Open Government Data

Open Government Data

Open Government Data ist das angelsächsische Synonym für offene Verwaltungsdaten, also jene Datenbestände des öffentlichen Sektors, die im Interesse der Allgemeinheit ohne jedwede Einschränkung frei zugänglich gemacht werden.

Inhaltsverzeichnis

Idee offener Verwaltungsdaten

Offene Verwaltungsdaten sind jene Datenbestände des öffentlichen Sektors, die von Staat und Verwaltung im Interesse der Allgemeinheit ohne jedwede Einschränkung zur freien Nutzung, zur Weiterverbreitung und zur freien Weiterverwendung frei zugänglich gemacht werden. [1]

Mit dieser Bezeichnung wird explizit auf den öffentlichen Sektor Bezug genommen. Zugleich schließt dies all jene Datenbestände des öffentlichen Sektors aus, deren Veröffentlichungen nicht im Interesse öffentlicher Belange liegen, die geheim gehalten werden sollen beziehungsweise die personenbezogene Daten sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse beinhalten, so dass einer Freigabe ohne Rücksprache mit den Betroffenen nicht stattgegeben werden darf.

Werden diese ausgewählten Datenbestände strukturiert und maschinenlesbar von den zuständigen Behörden proaktiv bereitgestellt, lassen sie sich durchsehen, durchsuchen, filtern, aufbereiten, überwachen und weiterverarbeiten. Konkret geht es hier etwa um Statistiken, Geodaten, Karten, Pläne, Umwelt- und Wetterdaten, Materialien der Parlamente, Ministerien und Behörden, Haushaltsdaten, Gesetze, Verordnungen, Satzungen, richterliche Entscheidungen und sonstige Veröffentlichungen. [2]

Offene Verwaltungsdaten können über das World Wide Web miteinander vernetzt werden: Linked Open Government Data.

Open Government Data

Setzen sich Staat und Verwaltung mit Open Data und Linked Open Data auseinander, so ist zu kritisieren, dass die bisherigen Arbeitsdefinitionen zu wenig Rücksicht auf die Besonderheiten des öffentlichen Sektors nehmen. Zur Schärfung der Begrifflichkeit muss daher ein gemeinsames Verständnis von offenen Verwaltungsdaten gefunden werden. Einen wesentlichen Impuls liefern dazu die von der Sunlight Foundation herausgegebenen 10 Prinzipien zu offenen Regierungsinformationen (Sunlight Foundation 2010). Die Zusammenstellung ist das Ergebnis einer Überarbeitung der Sebastopol-Liste (Open Data Working Group 2007), an der 30 US-amerikanische Open Government-Fürsprecher unter Leitung von Carl Malamud und Tim O'Reilly gearbeitet haben. Jedes der zehn Prinzipien beschreibt eine bestimmte Form von Offenheit für den öffentlichen Sektor (Opendata Network e.V. 2010): [3]

  • Vollständigkeit
  • Primärquellen
  • Zeitliche Nähe
  • Leichter Zugang
  • Maschinenlesbarkeit
  • Diskriminierungsfreiheit
  • Verwendung offener Standards
  • Lizenzierung
  • Dauerhaftigkeit
  • Nutzungskosten

Im Sinne eines gemeinsamen, von allen geteilten Wissens sollten Behörden und Verwaltungseinheiten nicht nur ihre Rohdaten, sondern auch die auf diesen basierenden Informationen und Werke für jedermann öffnen. Eine Weiternutzung dieser Daten, Informationen und Werke wäre im Sinne der EU-Richtlinie 2003/98/EG zur Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors sogar wünschenswert. [4]

