- Coccothraustes coccothraustes
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Kernbeißer Systematik Ordnung: Sperlingsvögel (Passeriformes) Unterordnung: Singvögel (Passeri) Familie: Finken (Fringillidae) Unterfamilie: Stieglitzartige (Carduelinae) Gattung: Kernbeißer (Coccothraustes) Art: Kernbeißer Wissenschaftlicher Name Coccothraustes coccothraustes (Linnaeus, 1758) Der Kernbeißer (Coccothraustes coccothraustes) ist die größte in Europa heimische Art aus der Familie der Finken (Fringillidae). Der ungewöhnlich große, kräftige und mächtige Kegelschnabel des „Finkenkönigs“ stellt ein auffälliges Merkmal dar. Die Schneiden des Oberschnabels und die ausgehöhlte Führung des Unterschnabels ermöglichen in Verbindung mit der entsprechenden Muskulatur das Aufspalten von Obstkernen, wozu ein erheblicher Druck aufgewendet werden muss. Der Kernbeißer besiedelt Europa, Nordafrika sowie ostwärts die Gebiete bis Ostasien und Japan. Seine Nahrung setzt sich vor allem aus Samen von Laubbäumen und Früchten, aber auch aus Insekten und deren Larven zusammen. Die Art gilt derzeit als nicht gefährdet.
Inhaltsverzeichnis
Beschreibung
Der Kernbeißer ist wie alle Vertreter der Gattung von gedrungener Gestalt mit einem kräftigen, runden Kopf, mächtigem Kegelschnabel und kurzem Schwanz. Der Kegelschnabel ist im Sommer blaugrau bis dunkelgrau-bläulich, im Winter aufhellend von dunkelgrau über hornfarben bis rötlichgelb mit dunkler Spitze. Das Auge ist braun und von einem feinem, schwarzem Strich durchzogen. Die Flügel haben blauschwarze Schwingen und zeigen einen auffallend breiten weißen Schulterfleck, der im Flug als halbmondförmige Zeichnung gut erkennbar ist. Daneben gibt es ein weißes Band im Bereich der Halbschwingen. Die Füße sind fleischfarben. Kernbeißer haben eine Körperlänge von 16,5 bis 18 Zentimeter. Das Körpergewicht liegt bei 48 bis 62 Gramm. Die Flügelspannweite beträgt 29 bis 33 Zentimeter. Die Steuerfedern sind gemessen entlang des Federschaftes beim Männchen höchstens 22 bis 23 mm und beim Weibchen 14 bis 17 mm lang. [1]
Der Kernbeißer weist einen schwach ausgebildeten Geschlechtsdimorphismus auf. Der Kopf des Männchens ist gelb- bis rotbraun, in manchen Gebieten jedoch eher zimtbraun. Er ist durch ein breites graues Nackenband mit dem dunkelbraunen Rücken verbunden. Der schwarze bis grauschwarze Schwanz mit breiten, weißen Endbinden ist wenig eingekerbt. Zur Mitte hin geht die Färbung in einen grau- bis hellbräunlichen Farbton über. Zügel, schmale Schnabeleinfassung und Kehlfleck sind tiefschwarz. Die Brust und die Unterseite sind rötlichbraun bis bräunlichweiß, in manchen Gebieten jedoch eher zimtbraun. Der Bürzel ist gelbbräunlich bis hellbraun. Das Weibchen ist heller und weniger intensiv gefärbt. Die Farben sind nicht so scharf abgegrenzt wie beim Männchen. Der Oberkopf ist weniger rotbraun und leicht gräulich. Der Kegelschnabel ist in den Farben matter. Der Kehlfleck und die schwarze Umrandung des Schnabels sind meistens kleiner und undeutlicher als beim Männchen. Die Brust ist rötlichgrau und die Unterseite grauweiß. Der Bürzel ist gelbgrau. Albionistische Kernbeißer sind äußerst selten. [1][2][3]
Die selbstständigen Jungvögel sind braun gebändert und tragen einen gelben Kehlfleck. Die Außenfahnen der Armschwingen und die vierte bis sechste Handschwinge sind beim Weibchen grau und beim Männchen schwarz bis metallisch schimmernd. Der Kehlfleck ist bei Weibchen blassgelb und beim Männchen goldgelb. Bauch, Brust und Flanken sind beim Männchen grober gefleckt als beim Weibchen. Die Iris des Auges ist graugrünlich. Im zweiten Jahr nach der Herbstmauser ist das Jugendkleid gänzlich verschwunden. Die geschlüpften Nestlinge sind gelbrötlich. Stirn, Nacken, Rücken, Schulter, Flügel, Bauch, Oberschenkel und Unterschenkel sind dicht mit grauweißen Daunen bedeckt, wobei diese oberseits eine Länge von 10 bis 12 Millimeter aufweisen können. Der Rachen und die Zunge sind rosa und zwischen weißliche Sporne und gelbe Schnabelwülste rot und lila eingefasst. [1]
Der Flug ist kräftig, schnell und leicht bogig. Bei kurzen Abständen fliegt der Kernbeißer in Wellenform. Im meist hohen Flug ist die weiße Zeichnung an Flügeln und Schwanz auffallend. Der Kernbeißer kann sehr schnell auf- und abwärts fliegen, insbesondere bei der Jagdbalz und auf Insektenjagd. Am Boden ist sein Gang wackelig mit ausgeprägten Sprüngen. [1]
Federkleid und Mauser
Die Jugendmauser, eine Teilmauser, beginnt im Alter von 10 bis 13 Wochen und dauert acht bis neun Wochen. In Abhängigkeit vom Schlupftermin zieht sich der Wechsel des Kleingefieders von Juli/Anfang August bis Oktober/Ende November hin. Zuerst wird meist das Brust- und Unterseitengefieder sowie gleichzeitig die Unterschwanz- und Bürzelfedern gewechselt. Danach folgt das Wechseln der Rücken-, Hand- und Armschwingendeckfedern. Schließlich folgt das Kopfgefieder mit Kinn-, Kehlfleck- und Halspartien. Die Umfärbung des Schnabels vom dunklen Gelb ins dunkle Blaugrau erfolgt bei Jungvögeln meist von Mitte Dezember bis Ende Februar. Selten behalten Weibchen den gelben Schnabel ein Leben lang. Der dunkle blaue Schnabel verfärbt sich erneut bei der Herbstmauser. Die bei Jungvögeln graugrüne Iris verfärbt sich im sechsten Monat rehbraun. [1]
Die Ruhemauser der Altvögel, eine Teilmauser, findet von Januar bis Ende März, meistens im Februar statt. Die Brutmauser, eine Vollmauser, setzt je nach Konstitution und Alter des Vogels bereits im Juni ein und zieht sich bis Ende Oktober/Anfang November hin.[1]
Schnabel
Der Schnabel ist bei den Jungen im ersten Herbst noch nicht ganz ausgewachsen und ausgehärtet. Da sie zu dieser Zeit erhebliche Schwierigkeiten haben, harte Steinobstkerne aufzuspalten, weichen sie auf weichere Sämereien aus.
