Chronik Venezuelas

Chronik Venezuelas

Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Geschichte Venezuelas von den Ureinwohnern bis zur Gegenwart.

Inhaltsverzeichnis

Indigene Bevölkerung

In Venezuela lebten in vorkolumbianischer Zeit indianische Gruppen, nomadisierende Jäger und Sammler sowie Fischer und Bauern.

Entdeckung durch Europäer und Namensgebung

Bis zur europäischen „Entdeckung“ von Venezuela wurde das Land von den Ureinwohnern bewohnt, die Landwirtschaft betrieben und jagten. Sie siedelten hauptsächlich um den Fluss Orinoco.

Christoph Kolumbus erreicht auf seiner 3. Reise 1498 die östliche Küste Venezuelas und ging an der Mündung des Flusses Orinoco an Land. Es war das erste Mal, dass er und seine Mannschaft das amerikanische Festland betraten.

Am 24. August 1499 folgte eine Expedition von Alonso de Ojeda und Amerigo Vespucci, die dem Land wegen der häufigen Verwendung von Pfahlbauten angeblich den Namen Venezuela (Klein-Venedig) gaben. Diese Theorie stammt aus Vespuccis Reisebericht Cuatro Navegaciones („4 Schifffahrten“) und ist auch allgemein bekannt, jedoch historisch nicht belegt. Martin Fernandez de Ensico, der ebenfalls an der Expedition teilnahm, schrieb in seinem Buch Summa de Geografia von 1518 eine andere Theorie: „An einer Landzunge des Coquibacos-Golfes* befindet sich ein sandbankähnlicher, großer Felsen, auf dem ein Zaparas-Dorf** namens Veneciuela steht.“

(*) indianische Bezeichnung für die Maracaibo-See
(**) Zaparas ist ein dort ansässiger Indianerstamm

Kolonisation

Siehe Hauptartikel Klein-Venedig

Die erste feste Siedlung der Spanier mit dem Namen Nueva Cádiz wurde 1522 gegründet, die heutige Hauptstadt Caracas wurde 1567 geschaffen. 1577 setzte die spanische Krone zur Verwaltung einen Gouverneur ein.

Unterdessen hatte 1528 der in Geldnöten befindliche Kaiser Karl V. dem Augsburger Handelshaus der Welser gegen Bargeld das Recht auf Kolonisation in Südamerika zugebilligt. Im selben Jahr noch schickte Bartholomäus Welser eine Expedition nach Venezuela, die die Reichtümer des Landes erkunden sollte. Fast 20 Jahre lang wurden im Landesinneren entlang der Küste Naturschätze abgebaut und gewinnbringend nach Europa verfrachtet. Nach Meinungsverschiedenheiten zwischen dem spanischen Hof und den Welsern übernahmen die Spanier 1546 die Verwaltung vor Ort. Mit der Abdankung von Karl V. im Jahr 1556 verloren die Welser endgültig die vom Kaiser persönlich gewährten Rechte und ihr Handelsgebiet in Spanisch-Amerika.

Venezuela als Kolonie

Jedoch wurde die Kolonie im 16. und 17. Jahrhundert von den Spaniern eher vernachlässigt, da sie sich mehr auf das Gold aus anderen Teilen Amerikas konzentrierten. Der Anbau von Kakao, Zucker, Tabak, Kaffee und Baumwolle führte dazu, dass eine große Anzahl an Sklaven nach Venezuela gebracht wurden, die, nachdem die einheimische Kultur zu einem Großteil zerstört war, die Kultur in Venezuela nachhaltig beeinflussten. Im 17. und 18. Jahrhundert begann die Christianisierung indianischer Stämme durch Missionare der römischen Kirche.

