- Proliferationstherapie
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Die Proliferationstherapie, auch bekannt als Sklerosierungstherapie oder Prolotherapie, englisch: Stimulated Ligament Repair (SLR), ist ein wissenschaftlich nicht anerkanntes Verfahren aus Bereich der Neuraltherapien.
Mit Hilfe der Proliferationstherapie sollen Bänder des Stütz- und Bewegungsapparates fester werden, was durch die Injektion von hochprozentiger Zuckerlösung erfolgt. Mit diesen Proliferationsspritzen sollen Beschwerden des Bewegungsapparates verbessert werden, allen voran unspezifische Rückenschmerzen, die als chronisches LWS-Syndrom oder auch low back pain bezeichnet werden.
Die Proliferationstherapie wurde früher Sklerosierungstherapie genannt, im englischen Sprachraum Prolotherapy oder Sclerotherapy. Unter der Therapie soll es zur Vermehrung von Kollagenfasern im Band kommen. Sie wird mehrheitlich bei Wirbelsäulenbeschwerden eingesetzt. Die Prinzipien der Proliferationstherapie sind aber grundsätzlich auf jedes kollagenhaltige Band übertragbar. Auch für knorpelige Strukturen oder subcutanes Bindegewebe gibt es Hinweise für wirksame Therapien.
Inhaltsverzeichnis
Grundlagen
Die Wirbelsäule wird durch die richtige Form und Anordnung der Wirbel, Wirbelgelenke und Bandscheiben, durch Bänder und Muskeln stabil und belastbar gemacht. Der Widerspruch zwischen Festigkeit und Beweglichkeit wird im Laufe des Wachstums fein ausbalanciert: im Idealfall entsteht gute Beweglichkeit aber auch ausreichende Festigkeit.
Passive und aktive Stabilität
Bänder können schmerzhaft gereizt sein und vermutlich Ausstrahlungen verursachen (referred pain n.Hackett). Die überbeweglichen Abschnitte neigen zu Blockierungen, z. B. in den Facettengelenken oder Wirbel-Rippen-Gelenken. Muskeln bewegen die Wirbelsäule und stellen zusätzliche Stabilität zur Verfügung. Während der Nachtruhe sind aber die Muskeln für diese Haltearbeit nicht verfügbar. Bei monotonen Haltungen kommt es zu Verkrampfungen und bei ruckartigen Bewegungen sind die Muskeln ggf. nicht schnell genug wirksam. In diesen Situationen sind die Bänder unverzichtbar zur Stabilisierung der Wirbelsäule.
Es gibt im Sinne der Proliferationstherapie zwei Sorten von Stabilität:
- die passive Bänder- (osteoligamentäre) Stabilität und
- die aktive, muskuläre Stabilität.
Therapieprinzip
Die Proliferationstherapie soll die Bänder festigen und stabilisiert so die behandelten Wirbelsäulensegmente. Die Überbeweglichkeit („Klapprigkeit“) soll geringer werden und es kommt nicht mehr zu Blockierungen. Die festeren Segmente sind bessere Verankerungen für die Muskulatur, diese kann daraufhin noch mal mehr aktive Stabilität zur Verfügung stellen.
Die Proliferationslösung wird in bzw. an die Bänder gespritzt, dort entsteht ein Reiz, der über die Wundheilungskaskade zu Regenerationsvorgängen und letztlich zur Bildung von neuem Kollagen im Band führen soll, wozu allerdings keine Studien vorliegen. Das Band wird dicker und fester.
