Clinton Richard Dawkins

Clinton Richard Dawkins
Richard Dawkins im Juni 2006

Clinton Richard Dawkins (* 26. März 1941 in Nairobi, Kenia) ist ein britischer Zoologe, theoretischer Biologe und Autor wissenschaftlicher und populärwissenschaftlicher Literatur.

Er wurde 1976 mit seinem Buch The Selfish Gene (Das egoistische Gen) bekannt, in dem er die Evolution auf der Ebene der Gene analysiert. Er führte den Begriff Mem für den Bereich Kultur als hypothetisches Analogon zum Gen in der biologischen Evolution ein (siehe auch Memetik). In den folgenden Jahren schrieb er mehrere Bestseller, unter anderem The Extended Phenotype (1982), Der blinde Uhrmacher (1987), Und es entsprang ein Fluß in Eden (1995), Gipfel des Unwahrscheinlichen (1996) und Der Gotteswahn (2006) sowie kritische Beiträge zu Religion und Kreationismus.

Dawkins ist Atheist, Humanist und eines der bekanntesten Mitglieder der Brights, über die er mehrere Artikel verfasste.[1][2]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Dawkins und Karlheinz Deschner bei der Preisverleihung in Frankfurt

Richard Dawkins wurde in Nairobi geboren, wohin sein Vater Clinton John Dawkins als Angehöriger der Alliierten Streitkräfte versetzt worden war. Seine Familie kehrte 1949 nach England zurück. Er studierte bei dem niederländischen Ethologen Nikolaas Tinbergen an der Universität Oxford Biologie. Im Jahr 1966 erlangte er seinen Doktorgrad in Zoologie (Ph.D.). 1967 heiratete er die Autorin Marian Stamp, von der er sich 1984 trennte.

In den Jahren 1967 bis 1969 war Dawkins Assistenzprofessor der Zoologie an der University of California, Berkeley, von 1970 bis 1995 Dozent für Zoologie am New College der Universität von Oxford. 1984 heiratete er Eve Barham, mit der er im selben Jahr eine Tochter hatte; die Ehe wurde ebenfalls geschieden. Seit 1992 ist er mit der Schauspielerin Lalla Ward verheiratet. Seit 1997 ist er gewähltes Mitglied der Royal Society of Literature und seit 2001 auch gewähltes Mitglied der Royal Society.

Seit 1995 ist er Charles Simonyi Professor of the Public Understanding of Science an der Oxford University. Charles Simonyi äußerte sich wiederholt als Anhänger des wissenschaftlichen Werks Dawkins. Für die Einrichtung spendete der Milliardär 1,5 Mio. Pfund an die Oxford University. 2008 wurde bekannt, dass die Professur neu ausgeschrieben wird und Dawkins von dieser Position aus Altersgründen zurücktritt. [3]

Der Spiegel bezeichnet Dawkins als einflussreichsten Biologen seiner Zeit.[4]

Werk

Biologie und biologische Evolution

Richard Dawkins im März 2008

Dawkins erlangte Bekanntheit durch seine Theorie des egoistischen Gens, die er im gleichnamigen Buch beschreibt. Darin sieht er das Gen als die fundamentale Einheit der Selektion, das den Körper nur als „Überlebensmaschine“ benutzt.

Er tritt innerhalb der Evolutionsbiologie für die These ein, dass in evolutionären Prozessen Konkurrenzsituationen bzw. Fitnessunterschiede auf genetischer und individueller Ebene ausschlaggebend sind, wohingegen Gruppenselektion keine oder nur eine marginale Rolle spielt. In seinem ersten Buch Das egoistische Gen behandelt er diese Thematik und führt sie dann in The Extended Phenotype (1982) weiter aus, indem er die enge Definition des Phänotypen erweiterte und vermehrt das einzelne Gen ins Zentrum stellt. Diese Haltung war im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts weitestgehend akzeptiert. In jüngster Zeit jedoch wurde diese Aussage durch theoretische Modelle und konkrete Beispiele relativiert. Hier sind insbesondere die Arbeiten des Biologen David Sloan Wilson sowie des Wissenschaftsphilosophen Elliott Sober zu nennen.

