DNA-Massenscreening

DNA-Massenscreening
Speicheltest

Die DNA-Reihenuntersuchung (auch DNS-Reihenuntersuchung, Massengentest, genetischer Massentest, Reihengentest, DNA-Massenscreening) ist in der Regel die Feststellung von genetischen Fingerabdrücken der Angehörigen einer Bevölkerungsgruppe durch eine DNA-Analyse. Zur Ermittlung eines Täters, von dem DNA-Spuren vorliegen, kann sie freiwillig oder auf richterliche Anordnung durchgeführt werden.

Inhaltsverzeichnis

Rechtliche Grundlage

Gesetzliche Grundlage für Massengentests ist in Deutschland § 81h Strafprozessordnung (StPO), der am 1. November 2005 in Kraft trat; jedoch wurden auch schon vorher umfangreiche Massengentests ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage durchgeführt (etwa Ronny Rieken). Die Proben und die daraus gewonnenen Daten müssen bei Nichtübereinstimmung mit der Spuren-DNA vernichtet werden; insbesondere dürfen die Daten nicht in der DNA-Analysedatei gespeichert werden. Die Teilnahme an einem solchen Massengentest nach § 81h StPO ist freiwillig, niemand kann dazu gezwungen und aus der Weigerung zur Teilnahme darf kein Verdacht geschlossen werden. Wegen der begrenzten Freiwilligkeit muss das Verfahren richterlich angeordnet werden.

Testverweigerung

Als Testverweigerer werden üblicherweise Personen bezeichnet, die von der Polizei gebeten wurden, freiwillig an einem Massengentest teilzunehmen, dies aber nicht tun möchten.

Testverweigerer darf die Staatsanwaltschaft nicht allein wegen der Verweigerung der Teilnahme als Verdächtige und damit als Beschuldigte einstufen. Andernfalls würde sowohl gegen die Unschuldsvermutung als auch gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1996 festgestellt:

„Dabei hätten die Verweigerung der Blutentnahme und die Einlegung der Beschwerde mit der Behauptung, die Maßnahme sei als nicht gegen Beschuldigte gerichtete ‚Massenfahndung‘ unrechtmäßig, nicht als ein den Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer begründendes oder bestärkendes Indiz gewertet werden dürfen; das ergibt sich aus dem allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsatz, daß das Gebrauchmachen von einem gesetzlich eingeräumten Rechtsbehelf nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden darf.“

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 27. Februar 1996, Az. 2 BvR 200/91, abgedruckt in: Neue Juristische Wochenschrift 1996, S. 1587

Gleiches gilt für die Verweigerung der Teilnahme an einem rein freiwilligen, nicht erzwingbaren Massengentest. Eine abweichende Behördenpraxis wäre also klar verfassungswidrig.

Kritik

Verletzung der informationellen Selbstbestimmung

Kritisiert wird an diesem Verfahren, dass der Bürger entgegen der Unschuldsvermutung gezwungen werde, seine Unschuld zu beweisen, und dessen Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung beeinträchtigt werde.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar erklärte Ende Juli 2006, ein Massen-Gentest, bei dem sehr viele völlig Unschuldige einbezogen werden, dürfe nicht zur Standardmaßnahme der Polizei werden.[1] Der stellvertretende Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Wilfried Albishausen, bezeichnete die Äußerungen Schaars als „Effekthascherei“ und warf ihm vor: „Sie verunsichern ungerechtfertigt die Bevölkerung und behindern eine effektive Strafverfolgung zur Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger“.[2]

Umkehr der Unschuldsvermutung

Praktisch ist es so, dass Personen, die in das üblicherweise sehr weite Fahndungsraster passen, entweder „freiwillig“ an dem Gentest teilnehmen oder von der Polizei auf ein Alibi überprüft werden. Falls sie kein absolut sicheres Alibi vorlegen können, wird ein Anfangsverdacht unterstellt und ein Beschluss des Amtsgerichts zur zwangsweisen Teilnahme beantragt, der üblicherweise bewilligt wird. Personen, die zur Teilnahme aufgefordert wurden, aber nicht auffindbar sind, werden zur Fahndung ausgeschrieben.