Die Spitzenhälfte des Oberschnabels ist ein unter den Finken einmaliges Schneidewerkzeug. In der Mitte im Inneren befindet sich eine Schneide, welche von zwei parallelen Schneiden gesäumt ist. Zusammen mit den zwei Außenkanten gibt es im Schnabel insgesamt fünf Schneidekanten. Der entsprechende Gegenstück des Unterschnabels ist entsprechend ausgehöhlt, um die Führung für ein Korn oder ähnliches zu gewährleisten. In der hinteren Schnabelhälfte befinden sich unten zwei kräftige Hornballen, gegen das von oben her ein mit vielen Rillen besetztes Brett arbeitet. An dem hintersten Schnabelende ist eine Verjüngung, um der Zunge genügend Freiraum zu bieten. [1]
In Verbindung mit der starken Muskulatur können die vielen Schneiden einen erheblichen Druck auf kleine Gegenstände ausüben. Dabei werden Kirschkerne mit der Naht nach unten gepackt, da hier der niedrigste Spaltdruck benötigt wird. Die in diesem Fall aufgewendete Kraft beträgt 270 bis 430 N.[4][1][5] Flache Kerne, wie die der Olive oder von Zwetschgen, werden flach im Schnabel gehalten. Hier liegt die Kraft bei etwa 480 bis 730 N.[6][1][7]
Stimme und Gesang
Kernbeißer äußern als Stimmfühlungsruf ein hartes "zicks", oft auch während des Fluges. Ein sehr hohes und schrilles „zrieh“ dient als Angstruf, während als Erregungs- und Warnruf ein „zick, zicke, zick“ als Doppelruf oder in schneller Folge vortragen wird. Der Kontakt- und Lockruf [8] äußert sich auch bei Einzelgängern in regelmäßigen Abständen in einem „zieck“. Paare im Flug stehen mit einem weichen „zieht“ in Verbindung. Aggressionen zeigen die Vögel durch ein Schnabelknappen (Instrumentallaut). Zur Beschwichtigung gegenüber Artgenossen rufen sie leise „büb, büb“.
In der Brutzeit lässt das Weibchen Bettellaute wie „ziek“, „zieht“ oder „ziet“ hören, wenn es vom Männchen gefüttert werden möchte. Bei der Nistplatzsuche und beim Nestbau verständigt sich das Paar mit „zrieck“ oder „zrie“. Der Bettelruf der Jungvögel ist vom ersten Tag an ein ganz leises „zieht“. Die späteren Lock- und Bettelrufe äußern sich auch durch „Zrie“-, „Zirk“- oder „Ziet“-Laute. Flügge Junge lassen als Standortruf regelmäßig ein „tziip“ hören. Der Zugruf wird durch ein lautes langgezogenes „zieht“ ausgedrückt.
Der Gesang des Kernbeißers, auch als Schwätzen bezeichnet, wird ruhig sitzend mit hängenden Flügeln auf einer Baumspitze vorgetragen. Er stellt meist eine unregelmäßige und sich dauernd verändernde Zusammenreihung seiner Ruflaute dar. Der Gesang wird häufig durch scharfe „zick-zicks-zick“ eingeleitet und durch sehr melodisch wehmütige „zie-öh“ fortgeführt. Darauf folgt meist ein besonders hoher i-Ton bei „Ziich-zi-ziet zick“-Lauten. Abgeschlossen wird der Gesang häufig durch ein leise genuscheltes „Zip-zschip“. Die Zusammensetzung der Rufreihen ist sehr veränderlich und wird manchmal mit großen Pausen zwischen den einzelnen Lauten vorgetragen. Als einer der einfachsten Singvogelgesänge ist er am ehesten mit dem des Grauschnäppers zu vergleichen.[1][9] Der Gesang ist bei der Revierbestimmung und -markierung nicht von Bedeutung. Er wird kurze Zeit nach der Mauser im Herbst und dann wieder ab Januar/Februar vorgetragen.
Verbreitung
Der Kernbeißer ist in Europa, Nordafrika und ostwärts bis Ostasien und Japan verbreitet. Nach Angaben der American Ornithologist Union (AOU) [10] trägt dieser Vogel in Nordamerika den Status „Gelegentlich“ (Casual/C), da er einige Male in Alaska gesichtet wurde.
Der Kernbeißer besiedelt Nordafrika von Tunesien bis Marokko. Er ist in Süd- und Mitteleuropa einschließlich England und Südskandinavien beheimatet, fehlt jedoch auf Island, Irland, in weiten Teilen Fennoskandinavien, auf einigen Mittelmeerinseln und teilweise in Süditalien. Der Kernbeißer ist auch in Kleinasien, im Kaukasusgebiet und in Nordiran, Nordafghanistan und Turkestan zu finden. Weiterhin lebt er in Osteuropa und Südsibirien bis zum Ussuriland, zur Mandschurei und Nordkorea. Er besiedelt im Osten Sachalin, Südkamtschatka und im nördlichen Japan Hokkaido sowie vereinzelt südwärts das Gebiet bis Mittelhonshū.
Während der Kernbeißer in Mitteleuropa ein Standvogel ist, stellen die nördlichen und östlichen europäischen Populationen Teilzieher dar, die sowohl südwärts entweder nach Mitteleuropa oder ins Mittelmeergebiet ziehen, als auch in Westeuropa überwintern. Der Kernbeißer ist auch vielfach ein Strichvogel, der weite, teils nahrungsbedingte Wanderungen, die vom Herbst bis ins Frühjahr andauern, durchführt. Der Wegzug setzt allmählich ab Juli ein und verstärkt sich im September. Der Kernbeißer zieht sowohl am Tag als auch in der Nacht.[1][11] Während der Wegzug im Schwarm unternommen wird, findet der Heimzug wenig auffällig Mitte Februar bis April statt.
