Wahlen in Brasilien 2010

Wahlen in Brasilien 2010

Die Wahlen in Brasilien 2010 fanden am 3. Oktober 2010 statt, die notwendigen Stichwahlen um das Präsidentenamt und die Gouverneursposten am 31. Oktober. Die Wahlberechtigten waren aufgerufen, den Präsidenten, zwei Drittel des Senats, die Abgeordnetenkammer, die Gouverneure und die Abgeordnetenhäuser der Bundesstaaten neu zu bestimmen. Am meisten Beachtung fand dabei international die Wahl des Präsidenten, bei der ein Nachfolger für Lula da Silva (PT) bestimmt werden musste, der gemäß der Verfassung des Landes nach zwei Amtsperioden nicht mehr kandidieren durfte. In der Stichwahl setzte sich Dilma Rousseff von der PT durch.

Inhaltsverzeichnis

Präsidentschaftswahl

Entwicklung der Umfragewerte bei der brasilianischen Präsidentschaftswahl 2010

Der Präsident wird von allen brasilianischen Wahlberechtigten für vier Jahre gewählt. Im ersten Wahlgang ist gewählt, wer die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen erreicht. Da dies niemandem gelang, fand am 31. Oktober 2010 eine Stichwahl zwischen den beiden erstplatzierten Kandidaten statt. Die Amtszeit des neuen Präsidenten beginnt am 1. Januar 2011.

Die Präsidentschaftswahl 2010 war die erste Direktwahl eines brasilianischen Präsidenten seit der Militärdiktatur, bei der Lula da Silva nicht zur Wahl stand. Er durfte nach zwei aufeinanderfolgenden Amtszeiten als Präsident nicht erneut kandidieren.

Kandidaten

Dilma Rousseff (2010)

Der Partido dos Trabalhadores (PT) des amtierenden Präsidenten Lula nominierte Dilma Rousseff (meist nur Dilma genannt), die bis zu ihrer Nominierung als weitgehend unbekannt galt (siehe Graph). Sie war die Wunschkandidatin Lulas, der selbst nicht erneut kandidieren durfte.[1] Ihr Wahlkampf war darauf ausgerichtet, eine Fortsetzung der Politik des populären Lula zu versprechen. Dilma galt unmittelbar vor der Wahl als Favoritin, wobei ihr ein Ergebnis knapp um die 50-Prozent-Marke prognostiziert wurde.[2] Im Wahlkampf gab es ihr und Lula gegenüber von Seiten der Opposition Vorwürfe der Vetternwirtschaft und des Amtsmissbrauchs.[3] Dilmas Kandidatur wurde von neun weiteren Parteien unterstützt. Der Kandidat für die Vizepräsidentschaft unter Dilma, Michel Temer, wurde vom Partido do Movimento Democrático Brasileiro (PMDB) gestellt.

José Serra (2007)

Für die größte Oppositionspartei Partido da Social Democracia Brasileira (PSDB) trat der frühere Gouverneur von São Paulo José Serra an. Er wurde als „blass“[2] eingestuft und ließ im Wahlkampf erkennen, dass er vor allem am Posten des Gesundheitsminister interessiert sei, einem Posten, den er bereits einmal bekleidete.[3] Serra wurde von fünf weiteren Parteien unterstützt. Sein Kandidat für die Vizepräsidentschaft war Indio da Costa von der Democratas.

Marina Silva (2006)

Für den grünen Partido Verde trat Marina Silva an, die 2008 als Umweltministerin aus der Regierung Lula zurückgetreten war. Ihr wurden zu Beginn der Kampagne Außenseiterchancen eingeräumt, da sie kurzzeitig mit Dilma in Umfragen gleichauf lag.[4] Sie trat im Wahlkampf durch eine sachliche Argumentation hervor, hatte jedoch einen schweren Stand.[3] Unmittelbar vor der Wahl wurden ihr etwa 15 Prozent prognostiziert, sie galt als „Zünglein an der Waage“ mit Blick auf eine mögliche Stichwahl.[2] Marina Silva trat nicht in einem Wahlbündnis an, ihr Kandidat für die Vizepräsidentschaft war Guilherme Leal.