Herausforderung für Deutschland: Grundlegender Paradigmenwechsel

Für eine erfolgreiche Umsetzung reicht es in Deutschland nicht aus, Konzepte zur Modernisierung von Staat und Verwaltung aus dem Ausland unverändert zu übernehmen. Die deutsche Verwaltung ist von anderen Vorstellungen, Traditionen und Kulturen im Umgang mit Öffentlichkeit und Transparenz geprägt als etwa jene angelsächsischen Staaten (USA, Kanada, Großbritannien, Australien und Neuseeland), in denen Open Data seit 2009 auf der politischen Agenda steht. Ein solcher Meinungsbildungsprozess ist für Politik und Verwaltung erforderlich, weil es nicht nur um einen pragmatischen Umgang mit vorhandenen Datenbeständen geht. Staat und Verwaltung stehen im Zeitalter von Open Government vor einem grundlegenden Paradigmenwechsel. Frei verfügbare Daten können als Instrumente verwendet werden, um Inhalte, Strukturen, Abläufe und Entscheidungsfindungsprozesse zu öffnen und diese nachhaltig zu beeinflussen. Zur erfolgreichen Bewältigung dieser Herausforderungen bedarf es in Deutschland eines dreifachen Paradigmenwechsels in Staat und Verwaltung hin zu einer neuen öffentlichen und offenen politischen und administrativen Kultur: [5]

  • Das erste Paradigma betrifft das Konzept von Öffentlichkeit und Geheimhaltung im Bezug auf Daten:
    • Altes Paradigma: Alles ist geheim, was nicht ausdrücklich als öffentlich gekennzeichnet ist.
    • Neues Paradigma: Alles ist öffentlich, was nicht ausdrücklich als geheim gekennzeichnet ist.[6]
  • Das zweite Paradigma betrifft Umfang, Art und den Zeitpunkt der Veröffentlichung von Daten:
    • Altes Paradigma: Umfang und Zeitpunkt der Veröffentlichung werden von den einzelnen Behörden selbst bestimmt. Oft erfolgt eine Akteneinsicht erst nach einer Anfrage, etwa auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes.
    • Neues Paradigma: Alle Daten, die keiner berechtigten Datenschutz- oder Sicherheitsbeschränkung unterliegen, werden proaktiv, im vollen Umfang und zeitnah veröffentlicht.[7]
  • Das dritte Paradigma betrifft die Nutzungsrechte an den veröffentlichten Daten:
    • Altes Paradigma: Veröffentlichte Daten sind für den privaten Gebrauch zur Einsicht freigegeben. Alle weiteren Nutzungsrechte sind vorbehalten und können von Fall zu Fall gewährt werden.
    • Neues Paradigma: Veröffentlichte Daten sind grundsätzlich von jedermann für jegliche Zwecke, auch kommerzielle, ohne Einschränkungen kostenfrei nutzbar. Das umfasst ausdrücklich das Recht der Weiterverarbeitung und Weiterverbreitung der Daten.[8]

Ein solcher von der Open Data-Bewegung initiierter Paradigmenwechsel bedeutet in der Tat einen grundlegenden Kulturwandel für Staat und Verwaltung. Statt der bisher geltenden Geheimhaltungsgrundsätze würden Offenheit und Transparenz gelebt und die demokratischen Kontrollrechte der Bürger gestärkt. Werden Daten, Informationen und Wissen für jedermann verfügbar gemacht, forciert dies den gesellschaftlichen Übergang hin zu einer Wissensgesellschaft. Mit der Bereitstellung von frei verfügbaren Daten in einer „Datenallmende“ (Reinermann 1986, S. 9) und dem expliziten Recht, diese Daten nicht nur zu nutzen, sondern auch weiterzuverarbeiten und weiterzuverbreiten, kann die öffentliche Verwaltung ihren eigenen Innovationsprozess noch nachhaltiger öffnen und beschleunigen. Softwareentwickler haben die Möglichkeit, auf Basis dieser Daten eigene Angebote, Schnittstellen und Anwendungen zu entwickeln oder zu verbessern. [9]

