Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären

Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären

Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären lautet der Titel der von Johann Wolfgang von Goethe im Jahr 1790 verfassten botanischen Schrift.[1] Goethe gilt mit seiner Schrift als Mitbegründer der vergleichenden Morphologie.[2] 27 Jahre später veröffentlichte Goethe die Schrift ein zweites Mal als Artikel in der Schriftenreihe Zur Morphologie mit der Überschrift: Die Metamorphose der Pflanzen.[3]

Tulpe, das letzte Stängelblatt und das erste Blütenblatt sind miteinander verwachsen
Japanische Zierkirsche, ein Fruchtblatt ist normal gebildet, das zweite verlaubt

Inhaltsverzeichnis

Inhalt der Schrift

Goethe schreibt in seiner Einleitung: „Die geheime Verwandtschaft der verschiedenen Pflanzenteile, als der Blätter des Kelchs, der Krone, der Staubfäden, welche sich nach einander und gleichsam aus einander entwickeln, ist von den Forschern im allgemeinen längst erkannt, ja auch besonders bearbeitet worden und man hat die Wirkung, wodurch ein und dasselbe Organ sich uns mannigfaltig verändert sehen lässt, die Metamorphose der Pflanzen genannt.“ Goethe unterscheidet drei Arten von Metamorphosen: die regelmäßige, die unregelmäßige oder rückschreitende und die zufällige Metamorphose die von außen, besonders durch Insekten bewirkt wird.

Die Metamorphose der Pflanzen

Inhaltsverzeichnis

• Einleitung
• Von den Samenblättern
• Ausbildung der Stängelblätter von Knoten zu Knoten
• Übergang zum Blütenstande
• Bildung des Kelches
• Bildung der Krone
• Bildung der Staubwerkzeuge
• Nektarien
• Noch einiges von den Staubwerkzeugen
• Bildung des Griffels
• Von den Früchten
• Von den unmittelbaren Hüllen des Samens
• Rückblick und Übergang
• Von den Augen und ihrer Entwicklung
• Bildung der zusammengesetzten Blüten- und Fruchtstände
• Durchgewachsene Rose
• Durchgewachsene Nelke
• Linnés Theorie von der Antizipation
• Wiederholung

Der Aufbau der Schrift folgt die Entwicklung der Pflanze vom Keimling über die grünenden bis zur blühenden Pflanze, danach folgen Frucht und Samen. Goethe vergleicht Keimblätter, Stängelblätter, Hochblätter, Kelchblätter, Kronenblätter, Staubblätter und Griffeln im Sinne einer Metamorphosenreihe miteinander und setzt bei den Früchten, Samen und Augen neu an. Es folgen mit der durchgewachsenen Rose und der durchgewachsenen Nelke zwei Beispiele der unregelmäßigen, rückschreitenden Metamorphose. Zum Schluss bespricht Goethe Linnés Darstellung der Metamorphose. Linné ging davon aus, dass die verschiedenen Kreise der Blütenorgane sich durch eine Metamorphose der kreisförmig angeordneten Gewebeschichten des Stängels bilden und nicht durch eine Verwandlung des Laubblattes. Im letzten Abschnitt fasst Goethe seine Überlegungen wie folgt zusammen: „So wie wir nun die verschiedenen Organe der sprossenden und blühenden Pflanze alle aus einem einzigen nämlich dem Blatt, welches sich gewähnlich an jedem Knoten entwickelt, zu erklären gesucht haben; so haben wir auch diejenigen Früchte, welche ihre Samen fest in sich zu verschliessen Pflegen, aus der Blattgestalt herzuleiten gewagt.“ Die Schrift behandelt in erster Linie die Metamorphose des Blattes, die Metamorphose des Stängels wird gestreift bei der Bildung der zusammengesetzten Blüten- und Fruchtstände, die Wurzel und ihre Metamorphosen behandelt Goethe nicht.