Lebensraum
Das klassische Habitat stellen insbesondere während der Brutzeit lichte Laub- oder Mischwälder mit Unterwuchs dar. Der Kernbeißer zeigt jedoch keine Bindung an ein bestimmtes Biotop.[12] In Europa ist er ein typischer Vertreter der Eichen- und Hainbuchenwälder. Weiterhin bevorzugt er alte Laubwälder mit Buchen, Eschen und Ulmen sowie lichte Auwälder. Die Siedlungsdichte in monotonen Wäldern, insbesondere in monotonen Nadelwäldern, ist sehr gering. Der Kernbeißer brütet oft in größeren Feldgehölzen von Parks, in Gärten mit hohen Bäumen und auf Friedhöfen mit altem Baumbestand. Weiterhin ist er auf Streuobstwiesen und in weitläufigen Obstanlagen, wenig bebauten, mit Alleen und Baumgruppen durchsetzten Städten zu finden. Seit 1970 wird anhand von Winterfütterungen eine zunehmende Tendenz zur Verstädterung festgestellt.
Der Kernbeißer stellt mehrere Bedingungen an seinen Lebensraum: Dieser muss ein gutes Nahrungsangebot im Winter bieten und zur Jungenaufzucht ein gutes Raupenangebot stellen. Zudem bevorzugt der Kernbeißer Plätze in Wassernähe. Er besiedelt vor allem das Flachland und mittelhohe Lagen von 300 bis 700 m, ist aber auch bis in 1000 m Höhe weit verbreitet. In der Schweiz lebt er sporadisch bis zur oberen Grenze der Laubholzstufe in etwa 1300 m. Auf dem Zug über die Alpen ist er teilweise über die Baumgrenze bei 2400 m im Aletschgebiet zu finden. Entlang des Talgrunds dringt er häufig in die größeren Alpentäler vor. Zudem besiedelt er die Höhen des Randen und den nördlichen Jura.[1]
Nahrung und Nahrungserwerb
Die Nahrung setzt sich vor allem aus Samen von Laubbäumen und Früchten zusammen. Im Frühjahr wird sie durch Knospen und Triebe ergänzt. Im Spätsommer werden gerne Laubwälder mit einem hohen Bestand an Buchensamen aufgesucht. Zusätzlich dienen Früchte von Ahornbäumen und -sträuchern als Nahrung. Im Winter wird vor allem das Laub umgedreht, um Samen vom Boden aufzunehmen. Bei der Nahrungsaufnahme wird nie der Fuß zu Hilfe genommen. Tierische Nahrung wird das ganze Jahr über, vor allem jedoch von Mai bis Juli aufgenommen. Der Kernbeißer frisst Insekten und deren Larven, aber auch Spinnen und Regenwürmer. Für die Insektenjagd sitzt der Kernbeißer auf einem Ast bis zu sechs Metern über dem Boden. Entdeckt er ein Insekt, fängt er die Beute und setzt sich wieder auf einen Ast, auf dem er die Beute verzehrt. Teilweise fängt er Insekten auch im Jagdflug.
In Mitteleuropa stellen Kirschen, Zwetschgen und Pflaumen sowie die Samen von Hainbuche, Feldahorn und Rotbuche das bevorzugte Nahrungsangebot dar. Es werden jedoch auch Schlehen, Mehlbeeren, Hagebutten, Traubenkirschen, Samen von Eschen, Ulmen und Erlen verzehrt, aber auch die Beeren der Stechpalme, Taxusbeeren, Haselnüsse, Walnüsse und Erbsen.[1][13] Da der Kernbeißer das Innere reifer Kerne bevorzugt frisst, wird selten die ganze Frucht aufgenommen. Ist eine lokale Nahrungskonkurrenz vorhanden, werden die Früchte jedoch in der Regel ganz verschlungen. Verschiedene Samen können durch ungünstige Witterungseinflüsse und durch Gärungen bei Verzehr tödlich wirken.[14] Die Betäubung durch Samen von herabgefallenen Traubenkirschen kann beispielsweise während des Fluges durch das Stoßen an Mauern oder anderen Hindernisse tödlich sein.
Der Kernbeißer erntet die Nahrung von Bäumen vollständig ab, ehe zum nächsten gewechselt wird. Dabei beginnt er in der Regel im Bereich der Baumkronen. Bei Störungen trägt der Vogel den ganzen Fruchtstand fort. Zum Schluss knackt er die auf den Boden gefallenen Obstkerne, um ans Innere zu kommen. Die optimale Kerngröße liegt bei 4 bis 5 mm.[1][15][16]
Brutbiologie
Der Kernbeißer wird in der dem Schlüpfen folgenden Brutperiode geschlechtsreif und führt eine monogame Brutehe. Paare halten wahrscheinlich mehrere Jahre zusammen. Die Dauer und Lage der Brutzeit ist von Jahr zu Jahr verschieden und hängt vom Witterungsablauf und vom Nahrungsspektrum ab. Die Brutzeit mitteleuropäischer Vögel erstreckt sich von Anfang April bis Ende Juni. Abgesehen von Nachgelegen brütet der Kernbeißer einmal im Jahr. Nach Verlust der Jungvögel des ersten Brutversuchs wurden bis zu zwei Ersatzgelege nachgewiesen.[1][17] Die Gesamtbrutdauer beträgt etwa 49 Tage; der Eiablagezeitraum erstreckt sich ungefähr über 37 Tage.
