeckungen in der Quantenphysik aus (Elektronen-Orbitalmodell).

Berühmte Chemiker

Fachrichtungen

→ Kategorie:Teilgebiet der Chemie

Die Chemie wird aus traditionellen Gründen in die organische und anorganische Chemie unterteilt, wobei etwa um 1890 auch noch die physikalische Chemie hinzukam.

Seit der Harnstoffsynthese 1828 von Friedrich Wöhler, bei der die organische Substanz Harnstoff aus der anorganischen Verbindung Ammoniumcyanat hergestellt wurde, verwischen sich die Grenzen zwischen Stoffen aus der unbelebten (den „anorganischen“ Stoffen) und der belebten Natur (den organischen Stoffen). So stellen Lebewesen auch eine Vielzahl anorganischer Stoffe her, während im Labor fast alle organischen Stoffe hergestellt werden können.

Die traditionelle, aber auch willkürliche Unterscheidung zwischen anorganischer und organischer Chemie wurde aber dennoch beibehalten. Ein Grund besteht darin, dass die organische Chemie stark vom Molekül bestimmt wird, die anorganische Chemie jedoch oft von Ionen, Kristallen, Komplexverbindungen und Kolloiden. Ein weiterer ist, dass sich die Reaktionsmechanismen und Stoffstrukturen in der Anorganik und Organik vielfach unterscheiden.

Eine weitere Möglichkeit ist es, die Chemie nach der Zielrichtung in die untersuchende, 'zerlegende' Analytische Chemie und in die aufbauende, produktorientierte Präparative- oder Synthetische Chemie aufzuspalten. In der Lehrpraxis der Universitäten ist die Analytische Chemie oft als Unterrichtsfach vertreten, während die Präparative Chemie im Rahmen der organischen oder anorganischen Chemie behandelt wird.

Es gibt natürlich noch weitere Fachgebiete, doch die hier geschilderten sollen einen groben Überblick verschaffen.

Allgemeine Chemie

Periodensystem der Elemente
→ Hauptartikel: Allgemeine Chemie

Unter Allgemeiner Chemie werden die Grundlagen der Chemie verstanden, die in fast allen chemischen Teilgebieten von Bedeutung sind. Sie stellt somit das begriffliche Fundament der gesamten Chemie dar: den Aufbau des Atoms, das Periodensystem der Elemente (PSE), die Chemische Bindung, die Grundlagen der Stöchiometrie, Säuren, Basen und Salze und chemische Reaktionen.

Im Gegensatz zu anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen gibt es in der Chemie den Terminus Technicus „Allgemeine Chemie“ (eine „Allgemeine Physik“ gibt es nicht). Insofern steht die Allgemeine Chemie am Anfang jeder näheren Beschäftigung mit der Chemie.

Anorganische Chemie

→ Hauptartikel: Anorganische Chemie
Zeolithe (mikroporöse Stoffe)

Diese auch Anorganik genannte Richtung umfasst, einfach ausgedrückt, die Chemie aller Elemente und Verbindungen, die nicht ausschließlich Kohlenstoffketten enthalten, denn diese sind Gegenstände der organischen Chemie. Die anorganische Chemie beschäftigt sich beispielsweise mit den Mineralsäuren, Metallen, und anderen kohlenstofffreien Verbindungen, aber auch mit Kohlendioxid, den Säuren Cyanwasserstoff (Blausäure) und Kohlensäure sowie mit deren Salzen. Verbindungen, die sich nicht genau einteilen lassen fallen in den Bereich der Organometallchemie. Die Bioanorganische Chemie überschneidet sich hingegen thematisch mehr mit der Biochemie.

In der klassischen Anorganik geht es um kleine Moleküle oder überhaupt um Salze bzw. Metalle, daher reicht eine Summenformel meist aus. In der Komplexchemie, wo es dennoch Isomere gibt, werden verständlicherweise wie in der organischen Chemie systematische Namen und Strukturformeln benötigt. Oft orientieren sich diese dabei sogar an denen von ähnlich aufgebauten Substanzen in der organischen Chemie (siehe beispielsweise Silane). Die moderne anorganischen Chemie befasst sich damit der Strukturbildung (Strukturchemie) von Molekülen und Festerkörpern (Festkörperchemie) um z.B. neue Werkstoffe mit speziellen physikalischen und chemischen zu erschaffen oder dem komplexen Verhalten von Teilchen in Lösungen (Kolloidchemie).