Das Land wurde bis 1718 vom Königlichen Gerichtshof (Real Audiencia) in Santo Domingo, die vom Vizekönigreich Neu-Spanien (Mexico) abhing, anschließend bis 1742 vom Königlichen Gerichtshof in Bogotá, im Vizekönigreich Neu-Granada verwaltet und regiert. Danach wurden einzelne Provinzen von beiden Vizekönigreichen beziehungsweise direkt von Spanien aus verwaltet. 1777 schuf Carlos III per Dekret die Statthalterschaft von Venezuela.

Spätestens seit der Einführung der Neuen Indiengesetze Karls V., kam es in den Kolonien immer wieder zu Aufständen gegen die spanische Krone. Gründe dafür waren die restriktiven Handelsbestimmungen, Staatsmonopole, Versuche, die indigene Urbevölkerung besserzustellen, die schlechte Behandlung der Sklaven und nicht zuletzt Steuererhöhungen. Beispiele dafür sind die Rebellion des Kaziken Guaicaipuro in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und ein Sklavenaufstand unter Miguel.[1] Von 1730 bis 1733 und erneut zwischen 1748 und 1752 richteten sich zwei Bewegungen gegen die von Philipp V. mit einem weitreichenden Handelsmonopol für die Provinz Caracas ausgestattete Real Compañía Guipuzcoana:[2] zunächst kämpfte ein Schmuggler, der Zambo Andresote, mit Unterstützung oder Duldung mancher kreolischer Grundbesitzer gegen die Compañía, fünfzehn Jahre später erhoben sich mehrere hundert Grundbesitzer unter Juan Francisco de León gegen die Gesellschaft.[3]

Unabhängigkeitsbestrebungen

Erst mit der Aufklärung, der Unabhängigkeit der USA, der Französischen Revolution und der Verbreitung dieser Ideen kam eine weitere Komponente hinzu, die auch die Loslösung der Kolonien vom monarchistischen Mutterland und deren republikanische Ausrichtung einforderte. So führte José Leonardo Chirino 1795 in der Stadt Coro einen Sklavenaufstand an und bezog sich dabei in seinen Forderungen explizit auf die Menschenrechtsdeklaration der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung; in diesem Falle schlugen spanische Behörden und einheimische Grundbesitzer den Aufstand gemeinsam nieder. Ähnliche Forderungen, die in einer autonomen venezolanischen Republik verwirklicht werden sollten und die diesmal die Unterstützung vieler Criollos und sogar mancher Spanier fanden, formulierten 1797 in La Guaira Manuel Gual und José Maria España. Doch noch war der spanische Kolonialapparat stark genug, diese Bewegung zu zerschlagen.[4]

Der weltläufige und belesene Francisco de Miranda, der auch in der französischen Revolutionsarmee gedient hatte, war schon seit Jahren in Sachen Unabhängigkeit in Europa unterwegs gewesen, doch die Briten zögerten, und vielen Venezolanern war dieses Vorgehen de Mirandas suspekt, dem sie vorwarfen, „sich nahezu zum Instrument britischer Politik unter William Pitt“ zu machen;[5] die spanische Fremdherrschaft gegen die englische einzutauschen waren sie nicht bereit. So scheiterte de Miranda im April 1806 zunächst mit einem Landemanöver, für das er englische, irische, französische und nordamerikanische Freiwillige angeworben hatte, bei Ocumare de la Costa, um Puerto Cabello einzunehmen, an der spanischen Küstenwache und im August – trotz Unterstützung durch den britischen Gouverneur von Trinidad – nach diesmal geglückter Landung an den zumeist loyalen, royalistischen Bewohnern der Provinz Coro.[6]

