- Crush-Intubation
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Die Rapid Sequence Induction (RSI) ist eine Sonderform der Narkoseeinleitung. Sie kommt zur Anwendung, wenn für den Patienten ein erhöhtes Risiko besteht, an Mageninhalt zu ersticken oder infolge der pulmonalen Aspiration eine lebensbedrohliche Lungenentzündung zu erleiden. Typische Risikokonstellationen sind u.a. nicht nüchterne Patienten, fortgeschrittene Schwangerschaft, ausgeprägtes Übergewicht und starke Blutungen im oberen Verdauungstrakt; ein extremes Risiko liegt bei Darmverschluss ("Ileus") vor, so dass die Technik häufig als "Ileuseinleitung" bezeichnet wird.
Zweck der RSI ist es, die Zeitspanne vom Bewusstseinsverlust (mit Aussetzen der Schutzreflexe wie Husten oder Schlucken) bis zur Sicherung des Atemweges vor aufsteigendem Mageninhalt (durch die endotracheale Intubation) so kurz wie möglich zu halten (rapid sequence induction: schneller Ablauf der Narkoseeinleitung). Der Ausdruck rührt daher, dass die normale Abfolge (Sequenz) der Intubation verkürzt und bestimmte Schritte übersprungen werden.
Inhaltsverzeichnis
Technik der Rapid Sequence Induction
Zur Verringerung des Regurgitationsrisikos erfolgt die RSI bevorzugt in Oberkörperhochlage (30 ° - 45 °) des Patienten. Insbesondere wenn Darmverschluss vorliegt, wird so früh wie möglich - das heißt beim wachen Patienten mit erhaltenen Schutzreflexen - eine Magensonde gelegt, um den Mageninhalt zu minimieren; diese wird jedoch direkt vor der Narkoseeinleitung entfernt, damit der Magen nach oben optimal schließen kann.
Wie bei jeder Narkoseeinleitung wird der Patient zunächst ausgiebig präoxygeniert, d.h. er inhaliert reinen Sauerstoff über eine Beatmungsmaske, wodurch die stickstoffreiche Luft in den Lungen weitgehend durch reinen Sauerstoff ausgetauscht wird ("Denitrogenisierung"). Aus dem so geschaffenen Sauerstoffvorrat kann sich der Körper mehrere Minuten versorgen, wenn zu Beginn der Narkose die Atmung aussetzt.
Um im Notfall rasch Mageninhalt aus dem Rachen entfernen zu können, muss eine laufende Absaugvorrichtung mit großlumigem Absaugkatheter bereit gehalten werden.
Ein Assistent führt den Sellick-Handgriff durch: Mittels Druck auf den Ringknorpel wird die dahinterliegende Speiseröhre komprimiert, was Regurgitation verhindern soll (die Wirkung ist umstritten[1]). Die Atmung wird durch den Druck nicht behindert.
Nun werden in rascher Folge die Narkosemedikamente injiziert:
- Ein Hypnotikum, z.B. Etomidat
- meist ein Opioid, z.B. Fentanyl, und
- ein schnellwirkendes muskelerschlaffendes Mittel (Relaxans), z.B. Succinylcholin oder Rocuronium.
Die Wahl der Medikamente kann nach Indikation und Lehrmeinung wechseln.
Der Patient schläft innerhalb von wenigen Sekunden bis zu einer knappen Minute ein. Die Atmung und die Schutzreflexe setzen aus: Wenn nun Mageninhalt in den Rachen gerät, kann sich der Patient nicht vor Ersticken oder Einatmen desselben schützen. Der Patient wird nun sofort intubiert; am Ende des Atemschlauches in der Luftröhre wird eine Manschette aufgeblasen, die verhindert, dass Blut, Speichel oder Mageninhalt neben dem Tubus in die Lunge geraten können. Der Atemweg ist somit gesichert. Mit Abschluss der RSI kann die Narkose normal fortgesetzt werden.
Unterschied zur üblichen Einleitungstechnik
Während der Anästhesist vor einer 'normalen' Intubation nach dem Einschlafen zunächst prüft, ob eine Maskenbeatmung problemlos möglich ist, dann das Relaxans gibt und den Patienten so lange mit Gesichtsmaske beatmet, bis die Muskulatur gut erschlafft ist, wird dieser Schritt der sogenannten "Zwischenbeatmung" bei der RSI übersprungen. Dies geschieht, weil durch Maskenbeatmung Luft in den Magen gelangen kann, wodurch eine Regurgitation von Mageninhalt begünstigt würde.
Wahl der Medikamente, Applikation und Nebenwirkungen
Das Einleitungshypnotikum muss schnell injiziert werden. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass dieses Medikament nicht titriert werden kann, und es einer guten Einschätzung der Dosis bedarf, um unnötige Blutdruckabfälle zu vermeiden, bei ausreichender Gabe zur Erreichung optimaler Intubationsbedingungen. Klassischerweise wird Thiopental verwendet, aber auch Propofol und Etomidate können verwendet werden. Während Propofol eine bessere Blockierung des Intubationsreizes bietet, ist der Blutdruckabfall ausgeprägter als bei Thiopental. Etomidate kann bei hämodynamisch instabilen Patienten verwendet werden. Fentanyl oder ein anderes Opioid als Adjuvanz führt ebenfalls zu einer Minderung des Intubationsreizes, ist jedoch als alleiniges Medikament unzureichend.