Historische Definition: Die Anorganische Chemie befasst sich mit den chemischen Elementen und Reaktionen der Stoffe, die nicht von organischem Leben (mit Hilfe der hypothetischen Lebenskraft) erzeugt werden.

Organische Chemie

Kalottenmodelle einiger Kohlenwasserstoffe.
→ Hauptartikel: Organische Chemie

Die organische Chemie (auch Organik) ist die Chemie des Elementes Kohlenstoff und nur wenigen anderen Elementen, besitzt dennoch die größte Vielfalt an chemischen Verbindungen. Durch die Vielzahl an Strukturelementen enthält schon alleine die Chemie der Kohlenwasserstoffe eine gewaltige Zahl an unterschiedlichen Substanzen, die sich nur in unterschiedlichen Bindungsarten, Anordnungen (Isomerie) oder überhaupt nur an der Struktur (Stereochemie) unterscheiden. Hinzu kommt noch, dass häufig auch Fremdatome im Kohlenwasserstoffgerüst eingebaut sind. Um diese Unzahl an Verbindungen einwandfrei zu identifizieren, genügen keine Summenformeln mehr. Aus diesem Grund gibt es die IUPAC-Nomenklatur, die jeder Substanz (auch jeder anorganischen) einen eindeutigen, systematischen Namen zuweisen, obwohl gerade bei organischen Stoffen oft Trivialnamen (gewohnte Bezeichnungen; z. B.: Essigsäure) vorhanden sind. Die organische Chemie teilt daher ihre Verbindungen in funktionelle Gruppen mit ähnlichen chemischen Eigenschaften ein und wird anhand von vergleichbaren Reaktionsmechanismen gelehrt.

Historische Definition: Früher dachte man, dass organische Substanzen, wie schon das Wort „organisch“ sagt, nur von Lebewesen hergestellt werden können. Man schrieb dies einer so genannten „vis vitalis“, also einer „Lebenskraft“ zu, die in diesen Substanzen verborgen sei. Diese Theorie war lange Zeit unangefochten, bis es Friedrich Wöhler 1828 gelang, erstmals eine anorganische Substanz im Labor in eine organische umzuwandeln. Wöhlers berühmte Harnstoffsynthese aus Ammoniumcyanat durch Erhitzen auf 60 °C:

Die Strukturaufklärung und Synthese von natürlichen Stoffen ist Bestandsteil der Naturstoffchemie. Heutzutage ist der Erdölverarbeitende Sektor (Petrochemie) wirtschaftlich von Bedeutung, da er Ausgangsstoffe für zahlreiche großtechnische Synthese liefert.

Physikalische Chemie

→ Hauptartikel: Physikalische Chemie

Bei der physikalischen Chemie handelt es sich um den Grenzbereich zwischen Physik und Chemie. Während in der präparativen Chemie (Organik, Anorganik) die Fragestellung z. B. ist: „Wie kann ich einen Stoff erzeugen“, beantwortet die physikalische Chemie stärker quantitative Fragen, z. B. „Unter welchen Bedingungen findet eine Reaktion statt?“ (Thermodynamik), „Wie schnell ist die Reaktion“ (Kinetik). Sie liefert auch die Grundlage für analytische Verfahren (Spektroskopie) oder technische Anwendungen (Elektrochemie, Magnetochemie und Nanochemie). In Überschneidung mit der Meteorologie auch Atmosphärenchemie.

Die an Bedeutung gewinnende theoretische Chemie, Quantenchemie oder Molekularphysik versucht, Eigenschaften von Stoffen, chemischer Reaktionen und Reaktionsmechanismen anhand von physikalischen Modellen, wie z. B. der Quantenmechanik oder Quantenelektrodynamik und numerischen Berechnungen zu ergründen.