Sechs weitere Kandidaten traten an, galten allerdings vor der Wahl als bedeutungslos.

Wahlergebnis

Ergebnisse des ersten Wahlgangs nach Bundesstaaten

Im ersten Wahlgang erhielt Dilma die meisten Stimmen, verfehlte aber die absolute Mehrheit deutlich. Sie erzielte 46,9 Prozent der gültigen Stimmen, Serra 32,6 Prozent und Silva 19,3 Prozent.[5] Die weiteren sechs Kandidaten erhielten gemeinsam gut 1 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung betrug (bei Wahlpflicht) 81,9 Prozent.

Ergebnisse des zweiten Wahlgangs nach Bundesstaaten

Im zweiten Wahlgang erzielte Dilma nach Auszählung von gut 99 Prozent der Stimmen 56 Prozent der gültigen Stimmen, Serra 44. Die Wahlbeteiligung lag bei etwa 78 Prozent. Damit ist Dilma Rousseff zur Präsidentin Brasiliens gewählt, Michel Temer zum Vizepräsidenten.

Kandidat Partei Erster Wahlgang Zweiter Wahlgang
Stimmen Prozent gültige Stimmen Prozent Wahlberechtigte Stimmen Prozent gültige Stimmen Prozent Wahlberechtigte
Wahlberechtigte 135.804.433 100,0 135.804.433 100,0
abgegebene Stimmen 111.193.747 81,9 106.606.214 78,5
Dilma Rousseff PT (u.a.) 47.651.434 46,9 35,1 55.752.529 56,1 41,1
José Serra PSDB (u.a.) 33.132.283 32,6 24,4 43.711.388 43,9 32,2
Marina Silva PV 19.636.359 19,3 14,5
Plínio de Arruda Sampaio PSOL 886.816 0,9 0,7
José Maria Eymael PSDC 89.350 0,1 0,1
José (Zé) Maria de Almeida PSTU 84.609 0,1 0,1
Levy Fidelix PRTB 57.960 0,1 0,0
Ivan Pinheiro PCB 39.136 0,0 0,0
Rui Costa Pimenta PCO 12.206 0,0 0,0
Leere Stimmzettel 6.124.254 4,5 4.689.428 3,5
Ungültige Stimmzettel 3.479.340 2,6 2.452.597 1,8

Wahl des Senats

Bei der Wahl des Senats waren 54 der insgesamt 81 Mitglieder neu zu bestimmen, für eine Amtszeit von acht Jahren. Die anderen 27 Mitglieder wurden 2006 gewählt und sind noch bis 2015 (Wahl 2014) im Amt. Zu wählen waren in jedem der 26 Bundesstaaten sowie im Distrito Federal zwei Personen. Jeder Wähler hatte zwei Stimmen, gewählt waren die zwei Kandidaten mit den meisten Stimmen.

Die Mandate im Senat verteilen sich wie folgt auf die Parteien.[6] Rot unterlegte Parteien gehörten bei der Präsidentschaftswahl dem Wahlbündnis um Dilma und die PT an, blau unterlegte Parteien dem Bündnis von José Serra und der PSDB; für die Senatswahlen selbst traten diese Parteien allerdings teilweise selbstständig oder in abweichenden Wahlbündnissen an.

Partei gewonnene Sitze nicht zu wählende Sitze Sitze insgesamt Veränderung
Democratas (DEM)
2006: Partido da Frente Liberal (PFL)
2 5 7 -6
Partido Comunista do Brasil (PCdoB) 1 1 2 +1
Partido da Mobilização Nacional (PMN) 1 1 +1
Partido da República (PR)
2006: Partido Liberal (PL) und Partido de Reedificação da Ordem Nacional (PRONA)
3 1 4 ±0
Partido da Social Democracia Brasileira (PSDB) 5 6 11 -5
Partido Democrático Trabalhista (PDT) 2 2 4 -2
Partido do Movimento Democrático Brasileiro (PMDB) 16 3 19 +2
Partido dos Trabalhadores (PT) 11 2 13 +5
Partido Popular Socialista (PPS) 1 1 +1
Partido Progressista (PP) 4 1 5 +4
Partido Republicano Brasileiro (PRB) 1 1 -1
Partido Social Cristão (PSC) 1 1 ±0
Partido Socialismo e Liberdade (PSOL) 2 2 +1
Partido Socialista Brasileiro (PSB) 3 1 4 +2
Partido Trabalhista Brasileiro (PTB) 1 5 6 -1
Partido Verde (PV) 0 0 0 -1

