Computer-implementierte Erfindungen

Computer-implementierte Erfindungen

Der Begriff computerimplementierte Erfindung (CIE) wurde im Juni 2000 in einer gemeinsamen Studie der Patentämter von Europa, Japan und der USA geprägt[1] und bezeichnet Anspruchsgegenstände von Softwarepatenten. Demnach ist eine computerimplementierte Erfindung durch Gegenstände der folgenden Art gekennzeichnet:

"… Computer, Computernetzwerke oder andere herkömmliche programmierbare digitale Vorrichtungen, wobei die neuen Eigenschaften der beanspruchten Erfindung augenscheinlich durch ein neues Programm oder Programme bewirkt werden."

Der Begriff "computer-implementierte Erfindung" wird hauptsächlich von Befürwortern dessen verwendet, was seine Gegner "Softwarepatente" nennen. Letztere sehen in CIE im wesentlichen Computerprogramme im Kontext von Patentansprüchen, also genau diejenigen Gegenstände, bei denen es sich nicht um Erfindungen im Sinne des Gesetzes (Artikel 52 EPÜ, § 1 PatG) handelt. Sie lehnen daher den Begriff "CIE" als irreführend ab.

Das Europäische Patentamt (EPA) erteilt seit einer bahnbrechenden Entscheidung seiner Technischen Beschwerdekammer von 1998 ("IBM Program Product" T 1173/97) Programmansprüche, bei denen unmittelbarer Gegenstand des Patentbegehrens ein "Computerprogramm, dadurch gekennzeichnet, dass…" ist. Auch diese Ansprüche richten sich laut EPA-Doktrin noch immer nicht auf die von Artikel 52 EPÜ ausgeschlossenen "Programme für Datenverarbeitungsanlagen" als solche. Das EPA führt dazu in der genannten Entscheidung aus, dass ein Computerprogramm-Anspruch – ebenso wie ein Verfahrens- oder Erzeugnisanspruch – genau dann zulässig ist, wenn sein Gegenstand eine "weitere technische Wirkung" aufweist, die über eine "normale physikalische Wechselwirkung zwischen Programm und Computer" hinausgeht. Diese "weitere technische Wirkung" besteht bei CIE typischerweise im Einsparen von Rechenzeit oder Speicherplatz, sie liegt also auf dem Gebiet der Datenverarbeitung.

Das EPA bezeichnet allerdings auch solche Anspruchsgegenstände als CIE, bei denen es keine "weitere technische Wirkung" und keinen "technischen Beitrag" feststellen konnte. Der Begriff "Erfindung" hat in der neuen Systematik des EPA, insbesondere seit der Entscheidung "Controlling Pension Benefits System" von 2000, seine frühere abgrenzende Bedeutung verloren. Jeder mit Computermerkmalen ausgestattete Anspruchsgegenstand ist demnach von vorneherein eine Erfindung im Sinne des Artikel 52 EPÜ. Statt einer getrennten Erfindungsprüfung gemäß Artikel 52 wird im Rahmen der Prüfung auf "erfinderische Tätigkeit" (Artikel 56 EPÜ) gefragt, ob die CIE eine "weitere technische Wirkung" aufweist.

Die neue EPA-Doktrin wurde 2002 Inhalt eines Vorschlages der Europäischen Kommission für eine Richtlinie "über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen", der im September 2003 und erneut im Juni 2005 vom Europäischen Parlament abgelehnt wurde. Die Gegenvorschläge der Parlamentsmehrheit forderten die Wiederherstellung der früheren Gesetzesauslegung. In den "21 Kompromissvorschlägen" des Berichterstatters Michel Rocard vom Juni 2005, die die Unterstützung einer parteiübergreifenden Parlamentsmehrheit fanden, wird der Begriff "CIE" verworfen und teilweise durch "computergestützte Erfindung" (CGE) ersetzt. CGEs sind demnach "Erfindungen auf dem Gebiet der angewandten Naturwissenschaften" und nicht der Datenverarbeitung als solcher.

Das Parlament konnte sich jedoch im Rahmen des EU-Gesetzgebungsverfahrens nicht gegen den Rat und die Kommission durchsetzen. Das EPA hält weiterhin an der Doktrin seiner Technischen Beschwerdekammer fest und verteidigt sie aktiv. Seit etwa Juni 2005 betreibt es eine Webkampagne für CIE[2] und gibt dazu eine Broschüre heraus.

Weiterführende Links

Einzelnachweise

  1. Report on Comparative Study Carried Out Under Trilateral Project B3b, Appendix 6
  2. http://www.epo.org/focus/issues/computer-implemented-inventions.html
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