Die Physikalische Chemie wurde um 1890 vor allem von Svante Arrhenius, Jacobus Henricus van 't Hoff und Wilhelm Ostwald begründet. Letzterer war auch erster Herausgeber der 1887 gemeinsam mit van 't Hoff gegründeten Zeitschrift für physikalische Chemie und hatte in Leipzig den ersten deutschen Lehrstuhl für Physikalische Chemie inne.

Das erste eigenständige Institut für Physikalische Chemie wurde 1895 von Walther Nernst, der sich bei Ostwald habilitiert hatte, in Göttingen gegründet. Weitere spezifisch der Physikalischen Chemie gewidmete Institute folgten dann in rascher Folge in Leipzig (1897), Dresden (1900), Karlsruhe (1903), Breslau, Berlin (1905) und andernorts.

Chemiker und Physiker, die vorwiegend im Bereich der Physikalischen Chemie tätig sind, werden auch als Physikochemiker bezeichnet.

Biochemie

roter Blutfarbstoff: Hämoglobin
→ Hauptartikel: Biochemie

Die Biochemie ist die Grenzdisziplin zur Biologie und befasst sich mit der Aufklärung von Stoffwechsel-Vorgänge, Vererbungslehre auf molekularer Ebene (Genetik) und der Strukturaufklärung und der Synthese (Molekulardesign) von großen Biomolekülen. Die Anwendung der Biochemie im technischen Bereich wird als Biotechnologie bezeichnet. Sie überschneidet sich mit den angrenzenden Disziplinen Pharmazeutische Chemie und Medizinische Chemie.

Theoretische Chemie

Linus Pauling
→ Hauptartikel: Theoretische Chemie

Theoretische Chemie ist die Anwendung nichtexperimenteller (üblicherweise mathematischer oder computersimulationstechnischer) Methoden zur Erklärung oder Vorhersage chemischer Phänomene. Man kann die Theoretische Chemie grob in zwei Richtungen unterteilen: Einige Methoden basieren auf Quantenmechanik (Quantenchemie), andere auf der statistischen Thermodynamik (Statistische Mechanik). Wichtige theoretische Chemiker sind bzw. waren Linus Carl Pauling, John Anthony Pople, Walter Kohn und John C. Slater.

Analytische Chemie

→ Hauptartikel: Analytische Chemie

Die Analytische Chemie beschäftigt sich mit der qualitativen Analyse (welche Stoffe sind enthalten?) und der quantitativen Analyse (wie viel von der Substanz ist enthalten?) von Stoffen. Während die klassische analytische Chemie noch stark auf aufwendige Trennungsgänge um verschiedene Substanzen zu isolieren und Nachweisreaktionen im Reagenzglas aufbaute, so werden heutzutage diese Fragestellungen in der instrumentellen Analytik mit hohem apparativen Aufwand bearbeitet.

Man unterteilt auch hier in Anorganische analytische Chemie und Organische analytische Chemie. Hier haben sich zahlreiche Spezialgebiete herausgestellt: z. B. die Klinische Chemie in Überschneidung mit der Medizin (vergleiche Labormedizin) und Toxikologie) oder die Lebensmittelchemie. Für manche Verfahren in der Mikrochemie und Spurenanalytik werden nur noch kleinste Substanzmengen benötigt.

Technische Chemie

→ Hauptartikel: Technische Chemie

Die Technische Chemie beschäftigt sich mit der Umsetzung von chemischen Reaktionen im Labormaßstab auf großmaßstäbliche Industrieproduktion.

Chemische Reaktionen aus dem Labor lassen sich nicht ohne weiteres auf die großindustrielle Produktion übertragen. Die technische Chemie beschäftigt sich daher mit der Frage, wie aus einigen Gramm Produkt im Labor viele Tonnen desselben Produktes in einer Fabrik entstehen.

Etwas abstrakter ausgedrückt: Die technische Chemie sucht nach den optimalen Bedingungen für die Durchführung technisch relevanter Reaktionen; dies geschieht empirisch oder mehr und mehr durch eine mathematische Optimierung auf der Grundlage einer modellhaften Beschreibung des Reaktionsablaufs und des Reaktors.