Eine echte Freiwilligkeit der Teilnahme in dem Sinne, dass man nach der Aufforderung der Polizei, an dem Gentest teilzunehmen, frei entscheiden kann, teilzunehmen oder nicht teilzunehmen, ist nicht gegeben. Man hat nur die Wahl, entweder eine Freiwilligkeitserklärung zu unterschreiben und teilzunehmen oder ein Alibi vorzulegen. Wenn man kein sicheres Alibi nachweisen kann, muss man mit der Behandlung als Beschuldigter wegen eines schweren Verbrechens rechnen. Es wird daher kritisiert, dass die ausdrückliche Behauptung der Polizei und Staatsanwaltschaft, die Teilnahme am Massengentest sei freiwillig, eine Täuschung der Öffentlichkeit sei, und dass die Androhung von polizeilichen (Vor-)Ermittlungen und eines gerichtlichen Zwangsbeschlusses für den Fall, dass man nicht „freiwillig“ teilnimmt, eine Nötigung darstelle.

Kritisiert wird ferner, dass die Gerichte häufig zu großzügig bei der Bestätigung eines Anfangsverdachts sind und dass sie dabei ihren Ermessensspielraum einseitig zugunsten der Staatsanwaltschaft auslegen. Dabei ist es problematisch, dass der Begriff des Anfangsverdachts gemäß § 152 Abs. 2 StPO („zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“) nur vage definiert ist.

Kritiker befürchten außerdem, dass durch die zunehmende Durchführung von Massengentests in immer größerem Umfang und mit Zwangsmaßnahmen gegenüber unbeteiligten Bürgern das Vertrauen der Bürger in die Polizei und Justiz abnehmen und in eine Ablehnung umschlagen könnte.

Ferner werden auch die Medien kritisiert, die die Frage der Freiwilligkeit und den Ablauf der Tests ungeprüft und einseitig anhand der Aussagen der Polizei und Staatsanwaltschaft darstellen. Über die Anzahl und die Hintergründe von Testverweigerern wird dagegen vergleichsweise wenig berichtet.

Mangelnde Freiwilligkeit in der Praxis und Druck auf Untersuchungsverweigerer

Insbesondere wird eine durch die Praxis der Behörden entstehende Unfreiwilligkeit oftmals kritisiert. Da die Teilnehmer für einen Massengentest auf Basis von Vermutungen wie beispielsweise dem vermuteten Wohnort des Täters ausgewählt werden, besteht nicht einmal ein Anfangsverdacht gegen irgendeinen der vorgesehenen Teilnehmer. Trotzdem werden diese Personen unter einen Vorverdacht als „potentielle Tatverdächtige“ gestellt und müssen entweder ihre Unschuld beweisen oder polizeiliche Ermittlungen über sich ergehen lassen.

Da ein aufwendiger und teurer Massengentest jedoch wenig erfolgversprechend wäre, wenn jede zur Teilnahme aufgeforderte Person, insbesondere der gesuchte Täter, ohne weitere Konsequenzen die Teilnahme einfach ablehnen könnte, versuchen Polizei und Staatsanwaltschaft in der Praxis, auf Testverweigerer Druck auszuüben und Verdachtsgründe zu finden, um sie zu einer Testteilnahme zu bewegen.

Beim Massengentest in Bochum (siehe Beispiele) wurde schon im Informationsblatt der Polizei für den Fall einer Testverweigerung eine Beschuldigtenvernehmung angedroht: „Sind Sie nicht mit dieser Maßnahme einverstanden, können Sie im Rahmen einer Beschuldigtenvernehmung einen Alibinachweis vorlegen.“ Es wurde ein Fall bekannt, wo die Polizei beim Arbeitgeber nach einem Alibi gefragt hatte.[3] Gegen Personen, die kein ausreichend sicheres Alibi vorlegten, wurden Beschlüsse des Amtsgerichts Bochum erwirkt, die eine zwangsweise Entnahme einer Speichelprobe gemäß § 81a StPO („körperliche Untersuchung des Beschuldigten“), bei Widerstand ersatzweise einer Blutprobe, anordneten. Es wurde also ohne nähere Untersuchung ein Tatverdacht angenommen, der wie folgt begründet wurde: „Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen treffen bestimmte äußere Merkmale, wie etwa Alter, Größe, Wohnort, Bewegungsmuster, Antreffort, wobei bereits eines dieser allgemeinen Merkmale ausreichend sein kann, auf den Betroffenen zu.

