- Contra-Motor
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Der Boxermotor ist eine Bauform des Verbrennungsmotors mit einer stets geraden Zylinderzahl. Die Zylinder oder auch Zylinderbänke sind dabei einander gegenüberliegend (Bankwinkel 180°) und etwas versetzt zueinander angeordnet (siehe Abbildung). Der Unterschied zum 180°-V-Motor liegt in der Kurbelwellenkröpfung: Beim Boxermotor sind die Hubzapfen von einander gegenüberliegenden Zylinder um 180° zueinander versetzt. Die Kolben dieser Zylinder befinden sich stets im gleichen Hub.
Technisch betrachtet ist der Boxermotor eine Sonderform des V-Motors, mit einem Bankwinkel von 180° sowie einem Kurbelwellenkröpfungsversatz von 180°. Nur als solcher wird der Motor als Boxermotor und nicht als V-Motor bezeichnet, obgleich umgangssprachlich auch verschiedene 180°-V-Motoren als Boxermotor bezeichnet werden (z. B. Ferrari Berlinetta Boxer oder Testarossa). Auch der Motor der Zündapp KS 750 mit einem Zylinderwinkel von 170° wird unzutreffenderweise als Boxermotor bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Erfunden wurde der Boxermotor von Carl Benz im Jahre 1896. Er nannte ihn „Contra-Motor“, da sich die beiden Zylinder gegenüber befanden, und wurde erstmals 1897 in das Modell „Dos à Dos“ der Benzwerke eingebaut.
Vor- und Nachteile
Die Vorteile dieser Anordnung gegenüber der eines konventionellen Reihenmotors sind u. a. ein gleichmäßigerer Motorlauf und eine flache, kurze Bauweise, bei allerdings mehr Bauteilen. Zudem ist z. B. bei einem Vierzylinder-Boxermotor eine dreifach gelagerte Kurbelwelle (gegenüber Fünffachlagerung) wegen der kurzen Bauweise und des günstigeren Kraftflusses ausreichend, da weniger mechanische Beanspruchungen wie z. B. Spannungen oder Schwingungen auftreten. Durch die verhältnismäßig kurze Kurbelwelle sowie das Fehlen der bei Reihen- und V-Motoren mitunter nötigen Ausgleichswelle sind die rotierenden Massen gering, was sich in einer geringeren Trägheit des Motors auswirkt. Die luftgekühlte Variante eines solchen Motors war bei Fahrzeug-Konstrukteuren sehr beliebt, da sich mehr Zylinder im direkten Luftstrom befanden. Auch der VW Käfer und der Citroën 2CV sind mit einem Boxermotor ausgestattet. Moderne wassergekühlte Boxer-Motoren mit vier oder sechs Zylindern fließen bei Subaru in die Gesamtkonzeption des Allrad-Antriebs ein, und sie sind nach wie vor in fast allen aktuellen Porsche-Modellen eingesetzt. Die Bauweise ermöglicht einen sehr tiefen Schwerpunkt des Fahrzeugs.
Der wohl größte Nachteil des Boxermotors liegt aus Sicht der Fertigungstechnik im höheren Material- und Werkzeugeinsatz, der sich im Vergleich zum Reihenmotor bei der Serienfertigung deutlich in Mehrkosten niederschlägt. Ein weiterer Nachteil liegt darin, dass Boxermotoren sich wegen ihrer großen Baubreite schlecht für den Quereinbau eignen.
Verwendung von Boxermotoren bei Volkswagen
Der meistgebaute Boxermotor weltweit ist der luftgekühlte Vierzylinder, der in den 1930er-Jahren für den VW Käfer entwickelt und in verschiedenen Varianten bis Anfang der 1970er-Jahre in fast allen VW-Modellen verwendet wurde. Die Produktion dieser Motoren endete 2003 zusammen mit der Herstellung des VW Käfer in Mexiko. Der Motor wird in den meisten Trikes bis heute (2007) verwendet.
Der VW-Bus T2 (in Deutschland von 1967 bis 1979 gebaut) war in Brasilien mit luftgekühltem Boxermotor bis zum Jahresende 2005 in Produktion. Die aktuelle Fertigung wurde auf wassergekühlte Motoren umgestellt.
