Highland Clearances

Highland Clearances
Ruinen eines während der Highland Clearances entvölkerten Dorfes bei Lonbain

Highland Clearances (dt. etwa Räumung des Hochlandes, gälisch: Fudach nan Gàidheal, „Vertreibung der Gälischsprachigen“) bezeichnet die Vertreibung der ansässigen Bevölkerung im schottischen Hochland zugunsten der flächendeckenden Einführung der Schafzucht, beginnend im späten 18. Jahrhundert bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Sie geschah zeitlich parallel zu der in ganz Europa die Industrialisierung begleitenden Landflucht. Im Unterschied zur Landflucht initiierten die Gutsherren die Clearance. Sie wurde teils mit Gewalt und in relativ kurzer Zeit durchgeführt. Die Gutsherren waren in einer vergleichsweise bequemen rechtlichen Situation, und die Räumungen trafen eine sehr traditionelle Gesellschaft. Zunächst sprach man zumeist von removals, der Begriff clearances setzte sich erst im 19. Jahrhundert durch.

Inhaltsverzeichnis

Die Beteiligten

Zugezogene englische, aber auch alteingesessene schottische Gutsherren beauftragten die Räumung durch ihre Verwalter (engl. factor). Vertrieben wurden einheimische, aber landlose Kleinbauern und Pächter, die häufig seit Generationen dort gelebt hatten. Oft wurden ganze Dorfgemeinschaften aufgelöst und ihre Hütten zerstört. Teilweise wurden die Vertriebenen mit Gewalt auf Auswandererschiffe gebracht und nach Nordamerika oder Australien verschifft. Das Land fiel anschließend an wenige Schafzüchter aus dem schottischen Flachland oder aus England. Die Schafzucht wird noch heute teilweise als die „Geißel Schottlands“ bezeichnet.

Wahrnehmung

Die Räumungen waren legal, galten aber schon damals als illegitim, zumal das Recht (wie schon zweihundert Jahre vorher in England) zugunsten der Landbesitzer verändert worden war, indem feudale Herrschaftsrechte in privaten Grundbesitz umgewandelt worden waren. Dennoch gab es wenig Gegenwehr seitens der vertriebenen Hochländer. Die zeitgenössische Presse stand überwiegend auf Seiten der Opfer. Das Trauma der Vertreibung verschmolz zunehmend mit dem schottischen Nationalgefühl und führte seit Ende des 19. Jahrhunderts zu erbitterten Kontroversen. Forderungen nach Entschädigung wurden laut; ebenso wie Vorwürfe an die Gutsherren, Völkermord begangen zu haben. Für Karl Marx waren die Räumungen der „letzte große Expropriationsprozeß[1] im Rahmen der ursprünglichen Akkumulation.

Motive

Das vordringlichste Motiv der Gutsherren war es, den Ertrag ihrer Ländereien zu steigern. Im beginnenden Industriezeitalter stiegen die Preise für Wolle derart, dass die Pacht der Kleinbauern mit dem Ertrag der Schafzüchter nicht mehr mithalten konnte.

Eine Bevölkerungsexplosion und ungewisse Ernteerträge verschärften die Situation; immer wieder brachen regional begrenzte Hungersnöte aus. Auch dadurch stiegen die Ausgaben der Gutsherren, die zur Versorgung von Verarmten (engl. paupers) auf ihrem Land verpflichtet waren. Landbesitzer, die auf die Räumungen verzichteten, gingen teilweise bankrott, was die Situation ihrer Pächter ebenfalls verschlechterte.

Auswirkungen

Zum Ende der Räumungen war das schottische Clanwesen zerstört und die gälische Sprache in Schottland weitgehend ausgestorben. Sie blieb lediglich auf den Hebriden sowie an der Westküste der Highlands (im Wesentlichen in Sutherland und in Ross-shire) erhalten. Die betroffenen Kleinbauern und Pächter wurden, soweit sie die Vertreibung überlebten, in die kargen Küstenregionen Schottlands, in die aufstrebenden britischen Industriestädte oder nach Nordamerika, vor allem nach Nova Scotia, umgesiedelt. In manchen Regionen lebt auch heute noch nur ein Zehntel der ursprünglichen Bevölkerung.

Bewertung

Der Vorwurf einer „ethnischen Säuberung“ ist nicht abwegig, da die gälischsprachigen Hochländer von den Gutsherren durchaus als fremd wahrgenommen wurden. Belege für den Vorsatz, eine kulturelle Gemeinschaft zu zerstören, finden sich allerdings nicht. Vielmehr sind die Umsiedlungen ein Zeugnis des europäischen Wandels von einer Agrar- zu einer Industriegesellschaft. Für die Vorstellung, die Hochland-Clans hätten auf landwirtschaftlicher Basis ihren Lebensstandard halten und ihre Lebensart erhalten können, spricht wenig. Das Leid der Vertriebenen wird dadurch freilich nicht gemildert.

