Clearances

Clearances

Highland Clearances (dt. etwa Räumung des Hochlandes) bezeichnet die Vertreibung der ansässigen Bevölkerung im schottischen Hochland zugunsten der flächendeckenden Einführung der Schafzucht, beginnend im späten 18. Jahrhundert bis etwa 1884. Sie geschah zeitlich parallel zu der in ganz Europa die Industrialisierung begleitenden Landflucht. Was die Clearances von der Landflucht unterscheidet, ist, dass sie von den Gutsherren initiiert wurden, zum Teil mit Gewalt und in einer relativ kurzen Zeit durchgeführt wurden, die Gutsherren in einer vergleichsweise bequemen rechtlichen Situation waren und die Räumungen eine sehr traditionelle Gesellschaft trafen. Zunächst wurde zumeist von removals gesprochen. Der Begriff clearances setzte sich erst im 19. Jahrhundert durch.

Inhaltsverzeichnis

Die Beteiligten

Die Räumung wurde von zugezogenen englischen, aber auch alteingesessenen schottischen Gutsherren beauftragt und zumeist von ihren Verwaltern (engl. factor) durchgeführt. Vertrieben wurden einheimische, aber landlose Kleinbauern und Pächter, die häufig seit Generationen vor Ort gelebt hatten. Oft wurden ganze Dorfgemeinschaften aufgelöst und ihre Hütten zerstört. Teilweise wurden die Vertriebenen mit Gewalt auf Auswandererschiffe gebracht und nach Nordamerika oder Australien verschifft. Das Land wurde anschließend wenigen Schafzüchtern aus dem schottischen Flachland oder England überlassen. Die Schafzucht wird noch heute teilweise als die „Geißel Schottlands“ bezeichnet.

Wahrnehmung

Die Räumungen waren legal, galten aber schon damals als illegitim. Es gab verblüffend wenig Gegenwehr seitens der vertriebenen Hochländer. Die zeitgenössische Presse war überwiegend auf Seiten der Opfer. Das Trauma der Vertreibung verschmolz zunehmend mit dem schottischen Nationalgefühl und hat seit Ende des 19. Jahrhunderts zu erbitterten Kontroversen geführt. Forderungen nach Entschädigung wurden laut; ebenso wie Vorwürfe an die Gutsherren, Völkermord begangen zu haben. Für Karl Marx waren die Räumungen der „letzte große Expropriationsprozeß[1] im Rahmen der ursprünglichen Akkumulation.

Motive

Das vordringlichste Motiv der Gutsherren war es, den Ertrag ihrer Ländereien zu steigern. Im beginnenden Industriezeitalter stiegen die Preise für Wolle derart, dass die Pacht der Kleinbauern mit dem Ertrag der Schafzüchter nicht mehr mithalten konnte.

Zusätzlich verschärft wurde die Situation durch eine Bevölkerungsexplosion und unstabile Ernten. Regional begrenzte Hungersnöte ereigneten sich immer wieder. Auch dadurch stiegen die Ausgaben der Gutsherren, die zu der Versorgung der Verarmten (engl. paupers) auf ihrem Land verpflichtet waren. Landbesitzer, die auf die Räumungen verzichteten, gingen teilweise bankrott, was die Situation ihrer Pächter ebenfalls verschlechterte.

Auswirkungen

Zum Ende der Räumungen war das schottische Clanwesen zerstört und die gälische Sprache in Schottland weitgehend ausgestorben. Sie blieb lediglich auf den Hebriden sowie an der Westküste der Highlands (im Wesentlichen in Sutherland und in Ross-shire) erhalten. Die betroffenen Kleinbauern und Pächter wurden, soweit sie die Vertreibung überlebten, in die kargen Küstenregionen Schottlands, die aufstrebenden britischen Industriestädte oder nach Nordamerika, vor allem Nova Scotia, umgesiedelt. In manchen Regionen lebt auch heute noch nur ein Zehntel der ursprünglichen Bevölkerung.