Mem

In seinem Buch Das egoistische Gen führte Dawkins 1976, als hypothetische Analogie zum Gen als Replikationseinheit der biologischen Evolution, den Begriff Mem als Replikationseinheit der kulturellen Evolution ein. Beispiele für Meme sind nach Dawkins: „Ideen, Melodien, Gedanken, Schlagworte, Kleidermoden, die Kunst, Töpfe zu machen oder Bögen zu bauen“. Meme vermehren sich demnach im Mempool, „indem sie von Gehirn zu Gehirn springen durch einen Prozeß, den man im weitesten Sinne als Imitation bezeichnen kann“ und unterliegen ebenso wie Gene Mutation und Selektion.
Er wollte allerdings, wie er in der 2. Auflage des Buches schreibt, lediglich den universellen Charakter der Darwinschen Evolutionstheorie verdeutlichen und zeigen, dass Gene nicht die „einzigen Angehörigen jener wichtigen Klasse [der Replikatoren] sind“. Obwohl Dawkins selbst den Begriff eher skeptisch betrachtet und seine hypothetische Natur betont, gibt es einige Wissenschaftler, die sich in der neuen Forschungsrichtung der Memetik mit dieser Form von Replikatoren befassen und Meme als tatsächliche Replikationseinheiten der kulturellen Evolution auffassen.

Weltanschauung

Dawkins ist Mitglied der britischen Skeptics Society, einer Organisation der Skeptikerbewegung, sowie weiterer britischer Organisationen zur Förderung humanistischer und atheistischer Weltanschauungen und einer stärkeren Säkularisierung des britischen Staates. Er gehört zu den Meinungsführern der Brights. Schon in früheren Werken verteidigte er die Evolutionstheorie vehement gegen teleologische Konzepte, die in der Entstehung der Arten eine Zielgerichtetheit erkennen wollten.

In „Der blinde Uhrmacher“ bezieht er sich auf den Gottesbeweis des englischen Theologen William Paley, nach dem das Leben nicht durch Zufall entstanden sein kann, in Analogie zu einer Uhr, die nach dem präzisen Konstruktionsplan eines Uhrmachers entsteht. Dawkins vergleicht in diesem Buch den Aspekt, dass die natürliche Selektion ein unbewusster und ungesteuerter Prozess ist, mit der Analogie von Gott als demnach blindem Uhrmacher.

In den vergangenen Jahren hat er sein Streiten auf die Religion im Allgemeinen ausgeweitet. In seinem Essay „Viruses of the Mind“ stellt er Religion anhand der Mem-Theorie als gedankliches Virus dar. Gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern wie dem neurobiologisch interessierten Autor Sam Harris wendet er sich nicht nur gegen den Glauben an einen Gott, sondern auch gegen den "Glauben an den Glauben". Damit meint er die Tendenz an und für sich nicht religiöser Menschen, der Religion eine positive Wirkung auf die Moral und die Ethik zuzuschreiben.

Die Atheist Alliance International (Internationaler Atheisten-Verband) vergibt seit 2003 den Richard-Dawkins-Preis an Atheisten, die der nontheistischen Sache öffentliche Aufmerksamkeit verschaffen. 2005 verlieh Dawkins den Preis persönlich an die Illusionskünstler Penn & Teller. [5]

Ariane Sherine und Richard Dawkins beim Start der Atheist Bus Campaign

2006 gründete er die Richard Dawkins Foundation for Reason and Science (RDFRS oder RDF)[6], eine gemeinnützige Stiftung, welche sich in den Bereichen der humanistischen Forschung und Bildung engagieren will.

Richard Dawkins unterstützte 2008/09 gemeinsam mit der British Humanist Association die Atheist Bus Campaign der Aktivistin Ariane Sherine, auf Londoner Bussen die Zeilen “There's probably no god. Now stop worrying and enjoy your life.” (engl.: „Es gibt wahrscheinlich keinen Gott. Jetzt höre auf, dir Sorgen zu machen, und genieße dein Leben!“) zu veröffentlichen. Damit soll Bewusstsein für den Atheismus geschaffen werden und den Menschen die Sorgen genommen werden [7].

Rezeption

Auszeichnungen

Dawkins erhielt Ehrendoktorwürden von der Universität Westminster, der University of Durham, der University of Kingston upon Hull, der Open University und der Vrije Universiteit Brussel. Er ist Vizepräsident der British Humanist Association.