Ähnliche Umsiedlungen haben in England und auf dem Kontinent viel früher stattgefunden. Dass die Vorgänge in Schottland auch Resonanz zum Beispiel in der zeitgenössischen Presse gefunden haben, mag auch daran liegen, dass sich gleichzeitig in der städtischen Gesellschaft Englands der moderne Rechtsstaat herausbildete.

Auf dem europäischen Festland war die Landbevölkerung gegen Vertreibungen derartigen Ausmaßes allerdings auch dadurch geschützt, dass entvölkerte Gebiete die Begehrlichkeit von Nachbarstaaten wecken konnten. Hier lockten die Landesherren eher Kolonisten mithilfe von Privilegien in verödete Grenzgebiete, etwa die Habsburger die Banater Schwaben in den Süden ihres Reiches.

Gegenwart

Heute bietet sich an vielen Orten ein Bild aus Steinruinen und Schafherden auf baumlosen Weiden. Besonders anschaulich sind die Reste der Siedlung von Badbea in Sutherland: Hier haben vertriebene Hochlandbewohner noch ein paar Jahre lang direkt an der Steilküste versucht, ihr Leben zu fristen. In der Ferne sieht man eine Monumentalstatue des Herzogs von Sutherland, der sich bei der Vertreibung der Hochländer besonders hervorgetan hat. Die Auswirkungen der Clearances auf den Landbesitz in Schottland zeigen die von Whighman zusammengetragenen Zahlen: 1998 besaßen 66 Landbesitzer ein Viertel der Landfläche Schottlands, weiteren 1.252 gehörten 66 Prozent des Landes.

Bericht

Der schottische Geologe Archibald Geikie beschreibt in seinen Erinnerungen Jahrzehnte später die Räumung von Suishnish auf Skye im Jahre 1854:

It was a miscellaneous gathering of at least three generations of crofters. There were old men and women, too feeble to walk, who were placed in carts; the younger members of the community on foot were carrying their bundles of clothes and household effects, while the children, with looks of alarm, walked alongside. [...] When they set forth once more, a cry of grief went up to heaven, the long plaintive wail, like a funeral coronach, was resumed, and after the last emigrants had disappeared behind the hill, the sound seemed to re-echo through the whole wide valley of Strath in one prolonged note of desolation. The people were on their way to be shipped to Canada. I have often wandered since then over the solitary ground of Suishnish. Not a soul is to be seen there now, but the greener patches of field and the crumbling walls mark [a place] where an active and happy community once lived.“ (Zitiert nach Richards)
Es war eine bunt gemischte Ansammlung mindestens dreier Generationen von Bauern. Es waren alte Männer und Frauen, zu schwach um zu gehen, die in Schubkarren gefahren wurden, die jüngeren Mitglieder der Familie zu Fuß, ihre Kleiderbündel und ihre Haushaltsgegenstände tragend. Neben ihnen liefen Kinder mit ängstlichem Blick. [...] Als sie sich wieder in Bewegung setzten, klang ein klagender Schrei zum Himmel hinauf, der lange traurige Zug, wie ein Beerdigungsmarsch, zog weiter und als die letzten Vertriebenen hinter dem Hügel verschwanden schien es, als würde das Echo im ganzen weiten Tal von Strath als Verzweiflungsschrei widerhallen. Die Menschen sollten nach Kanada verschifft werden! Ich bin seitdem oft über den verlassenen Boden Suishnishs gewandert. Nicht eine Seele ist dort noch zu sehen, aber die grüneren Stellen am Boden und die eingestürzten Mauern [deuten auf einen Ort], an dem einst eine lebhafte und glückliche Gemeinschaft lebte.

(Frei übersetzt)

Die Darstellung zeigt nicht nur, wie eine Räumung vonstatten ging, sondern zeugt auch von der Rezeption der Ereignisse zu einer Zeit, als das schottische Nationalbewusstsein erwachte.

Quellen

  1. Karl Marx, Das Kapital, Bd. I, Siebenter Abschnitt, 24. Kapitel, in: Marx-Engels-Werke, Dietz Verlag, Berlin/DDR 1968, S. 756ff.[1]

Literatur

  • Eric Richards: The Highland Clearances. Edinburgh 2005, ISBN 1-84158-040-6
  • John C. MyIntyre: The Empty Highlands

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