Turbo Vision

Turbo Vision
Die in Turbo Vision entwickelte IDE für Turbo Pascal

Turbo Vision (kurz TVision, unter Insidern TV) ist ein Framework zur Erstellung von Anwendungsprogrammen mit zeichenorientierter Benutzerschnittstelle. Das Framework war von der ersten Version an objektorientiert und ereignisgesteuert, seinen Benutzern bot es zudem tragfähige Konventionen zur Programmstruktur an. Diese reichten vom konfektionierten Programmablauf der Hauptfunktion bis hinab in die Konventionen der Bezeichnerwahl: Von Turbo Vision stammt ein Großteil der Delphi-Konventionen zur Quelltextgestaltung wie das große T, das Typnamen vorangestellt wird, oder kleingeschriebene 2- oder 3-Zeichen-Präfixe vor Enumeratoren.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Turbo Vision wurde von Borland Inc. zunächst entwickelt, um auf seiner Basis die IDEs für Turbo Pascal und Turbo C für MS-DOS erstellen zu können. Aus damaliger Sicht bedeutend war, dass es stark objektorientiert und ereignisgesteuert war. Der Kontrollfluss ist damit nicht vorrangig anhand der Anweisungen des Hauptprogramms verständlich, sondern erfordert Einblicke in die spezifische Implementierung von Klassen. Grundsätzlich waren Tastatur und Maus gleichermaßen als Eingabegeräte konzipiert, was unter DOS damals keineswegs eine Selbstverständlichkeit war.

Mit Turbo Pascal 6.0 (bzw. Turbo C 2.0) wurde Turbo Vision für die Benutzer der Borland-IDEs zur Entwicklung eigener Anwendungen verfügbar. Hierbei war nicht nur eine kontextsensitive Online-Hilfe inklusive, sondern es wurde auch das Konzept der Anwendungsentwicklung unter Turbo Vision ausführlich und verständlich erklärt.

Nachdem die Anwendungsentwicklung sich zunehmend auf Plattformen ausdehnte, die grundlegende grafische Möglichkeiten zur GUI-Programmierung bereitstellten, ging die Bedeutung textbasierter Systeme zurück. Turbo Vision und ähnliche Frameworks konnten sich lediglich für wenige Systeme mit außerordentlichen Ansprüchen an Rechenleistung halten.

Der Quelltext von Turbo Vision wurde um 1997 zusammen mit den Quellen der C++-IDE durch Borland freigegeben. Seitdem wird das Framework unter BSD-Lizenz für eine Vielzahl von Betriebssystemen weiterentwickelt.

Beim Übergang zur Windows-Entwicklung entwickelte Borland nach ersten Versuchen mit TPW (Turbo Pascal for Windows), das stark an die Konzepte von TV anknüpfte, für Borland Delphi ein neues Framework, die Visual Component Library (VCL), die dank Closures eine wesentliche Schwäche von TV ablegte: Verhalten von Komponenten nahezu ausschließlich durch Ableitung von Basisklassen steuern zu können.

Klassisches Beispiel

Mit den folgenden wenigen Zeilen ließ sich bereits in den 90er Jahren ein Programm erstellen:

program MyTVApp;
 
uses App;
 
var MyApp: TApplication;
 
begin
  MyApp.Init;
  MyApp.Run;
  MyApp.Done;
end.

Dieses Programm hatte allerdings keinerlei vom Standard abweichende Eigenheiten zu bieten. Es verfügte über eine Menüleiste mit einer Beenden-Option (Tastenkombination Alt+x) und konnte per Maus gesteuert werden. Das Menü ließ sich über F10 ansteuern. Um tatsächlich eigene Programme zu gestalten, musste man zumindest eine eigene Klasse von TApplication ableiten. So ließ sich z.B. durch Überschreiben der Init-Methode das Menü mit eigenen Funktionen anreichern. In jedem Falle war man bei Turbo Vision gezwungen, eigene Klassen von Standardklassen abzuleiten.

Kritik

Eine wesentliche Stärke von Turbo Vision – seine starke Objektorientierung – ist zugleich auch der begrenzende Faktor. Um einer TV-Anwendung dem konkreten Anwendungsbereich entsprechendes eigenes Verhalten aufzuprägen, war man dazu gezwungen, von Basisklassen zu erben. Sprachmittel wie die Closures von Delphi standen damals noch nicht zur Verfügung. Da Objektorientierung aber relativ neu war, wurde das Ableiten-Müssen als Last und ungewohnt empfunden. Wem das ereignisgesteuerte Konzept nicht einleuchtete, der war oft schnell in endlosen Verzweigungen einer HandleEvent-Methode einer Klasse verloren.

Mit Turbo Vision ließen sich Programme erstellen, die vieles bisher Dagewesene an Eleganz weit übertrafen, aber zum Verständnis der tragenden Konzepte – und gar zur Meisterschaft darin – war es – trotz ausführlicher Dokumentation – ein weiter, steiniger Weg.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Turbo Vision — is a DOS based character mode text user interface (TUI) framework developed around 1992 by Borland for Pascal, and C++. Later it was deprecated in favor of Object Windows Library for the then increasingly important Win16 API.The Turbo Vision… …   Wikipedia

  • Turbo Vision — У этого термина существуют и другие значения, см. Turbo. Turbo Vision  это объектно ориентированная библиотека для разработки событийно управлямых оконных программ, выполняющихся в текстовом видеорежиме дисплея и имитирующих GUI. Создана… …   Википедия

  • Turbo Pascal — ist eine integrierte Entwicklungsumgebung der Firma Borland für die Programmiersprache Pascal. Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1.1 Turbo Pascal 1.0 1.2 Folgeversionen …   Deutsch Wikipedia

  • Turbo-Pascal — ist eine integrierte Entwicklungsumgebung der Firma Borland für die Programmiersprache Pascal. Inhaltsverzeichnis 1 Die Anfänge 2 Turbo Pascal 1.0 3 Folgeversionen 4 Ausschnitt der Anweisungen …   Deutsch Wikipedia

  • Turbo Pascal — est un environnement de développement intégré pour le langage Pascal. Sa puissance et son prix « démocratique » ont fait son succès dans les années 1980 et 1990. Sommaire 1 Histoire 2 Versions 3 Voir aussi …   Wikipédia en Français

  • Turbo — Turbo: Turbo род брюхоногих. Turbo  турецкая жевательная резинка. Turbo  клавиша на клавиатуре или системном блоке компьютера. Turbo  альбом британской хеви метал группы Judas Priest. Turbo Pascal  среда программирования на… …   Википедия

  • Turbo Pascal — У этого термина существуют и другие значения, см. Turbo. Turbo Pascal Среда разработки Turbo Pascal 7.1 Тип …   Википедия

  • Turbo Pascal — Infobox Software name = Turbo Pascal caption = Turbo Pascal 4.0 (1987) startup screen. developer = Borland released = latest release version = latest release date = latest preview version = latest preview date = operating system = CP/M, CP/M 86,… …   Wikipedia

  • BMW Turbo X1 — BMW Turbo von 1972 Der BMW Turbo X1 war ein Prototyp von BMW. Der damalige Chef Designer Paul Bracq zeichnete die Karosserie. Aus seiner Feder stammten auch beispielsweise das 6er Coupé E24 und auch der erste 3er (E21), die wegen ihrer… …   Deutsch Wikipedia

  • The Vision of Escaflowne — Vision of Escaflowne Limited Edition DVD box set 天空のエスカフローネ (Tenkū no Esukafurōne) …   Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”