Kompaktanalyse

Nutzen

  • Stärkung der Gesellschaft durch eine behutsame Öffnung von Staat und Verwaltung
  • Wiederverwendung und Wiederverwertung
  • Transparenz, Partizipation, Kollaboration
  • Innovationsimpulse von Außen
  • Einbindung der kollektiven Intelligenz

Stärken

  • Intensivere Nutzung und Veredelung der Datenbestände der Behörden
  • Öffnung und Vernetzung der Daten
  • Meinungs- und Interessensvielfalt
  • Vertrauensbildende Maßnahmen
  • Beitrag zur Wirtschaftsförderung

Schwächen

  • Herausforderung eines kulturellen Wandels für die öffentliche Verwaltung
  • Bedrohung bewährter Geschäftsmodelle
  • Unsicherheiten beim Umgang mit Urheberrechten und Haftungspflichten
  • Langwierige Standardisierungsprozesse
  • Vorhandene digitale Spaltung

Chancen

  • Stärkung der aktiven Bürgerbeteiligung
  • Paradigmenwechsel bedingt einen kulturellen Wandel in Staat und Verwaltung
  • Modernisierung der Verwaltung in einer sich zunehmend öffnenden Welt
  • Erhöhung der politischen Legitimation
  • Innovationen für Bürger und Verwaltung

Risiken

  • Angriffsflächen durch eine Öffnung
  • Verlust der behördlichen Deutungshoheit
  • Missdeutungen und Fehlinterpretationen
  • Populistische Mobilisierung der Massen
  • Bereitschaft zu einer stärkeren Öffnung
  • Ignoranz von Kritik und offenen Plattformen

[10]

Beispiele

Einige vorbildhafte Umsetzungen, die als Apps, Mashups und Dienste auf Basis offener Verwaltungsdaten realisiert wurden, finden sich in den webbasierten Portalen Data.gov der US-amerikanischen Bundesregierung), Data.gov.uk der britischen Regierung und dem DataSF App Showcase der Stadt San Francisco.

Quelle

Literatur

Einzelnachweise

  1. http://www.zeppelin-university.de/deutsch/lehrstuehle/ticc/TICC-101203-OpenGovernmentData-V1.pdf von Lucke/Geiger 2010, S. 6
  2. http://www.zeppelin-university.de/deutsch/lehrstuehle/ticc/TICC-101203-OpenGovernmentData-V1.pdf von Lucke/Geiger 2010, S. 6
  3. http://www.zeppelin-university.de/deutsch/lehrstuehle/ticc/TICC-101203-OpenGovernmentData-V1.pdf von Lucke/Geiger 2010, S. 4-6
  4. http://www.zeppelin-university.de/deutsch/lehrstuehle/ticc/TICC-101203-OpenGovernmentData-V1.pdf von Lucke/Geiger 2010, S. 6
  5. http://www.zeppelin-university.de/deutsch/lehrstuehle/ticc/TICC-101203-OpenGovernmentData-V1.pdf von Lucke/Geiger 2010, S. 7
  6. http://www.collaboratory.de/open-government/abschlussbericht2/IGCollaboratoryAbschlussbericht2OffeneStaatskunstOkt2010.pdf IG Collaboratory 2010, S. 54 f.
  7. http://www.collaboratory.de/open-government/abschlussbericht2/IGCollaboratoryAbschlussbericht2OffeneStaatskunstOkt2010.pdf IG Collaboratory 2010, S. 54 f.
  8. http://www.collaboratory.de/open-government/abschlussbericht2/IGCollaboratoryAbschlussbericht2OffeneStaatskunstOkt2010.pdf IG Collaboratory 2010, S. 54 f.
  9. http://www.zeppelin-university.de/deutsch/lehrstuehle/ticc/TICC-101203-OpenGovernmentData-V1.pdf von Lucke/Geiger 2010, S. 7-8
  10. http://www.zeppelin-university.de/deutsch/lehrstuehle/ticc/TICC-101203-OpenGovernmentData-V1.pdf von Lucke/Geiger 2010, S. 16

Wikimedia Foundation.

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