Ab Ende 1982 wurden in Deutschland in den VW-Bus T3 neben den bewährten luftgekühlten Motoren auch wassergekühlte Varianten („Wasserboxer“, WBX) eingebaut. Die leistungsstärksten waren bereits mit einer elektronischen Zündung und Benzineinspritzung ausgestattet (Digifant mit Kat und 95 PS bzw. Digijet ohne Kat und 112 PS). Wegen der aufwendigen Führung der Wasserrohre zwischen den beiden Zylinderköpfen und der Verbindung zum Frontkühler waren diese Wagen jedoch störungsanfälliger als ihre luftgekühlten Vorgänger. Deshalb wurde 1992 – zwei Jahre nach Einführung des frontgetriebenen VW-Bus T4 – die Produktion der VW-Boxermotoren in Deutschland nach über 50 Jahren eingestellt.
Verwendung von Boxermotoren bei anderen Fahrzeugherstellern
Der Citroën 2CV (Ente) und dessen verwandte Modelle hatten einen luftgekühlten Zweizylinder-Boxer. Dies gilt auch für die holländischen DAF-Modelle 33 und 44, die für ihre stufenlose Automatik bekannt waren. Auch die Kleinwagenmodelle von Steyr-Puch (500, 650T [R]), die in den 1960er-Jahren Erfolge im Motorsport erzielten, sowie der Geländewagen Haflinger waren mit luftgekühlten Zweizylinder-Boxermotoren ausgerüstet, ebenso die legendären Fahrzeuge des französischen Herstellers Panhard, die aus einem Einliter-Zweizylinder-Boxermotor bis zu 70 PS schöpften. Der Citroën GS verfügte über einen hochmodernen luftgekühlten Vierzylinder. Ebenfalls legendär sind die luftgekühlten Porsche-Motoren mit vier und sechs Zylindern, die in den Baumustern 356 und 911 eingesetzt wurden. Zu nennen sind schließlich die Boxer-Motoren, die Alfa Romeo Anfang der Siebziger bis Ende der Neunziger in seinen Modellen Alfasud, Alfa Romeo 33, Alfa Romeo Arna sowie Alfa Romeo 145 bzw. 146 eingesetzt hatte. Tatra (Automobil) baute luftgekühlte Achtzylinder-Boxermotoren für Pkws. Lancia verwendete wassergekühlte Vierzylinder-Boxermotoren von 1960 bis 1984 in den Frontantriebsfahrzeugen Lancia Flavia, Lancia 2000 und Lancia Gamma, eine Gesamtproduktion von über 110.000 Pkw.
Weitere Fahrzeughersteller experimentierten mit Boxermotoren und setzten sie teilweise auch ein. Heute werden (wassergekühlte) Boxermotoren sehr erfolgreich von Porsche und Subaru eingesetzt. Die Subaru-Boxer werden auch beim Subaru-Derivat Saab 9-2X verwendet. Subaru baut seit 2008 den ersten Pkw-Dieselboxer mit Direkteinspritzung und Turboaufladung.
Auch Achtzylinder- und Zwölfzylinder-Boxermotoren wurden realisiert, meist jedoch nur für Rennzwecke. In den 1960er-Jahren experimentierte man in der Formel 1 auch mit „Doppelboxer“-Motoren: die englischen BRM-Rennwagen hatten eine Zeit lang zwei Achtzylinder-Boxermotoren in einem Gehäuse übereinander vereint mit insgesamt 16 Zylindern; beide separate, übereinanderliegende Kurbelwellen waren mit einem Zahnradsatz verbunden.