Die Unabhängigkeitserklärung vom 19. April 1810 war der Auftakt zur Revolution

Am 19. April 1810, nachdem es in anderen südamerikanischen Ländern zu Aufständen gekommen war, und sich der größte Teil der Venezolaner gegen die von den Behörden geduldete französische Besatzung stellte, formierte sich eine Junta, die den Generalkapitän Vicente Emperan y Orbe absetzte. Obwohl an diesem Tag noch nicht die Unabhängigkeit ausgerufen wurde, ist dies heute der Nationalfeiertag Venezuelas. Die Zustimmung für diesen Akt einer kleinen Gruppe von Aktivisten bei der Bevölkerung und die Begeisterung, endlich ein Stück mehr Selbstbestimmung zu erlangen, war groß. Die Schwierigkeiten die auf die nun selbstregierten Patrioten zukamen, erwiesen sich allerdings als übermächtig. Was in der Verwaltung noch halbwegs funktionierte, war im bewaffneten Kampf gegen die königstreuen Landsleute und die Spanier nur Anfangs halbwegs erfolgreich. Eine Delegation, der auch Simón Bolívar angehörte, verhandelte mit dem britischen Außenminister wegen Unterstützung. Ihr größter Erfolg war, den im englischen Exil lebenden Francisco de Miranda Anfang 1811 mit nach Venezuela zu bringen. Dieser übernahm zuerst militärisch und später auch politisch das Heft, während die Attacken der Spanier und ihrer venezolanischen Verbündeten heftiger wurden.

Schlacht von Araure 5. Dezember 1813

Die Unabhängigkeitskriege in Venezuela, die 1810 begannen und 1823 endeten, dezimierten die Bevölkerung drastisch und schwächten die Wirtschaftskraft erheblich, brachten aber letztlich das Ende der spanischen Bevormundung, eine selbstbestimmte Republik, aber auch Sklavenbefreiung, Besserstellung der indigenen Urbevölkerung und nicht zuletzt ein starkes, gelegentlich von Staat und Verfassung unabhängiges Militär.

Auf dem Weg ins 20. Jahrhundert

Der Einheitsstaat wurde 1864 zu einer Bundesrepublik umgestaltet. Zahlreiche Bürgerkriege und Revolutionen bremsten die kontinuierliche Entwicklung des Landes. Grenzstreitigkeiten mit dem Nachbarn Kolumbien in den Jahren 1891-1896 konnten schließlich friedlich beigelegt werden.

Cipriano Castro (1899–1908)

Im Jahr 1899 erlangte der aus dem Bundesstaat Táchira stammende Cipriano Castro durch eine Invasion („Invasion der Sechzig“) von Kolumbien aus und einen Putsch gegen Ignacio Andrade die Macht. Seine Regierungszeit gilt vor allem als Beginn des Endes des sog. „Caudillismo“, in dem sich seit der Unabhängigkeit im Jahr 1821 lokale und regionale Herrscher („Caudillos“) die Macht aufgeteilt hatten. Unter Castro wurde das Nationale Heer (Ejercito Nacional) ins Leben gerufen und gegen die Einzelinteressen der Caudillos benutzt. Gleichzeitig wurden Waffen außerhalb der Armee konfisziert, die regionalen Armeen aufgelöst und das Heer modernisiert. Die Strukturen, die Cipriano Castro in den Jahren seiner Regierungszeit aufbaute gelten als der Beginn des Gomecismo, dem System des Diktators Juan Vicente Gómez. Dieser, Freund Castros und Divisionsgeneral in seiner Regierung, übernahm die Macht im Jahr 1908, als sich Castro wegen gesundheitlicher Probleme zur Behandlung außer Landes befand, durch einen Putsch.

Juan Vicente Gómez (1908–1935)