Balz und Paarbildung
Vor der Revierbesetzung von März bis Anfang April finden Balz und Paarbildung statt. Dabei werden die Gesangs- oder Imponierbalz und die Demuts- oder Bettelstellbalz unterschieden. Im erstgenannten Fall sträubt das singende Männchen sein Kopfgefieder, spreizt den Schwanz und pendelt den Körper dem Weibchen zugewandt mit hängenden Flügeln hin und her. Indem sich das Weibchen schlank macht und in Richtung des Männchens pendelt, zeigt es seine Zustimmung. Diese Balz führt nicht immer zur Kopulation. Im zweiten Fall fliegt das Männchen mit schnell vibrierenden Flügeln und gestelztem Schwanz von Ast zu Ast. Wenn es sich dem Weibchen in Demutshaltung nähert, wird es vom ihm begleitet. Beiden Balztypen oder auch Kombinationen beider kann die Kopulation folgen. Sie können durch Schnäbeln mit und ohne Futterübergabe unterbrochen werden. Zudem lässt sich das Weibchen häufig mit hängen und zitternden Flügeln vom Männchen füttern (Zärtlichkeitsfüttern).
Revier und Nistplatzwahl
Das Männchen sucht das Revier aus, das zugleich Brut- und Nahrungsraum sein kann. Gegenüber Artgenossen verteidigt das Paar nur einen kleinen Nestbezirk, während andere Vögel ohne Ausnahme von beiden Partnern vertrieben werden. Die Größe des Reviers unterliegt großen Schwankungen von 0.5 ha bis 5 ha pro Paar.[1][18] Da einem Brutpaar häufig andere nachziehen, brüten meist Gruppen von drei bis sechs Paaren, jedoch höchstens 20 Paaren zusammen. Es gibt dennoch Fälle von strengen Einzelbruten.
Die Nistplatzwahl erfolgt durch beide Partner, die endgültige Entscheidung trifft jedoch allein das Männchen. Ist das Männchen an einem Platz interessiert, drückt es sich in eine Astgabel und lockt das Weibchen herbei. Dieses zeigt sein Einverständnis mit der Wahl, indem es sich an dieselbe Stelle setzt. Das Männchen fliegt daraufhin auf und holt ein Stöckchen, das es schließlich dem Weibchen zum Nestbau übergibt. Schlägt hingegen das Weibchen eine Stelle vor, beschränkt sich das Männchen bei Zustimmung auf die Besorgung des Ästchens ohne den Platz einzunehmen. Die Paare bauen die Nester zu 45 Prozent am Stamm in Astquirlen und Astgabeln, zu 36 Prozent in Baumkronen, zu 10 Prozent auf fast waagerechten Seitenkästen von Bäumen und zu 9 Prozent in Sträuchern.[1][19] Zudem werden Laubbäume und Sträucher gegenüber Nadelbäumen im allgemeinen bevorzugt, diese Wahl variiert jedoch nach Menge und Höhe der Bepflanzung sowie Struktur des Platzes. Im allgemeinen werden hohe Obstbäume, Pappeln und Birken werden bevorzugt. Das Nest befindet sich grundsätzlich an der sonnenbeschienenen Seite der Bäume. Es wird meist nahe am Stamm gebaut. Bodennester wurden bisher noch nicht festgestellt. Die Höhe des Nestes ist zunächst von einer freien Anflugmöglichkeit und danach von einer geeigneten Struktur für die Anlage desselben abhängig. So finden sich Nesthöhen von 1 bis 22 Metern, die Mehrzahl liegt jedoch bei zwei bis acht Meter.[1][20]
Nestbau
Das Paar baut das Nest zwar gemeinsam, dennoch trägt das Weibchen 65 Prozent zum Hauptbau bei. Das Material wird aus 5 bis 60 m Entfernung um den Standort gesammelt. Bei guter Witterung ist das Nest in fünf bis zehn Tagen fertig gestellt. Das napfförmige Nest des Kernbeißers besteht aus dem Unterbau, der Zwischenlage und der Auspolsterung. Für den Unterbau werden durchschnittlich 65 bis 90 selbst abgebrochene kleine Äste unregelmäßig übereinander gelegt. Die Maße gehen von 15 bis 18 cm in der Breite und 20 bis 26 cm in der Länge.[1][21] Die dünne Zwischenlage wird aus Wurzeln und groben Halmen gefertigt. Die etwa ein Zentimeter dicke Auspolsterung wird vor allem aus dünnen Wurzeln und feinsten Halmen gefertigt. Der in der Literatur [22][23][24] erwähnte Einbau von Federn und Moos wird durch Beobachtungen an Volierenvögeln [25][26] nicht bestätigt. Da andere Materialien für die Auspolsterung bevorzugt werden, erscheint die Verwendung von Federn und Moos eher unwahrscheinlich. Stattdessen werden nachweislich trockene Blätter, grüne Kiefernnadeln, trockene Weinreben, Rehhaare und Schweineborsten sowie Bindfäden und Angelschnüre verarbeitet. Die meist ovalen Nestmulden sind 7 bis 7,7 cm breit, 8 bis 9 cm lang und je nach Bauart von 3 bis 4 cm tief. Der eigentliche Außendurchmesser des Halmnestes ohne Unterbau beträgt 9,5 bis 10 cm Breite und 10 bis 11 cm Länge. Die Höhe des Gesamtnestes kann 7,5 bis 12,5 cm betragen.[1][27] Während der Nestbauzeit geht das Paar gemeinsam auf Nahrungssuche.
Eiablage und Brutpflege
Die Eiablage beginnt normalerweise, sobald der Nestbau beendet ist, findet jedoch oft spätestens ein bis zwei Tage danach statt. Bei kühler Witterung wird sie jedoch im Regelfall nach hinten verschoben. Die Eier werden etwa fünf Tage lang in den frühen Morgenstunden bis etwa sieben Uhr gelegt. Die Eier sind oval bis langoval. Die Grundfarbe ist hellbläulichgrau bis hellgrünlichgrau, seltener bräunlichgrau. Sie sind meist relativ gleichmäßig mit einigen, kräftigen schwarzbraunen Punkten und Schnörkeln sowie helleren Kritzeln gezeichnet, die sich teilweise zum stumpfen Pol hin verdichten. Die Eier der Nominatform sind durchschnittlich 24,3 mm lang und 17,83 mm breit. Das Frischgewicht beträgt 3,89 g, das Schalengewicht von 0,226 g.[1]
Im Mai werden die meisten Gelege getätigt. Die Gelegegröße des Kernbeißers ist in Mitteleuropa relativ konstant und besteht meistens aus fünf Eiern. Sie steigt im Verbreitungsgebiet, je nach der Länge der Tageshelligkeit, von Süden nach Norden. Das Weibchen beginnt die 12 bis 14 Tage dauernde Bebrütung meist nach Ablage des dritten Eies. Während dieser Zeit wird es vom Männchen gefüttert. Dabei lockt es das Weibchen meist vom Nest, so dass es unter Flügelvibrieren nach Futter bettelt, um kurz nach dem Füttern zum Nest zurückzukehren. Füttert das Männchen schlecht, so muss das Weibchen selbst auf Futtersuche gehen. Das Weibchen brütet sehr fest und ausdauernd. Es verlässt seinen Sitz erst, wenn der Nesträuber ihm ganz nah kommt. Fühlt es sich bedroht, nimmt es mit geöffnetem Schnabel eine Abwehrhaltung ein und versucht zu beißen. Während der Bebrütung dösen viele Weibchen mit halbgeschlossenen Augen vor sich hin oder gehen der Gefiederpflege nach. Bei Änderung der Sitzposition werden die Eier regelmäßig gewendet. Manchmal brütet mittags jedoch das Männchen.