2005 wurde er im Magazin Prospect [8] nach Noam Chomsky und Umberto Eco zum drittwichtigsten lebenden Intellektuellen weltweit gewählt,[9] 2007 vom Magazin Time zu einem der 100 einflussreichsten Menschen der Welt.[10]

Seine populärwissenschaftlichen Bücher wurden mit vielen Literaturpreisen ausgezeichnet, so erhielt er 1987 den Royal Society of Literature Award, im selben Jahr den Literaturpreis der Los Angeles Times. 1990 erhielt er den Michael Faraday Award der Royal Society und 1994 den Nakayama Preis sowie 1997 den International Cosmos Prize for Achievement in Human Science und 2001 den Kistler Prize.

2005 wurde er von der deutschen Alfred Toepfer Stiftung mit dem Shakespeare-Preis ausgezeichnet. Im Oktober 2007 erhielt Dawkins als erster Preisträger den mit 10.000 Euro dotierten und nach Karlheinz Deschner benannten Deschner-Preis der Giordano Bruno Stiftung.[11]

Zu Ehren Dawkins' wird der seit 2003 verliehene Preis der Atheist Alliance International Richard Dawkins Award genannt.

Gegenpositionen

Kritik an seinen biologischen Thesen wird u. a. von David Sloan Wilson und Scott Atran vorgebracht. Letzterer kritisiert vor allem den Begriff des Mems vor dem Hintergrund moderner Kognitionstheorien.[12] In empirischen kognitionspsychologischen Studien konnte Atran zeigen, dass in Kommunikationsprozessen eine Replikation von Ideen durch Imitation die Ausnahme und nicht die Regel ist; deshalb sei die Verbreitung und Entwicklung von Ideen mit der Verbreitung und Evolution von Genen nicht vergleichbar.[13]

Außerdem wird ihm von einigen Theologen und Philosophen (besonders von den Oxforder Theologen Keith Ward und Alister McGrath sowie von dem Philosophen John N. Gray) vorgeworfen, ernstzunehmende Theologie zu ignorieren und seine Autorität als renommierter Wissenschaftler für seine Religionskritik zu missbrauchen[14], bzw. dass er das Weltbild religiöser Fundamentalisten auf alle Gläubigen übertrage und damit die breite Palette von Weltbildern religiöser Menschen ignoriere.[15] Auch der Genetiker Francis Collins, Leiter des Humangenomprojekts und Vertreter einer theistischen Evolutionslehre, wirft Dawkins vor, nicht gegen Religion, sondern gegen eine Karikatur von Religion zu argumentieren.[16]

Anfang Dezember 2007 wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft in Istanbul Ermittlungen gegen den türkischen Verleger von Dawkins wegen des Verdachts der Verletzung bzw. ‚Beleidigung religiöser Werte‘ in „Der Gotteswahn“ aufgenommen hat.[17]

Trivia

Richard Dawkins war für den Autor Douglas Adams ein besonderes Vorbild. Adams beschrieb sich mehrmals als „Dawkinsist“. Von Dawkins-Anhängern wird mitunter auch die Bezeichnung „Dawkinist“ verwendet. Beide spielen auf den Terminus „Darwinist“ an. Angelehnt an Thomas Huxleys Rolle als „Darwins Bulldogge" wird Dawkins vielfach als „Darwins Rottweiler" bezeichnet [18].

Werke (Auswahl)

Bücher

  • 1976: Das egoistische Gen (The Selfish Gene) ISBN 3-499-19609-3
  • 1982: The Extended Phenotype (Neuauflage 1999) ISBN 0-19-288051-9
  • 1986: Der blinde Uhrmacher (The Blind Watchmaker), ISBN 3-423-11261-1 bzw. englisch ISBN 3-423-30558-4, W. W. Norton & Company 1996 ISBN 0-393-31570-3, Penguin Books 1990 ISBN 0-14-014481-1 (Taschenbuch)
  • 1995: River out of Eden A Darwinian View of Life – deutscher Titel: Und es entsprang ein Fluß in Eden (auf Deutsch 1996) ISBN 3-570-12006-6
  • 1996: Climbing Mount Improbable. – deutscher Titel: Gipfel des Unwahrscheinlichen. Wunder der Evolution (auf Deutsch 1999) ISBN 978-3-499-60932-9
  • 1998: Der entzauberte Regenbogen (Unweaving the Rainbow. Science, Delusion and the Appetite for Wonder) (auf Deutsch 2002) ISBN 3-499-61337-9
  • 2003: A Devil's Chaplain Selected Writings, Reflections on Hope, Lies, Science, and Love ISBN 0-7538-1750-0
  • 2004: The Ancestor's Tale A Pilgrimage to the Dawn of Evolution ISBN 0-618-00583-8 - deutscher Titel: Geschichten vom Ursprung des Lebens (auf Deutsch 2008), ISBN 978-3550087486
  • 2006: Der Gotteswahn (The God Delusion) (auf Deutsch 2007) ISBN 978-3-550-08688-5

