Chlorphenylpiperazin

Chlorphenylpiperazin
Strukturformel
Strukturformel von Piperazin
Allgemeines
Name Piperazin
Andere Namen

1,4-Diethylendiamin

Summenformel C4H10N2
CAS-Nummer 110-85-0
Kurzbeschreibung weißes Pulver mit bitter-salzigem Geschmack
Eigenschaften
Molare Masse 86,14 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,1 g/cm3 (20 °C) [1]

Schmelzpunkt

111–113 °C [1]

Siedepunkt

146 °C [1]

Löslichkeit

in Wasser gut, in Ether unlöslich [1]

Sicherheitshinweise
Gefahrstoffkennzeichnung aus RL 67/548/EWG, Anh. I [2]
Ätzend Gesundheitsschädlich
Ätzend Gesundheits-
schädlich
(C) (Xn)
R- und S-Sätze R: 34-42/43-62-63
S: (1/2)-22-26-36/37/39-45
MAK

0,1 mg·m−3 (Langzeitwert)
0,3 mg·m−3 (Kurzzeitwert)

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Das Piperazin ist eine organische, heterocyclische Verbindung. Reines Piperazin ist ein weißes, stark hygroskopisches Pulver, dessen Geschmack als salzig und bitter beschrieben ist.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Piperazin in historischem Gefäß

Seinen Namen erhielt Piperazin aufgrund der Ähnlichkeit mit Piperidin, einer Komponente des im Schwarzen Pfeffer vorkommenden Alkaloids Piperin.

Piperazin war das erste Medikament der heutigen Schering AG und wurde 1890 auf den Markt gebracht. Ursprünglich als Verjüngungsmittel gedacht, wurde es später zuerst zur Behandlung der Gicht, dann als Anthelminthikum eingesetzt. Auch heute noch ist Piperazin ein wichtiger Ausgangsstoff in der Pharmazie.

Gewinnung und Darstellung

Piperazin kann durch Umsetzung von Ammoniak mit 1,2-Dichlorethan in Ethanol oder durch Reduktion von Pyrazin mit Natrium in Ethanol dargestellt werden.

Eigenschaften

Massenspektrum von Piperazin

Piperazin ist in Wasser gut, in Alkohol etwas weniger, in Ether nicht löslich. Es ist stark hygroskopisch und bildet bei Vorhandensein von Wasser weißliche Kristalle mit einem Gehalt von 44,34 % wasserfreiem Piperazin, das Piperazin-Hexahydrat (CAS-Nummer: 142-63-2). Das Hexahydrat ist, ebenso wie andere Salze (Adipat, Chlorid, Zitrat) stabiler als wasserfreies Piperazin. Außerdem ist Piperazin eine starke Base mit einem pKB-Wert von 4,19. Eine 10%-ige wässrige Lösung von Piperazin zeigt einen pH-Wert von 10,8–11,8.[3]

Verwendung

Piperazin und Derivate in der Medizin

Piperazin bei Gicht

Historische Werbung für Piperazin

Die historische Verwendung von Piperazin zur Behandlung der Gicht beruhte auf der Beobachtung, dass es in vitro die Harnsäure aufzulösen vermag. Wesentlich niedriger war jedoch die Wirksamkeit in vivo, also im menschlichen Körper. Piperazin wird zwar gut resorbiert, jedoch auch schnell wieder ausgeschieden. Die Ausscheidung erfolgt über den Urin.

Piperazin als Anthelminthikum

Etwas erfolgreicher war Piperazin als Anti-Wurmmittel. Es wurde sowohl in der Veterinärmedizin als auch in der Humanmedizin bei Wurmbefall zum Beispiel durch Spulwürmer und Oxyuren eingesetzt, ist heute aber durch verträglichere Anthelminthika, bzw. solche mit einem breiteren Wirkungsspektrum ersetzt worden. Aufgrund des salzig-bitteren Geschmacks und der chemischen Instabilität wurde kein reines Piperazin (Piperazinbase) verwendet, sondern eines der wesentlich stabileren Salze, meist Piperazin-citrat- oder -adipat. Seitdem man weiß, dass sich in dem sauren Milieu des Magens potentiell mutagene und karzinogene N-Nitrosopiperazine bilden können, sind Piperazinsalze heute vollständig durch andere Präparate ersetzt worden. Die Wirksamkeit des Piperazins gegen Würmer begründete man zuerst mit einer inhibitierenden Wirkung des Acetylcholins. Die Blockade dieses Neurotransmitters würde zu einer Paralyse der Parasiten führen, damit die Erregungsübertragung zwischen Nerv und Muskel stören. Dieses deckte sich mit der Beobachtung, dass die Parasiten zwar gelähmt, aber noch lebend, im Kot ausgeschieden werden. [4][5][6][7]