Entwicklung der Jungvögel
Die Jungen schlüpfen asynchron; zuerst meist drei, dann die restlichen ein oder zwei. Witterungseinflüsse können den Zeitpunkt des Schlüpfens beeinflussen.[1] Das Weibchen frisst die Eischalenreste und hudert die Jungen in Abständen über Tag und in der Nacht bis zum Ausfliegen. In den ersten Tagen wird der Kot von den Altvögeln gefressen, später tragen sie ihn fort. In dieser Zeit hudert das Weibchen intensiv, so dass das Männchen den Hauptteil der Fütterung übernimmt. Anfangs gibt es die Nahrung oft an das Weibchen weiter, das die Jungen aus dem Kropf füttert. Während des Sperrens schwenken die Nestlinge den Kopf seitlich. Später beteiligen sich beide Altvögel an der Fütterung. Dabei sucht das Männchen im Umkreis von zwei bis drei Kilometern Entfernung vom Nest nach Nahrung, das Weibchen bleibt jedoch in der unmittelbaren Umgebung desselben.
Am Schlupftag haben die nackten und blinden Jungvögel ein Gewicht von etwa 5 g und rufen ganz leise „zieht“. Am dritten Tag ändert sich die Rachenzeichnung. Am vierten Tag öffnen die Augen schlitzförmig; am fünften Tag sind sie ganz geöffnet. Die Sitzordnung der Jungen ist bis zum fünften Tag der Brust-an-Brust-Sitz. Diesem folgt der Ringsitz, bei dem der Körper am Nestrand entlang und der Kopf auf dem Hinterteil des Vorderjungen liegt. Am siebten Tag erfolgt wiederum eine Änderung der Rachenfärbung. Die Jungen geben nun variable Lock- und Bettelrufe von sich. In den letzten Tagen wird dachziegelartiges Sitzen mit dem Ringsitz kombiniert. Mit 10 bis 11 Tagen können die Jungen bei Gefahr das Nest verlassen. Sie begeben sich im Alter von 12 bis 14 Tagen auf die Äste in Nestnähe (Ästlingsstadium). Zu diesem Zeitpunkt wiegen sie etwa 34 g. Die Jungvögel sind mit 16 bis 19 Tagen voll flugfähig und werden zwischen den Altvögeln aufgeteilt, um nach Nahrung suchend umherzuziehen. Die letzte Änderung der Rachenfärbung erfolgt am 26. Tag. Nach 30 bis 31 Tagen sind die Jungvögel selbstständig.[1] Gefahr droht ihnen von Habicht, Sperber und Wanderfalke, aber auch von Katzen und Mardern.
Der Kernbeißer hat hohe Brutverluste, die meistens durch die offene Nestlage bedingt sind. Die häufigsten Nesträuber stellen Eichelhäher, Eichhörnchen und Marder dar. Gebietsweise holt sich der Neuntöter seinen Anteil. Zudem bleiben viele Paare jährlich ohne Jungvögel, obwohl sie ein Nachgelege anlegen. Untersuchungen zeigen, dass selbst unter Berücksichtigung des Nachgeleges nur jedes vierte Brutpaar Erfolg bezüglich der Zahl der Gelege hat.[1] Nach der Eizahl ergäbe sich ein noch niedrigerer Bruterfolg. Das asynchrone Schlüpfen der Jungen führt zur Verdrängung der jüngsten Nestlinge durch die zuerst geschlüpften Jungen, so dass diese nicht gefüttert werden und eingehen. Dadurch verlassen in der Regel nur ein bis drei, ganz selten vier Junge das Nest. Das entspricht einen Bruterfolg von 13 bis 16 Prozent, in England sind es 10 bis 15 Prozent.[28]
Freilebende Vögel werden maximal zwölf Jahre alt (Ringfund). In Gefangenschaft können sie ein Alter von 15 bis 20 Jahren erreichen.
Verhalten
Der Kernbeißer ist tag- und dämmerungsaktiv. Er verlässt den Schlafast zu Beginn der Dämmerung, nach Sonnenuntergang sucht er ihn wieder auf.[29] Die Aktivitätsphase wird häufig durch Ruhe- und Putzphasen unterbrochen, in denen der Kernbeißer oft ausgiebig badet. Gemeinsame Schlafplätze im obersten Geäst hoher Koniferen oder in immergrünen Pflanzen werden bevorzugt. Auf der Nahrungssuche lässt sich der Kernbeißer beim Start eines Fluges vom Ast fallen, um in einem nach unten weisenden Bogen rasch zum nächsten Baum zu fliegen, um dort einige Zeit zu verweilen. Im Winter kann sich kleine Gruppen an Futterstellen begeben oder in Siedlungsnähe nach einer ergiebigen Nahrungsquelle suchen. In den meisten europäischen Gebieten liegt die Siedlungsdichte weit unter einem Revier pro Quadratkilometer. [1][30]
Während der Brutzeit lebt der Kernbeißer unauffällig in kleinen Revieren und ergreift bei der geringsten Störung die Flucht. Ein lockeres, kolonieartiges Brüten findet oft, jedoch besonders in nordischen Ländern statt. Der Paarzusammenhalt bleibt im Winter bestehen. Oft finden Scheinangriffe auf Artgenossen und andere Vögel statt. Nach der Brutzeit, teilweise schon ab Juni, ziehen die Familien zu tragenden Steinobstbäumen, insbesondere zu Kirschbäumen. Während sich im Herbst zunehmend größere Familiengruppen gemeinsam auf Nahrungssuche begeben, beginnen sich diese Zusammenschlüsse gegen Ende des Winters langsam zu verkleinern. Im Frühjahr verändern die Männchen ihr Verhalten dahingehend, dass sie die Weibchen verfolgen und jagen. Es kann jedoch auch vorkommen, dass ein Männchen ein anderes hetzt.
