- Acrylsäureamid
-
Strukturformel Allgemeines Name Acrylamid Andere Namen - Propensäureamid
- 2-Propenamid
- Acrylsäureamid
Summenformel C3H5NO CAS-Nummer 79-06-1 Kurzbeschreibung farblose Kristalle [1] Eigenschaften Molare Masse 71,08 g·mol−1 Aggregatzustand fest
Dichte 1,03 g·cm−3 [1]
Schmelzpunkt Siedepunkt 241 °C [1]
Dampfdruck Löslichkeit Sicherheitshinweise Gefahrstoffkennzeichnung aus RL 67/548/EWG, Anh. I [2] Giftig (T) R- und S-Sätze R: 45-46-20/21-25-36/38-43-48/23/24/25-62 S: 53-45 MAK Für krebserzeugende Stoffe wird generell kein Wert vergeben [1]
WGK 3 (stark wassergefährdend) [1] Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. Das Acrylamid gehört zur chemischen Gruppe der Amide. In reiner Form ist es ein weißes, geruchloses, kristallines Pulver, das in Wasser, Ethanol und Ether löslich ist.
Inhaltsverzeichnis
Herstellung
Die Herstellung von Acrylamid erfolgt durch Hydrolyse von Acrylnitril mit Kupferkatalysatoren oder durch enzymatische Hydrolyse.
Verwendung
Acrylamid wird zur Herstellung von Polymeren und Farbstoffen verwendet. Unvernetzte (Co)Polymere von Acrylamid sind meist wasserlöslich und werden als Stabilisatoren oder Flockungsmitteln in viele Anwendungen, beispielsweise in der Abwasseraufbereitung, Papierherstellung verwendet. Quervernetzte Polyacrylamide sind nicht löslich und quellen in Wasser nur noch auf; sie werden als Trägermaterial bei der Gelelektrophorese (SDS-PAGE) genutzt. Quervernetzte Copolymere von A. und Acrylsäure werden als Superabsorber eingesetzt, z.B. in Windeln.
Biologische Bedeutung
Details zum Acrylamid-Stoffwechsel sind noch nicht erforscht. Bekannt sind aus Tierversuchen jedoch zwei Wirkungsweisen: So greift es einmal direkt die DNA an, zum anderen wird es von Leberenzymen in Glycidamid umgesetzt. Diesem reaktiven Stoff wird eine noch größere genotoxische Wirkung zugeschrieben. Acrylamid wie auch Glycidamid bilden Verbindungen mit Aminosäuren und Nukleinbasen und können so die Struktur und Funktion von beispielsweise der DNA und des Hämoglobin verändern. Im Tierversuch wurde die Weitergabe der erbgutverändernden Wirkung auch an Tochtergenerationen beobachtet.
Acrylamid in Lebensmitteln
Acrylamid ist seit April 2002 in den Schlagzeilen, nachdem es bereits im Jahre 1999 von schwedischen Wissenschaftlern in verschiedenen Lebensmitteln (insbesondere in stärkehaltigen und stark erhitzten Lebensmitteln, wie etwa Pommes frites) gefunden wurde[3].
Die Medizinische Hochschule Hannover stellte in einer Studie allerdings fest, dass bei Menschen, die häufiger acrylamidhaltige Lebensmittel essen, kein beziehungsweise nur ein irrelevant erhöhter Acrylamidspiegel im Körper im Vergleich zu anderen Personen feststellbar ist. Demnach wären die Auswirkungen von acrylamidhaltigen Lebensmitteln viel geringer als bisher einzuschätzen[4].
Entstehung in Lebensmitteln
Es entsteht in der Maillard-Reaktion bei Überhitzung von Stärke, insbesondere beim Backen, Braten, Rösten, Grillen und Frittieren. Der wichtigste Ausgangsstoff für Acrylamid in Lebensmitteln ist die Aminosäure Asparagin, die vor allem in Kartoffeln und in Getreide vorkommt. Gefördert wird die Acrylamidbildung durch Zucker wie z. B. Fructose und Glucose.
Besonders viel Acrylamid entsteht, wenn kartoffel- und getreidehaltige Lebensmittel trocken über 180 °C erhitzt werden. Die Acrylamidbildung beginnt allerdings bereits bei 120 °C, steigt jedoch bei 170–180 °C sprunghaft an. Hierbei reicht auch eine dünne, trockene Schicht, wie beispielsweise die gebräunte Oberfläche von Pommes Frites oder eine Brotkruste. Und so enthalten Knäckebrot, Pommes Frites, Kartoffelchips, aber auch Kaffee, teilweise hohe Mengen an Acrylamid. Für die Kartoffel ist zu beachten, dass sich eine Lagerung unter 8 °C bezüglich Acrylamid ungünstig auswirkt: Es ist bekannt, dass bei Lagertemperaturen von 4 °C der Gehalt an Fructose stark ansteigt, was beim Braten und Frittieren zu übermäßiger Acrylamidbildung führt. Die Lagerung der Kartoffeln außerhalb des Kühlschranks ist deshalb ratsam.