Von 1908 bis 1935 bestimmte der so zur Macht gekommene Diktator Juan Vicente Gómez 27 Jahre lang die Geschicke des Landes. Die Diktatur wird als personalisiert und militärisch bezeichnet, da sie sich einerseits auf die Armee stützte und andererseits in allen Belangen auf die Person des Diktators zugeschnitten war, der mit eiserner Hand das Land regierte. Auch wenn gewisse repräsentative Strukturen weiter bestehen blieben und während seiner Amtszeit sogar zwei andere Männer (Victorino Márquez Bustillos: 1914-1915, Juan Bautista Pérez: 1929-1931) das Präsidentenamt ausübten, lief alles über die Person Gómez, der zu keiner Zeit die Fäden aus der Hand gab. Dies zeigt sich unter anderem in der Tatsache, dass Großteile der Führungselite der Diktatur aus den Andenstaaten, besonders aus Táchira kamen: In einem engen Netz aus sozialen Beziehungen sorgte Gómez dafür, dass seine Interessen durchgesetzt wurden. So waren zwei Bedingungen für höhere Ämter im Staat fast immer die Zugehörigkeit zum Militär und die Herkunft aus den Anden. Die Gómez-Diktatur zeichnete sich durch massive Repression gegen die Opposition und die Korruption der Führungselite aus. Ihr Ende fand sie erst im Jahr 1935 als Gómez im Alter von 78 Jahren starb.

Eleazar López Contreras (1935–1941)

Nach Gómez' Tod wurde das politische System des Landes schrittweise liberalisiert, war aber noch über Jahre hin von den Strukturen und Persönlichkeiten des Gomecismo durchsetzt. Die provisorische Nachfolge des Präsidenten übernahm im Jahr 1935 der Militär und Tachirense Eleazar López Contreras, der dann am 19. April 1936 vom Kongress zum Präsidenten gewählt wurde. In der Interimszeit forderte die gestärkte Opposition die Realisierung demokratischer Rechte, die zum Teil von der Regierung López' gewährt wurden. So wurden politische Gefangene aus den Gefängnissen entlassen, den Exilierten die Rückkehr erlaubt, die Amtszeit des Präsidenten von sieben auf fünf Jahre verkürzt und Gewerkschaften und öffentliche Versammlungen erlaubt.

Isaías Medina Angarita (1941–1945)

Dieser Trend wurde von der folgenden Regierung unter dem 1941 gewählten Isaías Medina Angarita (ebenfalls Militär und Tachirense) fortgesesetzt. So wurde im Juni 1941 die sozialdemokratische Partei Acción Democrática (AD) und im Oktober 1945 die Kommunistische Partei legalisiert und im April eine Verfassungsreform durchgesetzt. Diese etablierte die direkte Wahl der Parlamentsabgeordneten durch alle Männer über 21 und die Beteiligung von Frauen an den Wahlen der Gemeinderäte und strich den Absatz 6 des Artikel 32 der alten Verfassung, der „kommunistische und anarchistische Propaganda“ unter Verbot gestellt hatte. Jedoch wurde die von der Opposition geforderte universelle, freie und direkte Wahl des Präsidenten nicht verwirklicht und auch das Frauenwahlrecht nur eingeschränkt eingeführt. Die Unzufriedenheit über diese Mängel bei den politischen Parteien und, aus anderen Gründen, bei Teilen des Militärs, führte am 18. Oktober 1945 zu einem Putsch gegen die Regierung Medina Angaritas.

Rómulo Betancourt, Rómulo Gallegos (1945–1948)

Mit dem Putsch wurde der Revolutionäre Regierungsrat (Junta Revolucionaria de Gobierno) eingerichtet, die unter dem Vorsitz von Rómulo Betancourt (AD) aus fünf zivilen und zwei militärischen Vertretern bestand (Zivile: Rómulo Betancourt (AD), Raúl Leoni (AD), Gonzalo Barrios (AD), Luis Beltrán Prieto Figueroa (AD), Edmundo Fernández, Militärs: Carlos Delgado Chalbaud y Mario Ricardo Vargas). Die neue De-facto-Regierung setzte relativ schnell die vorher versprochenen Reformen zur Demokratisierung und Bekämpfung der Korruption um, richtete am 27. November 1946 eine Prüfungskommission ziviler und administrativer Verantwortung (Jurado de Responsabilidad Civil y Administrativa) ein und berief für Dezember 1946 Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung. Am 14. Dezember 1947 wurde zum ersten Mal in der Geschichte Venezuelas der Präsident von allen Männern und Frauen über 18 gewählt - Analphabeten oder nicht. Für die Wahl hatte der Revolutionäre Regierungsrat vereinbart, dass keines ihrer Mitglieder kandidieren würde. So gewann Rómulo Gallegos (AD) mit knapp 75 % der Stimmen die Wahlen vor den Kandidaten Rafael Caldera (COPEI, 22,4 %) und Gustavo Machado (PCV, 3,2 %) und wurde Anfang 1948 zum neuen Präsidenten vereidigt. Seine Regierungszeit endete jedoch bald. Am 24. November 1948 putschten die Militärs des Revolutionären Regierungsrats erneut, diesmal gegen die vorher von ihnen unterstützte Regierung.