Beim Massengentest in Dresden erklärte der Dresdener Oberstaatsanwalt Christian Avenarius im Juli 2006, dass niemand zum Beschuldigten werde, wenn er sich dem Gentest verweigere. Die Teilnahme sei absolut freiwillig, und niemand werde zum Beschuldigten, wenn er die Teilnahme verweigere. In solchen Fällen würde man sich aber die Person genauer ansehen und auch das Umfeld des Betreffenden überprüfen. Ergebe sich daraus kein Anfangsverdacht, werde auch nicht ermittelt.[4].

Gegen einen Beschluss des Amtsgerichts zur zwangsweisen Teilnahme am Massengentest kann kostenlos Widerspruch eingelegt werden, über den das übergeordnete Landgericht zu entscheiden hat. Dabei muss dieses die individuellen Verdachtsgründe genauer untersuchen und entscheiden, ob ein Anfangsverdacht gemäß § 152 Abs. 2 StPO („zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“) vorliegt. Für dessen Bejahung kann es nach Ansicht mancher Gerichte schon ausreichen, dass man in das Fahndungsraster der Polizei (etwa Geschlecht, Wohnort, Alter, Größe) passt.

In Bochum 2003 wurden Testverweigerer in Leserbriefen der Lokalpresse auch als unsozial dargestellt, die ihr eigenes Interesse über das der Opfer und der Gesellschaft stellten.

Dieser soziale Druck führte in einigen erfolgreichen Fällen dazu, dass der Täter auch ohne Gerichtsbeschluss am DNA-Test teilnahm.

Hohe Kosten bei zweifelhafter Effizienz

Da in den meisten Fällen nicht sicher ist, dass der gesuchte Täter sich unter den vorgesehenen Testteilnehmern befindet, ist auch der Erfolg eines Massengentests nicht gesichert. Daraus ergibt sich die Gefahr, dass bei einem negativen Testverlauf versucht wird, den Teilnehmerkreis eventuell mehrfach weiter zu vergrößern, um den bis dahin investierten hohen personellen und finanziellen Aufwand durch einen Fahndungserfolg zu rechtfertigen. Aber auch durch weitere Vergrößerungen des Teilnehmerkreises kann ein Fahndungserfolg nicht garantiert werden, während der Aufwand und damit die Kosten weiter steigen und immer mehr Unschuldige unter Teilnahmedruck gesetzt werden, um ihre Unschuld zu beweisen. Es ist unklar, wo schließlich eine Grenze für den Teilnehmerkreis gezogen werden soll.

Gefahr des Datenmissbrauchs

Kritisch wird auch die Frage betrachtet, ob die im Rahmen von Massengentests mit hohem personellen und finanziellen Aufwand ermittelten genetischen Daten einer Vielzahl von Bürgern tatsächlich unwiderruflich gelöscht oder vielleicht anderweitig verwendet werden. Wegen des hohen Wertes der Daten besteht die Gefahr, dass Begehrlichkeiten entstehen und die Daten missbraucht werden könnten. Es ist nicht grundsätzlich auszuschließen, dass die Daten beispielsweise von eigenen oder fremden Geheimdiensten ausspioniert werden könnten. Auch könnte die Begehrlichkeit entstehen, die mit hohem Aufwand ermittelten Daten nicht zu löschen, sondern offiziell oder inoffiziell für die Aufklärung anderer Straftaten aufzubewahren.

