Vandelliinae

Vandelliinae
Harnröhrenwelse
Vandellia plazaii und Vandellia cirrhosa aus de Castelnau

Vandellia plazaii und Vandellia cirrhosa aus de Castelnau

Systematik
Unterkohorte: Ostariophysi
Otophysi
Ordnung: Welsartige (Siluriformes)
Überfamilie: Loricarioidea
Familie: Schmerlenwelse (Trichomycteridae)
Unterfamilie: Harnröhrenwelse
Wissenschaftlicher Name
Vandelliinae
Bleeker, 1862

Die zu den Schmerlenwelsen (Familie Trichomycteridae) gehörenden Vertreter der Unterfamilie Vandelliinae werden auch als Harnröhrenwelse bezeichnet. Sie sind im Amazonasbecken heimisch und ernähren sich parasitisch vom Blut großer Fische. Da sie auf der Suche nach Nahrung von Harnstoffen geleitet werden, die ihre eigentlichen Wirtstiere über die Kiemen ausscheiden, können sie dabei auch von im Wasser urinierenden Säugetieren fehlgeleitet werden. Dabei kommt es immer wieder vor, dass sie in Harnröhren einschwimmen, auch solche von badenden Menschen. Sie werden deshalb mitunter auch als Penisfische bezeichnet. Der Name Harnröhrenwels wird irreführend auch für völlig harmlose Vertreter der Familie aus einer ganz anderen Gruppe verwendet, den durchsichtigen Vertretern der Gattung Tridensimilis. In ihrer Heimat Brasilien werden sie von den Indios und Caboclos Candirú genannt (in Ostbrasilien aber Canero). Der Name Candirú wird aber auch für einen Wels aus der Familie der Walwelse (Cetopsidae) benutzt, weshalb es in der Literatur häufig zu Verwechslungen kommt.

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Harnröhrenwelse werden 2,7 cm (Paracanthopoma parva) bis zu 17 cm (Vandellia cirrhosa) lang. Sie sind extrem schlank, große Arten wurmförmig. Sie haben nadelförmig Zähnchen, mit denen sie die Aorta der Wirtsfische perforieren können. Alle Arten besitzen hinter den Kiemen Haken, mit denen sie sich nicht nur festhalten sondern die sie auch dazu benützen können, an geeignetem Untergrund hochzuklettern.

Lebensweise

Lediglich bei Vertretern der Unterfamilie Vandelliinae handelt es sich um Harnröhrenwelse im eigentlichen Sinn[1]. Sie leben im Amazonasbecken auf Sandböden und warten, mit einer dünnen Schicht Sand bedeckt, auf vorbeischwimmende Großfische. Da Fische über ihre Kiemen einen Teil ihrer Stoffwechselprodukte abatmen, schwimmen die Harnröhrenwelse in Richtung der stärkeren Konzentration und gelangen so zur Quelle der Harnstoffe, normalerweise den Kiemen der Fische (das sind z. B. Großwelse der Familie Pimelodidae)[2]. Sie beißen dort in die Kiemenaorta und werden durch den Herzschlag der Wirtsfische mit Blut versorgt, müssen also nicht einmal aktiv saugen (der Namen Blutsaugende Welse ist also irreführend). Nach nur wenigen Minuten haben sie ihren Verdauungstrakt mit Blut gefüllt und verlassen die Kiemenhöhlen wieder. Sie sinken daraufhin zu Boden, wo sie in aller Ruhe und über mehrere Tage die Nahrung verdauen.

Es wurde auch schon beobachtet, dass manche Arten zu hunderten, ja sogar tausenden, noch lebende aber durch Gefangennahme angeschlagene Großwelse geradezu überfallen[3]. Von anderen Wirtsfischen (z. B. dem Pacu (Colossoma macropomum)) ist bekannt geworden, dass sie in der Lage sind, sich gegen den Befall mit Candirús zu wehren, indem sie die Kiemendeckel zudrücken oder die Brustflosse zu Hilfe nehmen um die Candirús abzuwischen[4].