Unter den Motorrädern ist der luftgekühlte Zweizylinder von BMW sehr bekannt. Die Bayerischen Motorenwerke waren allerdings nicht die ersten, die einen Boxermotor für Motorräder bauten. Der erste BMW-Motorrad-Boxermotor war ein Einbaumotor für die Victoria-Werke in Nürnberg und orientierte sich stark am Vorbild der englischen Douglas. Der 750er BMW-Boxermotor (Seitenventiler) der von 1938 bis 1941 gebauten BMW R 71 wird bis heute vom chinesischen Hersteller Chang-Jiang mit wenigen Veränderungen nachgebaut. Auch die russischen Motorradmarken Dnepr und Ural sind mit 2-Zylinder Boxermotoren ausgerüstet, die auf dem Motor der BMW R 71 und ihrer Nachfolgemodelle basieren. Besonders als Motorradgespanne sind sie in Deutschland bekannt und dank ihres vor einigen Jahren noch bemerkenswert günstigen Preises und ihrer Wartungsfreundlichkeit verbreitet.
Im Zweiten Weltkrieg stellte Zündapp das Gespann KS 750 mit 2-Zylinder-Viertaktmotor her, dessen Zylinder in 170-Grad-Stellung angeordnet sind. Obwohl jeder Kolben seinen eigenen Hubzapfen hat, handelt es sich dabei um einen V-Motor; weil dieser jedoch fast so flach wie ein Boxermotor ist, wird er oft - fachlich falsch - als solcher bezeichnet. Nach dem Kriege baute Zündapp den legendären „grünen Elefanten“ KS 601 mit 2-Zylinder-Boxermotor.
Im Motorradbau gibt es weitere Beispiele für die Verwendung von Boxermotoren. In der Honda GoldWing wurde zunächst ein wassergekühlter Vierzylinder-Boxermotor, später ein Sechszylinder-Boxer verwendet.
Auch im Motorsport und als Industriemotor zum Antrieb von Feuerlöschpumpen, Mähdreschern oder als Hilfsantrieb in Obussen findet der Volkswagen Boxermotor Verwendung.
Flugmotoren
Im Sportflugzeugbau ist der luftgekühlte Boxermotor wegen der guten Kühlung der beiden im Luftstrom liegenden Zylinderbänke noch immer der am häufigsten verwendete Antrieb. Hersteller sind z. B. Lycoming, Rotax und Limbach. Für Kleinflugzeuge stellte auch Porsche Boxermotoren her. Bereits 1943 stattete das Porsche-Konstruktionsbüro einen Motorsegler mit einem 33-PS-VW-Motor aus, der im Rumpf hinter der Pilotenkanzel eingebaut war und dem kleinen Flugzeug zu einer Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h verhalf. 1959 zeigte Porsche bei der Deutschen Industrie-Messe in Hannover Flugmotoren auf der Basis des Porsche 356. Diese 4-Zylinder-Boxermotoren mit der Typnummer 678 hatten einen Hubraum von 1582 cm³ und leisteten je nach Ausführung 50 bis 75 PS. Abweichend vom Sportwagenmotor hatten sie Doppelzündung mit zwei Zündkerzen je Zylinder und Trockensumpfschmierung. Die Motoren waren luftgekühlt, je nach Ausführung entweder durch Fahrtwind oder Gebläse. Im September 1983 brachte Porsche den vom Typ 911 abgeleiteten 6-Zylinder-Boxermotor PFM 3200 heraus, dessen Produktion jedoch schon 1990 eingestellt wurde.
Literatur
- Jan Trommelmans: Das Auto und seine Technik. 1. Auflage, Motorbuchverlag, Stuttgart, 1992, ISBN 3-613-01288-X
- Hans Jörg Leyhausen: Die Meisterprüfung im Kfz-Handwerk Teil 1. 12 Auflage, Vogel Buchverlag, Würzburg, 1991, ISBN 3-8023-0857-3
- Peter A. Wellers, Hermann Strobel, Erich Auch-Schwelk: Fachkunde Fahrzeugtechnik. 5. Auflage, Holland+Josenhans Verlag, Stuttgart, 1997, ISBN 3-7782-3520-6
- Richard van Basshuysen, Fred Schäfer: Handbuch Verbrennungsmotor Grundlagen, Komponenten, Systeme, Perspektiven. 3. Auflage, Friedrich Vieweg & Sohn Verlag/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden, 2005, ISBN 3-528-23933-6
Weblinks
- http://boxermotor.com/ - Weitere Informationen zur Technik und Automobilen mit Boxermotor
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