Beschwerden
Der typische Rückenschmerzpatient kennt seine wechselnden episodenhaften Beschwerden schon viele Jahre. Zunächst besteht nur eine Minderbelastbarkeit für z.B. Gartenarbeit. Die Schmerzepisoden werden aber über die Jahre immer häufiger und dauern immer länger. Gleichzeitig werden monotone Haltungen wie entspanntes Sitzen oder hartes Liegen schmerzhaft. Bei längerem Sitzen wird man unruhig die Haltung wechseln und nachher muss man sich erstmal wieder gerade machen und einlaufen. Beim Stehen beschreiben die Patienten ein Gefühl wie Durchbrechen. Diese Schmerzen lassen sich durch abwechslungsreiche Körperhaltungen lindern bzw. vermeiden. Spazieren lindert meist recht gut.
Untersuchungen
Die Lockerheit des Segmentes wird durch den erfahrenen Untersucher ertastet, das betroffene Band wird durch Funktionsteste und Druckschmerz identifiziert. Röntgen- oder MRT-Untersuchungen sind gelegentlich zum Ausschluss anderer Diagnosen erforderlich. Es ist manchmal möglich, durch Funktionsaufnahmen größere Wirbelverschiebungen zu entdecken. Auch kann man durch die Stellung der Wirbel zueinander oder bei Bandscheibenhöhenminderung Lockerungen vermuten. Einen objektivierbaren radiologischen oder klinisch reproduzierbaren Nachweis gibt es allerdings nicht.
Um die Zuordnung der Schmerzen und schmerzhaften Situationen zu den einzelnen betroffenen Bändern abzusichern, können zunächst schmerzstillende Injektionen in die vermutlich schmerzauslösenden Bänder erfolgen. Wenn dann der Schmerz vorübergehend sehr gut gelindert wird, ist die Lokalisation bestätigt.
Therapie und Durchführung
Traubenzuckerlösung (Glucose 40 %) wird zusammen mit einem Lokalanästhetikum (z.B. Mepivacain) in bzw. an alle Bänder des überbeweglichen Segmentes gespritzt. Das entstehende Druckgefühl und der Reiz im behandelten Bereich wird am Besten durch einen kurzen Spaziergang überbrückt. Im Abstand von 1-2 Wochen werden insgesamt etwa 3 Behandlungen durchgeführt.
Zusätzliche Therapie
Vor und nach den Proliferationsspritzen sollten keine reizstillenden Schmerzmittel eingenommen werden, weil diese den erwünschten Reiz der Proliferationslösung aufheben würden. Während der Behandlungsserie soll der Patient krankengymnastisch zwar begleitet werden, aber es sollten keine mobilisierenden (segmental lockernden) Übungen erfolgen. Verkrampfte und verspannte Muskeln dürfen entspannt werden, die Wirbel selbst sollten nicht bewegt werden.
Der Kontakt zur Trainingstherapie und zu wirbelsäulengesunden Sportarten darf mit geringer Intensität aufrechterhalten werden. Intensive Trainingseinheiten reizen zu sehr.
Nach der Proliferationstherapie wird das Ergebnis getestet – der Patient nimmt die früher eingeschränkten Bewegungen und Belastungen wieder auf. Jedenfalls sollte nach der Proliferationstherapie wieder intensiv trainiert werden.
Geschichte, Stand der Wissenschaft
Die Proliferationstherapie wurde in den 50er Jahren in den USA erstmals beschrieben und durch wissenschaftliche Studien z.B. 1987 untersucht. Es gibt aber noch keine etablierte Evidenz für die Wirksamkeit. Im juristischen Sinne muss die Therapie als Heilungsversuch angesehen werden.
Quellen
- “Joint ligament Relaxation Treated by Fibro-osseus Proliferation”, Second Edition. George S. Hackett, Charles C. Thomas, Publisher, Illinois, USA 1957
- “Handbuch der Proliferationstherapie - Therapiekonzepte bei Instabilität der Wirbelsäule und peripherer Gelenke” Dr. J. Weingart, Haug Verlag 2002, ISBN 3-8304-7150-5
Studien
- “A new approach to the treatment of chronic low back pain”. Milne J. Ongley, Robert G. et al. Santa Barbara, California 93102, USA. From The Lancet July 18, 1987, pp. 143-146
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