Harnröhrenwelse können aber auch durch ins Wasser urinierende Säugetiere oder Menschen angelockt werden und es kann dann dazu kommen, dass die Welse in die Harnröhre einschwimmen[5]. Daher haben sie ihren Trivialnamen Harnröhrenwelse erhalten. In dieser Umgebung sind sie nicht lebensfähig, verhaken sich deshalb im Todeskampf mit ihren Kiemenhaken und sterben ab. Oft lassen sich ihre Kadaver nur durch einen operativen Eingriff wieder entfernen. Die Indios in den betroffenen Gebieten schnüren sich beim Baden deshalb ihre Geschlechtsteile zu oder schützen sich durch spezielle Kleidungsstücke. Schon früh[6] führten teils unsachgemäße Beobachtungen und Schlussfolgerungen zu wahren Horrorvorstellungen, wonach befallene Männer ihr Leben nur durch Selbstkastration retten können.

Schon 1945 berichtet ein Urologe[7] dass er synthetisch ein Gebräu herstellen konnte, welches zur Auflösung von Verkrustungen in der Harnblase dient. Dieses Gebräu wurde ursprünglich von den Bewohnern des Amazonasbeckens aus dem Buitach Apfel (Genipa americana) hergestellt und muss heiß getrunken werden. Es wird von den Einheimischen verwendet, wenn bei badenden Männern ein Candiru in die Harnröhre eingedrungen ist, damit sich das Skelett des Fisches auflöst. Ein chirurgisches Entfernen ist also gar nicht notwendig.

Arten

Derzeit anerkannte Gattungen und Arten der Unterfamilie Vandelliinae:

  • Paracanthopoma Giltay, 1935
    • Paracanthopoma parva Giltay, 1935
  • Paravandellia Miranda Ribeiro, 1912
    • Paravandellia oxyptera Miranda Ribeiro, 1912
    • Paravandellia phaneronema (Miles, 1943)
  • Plectrochilus Miranda Ribeiro, 1917
    • Plectrochilus diabolicus (Myers, 1927)
    • Plectrochilus machadoi Miranda Ribeiro, 1917
    • Plectrochilus wieneri (Pellegrin, 1909)
  • Vandellia Valenciennes in Cuvier & Valenciennes, 1846
    • Vandellia beccarii Di Caporiacco, 1935
    • Vandellia cirrhosa Valenciennes, 1846
    • Vandellia sanguinea Eigenmann, 1917

Videos im Internet

Quellen

  1. Spotte, S. (2002): Candiru – Life and Legend oft the Bloodsucking Catfishes. Creative Arts Book Company, Berkeley, California.
  2. Evers, H.-G. & Seidel, I. (2002): Wels Atlas Bd. 1. Mergus Verlag, Melle.
  3. Machado, F. A. & Sazima, I. (1983): Comportamento alimentar do peixe hematófago, Branchioica bertonii (Siluriformes, Trichomycteridae). Ciência e Cultura, 35 (3): 344-348.
  4. Zuanon, J. & Sazima, I. (2004): Vampire catfishes seek the aorta not the jugular: candirus of the genus Vandellia (Trichomycteridae) feed on major gill arteries of host fishes. Aqua, Journal of Ichthyology and Aquatic Biology, 8 (1): 31-36.
  5. Breault, J. L. (1991): Candiru: Amazonian parasitic catfish. Journal of Wilderness Medicine, 2 ( 4): 304-312.
  6. von den Steinen, K. (1894): Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Reiseschilderung und Ergebnisse der Zweiten Schingú-Expedition 1887-1888. Verlagsbuchhandlung Dietrich Reimer, Berlin.
  7. Lin, E. E. (1945): Solution of Incrustations in Urinary Bladder by New Method. Journal of Urology, 53 (5): 702.

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