Abweisungs- und Drohverhalten zeigt sich durch ein Schnabelsperren mit langem Hals und erhobenen Kopf mit je nach Intensität gespreizten Flügeln. Will ein Vogel angreifen, knappt er hörbar mit dem Schnabel. Dann wird unter Hacken und Beißen gekämpft. Dabei wird oft in höchster Erregung der Schwanz gefächert. Als Vorstufe zur Angriffs- oder Fluchtstimmung kann auch das Kopfgefieder gesträubt werden. Bei Erregung und Erschrecken fliegt der Vogel nach oben hin fort.
Systematik
Externe Systematik
Bis 1990 [31] gingen Taxonomen von einer nahen Verwandtschaft des Kernbeißers (Coccothraustes coccothraustes) zu den Gattungen Mycerobas und Eophona aus. Durch DNA-Untersuchungen des mitochondrialen Cytochrom b [32] wurde jedoch festgestellt, dass die genetischen Distanzen des Kernbeißers [33] zu den Gattungen Loxia, Pyrrhula, Carpodacus sowie insbesondere zu Mycerobas und Eophona relativ hoch sind und sehr ähnlich (zwischen 0.09 und 0.12) ausfallen. Die durchschnittliche Distanz zwischen den Gattungen Carduelis, Pyrrhula, Carpodacus, Mycerobas and Eophona untereinander beträgt zwischen 0.001 und 0.03. Diese Ergebnisse weisen auf die phänotypische Stellung des Kernbeißers als einzigartige und separate Art unter den Stieglitzartigen (Carduelinae) hin. Zudem lässt die molekulare Phylogenie eine nahe Verwandtschaft zu der Neuen-Welt-Gattung Hesperiphona als wahrscheinlich erscheinen.
Interne Systematik
Sowohl ITIS [34] als auch eine andere Quelle [35] erkennen sechs Unterarten an:
- Coccothraustes c. coccothraustes ist die Nominatform. Diese ist in ganz Europa nördlich bis zum 60. Breitengrad und südlich bis in die Länder des nördlichen Mittelmeeres verbreitet.
- Coccothraustes c. buvryi ist im Vergleich zur Nominatform blasser gefärbt. Der Oberkopf ist eher graubraun, Bürzel und Oberschwanzdecken sind heller und nahezu im reinen Grau gehalten. Die Innenfahnen der Steuerfedern sind weniger weiß gefärbt. Das Verbreitungsgebiet umfasst Tunesien, Algerien und Nordmarokko in Nordafrika.
- Coccothraustes c. nigricans ist dunkler, aber weniger braun als die Nominatform. Diese Unterart besiedelt die europäischen und südöstlichen Gebiete der ehemaligen UdSSR von der Krim bis zum Kaukasus.
- Coccothraustes c. humii ist insgesamt sehr schwach gefärbt, besonders der Bürzel. Die Unterseite und die Körperseiten sind eher rostfarben, nicht weinrötlich, und lichter als bei der Nominatform. Das Weibchen ist besonders an Kopf und Bürzel grau und insgesamt sehr blassgräulich. Die Unterart besiedelt, wahrscheinlich als isolierte Population, Nordindien, Afghanistan und Pakistan.
- Coccothraustes c. japonicus hat eine etwas hellere Oberseite als die Nominatform. Das Verbreitungsgebiet umfasst Japan, Korea, Nordchina, Ostsibirien und dehnt sich bis zu einer noch nicht genau bekannten Grenze nach Westen aus.
- Coccothraustes coccothraustes schulpini wurde von älteren Quellen [36] nicht anerkannt.
Bestand und Bestandsentwicklung
Das weltweite Verbreitungsgebiet des Kernbeißers wird auf 1.000.000 bis 10.000.000 km² geschätzt. Der weltweite Bestand ist relativ groß und umfasst etwa 4.800.000 bis 8.300.000 Individuen in Europa. Daher wird die Art als nicht gefährdet (LC) [37] eingestuft. Der Bestand ist vom Nahrungsangebot abhängig und daher stark schwankend. Harte Winter können regional zu Bestandseinbrüchen führen.
Die europäische Brutpopulation macht etwas weniger als die Hälfte der weltweiten Verbreitung aus. Sie ist mit mehr als 2.400.000 Paaren sehr groß und war zwischen 1970 und 1990 stabil. Obwohl es zwischen 1990 und 2000 Rückgänge in manchen Ländern gab, waren die Trends im Großteil Europas stabil oder zunehmend. Da die Population im Ganzen stabil ist, wird der Kernbeißer konsequenterweise als sicher (Secure) [38] eingestuft.
In Deutschland sind Wildfänge nach dem § 20d BNatSchG illegal. Doch auf Malta darf der Kernbeißer nach dem EG-Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wild lebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume vom 19. September 1979, dem Malta 1994 beigetreten ist, vom 1. September bis zum 31. Januar legal gefangen werden. Tatsächlich wird diese Erlaubnis jedoch lediglich auf die Zeit vom 1. Oktober bis 10. April nach maltesischem Recht angewendet. Die Kernbeißer werden durch Vogeljagd und Fallenstellen („trapping“) lebend gefangen [39], um später in kleinen Käfigen privat gehalten oder auf dem Vogelmarkt in Valletta verkauft zu werden.
Kernbeißer und Mensch
Etymologie und Benennung
Die Namen des Kernbeißers weisen fast alle auf die charakteristischen Eigenschaften dieses Vogels hin, also den großen Kegelschnabel und die Kunst, Obstkerne zu knacken. Neben der Bezeichnung „Kernbeißer“ ist besonders die Benennung als „Kirschkernbeißer“ geläufig. Weitere Namen sind Kirschfink, Kirschvogel, Kirschenknipper, Kirschbeerfink, Kirschknacker, Steinbeißer und Knospenbeißer. Weiterhin wird dieser Vogel als „Finkenkönig“ bezeichnet, weil er der Größte und Kräftigste unter den europäischen Finkenvögeln ist.