Mittlerweile weiß man, dass Piperazin eine GABA-agonistische Wirkung hat. Dieser Neurotransmitter kommt bei Vertebraten nur im ZNS vor, außerdem unterscheidet sich der GABA-Rezeptor der Würmer (Helminthen) etwas von dem der Vertebraten, womit die selektive Wirkung des Piperazins erklärt werden kann.[8] Eine exakte Dosierung von Piperazin bzw. Piperazin-Salzen ist dennoch erforderlich, da es bei einer Überdosierung die Blut-Hirn-Schranke bei Säugern passiert.

Piperazinderivate als Arzneistoffe

Piperazin findet sich außerdem als Baustein in einer ganzen Reihe von wichtigen Arzneistoffen:

Sonstige Verwendung

Piperazin wird u. a. als Ausgangsprodukt zur Herstellung von Kunststoffen verwendet. Durch Umsetzung von Ethylencarbonat mit Piperazin und anschließender Umsetzung mit Dicarbonsäuredichloriden werden Polyesterurethane erhalten.

Weiter werden etliche Piperazinderivate als psychoaktive Drogen konsumiert, z. B. Benzylpiperazin (BZP), Trifluormethylphenylpiperazin (TFMPP) oder meta-Chlorphenylpiperazin (mCPP).

Sicherheitshinweise

Die Symptome einer Überdosierung von Piperazin zeigen sich vor allem durch das Auftreten neurotoxischer Nebenwirkungen (Tremor, Ataxie, Konvulsionen, Paresen) sowie gastrointestinalen Beschwerden (Erbrechen, Diarrhoe). Typisch für eine Intoxikation durch Piperazin ist das verzögerte Auftreten der Beschwerden nach etwa 24 Stunden.[9][10].

Die LD50-Werte für reines Piperazin betragen:

  1. Maus (oral): 11,4 g/kg[3]
  2. Ratte (oral): 7,9 g/kg[11]

Quellen

  1. a b c d Eintrag zu Piperazin in der GESTIS-Stoffdatenbank des BGIA, abgerufen am 8. Januar 2008 (JavaScript erforderlich)
  2. Eintrag zu CAS-Nr. 110-85-0 im European chemical Substances Information System ESIS
  3. a b C.H. Courtney et al.: Antinematodal Drugs. In: Veterinary Pharmacology and Therapeutics Iowa State University Press, Ames (USA), 1995, S. 885–932, ISBN 0813817412
  4. J. Del Castillo et al.: Inhibitory action of gamma-aminobutyric acid (GABA) of Ascaris muscle. In: Experientia 20, 1964, S. 141–143, ISSN 00144754
  5. J. Del Castillo et al.: Action of piperazine on the neuromuscular system of Ascaris lumbricoides., In: Nature, 200, 1963, S. 706–707, ISSN 00280836
  6. B.R. Manger: Anthelmintics. In: Veterinary Applied Pharmacology & Therapeutics, Baillière Tindall, London (UK) 1991, S. 513–548, ISBN 0702013668
  7. M.L. Aubry: Aspects of pharmacology of a new anthelmintic: Pyrantel. In: Br J Pharmacol, 38, 1970, S. 332–344, ISSN 00071188
  8. R.J. Martin: Electrophysiological effects of piperazine and diethylcarbamazine on Ascaris suum somatic muscle. In: Br J Pharmacol, 77, 1982, S. 255–265, ISSN 00071188
  9. D. Kömpf, B. Neundörfer: Neurotoxische Nebenwirkungen des Piperazins im Erwachsenenalter – Epileptischer Dämmerzustand mit Myoklonien. In: European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience, 213 (3), 1974, S. 223–233, ISSN 09401334
  10. P. Schuch et al.: Nebenwirkungen bei Wurmkuren mit Piperazinpräparaten. In: European Journal of Pediatrics, 87 (6), 1963, S. 531–546, ISSN 03406199
  11. R. Cavier: Chemotherapy of intestinal nematodes. In: Chemotherapy of helminthiasis, Pergamon Press, Oxford (UK), 1, 1973, S. 215–436

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