Carlos Delgado Chalbaud (1948–1950), Germán Suárez Flamerich (1950–1952), Marcos Pérez Jiménez (1952–1958)

Ab November 1948 regierte eine Militärregierung das Land, zuerst unter dem Vorsitz von Carlos Delgado Chalbaud, nach dessen Ermordung 1950 von Germán Suárez Flamerich. 1952 wurden Präsidentschaftswahlen angesetzt, aus denen Jóvito Villalba (URD) als Gewinner hervorging, dessen Sieg die Militärregierung jedoch nicht anerkannte und stattdessen Marcos Pérez Jiménez zum Präsidenten ernannte. Dieser regierte das Land diktatorisch bis er am 23. Januar 1958 gestürzt wurde.

Demokratische Entwicklung bis heute

1958 wurde der Diktator Marcos Perez Jiménez gemeinsam von der sozialdemokratischen Acción Democrática und der Kommunistischen Partei gestürzt. Nach dem Sturz brach die AD jedoch mit den Kommunisten und verbündete sich mit der christdemokratischen COPEI. Beide Parteien vereinbarten das Punto-Fijo-Abkommen eine Aufteilung der Herrschaft über Venezuela, bis in die neunziger Jahre waren so die herrschenden Parteien entweder die Acción Democrática oder die COPEI, sie stellten auch die Präsidenten. Die enttäuschte und isolierte Kommunistische Partei begann einen Guerillakrieg, im Laufe der 1960er Jahre wurde diese aber entweder von der Allianz assimiliert oder militärisch zerschlagen. Nur vordergründig führte der Sturz von Jiménez also zu einer Demokratie in Venezuela. Bei den ersten freien Wahlen erhielt die Acción Democrática die Macht in Gestalt von Rómulo Betancourt, Präsident von 1958 bis 1964 und in seiner Nachfolge von 1964 bis 1969, sein Parteifreund Raúl Leoni. Die Wahlen von 1968 führten zum ersten demokratisch legitimierten Machtwechsel, Präsident wurde der christdemokratische Rafael Caldera.

1973 schloss sich Venezuela der Andengemeinschaft an, die seit 1969 die wirtschaftliche Entwicklung der Region steuern soll. Im selben Jahr gewann der Sozialist Carlos Andrés Pérez die Wahl zum Staatspräsidenten. Venezuela gründete mit anderen erdölfördernden Staaten die OPEC. Der Ölpreis vervierfachte sich in der Folgezeit. An der venezolanischen Regierung wechselten sich Demokratische Aktion und die Christsozialen ab. Die drängenden sozialen Probleme des Landes dümpelten ungelöst vor sich hin. Soziale Unruhen entstanden, die Hunderte von Toten forderten.