Der wissenschaftliche Name Coccothraustes setzt sich zusammen aus dem griechischen kokkos (der Kern) und thrauein (zerbrechen), also der Kernzerbrecher. Die Artbezeichnung veränderte sich im Laufe der Jahrhunderte mehrfach; Carl von Linné verwendete 1758 den Namen Loxia coccothraustes, Mathurin-Jacques Brisson behielt sich 1760 für den Kernbeißer den Gattungsnamen Coccothraustes vor. Pallus' (1811) Benennung als Coccothraustes vulgaris hielt sich am längsten. Im 20. Jahrhundert wurde der heutige Name Coccothraustes coccothraustes festgelegt.
Mythologie und Kult
Der Kernbeißer war der Nationalvogel des bäuerlichen Tiroler Volks. Als einziger im Winter brütender Vogel wurde er dort in hohen Ehren gehalten. Daher wurden solche Exemplare, die in der Advents- und Weihnachtszeit schlüpfen und als Nestlinge ein rotes und kein graues Gefieder tragen mit dem Namen „Weihnachtsvogel“ bedacht. Der Überlieferung der bäuerlichen Vogelgelehrten zufolge können diese Vögel von Geburt an nicht nur über ein oder zwei, sondern über drei Gesangsarten verfügen. Deshalb wurde dieser beliebte Wintervögel mit Vorliebe gefangen und als Zimmervogel gehalten. [40]
Der Kernbeißer wird auch in Christuslegenden eine Rolle, die I. R. Vogl, Plönnies, Rückert und Julius Mosen behandelt haben. Alle Autoren erzählen davon, wie Jesus angst und bang unter den bittersten Schmerzen am Kreuze hing, flog ein mitleidiger Vogel und zog mit all seiner schwachen Kraft an dem Nagel, der seine Hand durchbohrt hielt. Das herabtropfende Blut strömte über die kleine Brust und sein Schnabel bog sich krumm vor Anstrengung. Zum Dank segnete Jesus den gutherzigen Vogel und verlieh ihm zum ewigen Zeichen seiner edlen Tat das blutrote Gefieder und die Kreuzesform des Schnabels. [41]
„Und der Heiland spricht voll Milde: Sei gesegnet für und für,
Trag' dies Zeichen dieser Stunde ewig, Blut und Kreuzeszier.“– Julius Mosen
Seitdem wird der Krummschnabel mit Segen in Verbindung gebracht. Das Haus, das ihn besitzt, gilt als geweiht und gefeit gegen jeden Zauber böser Leute und Hexen, und das Wasser, aus er trinkt, soll gegen die Gicht heilsam sein., Da ihm wurde nachgesagt wurde, dass er alle Krankheiten seiner Zimmer- und Hausgenossen auf sich nehme, während er selbst für den Genesenen den Tod erleiden müsse, hielten die Menschen ich vor allem in Kinderstuben. Im Vorarlberg glaubten Verunglückte, welcher der geistlichen Hilfe entbehren mussten, dass es ausreiche, wenn sie ihre Sünden diesem heiligen Vogel beichten. [42]
Auch in der Antike war der Kernbeißer vermutlich ein heiliges Tier, wenn sich auch nur wenige Spuren davon erhalten haben. Das Volk hat ihn als Schutzmittel gegen den Blitz verehrt, so dass er wie das Rotkehlchen einst dem rotbärtigen Gewittergott Donar heilig gewesen sei. Als Indiz dafür kann neben der roten Farbe seines Gefieders insbesondere die eigentümliche Formation seines Schnabels, der an den Hammer Donars erinnert, gelten. [43]
Haltung als Volierenvogel
Der Kernbeißer wurde auf Grund seiner Zutraulichkeit als Käfigvogel gehalten. Die Haltung erfolgte in einem engen Vogelbauer. Manchmal durfte er freifliegen. Bis heute wird er als Volierenvogel gehalten. [44][45] Wildfänge sind nach dem § 20d des Bundesnaturschutzgesetzes jedoch illegal.
Kernbeißer versuchen in Gefangenschaft Gesänge anderer Vögel nachzuahmen. Dazu zählen unter anderem die Imitation des Schlags der Zwergwachtel, des Trillern des Grünfinken und des Schilpen des Haussperlings. [46][47][48][49][50][51]
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y Siegfried Krüger: Der Kernbeißer (Coccothraustes coccothraustes). Die Neue Brehm-Bücherei, Bd. 525, Westarp Wissenschaften, A. Ziemen Verlag, Wittenberg, 1995, ISBN 3-89432-371-X
- ↑ Urs N. Glutz von Blotzheim: Die Brutvögel der Schweiz. Aarau, 1962
- ↑ H.-D. Fritsch: Kernbeißer Albino. Die Voliere 194/83, 1983
- ↑ V. Ziswiler: Zur Kenntnis des Samenöffnens und der Struktur des hörnernen Gaumens. Journal für Ornithologie Nr.1, 1965
- ↑ Einhard Bezzel: BLV Handbuch Vögel. BLV Buchverlag GmbH & Co. KG, München, Seite 514-515, 2006, ISBN 3-8354-0022-3
- ↑ V. Ziswiler: Zur Kenntnis des Samenöffnens und der Struktur des hörnernen Gaumens. Journal für Ornithologie Nr.1, 1965
- ↑ Einhard Bezzel: BLV Handbuch Vögel. BLV Buchverlag GmbH & Co. KG, München, Seite 514-515, 2006, ISBN 3-8354-0022-3
- ↑ Klangbeispiel, Spektrogramm
- ↑ Urs N. Glutz von Blotzheim: Die Brutvögel der Schweiz. Aarau, 1962
- ↑ The AOU Checklist of North American birds, 7th edition, July 1998
- ↑ Urs N. Glutz von Blotzheim: Die Brutvögel der Schweiz. Aarau, 1962
- ↑ Urs N. Glutz von Blotzheim: Die Brutvögel der Schweiz. Aarau, 1962