Bewertung

Der Vorwurf einer „ethnischen Säuberung“ ist nicht ganz abwegig, da die gälischsprachigen Hochländer von den Gutsherren durchaus als fremd wahrgenommen wurden. Belege für den Vorsatz, eine kulturelle Gemeinschaft zu zerstören, finden sich allerdings nicht. Vielmehr sind die Umsiedlungen ein Zeugnis des europäischen Wandels von einer Agrar- zu einer Industriegesellschaft. Für die Vorstellung, die Hochland-Clans hätten auf landwirtschaftlicher Basis ihren Lebensstandard halten und ihre Lebensart erhalten können, spricht wenig. Das Leid der Vertriebenen wird dadurch freilich nicht gemildert.

Ähnliche Umsiedlungen haben in England und auf dem Kontinent viel früher stattgefunden. Dass die Vorgänge dort keine derartige Resonanz zum Beispiel in der zeitgenössischen Presse gefunden haben, mag auch daran liegen, dass die Opfer damals noch keinen solchen Status genossen.

Gegenwart

Dem heutigen Touristen bietet sich ein Idyll aus Steinruinen und Schafherden auf baumlosen Weiden. Besonders anschaulich sind die Reste der Siedlung von Badbea in Sutherland: Hier haben vertriebene Hochlandbewohner noch ein paar Jahre lang direkt an der Steilküste versucht, ihr Leben zu fristen. In der Ferne grüßt eine Monumentalstatue des Herzogs von Sutherland, der sich bei der Vertreibung der Hochländer besonders hervorgetan hat. Die Geschichte hinter diesem Bild ist nur schwer zu fassen. Im Hinblick auf den Landbesitz in Schottland jedoch lassen sich die Auswirkungen der Clearances noch eindringlich beschreiben durch die von Whighman zusammengetragenen Zahlen, dass 1998 lediglich 66 Landbesitzer immerhin ein Viertel der Landoberfläche Schottlands besaßen, sowie 1.252 fast 66 Prozent des Landes in Schottland.

Bericht

Der schottische Geologe Archibald Geikie beschreibt in seinen Erinnerungen Jahrzehnte später die Räumung von Suishnish auf Skye im Jahre 1854:

It was a miscellaneous gathering of at least three generations of crofters. There were old men and women, too feeble to walk, who were placed in carts; the younger members of the community on foot were carrying their bundles of clothes and household effects, while the children, with looks of alarm, walked alongside. [...] When they set forth once more, a cry of grief went up to heaven, the long plaintive wail, like a funeral coronach, was resumed, and after the last emigrants had disappeared behind the hill, the sound seemed to re-echo through the whole wide valley of Strath in one prolonged note of desolation. The people were on their way to be shipped to Canada. I have often wandered since then over the solitary ground of Suishnish. Not a soul is to be seen there now, but the greener patches of field and the crumbling walls mark [a place] where an active and happy community once lived.“ (Zitiert nach Richards)

„Es war eine bunt gemischte Ansammlung mindestens dreier Generationen von Bauern. Da waren alte Männer und Frauen zu schwach um zu gehen, die in Schubkarren gefahren wurden, die jüngeren Mitglieder der Familie zu Fuß, ihre Kleiderbündel und ihre Haushaltsgegenstände tragend. Neben ihnen liefen Kinder mit angstvollem Gesichtsausdruck. (...) Als sie wieder einmal vortraten, klang ein gramerfüllter Schrei zum Himmel herauf, der lange traurige Zug wie ein Marsch bei einer Beerdigung ging weiter und als die letzten Vertriebenen hinter dem Hügel verschwanden schien es als wäre der Ton ihrer noch im ganzen Tal zu hören. Das Volk war auf dem Weg nach Kanada verschifft zu werden. Ich wanderte seitdem oft über den einsamen Boden von Suishnish. Nicht eine Seele ist nun dort zu sehen, doch das Gras wurde grüner und man sah, wie es glücklich weiter wuchs, als wäre nichts geschehen.“ (Frei übersetzt)

Die Darstellung zeigt nicht nur, wie eine Räumung vonstatten ging, sondern zeugt auch von der Rezeption der Ereignisse zu einer Zeit, als das schottische Nationalbewusstsein erwachte.

Quellen

  1. Karl Marx, Das Kapital, Bd. I, Siebenter Abschnitt, 24. Kapitel, in: Marx-Engels-Werke, Dietz Verlag, Berlin/DDR 1968, S. 756ff.[1]

Literatur

  • Eric Richards: The Highland Clearances. Edinburgh 2005, ISBN 1-84158-040-6
  • John C. MyIntyre: The Empty Highlands

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