Nach der Ölkrise von 1973, stiegen in der ersten Amtszeit von Carlos Andrés Pérez (1974 bis 1979) die Einkünfte des Landes aus dem Erdölexport rapide und das Land wurde eines der wohlhabendsten Länder Südamerikas, „ [...] durch den Verkauf von Erdöl hat Venezuela von 1973 bis 1983 rund 240 Milliarden Dollar eingenommen“ (Arturo Uslar Pietri); die damit einhergehende Verteilungspolitik führte zu einer für lateinamerikanische Verhältnisse außerordentlich hohen politischen Stabilität des Landes. 1976 wurde die Ölindustrie auf Druck der Bevölkerung verstaatlicht. Mit dem eklatanten Verfall des Ölpreises seit 1983 brachen die Einkünfte jedoch weg und da es keine Investitionen in andere Wirtschaftszweige gegeben hatte, die die drastisch sinkenden Erdöleinnahmen zu kompensieren vermochten, führte dies, gemeinsam mit den immer höher werdenden Auslandsschulden (1993 etwa 35 Milliarden Dollar), zu einer anhaltenden Wirtschaftskrise.

Der in der zweiten Amtszeit Carlos Andrés Pérez' (1989 - 1993) als Folge von Weisungen des Internationalen Währungsfonds begonnene neoliberale Wirtschaftskurs führte ab dem 27. Februar 1989, ausgelöst durch eine Preiserhöhung im öffentlichen Verkehr, zum sogenannten Caracazo. Von den Barrios, den Slums der Hauptstadt, ausgehend, kam es über mehrere Tage zu schweren Aufständen und Plünderungen der wohlhabenderen Stadtviertel. Die Regierung Pérez ließ die Aufstände gewaltsam niederschlagen, zwischen 400 und 5.000 Menschen kamen dabei ums Leben. Infolge der Krise kam es 1992 zu zwei Putschversuchen gegen die Regierung Pérez, einem am 4. Februar 1992 durch Hugo Chávez (Chávez scheiterte und wurde festgenommen, nach zwei Jahren Haft aber freigelassen) und einem am 27. November. 1993, einem Jahr mit volkswirtschaftlichem Minuswachstum, wurde schlussendlich der Präsident Carlos Andrés Pérez durch den Obersten Gerichtshof wegen Veruntreuung und Korruption abgesetzt. Durch die Wahlen 1994 wurde Rafael Caldera neuer Präsident. Bis 1998 gelang ihm zwar die politische Stabilisierung, der Wirtschaftskrise wurde aber auch er nicht Herr. So lag bei seinem Amtsantritt 1994 die Inflationsrate bei 71 %, es gab eine schwere Währungskrise und einen Zusammenbruch des Banksystems.

Im Dezember 1998 wurde Hugo Chávez mit einem Stimmenanteil von 56 % zum Präsidenten gewählt. Seine erklärten Ziele waren unter anderem die Schaffung und Stärkung möglichst direkter Demokratie, sowie die nationale und ökonomische Unabhängigkeit. Die beiden etablierten Parteien (COPEI und Acción Democrática), denen er Vetternwirtschaft und Korruption vorwarf, erlitten dabei massive Stimmenverluste und erhielten nurmehr 9 % Zustimmung. Im Dezember 1999 wurde die neue Bolivarische Verfassung durch ein Referendum beschlossen. Am 30. Juli 2000 wurde Chávez mit fast 60 % der abgegebenen Stimmen im Amt bis 2006 bestätigt. Im April 2002 versuchte die Opposition durch Proteste einen Rücktritt von Hugo Chávez und vorgezogene Neuwahlen zu erzwingen. Dabei kam es zu Schießereien, bei denen insgesamt 19 Menschen starben, darunter sowohl Chávez-Anhänger als auch -Gegner. Die Oppositionssender behaupteten jedoch wahrheitswidrig, es seien Oppositionsanhänger angegriffen und getötet worden.[7][8][9] Kurz darauf setzte das Militär Chávez ab und an seiner Stelle Pedro Carmona als Übergangspräsidenten ein, flankiert durch eine Kampagne der privaten Medien. Dies löste Massenproteste von Millionen Chávez-Anhängern aus; der Putsch scheiterte, seine Anführer wurden festgenommen und Chávez wieder als Präsident eingesetzt.