Wahl des Abgeordnetenkammer

Die 513 Abgeordneten der Câmara dos Deputados wurden in getrennter Zahl in den Bundesstaaten sowie dem Distrito Federal gewählt. Die Zahl der in den einzelnen Bundesstaaten zu wählenden Abgeordneten richtet sich nach der Bevölkerungszahl, wobei allerdings kleine Staaten über- und große Staaten unterrepräsentiert sind. So kommen in Roraima auf einen Abgeordneten 33.950 Wahlberechtigte, in São Paulo sind es 432.710.[7]

Die Mandate verteilen sich wie folgt auf die Parteien.[8] Aufgeführt sind nur die Parteien, die Mandate gewonnen haben. Die Veränderung der Mandatszahl bezieht sich auf das Wahlergebnis 2006, nicht auf den durch Fraktionswechsel davon abweichenden Stand unmittelbar vor der Wahl. Rot unterlegte Parteien gehörten bei der Präsidentschaftswahl dem Wahlbündnis um Dilma und die PT an, blau unterlegte Parteien dem Bündnis von José Serra und der PSDB; für die Wahlen zur Abgeordnetenkammer selbst traten diese Parteien allerdings teilweise selbstständig oder in abweichenden Wahlbündnissen an.

Partei Abgeordnete Veränderung
Democratas (DEM)
2006: Partido da Frente Liberal (PFL)
43 -22
Partido Comunista do Brasil (PCdoB) 15 +2
Partido da Mobilização Nacional (PMN) 4 +1
Partido da República (PR)
2006: Partido Liberal (PL), 23 Mandate, und Partido de Reedificação da Ordem Nacional (PRONA), 2
41 +16
Partido da Social Democracia Brasileira (PSDB) 53 -12
Partido Democrático Trabalhista (PDT) 28 +4
Partido do Movimento Democrático Brasileiro (PMDB) 79 -10
Partido dos Trabalhadores (PT) 88 +5
Partido Humanista da Solidariedade (PHS) 2 ±0
Partido Popular Socialista (PPS) 12 -9
Partido Progressista (PP) 41 -1
Partido Renovador Trabalhista Brasileiro (PRTB) 2 +2
Partido Republicano Brasileiro (PRB) 8 +7
Partido Republicano Progressista (PRP) 2 +2
Partido Social Cristão (PSC) 17 +8
Partido Social Liberal (PSL) 1 +1
Partido Socialismo e Liberdade (PSOL) 3 ±0
Partido Socialista Brasileiro (PSB) 34 +7
Partido Trabalhista Brasileiro (PTB)
2006: PTB, 22 Mandate, und Partido dos Aposentados da Nação (PAN), 1
22 -1
Partido Trabalhista Cristão (PTC) 1 -3
Partido Trabalhista do Brasil (PTdoB) 2 +1
Partido Verde (PV) 15 +2

Quellen

  1. DerStandard.at: Lulas umstrittene Nachfolge-Favoritin
  2. a b c tagesschau.de: Gute Chancen für Lulas Mädchen
  3. a b c Die Welt: Lulas Platzhalterin soll Macht in Brasilien sichern
  4. taz.de: Angriff der Abtrünnigen
  5. Tribunal Superior Eleitoral: Eleições 2010; Divulgação de Resultados
  6. Zusammengestellt nach [1]; nicht zu wählende Mandate und Veränderung nach [2]
  7. Eigene Berechnung nach [3]
  8. Zusammengestellt nach [4]; Veränderung zu 2006 nach Wahlen in Brasilien 2006

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