Verschlimmerung der Tat

Es wird außerdem die Gefahr gesehen, dass durch den zunehmenden Einsatz der DNA-Analyse als Fahndungsmittel Straftäter veranlasst werden könnten, eventuelle DNA-Spuren zu vernichten, indem sie beispielsweise den Tatort in Brand setzen und dadurch die Tat verschlimmern.

Unsicherheit als Beweismittel

Die Ergebnisse der Reihenuntersuchung sind als unmittelbares Beweismittel zu relativieren: Die erstellten Muster kommen statistisch bei 100.000 Menschen einmal vor, in jeder größeren Stadt also mehrfach.

Wissenschaftliche Untersuchungen

Zu den größten DNA-Reihenuntersuchungen für wissenschaftliche Zwecke, die über die Fragmentlängenanalyse weit hinaus gehen, gehört die Untersuchung des Genpools der Bevölkerung Islands. Die Ergebnisse wurden im Februar 1998 durch Hoffmann-La Roche von deCODE Genetics für 200 Mio. USD erworben.

Im Jahre 2007 untersuchten Anthropologen der Universität Göttingen die DNA von 300 Einwohnern des Kreises Osterode, um sie mit dem Genmaterial von etwa 40 Skeletten zu vergleichen, die 1993 in der Lichtensteinhöhle bei Förste gefunden wurden und etwa 3.000 Jahre alt sind. [5]