Essays

Filme

The Root of All Evil?[19] ist ein religionskritischer Dokumentarfilm. Er zeigt Dawkins beim Besuch von religiösen Stätten und Veranstaltungen in verschiedenen Ländern der Welt. Der gesamte Film wird durch Dawkins' voice-over kommentiert. Es kommt dabei zu Treffen und Auseinandersetzungen mit mehr oder weniger radikalen Vertretern der Weltreligionen. Der Film ist als Dokumentation des englischen Privatsenders Channel 4 gedreht worden und als Google-Video offiziell anzusehen bzw. herunterzuladen. Kritiker warfen den Filmemachern vor, speziell besonders radikale und unaufgeklärte Gläubige besucht zu haben. Dawkins selbst sagte dazu, ausgesucht liberalen Gläubigen werde in den Medien sowieso schon ausreichend Raum geboten.

Gleichsam als Fortsetzung erschien 2007 die Serie The Enemies of Reason[20], in der Dawkins Esoterik, Alternativmedizin und „postmodernen Relativismus“ kritisiert.

Ebenfalls auf Channel 4 erschien 2008 der Dreiteiler The Genius of Charles Darwin[21].

Weblinks

Literatur

  • Alan Grafen, Mark Ridley (Hrsg.): Richard Dawkins: How a Scientist Changed the Way We Think. Oxford University Press, Oxford 2006, ISBN 0-19-929116-0
  • Alister McGrath: Der Atheismus-Wahn: Eine Antwort auf Richard Dawkins und den atheistischen Fundamentalismus. Gerth-Medien, Asslar 2008, ISBN 978-3-86591-289-3
  • Ed Sexton: Dawkins and the Selfish Gene. Icon Books, Duxford 2001, ISBN 1-84046-238-8
  • Kim Sterelny: Dawkins vs. Gould: Survival of the Fittest. Icon Books, Cambridge 2001, ISBN 1-84046-249-3

Quellenangaben

  1. The future looks bright
  2. „Let there be brights“
  3. Charles Simonyi Professorship in the Public Understanding of Science University of Oxfort (en) vom Februar 2008
  4. KULTURKAMPF: Glücklicher ohne Gott DER SPIEGEL (43/2006) vom 23. Oktober 2006
  5. Bericht und Interview mit Richard Dawkins von Gordy Slack (PDF)
  6. Richard Dawkins Foundation for Reason and Science
  7. Atheisten-Kampagne in London, sueddeutsche.de vom 24.10.2008
  8. Offizielle Homepage des britischen Magazins Prospect (en)
  9. Kreuzzug gegen Gott von Klaus Taschwer vom 19. Januar 2007
  10. Time Top 100, 2007
  11. Deschner-Preis an Richard Dawkins hpd, 28. Mai 2007
  12. [1] Scott Atran, The Trouble with Memes, Human Nature 12, 4 (2001), S. 351 ff.
  13. Stellungnahme zu Beyond Belief von Scott Atran vom 12. März 2006 (en)
  14. K. Ward, God, Chance and Necessity, Oxford 1996, S. 11f
  15. Review von Fanatical Unbelief von November 2004 (en)
  16. Francis Collins: Gott und die Gene
  17. „Buch von Richard Dawkins soll religiöse Werte verletzen“, Spiegel Online, 1. Dezember 2007
  18. http://www.simonyi.ox.ac.uk/dawkins/WorldOfDawkins-archive/Media/seattle.shtml
  19. The Root of All Evil? zugehörige Webseite von Channel 4
  20. The Enemies of Reason zugehörige Webseite von Channel 4
  21. The Genius of Charles Darwin zugehörige Webseite von Channel 4


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