Vorbereitung → Reaktion → Aufbereitung

Nahezu jede Produktion in der chemischen Industrie lässt sich in diese drei Schritte gliedern. Zunächst müssen dabei die Edukte vorbereitet werden. Sie werden eventuell erhitzt, zerkleinert… oder komprimiert. Im zweiten Schritt findet die eigentliche Reaktion statt. Im letzten Schritt wird schließlich das Reaktionsgemisch aufbereitet. Mit der Vorbereitung und der Aufbereitung beschäftigt sich die chemische Verfahrenstechnik. Mit der Reaktion im technischen Maßstab beschäftigt sich die Chemische Reaktionstechnik.

Quellen und weiterführende Informationen

Einzelnachweise

  1. Kluge Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 24. Auflage, ISBN 3-11-017473-1

Literatur

Bücher

  • Charles E. Mortimer: Chemie – Das Basiswissen der Chemie. Thieme 2003, ISBN 3-13-484308-0
  • Joachim Kranz; Manfred Kuballa: Chemie im Alltag, Berlin, 2003, ISBN 3-589-21692-1
  • Basiswissen Schule Chemie (2. Auflage) Duden, ISBN 3-89818-026-3
  • Manfred Kuballa; Jens Schorn: Chemie Pocket Teacher. Cornelsen Verlag, Berlin, 1997, ISBN 3-589-20980-1
  • Eine Zusammenstellung von ausgewählten Beiträgen aus Spektrum der Wissenschaft: Digest: Moderne Chemie. Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg, Juni 1995, ISSN 0945-9537
  • Pedro Cintas: Der Weg zu chemischen Namen und Eponymen: Entdeckung, Priorität und Würdigung. Angewandte Chemie 116(44), S. 6012–6018 (2004), ISSN 0044-8249

Schulbücher

  • Bäurle u. a.: Prisma Chemie 7-10, Ausgabe A; Klett-Verlag, Stuttgart; 1. Aufl. (2006), ISBN 3-12-068560-7 (allgemeine Ausgabe für den Chemieunterricht in der Realschule Klasse 7-10, Ausgabe B hierzu: ISBN 978-3-12-068550-0; es existieren für den Lehrplan jedes Bundeslandes eigene Ausgaben, Beispiele: Prisma Chemie 7/8, Ausgabe Nordrhein-Westfalen (2007), ISBN 3-12-068500-3, Prisma NWA/Chemie 4/5, Ausgabe Baden-Württemberg (2005), ISBN 3-12-068535-6 u. a.)
  • Asselborn, Jäckel u. a.: Chemie heute – Sekundarbereich II; Schroedel-Verlag, Hannover (1998), ISBN 3-507-10630-2 und Folgeauflagen (Für den Chemieunterricht am Gymnasium, ab Kl. 11)
  • Amann, Eisner u. a.: elemente chemie II; Klett-Verlag, Stuttgart (1991), ISBN 3-12-759800-9 und Folgeauflagen (Ebenfalls für den Chemieunterricht an Gymnasien, ab Kl. 11)
  • Ignatowitz: Chemie für Schule und Beruf; Europa-Lehrmittel, Haan-Gruiten; ISBN 3-8085-7054-7 (Für den einführenden Chemieunterricht an der Berufsschule, Chemie als allgemeinbildendes Fach)
  • Brink, Fastert, Ignatowitz: Technische Mathematik und Datenauswertung für Laborberufe; Europa-Lehrmittel, Haan-Gruiten; 1. Aufl. (2002); ISBN 3-8085-7171-3 (Für den Chemieunterricht an der Berufsschule, Stöchiometrie / Fachrechnen Chemie, für Chemieberufe)
  • Wächter: Stoffe, Teilchen, Reaktionen. Verlag Handwerk und Technik, Hamburg (2000), ISBN 3-582-01235-2 (Ebenfalls für den berufsbildenden Chemieunterricht an Berufsschulen)
  • Dehnert, Jäckel u. a.: Allgemeine Chemie; Schroedel-Verlag, Hannover (1997), ISBN 3-507-10611-6 (Für Gymnasien und Berufsschulen, ab Kl. 11, Ergänzungsband: Organische Chemie, ISBN 3-507-10612-4)

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