Beispiele

Deutschland

  • 1997: Untersuchung von 750 Haltern eines Porsches in München zur Aufklärung eines Mordfalles. Die Zulässigkeit der Untersuchung wurde vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Jedoch war kein Porschefahrer der Täter: Verurteilt wurde 2003 der Ehemann der Putzfrau des Opfers.[6]
  • März 1998: Untersuchung von 16.000 Männern zwischen 18 und 30 Jahren in Niedersachsen. Der Sexualmord an einem 11-jährigen Mädchen in Lorup wurde hierdurch aufgeklärt.
  • Herbst 2000: nach dem brutalen Mord an einem elfjährigen Schüler in Weil im Schönbuch wurden 12.400 Speichelproben genommen. Die Tat ist bis heute ungeklärt.
  • 2002: Rund 1.300 junge Frauen wurden von der Staatsanwaltschaft Regensburg zu einem Massengentest geladen, um den Tod eines neugeborenen Mädchens aufzuklären, das im Sommer 2000 tot im Main-Donau-Kanal beim niederbayrischen Essing aufgefunden wurde. Dies war die erste kriminalistische DNA-Reihenuntersuchung an Frauen in Deutschland. Die Mehrzahl der Frauen beteiligte sich freiwillig an der Untersuchung; die Tat konnte dadurch allerdings nicht aufgeklärt werden. Gegen zwölf Frauen, die nicht freiwillig teilnehmen wollten, erwirkte die Staatsanwaltschaft Regensburg beim Amtsgericht Zwangsbeschlüsse. Dagegen legten drei Frauen beim Landgericht erfolgreich Beschwerde ein. Nach Ansicht des Landgerichts Regensburg reicht es für einen Anfangsverdacht nicht aus, dass die Frauen zum Tatzeitpunkt in einem bestimmten Alter waren und in der Nähe des Fundortes der Babyleiche wohnten. Zudem konnten die Frauen weitere Unterlagen vorlegen, die gegen eine Täterschaft sprachen. So war eine der Frauen laut einem ärztlichen Attest noch Jungfrau. Nach dieser Entscheidung des Landgerichts Regensburg vollstreckte die Staatsanwaltschaft auch die Beschlüsse des Amtsgerichts gegen die neun anderen Frauen nicht. [7] [8]
  • Herbst 2002: In der Nacht zum 11. August 2002 wurde im bayrischen Poing die 38-jährige Gudrun Wudy in ihrem Haus ermordet. Ende September wurden alle in Poing lebenden Männer (ca. 1.500) zu einem Massengentest aufgefordert. Die Kripo teilte mit, dass die Teilnahme an dem Speicheltest nicht bedeute, dass man als Tatverdächtiger oder Beschuldigter gilt. [9] Trotzdem wurden 14 Personen, die nicht freiwillig an dem Massengentest teilnehmen wollten, per richterlichem Beschluss zur Teilnahme gezwungen[10], wozu zumindest ein Anfangsverdacht vorliegen muss. Die Anzahl der Proben wurde auf 2300 ausgeweitet. Das Ergebnis war negativ. Im März 2003 wurde der Massengentest auf alle Männer im Alter von 14 bis 45 Jahren, die im Umkreis von fünf Kilometern rund um den Tatort wohnten (ca. 10.000), ausgeweitet, da die Polizei sicher war, dass der Täter über sehr gute Ortskenntnisse im Neubaugebiet „Am Bergfeld“ verfügte und aus dem näheren Umfeld der Toten kommt. [11] Auch dieser Massengentest verlief negativ. Der Täter wurde schließlich im Oktober 2003 gefasst, weil er die Tat gefilmt hatte, seine Ex-Freundin das Video sah und ihn nach längerer Bedenkzeit der Polizei meldete. Er wohnte in München, hatte keinen Bezug zum Opfer und war nach Ansicht von Gutachtern seelisch schwer gestört.[12]
  • September 2003: Untersuchung an 10.000 männlichen Personen in Bochum-Querenburg und 600 Männern in Sprockhövel zur Aufklärung von 20 Vergewaltigungen zwischen Januar 1994 und Juli 2002 in Sprockhövel, Bochum, Witten und Dortmund. Der Täter wurde nicht ermittelt.
  • November 2004: Seit dem 6. April 2004 wurden in Bayern neun Briefbomben verschickt, von denen eine zündete und eine Sekretärin leicht verletzte. Die anderen Briefbomben zündeten nicht.[13] Die Polizei vermutete zunächst, dass es sich bei dem Täter um einen Mann im Alter zwischen 40 und 60 Jahren aus dem Raum Passau handelte und sammelte im Rahmen eines freiwilligen Massengentests zwischen April und November etwa 1600 Speichelproben [14]. 28 Männern, die keine Speichelprobe abgeben wollten, sollte auf Grund von Gerichtsbeschlüssen zwangsweise DNA-Material abgenommen werden [15]. Nachdem diese Untersuchungen erfolglos verliefen und DNA-Spuren auf dem Umschlag der sechsten Briefbombe mit DNA-Spuren von einem zwei Jahre zurückliegendem Einbruch in ein Gasthaus in Hutthurm übereinstimmten, wurden alle 2300 Männer im Alter zwischen 16 und 70 Jahren aus dem Umkreis von Hutthurm von der Kripo verdächtigt und zu einem zweiten Massengentest eingeladen [14][13]. „Wer nicht kommt, wird von der Polizei nochmal aufgesucht“, erklärte der LKA-Sprecher. Jeder habe zwar das Recht, die Speichel-Entnahme zu verweigern, doch sei dann mit einem Gerichtsbeschluss zu rechnen.