Bedeutung der Schrift, inhaltlich

Die Morphologie hat seit Goethe große Fortschritte gemacht. Heutzutage ist die Schrift in Bezug auf ihrem Inhalt vor allem von historischem Interesse, dazu ein paar Beispiele. Goethe setzt Staubblatt und Griffel auf der gleichen Bildungsstufe, er stellt eine Metamorphose vom Staubblatt zum Griffel fest. Das Staubblatt ist, wie wir heute wissen, mit dem Fruchtblatt – Griffel inklusive – zu vergleichen. Die Entdeckung des Generationenwechsels durch Wilhelm Hofmeister[4] war für Julius Sachs Grund die Gleichstellung von Staubblatt und Stängelblatt abzulehnen.[5] Goethe betrachtete das Staubblatt als ein verwandeltes Stängelblatt. Sachs unterscheidet zusätzlich zu den vegetativen Grundorganen Wurzel, Sprossachse und Blatt noch die generativen Grundorgane Sporangien und Gametangien, diese sind nicht aus dem Blatt ableitbar. Ein weiterer großer Fortschritt war die Unterscheidung zwischen homologen und analogen Strukturen.

Bedeutung der Schrift, methodisch

Die vergleichende Morphologie hat sich als Methode bewährt. Goethe hat mit seiner Schrift die Morphologie mitgeprägt. Sie wurde mehrmals von Morphologen herausgegeben: Adolph Hansen (1907)[6]; Wilhelm Troll (1926)[7] und Agnes Arber (1946)[8]. Ein Hauptwerk Wilhelm Trolls heißt Vergleichende Morphologie der höheren Pflanzen.[9]

Goethes Einfluss geht über die Morphologie hinaus. Die Genetiker Eliot Meyerowitz[10] und Enrico Coen[11] berufen sich in ihren Arbeiten ausdrücklich auf Goethe. Goethe betonte die Wichtigkeit der unregelmäßigen Metamorphose für das Verständnis der regelmäßigen Metamorphose. Die molekulare Genetik hat sich darauf spezialisiert Missbildungen hervor zurufen, sie braucht diese für das Verständnis des intakten Organismus. In ihren Arbeiten weisen die Genetiker mit Verweis auf Goethe die Blattnatur von Staub- und Fruchtblatt nach.[12]

Für den Goetheanismus hat die Schrift eine zentrale Bedeutung. Goethes Methodik, die Fragestellungen, das Vergleichen bedingen ein innerliches Nachvollziehen der Formverwandlungen. Die innere Beweglichkeit des Vorstellens wird angeregt. Das miterlebende Nachvollziehen ist ein wichtiger methodischer Bestandteil einer goetheanistischen Betrachtung.

Literatur

  1. Johann Wolfgang Goethe: Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären. Ettingersche Buchhandlung, Gotha 1790.
  2. Andreas Bresinsky; Strasburger, Eduard. Strasburger Lehrbuch der Botanik. 36. Auflage, 2008, ISBN 978-3-8274-1455-7
  3. Goethe, Johann Wolfgang von; Dorothea Kuhn: Morphologische Hefte. 2. Aufl. H. Böhlaus Nachfolger, Weimar 1994, ISBN 3-7400-0928-4.
  4. Wilhelm Hofmeister: Vergleichende Untersuchungen der Keimung, Entfaltung und Fruchtbildung höherer Kryptogamen (Moose, Farne, Equisetaceen, Rhizocarpeen und Lycopodiaceen) und der Samenbildung der Confieren. Leipzig 1851
  5. Julius Sachs: Vorlesungen über Pflanzenphysiologie. Leipzig 1882
  6. Adolph Hansen: Goethes Metamorphose der Pflanzen. Geschichte einer botanischen Hypothese. Alfred Töpelmann, Gießen 1907
  7. Wilhelm Troll: Goethes Morphologische Schriften. Eugen Diederichs Verlag, Jena 1926
  8. Agnes Arber: Goethe's Botany. In: Chronica Botanica, Vol. 10, 2. 1946
  9. Wilhelm Troll: Vergleichende Morphologie der höheren Pflanzen. Drei Bände. Otto Koeltz, Koenigstein-Taunus, 1937-1943, Reprint 1967.
  10. Meyerowitz E.M., Smyth D.R., Bowman J.L.: Abnormal flowers and pattern formation in floral development. Development; 106, S. 209-217, 1989
  11. Enrico Coen: Goethe and the ABC model of flower development. In: Acad. Sci. Paris, Life Sciences 324 1-8. 2000
  12. Peer Schilperoord-Jarke: Goethes Metamorphose der Pflanzen und die moderne Pflanzengenetik. In: Peter Heusser (Hg.): Goethes Beitrag zur Erneuerung der Naturwissenschaften. S. 131-170. Bern 2000, ISBN 3-258-06083-5

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