Direkt nach dem Hypnotikum wird ein schnellwirksames Muskelrelaxans injiziert, um optimale Intubationsbedingungen zu schaffen. Klassischerweise erfolgt die Muskelrelaxation mit dem schnell wirkenden Succinylcholin (Suxamethonium), bei Kontraindikation gegen Succinylcholin mit einem nichtdepolarisierenden Muskelrelaxans, vorzugsweise Rocuronium. Rocuronium hat eine etwas langsamere Anschlagszeit, und den Nachteil bei Dosierungen von 3 bis 4 mal ED 95, entsprechend 0,9 bis 1,2 mg * kg -1 der längeren Wirkdauer.
Weitere Maßnahmen zur Senkung des Aspirationsrisikos
Sollte eine Beatmung notwendig werden, so kann durch eine Begrenzung des Atemwegdrucks auf 15 - 20 cm H2O eine Insufflation vermindert werden. Dies kann durch Krikoiddruck auf Werte bis zu 45 cm H2O gesteigert werden. So ist zum Beispiel für Kinder die nicht intravenös eingeleitet und präoxygeniert werden können, eine Zwischenbeatmung notwendig.
Mit Einsetzen des Bewusstseinsverlusts kann durch Druck auf den Ringknorpel des Kehlkopfs der Ösophagus komprimiert (Krikoiddruck) werden, wodurch das Risiko einer passiven Regurgitation von Mageninhalt weiter vermindert werden soll. Es besteht jedoch die Gefahr von schlechteren Intubationsbedingungen[2]. Direkt nach Einsetzen der Muskelrelaxation (durch die Relaxometrie überprüft) wird der Patient mit einem Endotrachealtubus intubiert. Ist der Würgreflex noch nicht oder nicht ausreichend blockiert, so kann es zum Erbrechen führen. Zur Erleichterung der Intubation kann ein Führungsstab verwendet werden. Ebenso kann es hilfreich sein, verschiedene Spatel und Tubusgrößen in Bereitschaft zu haben. Nach Feststellung der korrekten Lage des Beatmungstubus durch Kapnometrie wird der Krikoiddruck aufgehoben.
Zum Entleeren des Magens kann nach Intubation erneut eine Magensonde gelegt werden. Das senkt das Aspirationsrisiko bei der Extubation.
Risiken der RSI
Während durch RSI das Risiko einer Aspiration gesenkt werden soll, wird durch das Vorgehen das Risiko in Kauf genommen, eine cannot-ventilate-cannot-intubate (CVCI) Situation hervorzurufen. Im Einzelfall, insbesondere bei dringenden Hinweisen auf schwierige Atemwegsverhältnisse, wird der Anästhesist im Sinne einer Risikoabwägung daher vom beschriebenen Vorgehen abweichen.
Kinder
Für kleine Kinder und Neugeborene wird wegen der nicht gut möglichen Präoxygenierung eine vorsichtige Maskenbeatmung ohne Krikoiddruck durchgeführt.
Synonyme Bezeichnung der RSI
- Blitzeinleitung, Blitzintubation
- Sturzintubation
- Schnelleinleitung
- Notfalleinleitung
- Nicht-Nüchterneinleitung
- Ileus-Einleitung
Der Begriff "Crush-Intubation"
Während früher im angloamerikanischen Sprachraum der Ausdruck Crash-Induction für eine Notfalleinleitung verwendet wurde, war im deutschen Sprachraum der Ausdruck Crush-Induction oder Crush-Intubation weit verbreitet. Dieser Ausdruck ist ein schönes Beispiel für einen Scheinanglizismus, einen englischen Ausdruck, den es im angloamerikanischen Sprachraum nicht gibt.
Literatur
- Larsen, Reinhard: Anästhesie, 6. Auflage. - München;Wien;Baltimore: Urban und Schwarzenberg, 1999; ISBN 3-541-11006-6
- Bartusch O, Finkl M, Jaschinski U: Aspirationssyndrom - Epidemiologie, Pathophysiologie und Therapie. Anaesthesist, 25. April 2008
- David T. Neilipovitz, Edward T. Crosby: No evidence for decreased incidence of aspiration after rapid sequence induction, in: Canadian Journal of Anesthesia 54, 9, 2007, S. 748-764 Abstract, http://www.cja-jca.org/cgi/content/full/54/9/748
Einzelnachweise
- ↑ May, Practice makes perfect? Evaluation of cricoid pressure task training for use within the algorithm for rapid sequence induction in critical care. in: Emergency medicine Australasia : EMA; 2007;19 (3):207-12
- ↑ Alstrøm HB, Cricoid pressure a.m. Sellick in rapid sequence intubation?, in: Ugeskrift for laeger; 2007;169 (24):2305-8 (Dänisch; engl. Abstract: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17594844?ordinalpos=12&itool=EntrezSystem2.PEntrez.Pubmed.Pubmed_ResultsPanel.Pubmed_DefaultReportPanel.Pubmed_RVDocSum
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