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- ↑ K. Warga: Berauschte Kirschkernbeißer. Aquila 1925-1926, S. 296, 1926
- ↑ Urs N. Glutz von Blotzheim: Die Brutvögel der Schweiz. Aarau, 1962
- ↑ Einhard Bezzel: BLV Handbuch Vögel. BLV Buchverlag GmbH & Co. KG, München, Seite 514-515, 2006, ISBN 3-8354-0022-3
- ↑ H. Mildenberger: Die Vögel des Rheinlandes. Düsseldorf, 1984
- ↑ Urs N. Glutz von Blotzheim: Handbuch der Vögel Mitteleuropas 14/2, Passeriformes. Aula Verlag, Wiesbaden, 1997
- ↑ Urs N. Glutz von Blotzheim: Die Brutvögel der Schweiz. Aarau, 1962
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- ↑ Urs N. Glutz von Blotzheim: Die Brutvögel der Schweiz. Aarau, 1962
- ↑ E. Glück: Nistökologie Sonderung... Journal für Ornithologie 124/36, 1983
- ↑ W. Fliess: Beobachtungen bei der Zucht. DEV 143/88, 1988
- ↑ Manfred Giebing: Der Kernbeißer. Die Voliere 22:302, 1999
- ↑ Urs N. Glutz von Blotzheim: Handbuch der Vögel Mitteleuropas 14/2, Passeriformes. Aula Verlag, Wiesbaden, 1997
- ↑ Mountfort: The Hawfinch. London, 1957
- ↑ Urs N. Glutz von Blotzheim: Die Brutvögel der Schweiz. Aarau, 1962
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- ↑ C. G. Sibley, J. E. Ahlquist: Phylogeny and classification of birds. Yale University Press, New Haven, Conn., 1990
- ↑ A. Arnaiz-Villena, J. Guillén, V. Ruiz-del-Valle, E. Lowy, J. Zamora, P. Varela, D. Stefani, L. M. Allende: Phylogeography of crossbills, bullfinches, grosbeaks, and rosefinches. Cellular and Molecular Life Sciences Vol. 58: 1159–1166, 2001, Weblink: [1]
- ↑ Entschlüsselung der mitochondrialen DNA des Kernbeißers
- ↑ ITIS Report: Coccothraustes coccothraustes (Linnaeus, 1758)
- ↑ Avibase Database: Kernbeißer (Coccothraustes coccothraustes) (Linnaeus, 1758)
- ↑ Hans E. Wolters: Die Vogelarten der Erde. Berlin, 1975-1982
- ↑ BirdLife Factsheet: Hawfinch
- ↑ Birds in Europe: Hawfinch
- ↑ euronatur: Zugvogeljagd
- ↑ Dr. Ludwig von Hörmann: Der Weihnachtsvogel. Tiroler Heimatblätter, 15. Jahrgang, Heft 12, 1937, S. 386–388, Weblink
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- ↑ H. Dost: Handbuch der Vogelpflege und Züchtung. Jena, 1954
- ↑ Winkler: Kernbeißerbrut im Käfig. Gefiederte Welt 201/74, 1974
- ↑ E. Glück: Kernbeißer. Die Voliere 205/85, 1985
- ↑ Klemm: Kernbeißer. DEV 01/83, 1983
- ↑ A. Klimanis: Der Kernbeißer. Kanarienfreund 1/87:12, 1987
- ↑ Kraft: Kernbeißer. AZN 12, 1988
- ↑ D. Meyer: Kirschkernbeißer. AZN 4/94:284, 1994
- ↑ U. Reber: Der Kernbeißer. Die Voliere 15, H. 1:7, 1992
Literatur
- Einhard Bezzel: BLV Handbuch Vögel. BLV Buchverlag GmbH & Co. KG, München, 2006, ISBN 3-8354-0022-3
- Hans-Günther Bauer, Einhard Bezzel, Wolfgang Fiedler: Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Bd. 2. Passeriformes - Sperlingsvögel. Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. Aula Verlag, Wiebelsheim, 2005, ISBN 3-89104-648-0
- Horst Bielfeld: Zeisige, Girlitze, Gimpel und Kernbeißer. Herkunft, Pflege, Arten. Ulmer Verlag, 2003, ISBN 3-8001-3675-9
- H. Dahte: Zur Biologie des Kernbeißers. Beiträge zur Fortpflanzungsbiologie der Vögel mit Berücksichtigung der Oologie. Berlin, Bd. 16:30, 1940
- Manfred Giebing: Der Kernbeißer. Die Voliere 22:302, 1999
- Urs N. Glutz von Blotzheim: Handbuch der Vögel Mitteleuropas 14/2, Passeriformes. Aula Verlag, Wiesbaden, 1997, ISBN 3-89104-610-3
- E. Hartert: Die Vögel der paläarktischen Fauna. Bd.1. Cramer Verlag, 1969
- H. W. Hübners: Almanach. München, 1990
- Siegfried Krüger: Der Kernbeißer (Coccothraustes coccothraustes). Die Neue Brehm-Bücherei, Bd. 525, Westarp Wissenschaften, A. Ziemen Verlag, Wittenberg, 1995, ISBN 3-89432-371-X
- H. Mildenberger: Die Vögel des Rheinlandes. Düsseldorf, 1984
- Richard Mohr: Zur Geschlechtsbestimmung nestjunger Kernbeißer(Coccothraustes coccothraustes). Journal of Ornithology, Volume 115, Nummer 1/Januar, 1974
- Mountfort: The Hawfinch. London, 1957
- K. Warga: Berauschte Kirschkernbeißer. Aquila 1925-1926, S. 296, 1926
- W. Wüst: Die Brutvögel Europas. München, 1970
- V. Ziswiler: Zur Kenntnis des Samenöffnens und der Struktur des hörnernen Gaumens. Journal für Ornithologie Nr.1, 1965
Weblinks
- Videos, Fotos und Tonaufnahmen zu Coccothraustes coccothraustes in der Internet Bird Collection
- Eintrag bei der Schweizerischen Vogelwarte
- Eintrag im Project Wildbird
- Eintrag bei den British Garden Birds
- Eintrag bei der RSPB
- Coccothraustes coccothraustes in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2008. Eingestellt von: BirdLife International, 2008. Abgerufen am 30. Januar 2009
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