Nach erneuten Protesten der Chávez-Gegner im Dezember 2002 begann am 3. Dezember 2002 der längste Generalstreik der venezolanischen Geschichte, der allerdings teilweise Züge einer Aussperrung trug, da er unter anderem durch die Unternehmerverbände initiiert wurde. Im Februar 2003 wurde der Streik erfolglos beendet.

Chávez (links) mit seinem argentinischen Amtskollegen Néstor Kirchner

Am 3. Juni 2004 gab der Präsident des Nationalen Wahlrats, Francisco Carrasquero bekannt, dass von 3,4 Millionen von der Opposition für ein Referendum gegen Chávez gesammelten Stimmen 2,54 Millionen anerkannt würden und so das Referendum mit knapp 15.738 Stimmen Überschuss zugelassen würde. Bei dem Referendum am 15. August 2004 waren etwa 58 % aller Wahlberechtigten gegen eine Amtsenthebung von Hugo Chávez und somit gegen Neuwahlen. Die Wahlbeteiligung betrug laut der Wahlkommission 69,92 %[10]. Nach ersten Zahlen bescheinigten internationale Wahlbeobachter, unter ihnen der amerikanische Ex-Präsident Jimmy Carter, entgegen zuvor geäußerter Befürchtungen der Opposition über möglichen Wahlbetrug, der Wahl einen einwandfreien Verlauf. Als zentraler Faktor für Chávez' Erfolg galt die wirtschaftliche Erholung des Landes. Unmittelbar nach der Bekanntgabe des Ergebnisses kam es zu Ausschreitungen in Caracas.

Bei der Präsidentschaftswahl 2006 gewann der Kandidat Hugo Chávez Frias mit 62,84 % der abgegebenen Stimmen. Erklärtes wichtiges Vorhaben der neuen Regierung ist die Wiederverstaatlichung der in den 80er und 90er Jahren im Zuge einer neoliberalen Politik privatisierten Betriebe und Ölfelder. Eine diesen Weg unterstützende Verfassungsreform, welche aber auch unter anderem die Ersetzung des Zweikammerparlaments durch eine Nationalversammlung vorschlug, wurde im Dezember 2007 jedoch von 50,7 % der Abstimmenden abgelehnt. Im Jahr 2006 unterzeichnete Venezuela den Beitritt zum Wirtschaftsbündnis Mercosur und mitbegründete 2008 die Union Südamerikanischer Nationen.

Siehe auch

Chronik Venezuelas

Literatur

  • Orlando Araujo: Venezuela. Die Gewalt als Voraussetzung der Freiheit. Frankfurt/M. 1971
  • Federico Brito Figueroa: Historia economica y social de Venezuela. 2 Bde., Caracas 1966
  • José Gil Fortoul: Historia constitucional de Venezuela. 2 Bde., Caracas 19675
  • John J. Johnson 1964: Political Change in Latin America. The Emergence of the Middle Sector. Stanford Cal. 19645
  • John J. Johnson 1968: Simón Bolívar and Spanish American Independence 1783-1830. Princeton N.J., Toronto usw. 1968
  • Guillermo Morón: A History of Venezuela. London 1964
  • Michael Zeuske: Von Bolívar zu Chávez: Die Geschichte Venezuelas; Rotpunktverlag, Zürich 2008, ISBN 978-3858693136

Anmerkungen

  1. Araujo, S.136
  2. siehe spanischsprachigen Artikel Compañía Guipuzcoana
  3. Morón, S. 78
  4. Morón, S. 86
  5. Johnson 1968, S. 34f.
  6. Morón, S. 88; Gil Fortoul, Band 1, S. 177
  7. Eva Gollinger: Mediawar against the People
  8. Dario Azzellini: Venezuela Bolivariana, S. 36 ff.
  9. Dokumentarfilm Llaguno Bridge
  10. http://www.cne.gov.ve/referendum_presidencial2004/

Weblinks


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