Will man auf die trockene Erhitzung von Lebensmitteln nicht verzichten (→ Rohkost), ist eine gänzlich acrylamidfreie Ernährung momentan technisch nicht möglich. Ein Grenzwert wurde aufgrund der noch nicht ausreichenden Erkenntnisse zur gesundheitlichen Wirkung bislang für Lebensmittel nicht festgesetzt. Es werden jedoch jährlich Signalwerte durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit ermittelt, auf deren Grundlage die zuständigen Behörden der Bundesländer mit Herstellern besonders hoch belasteter Produkte in einen Dialog zur Minimierung der Produkte treten. Beispielsweise bei Kartoffelchips beträgt dieser Signalwert 1.000 Mikrogramm pro Kilogramm. In einem Test der Zeitschrift Ökotest lag von 28 getesteten Produkten eines über dem Signalwert für Acrylamid[5].
Es ist möglich, die Acrylamidbildung durch eine Änderung von Rezepturen und Herstellungsverfahren zu reduzieren. In vielen Fällen kann bereits eine Absenkung der Höchsttemperatur beim Backen um 10–20 °C oder der Austausch von oder Verzicht auf einzelne Zutaten die Bildung von Acrylamid verringern. So hat das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit einen hohen Anteil an Mandeln und vor allem das Backtriebmittel Ammoniumhydrogencarbonat (früher: Ammoniumbicarbonat, auch: Hirschhornsalz) als Hauptproblem bei Lebkuchen ausgemacht. Nach Weglassen der Mandeln und Verwendung von Natron (Natriumhydrogencarbonat, früher: Natriumbicarbonat) in der Kombination mit Dinatriumdihydrogendiphosphat und Dicalciumphosphat als Triebmittel fiel der Acrylamidgehalt auf ein Zehntel des vorherigen Wertes. Allerdings können sich diese Maßnahmen (zum Teil in erheblichem Maße) nachteilig auf das Aroma und die Konsistenz auswirken.
Neben diesen Maßnahmen zur Reduzierung der Acrylamidbildung (optimierte Rohstoffauswahl und Behandlung sowie Veränderung vorhandener Verfahrensschritte) ist auch die Entwicklung neuartiger Prozesstechniken denkbar, wie beispielsweise der Einsatz der Vakuumfrittiertechnik bei der Kartoffelchipsproduktion. [6] Das gleiche Verfahren führt jedoch bei anderen Produkten zu unerwünschten Nebeneffekten: So saugen sich beispielsweise Pommes Frites während des Vakuumfrittierens mit Öl voll und verlieren damit ihre Appetitlichkeit.
Gefährlichkeitsmerkmale
Acrylamid ist eingestuft als krebserzeugend, erbgutverändernd, giftig, reizend, sensibilisierend und fortpflanzungsgefährdend. [7] Es hat die UN-Nummer 2074.
Acrylamidrechenprogramm
Eine annähernde Berechnung der individuell aufgenommenen Dosis bei Eingabe der Essgewohnheiten ermöglicht das BfR-Acrylamidrechenprogramm des Bundesinstituts für Risikobewertung. [8]
Literatur
- Anonymus: Acrylamid in Lebensmitteln - ernstes Problem oder überschätzte Gefahr?. In: Umweltmedizin in Forschung und Praxis. 5/7/2002, S. 288, ISSN 1430-8681
- Thomas Schettgen, Hans Drexler, Jürgen Angerer: Acrylamid in der deutschen Allgemeinbevölkerung - eine Abschätzung der täglichen Aufnahme. In: Umweltmedizin in Forschung und Praxis. 6/7/2002, S. 331–336, ISSN 1430-8681
- S. Madle, L. Broschinski, O. Mosbach-Schulz, G. Schöning, A. Schulte: Zur aktuellen Risikobewertung von Acrylamid in Lebensmitteln. In: Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz. 46/2003, S. 405–415, ISSN 1436-9990
- Chip companies settle acrylamide lawsuit in California
Quellen
- ↑ a b c d e f g h Eintrag zu Acrylamid in der GESTIS-Stoffdatenbank des BGIA, abgerufen am 28.12.2007 (JavaScript erforderlich)
- ↑ Eintrag zu CAS-Nr. 79-06-1 im European chemical Substances Information System ESIS
- ↑ http://www.das-eule.de/eulenspiegel0206_editorial.html
- ↑ Pressemeldung der Medizinischen Hochschule Hannover: Acrylamid im Blut: Rolle des Ernährungsverhaltens unklar
- ↑ Ökotest 7/2008, S. 22-26
- ↑ www.wissenschaft.de: Wie Schwefel im Boden Acrylamid im Brot verringert
- ↑ Industrial and Laboratory Chemicals - Merck Chemicals: Suchfunktion: Acrylamid.
- ↑ Bundesinstitut für Risikobewertung: Expositionsabschätzung Acrylamid.
Siehe auch
Weblinks
Wikimedia Foundation.