[16] Am 26. November 2004 sprengte sich der 22-jährige Johann Lang aus dem Hutthurmer Ortsteil Ramling mit einer selbstgebauten Bombe auf einem Feld in die Luft. Er war sofort tot. Er hatte eine Einladung zur freiwilligen Teilnahme an dem Massengentest erhalten und sollte an diesem Tag eine Speichelprobe abgeben. Eine der Leiche entnommene DNA-Probe belegte, dass es sich um den gesuchten Attentäter handelte. [17] Der Massengentest wurde daraufhin sofort eingestellt [18].
  • Juni 2006: Untersuchung an bis zu 100.000 männlichen Personen zwischen 25 und 45 Jahren zwischen Coswig und Dresden zur Aufklärung von Vergewaltigungen an zwei minderjährigen Mädchen (6. September 2005, 10. Januar 2006). Es handelt sich um die größte Massenuntersuchung in der deutschen Kriminalgeschichte. Die Massenuntersuchung verlief ergebnislos. Knapp zwei Jahre später (18.Juni 2008) konnte der mutmaßliche Vergewaltiger auf Grund klassischer Polizeiarbeit festgenommen werden. Die zu ihm führenden Spuren waren allesamt vor Beginn des Massentests bekannt, wurden aber erst danach ausgewertet.
  • April 2007: Untersuchung in Velbert an 580 männlichen Personen im Alter zwischen 20 und 60 Jahren, die in einer bestimmten Zeit Mitglied in einem bestimmten Fitnessstudio waren. Ziel war die Aufklärung eines Morddeliktes; das Ergebnis steht noch aus. Die freiwillige Teilnahme an der Untersuchung war zunächst relativ gering.[19] Daraufhin kündigte die Polizei an, den Personen, die noch keine Speichelprobe abgegeben hatten, „ein erneutes Angebot zur freiwilligen Abgabe einer Speichelprobe zu machen, damit diese nicht im engeren Fokus der weiteren polizeilichen Ermittlungen verbleiben.“[20]
  • Juli 2008: Zur Aufklärung am Mord an Jennifer Schlicht in Hattingen-Blankenstein wurden über 500 Tests durchgeführt, weitere sollen folgen. [21]
  • August 2008: Untersuchung in Heinsberg an 1100 männlichen Personen im Alter zwischen 16 und 60 Jahren, die in der Umgebung von Randerath, Horst und Porselen wohnen. Ziel war die Aufklärung eines Morddeliktes; das Ergebnis steht noch aus. Die freiwillige Teilnahme an der Untersuchung war zunächst relativ groß.[22]
  • November 2008: Im Nordsaarland starteten die Fahnder den größten Massengentest, der bislang in diesem Bundesland durchgeführt wurde, um den Hochwald-Mörder zu überführen. Die Fahnder wollten den Mann finden, der 1962 bei Bielefeld die 13-jährige Schülerin Lydia Schürmann und 1970 die Prostituierten Heiderose Berchner im Raum Ulm umgebracht hat. Verschiedene Briefe an Presse und Polizei hatten die Ermittler auf die Spur ins Nordsaarland geführt[23]. Durch einen Zeugenhinweis wurde aber ein 34-jähriger Mann ermittelt, der die Briefe geschrieben und sich das Wissen über die Morde aus der Presse angeeignet hatte.[24]
  • Januar 2009: Im Landkreis Ludwigsburg wird bei Verkehrskontrollen routinemäßig nach einer freiwilligen Abgabe des genetischen Fingerabdrucks gefragt. Der Gentest per Speichelprobe bei Verkehrskontrollen soll zur Fahndung nach der Polizistenmörderin von der Heilbronner Theresienwiese dienen[25]. Im März 2009 stellte sich heraus, dass Wattestäbchen, die bei der Spurensicherung verwendet wurden, verunreinigt waren und es die Phantom-Mörderin in dieser Form nicht gab[26].

Andere Länder

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Quellen

  1. Streit über Massengentests. In: Netzeitung, 31. Juli 2006.
  2. Kriminalbeamte kritisieren Äußerungen des Bundesdatenschützers zu Massen-Gentests. In: heise.de, 1. August 2006.
  3. Gentest mit zu vielen Verdächtigen. In: taz Nr. 7126, 9. August 2003, Seite 7.
  4. Massengentest in Sachsen. In: FAZ, 15. Juli 2006.
  5. Eine Stadt sucht ihren Ur-Opa In: Spiegel, 11. Februar 2007
  6. Ursula Knapp: Eine abgelehnte Speichelprobe macht noch keinen Tatverdacht. In: Frankfurter Rundschau Online, 17. Juli 2006.
  7. Ermittlung zu Babymord: Landgericht Regensburg erklärt Zwangsuntersuchung bei Massen-Gentest für unzulässig. In: Donau-Post, 14. Februar 2003.
  8. Gericht erklärt Zwangsuntersuchung bei Massen-Gentest für unzulässig (aol-Newsbote, 14.02.2003, GeNPost)
  9. Mordfall Wudy: 1500 Männer zum Speicheltest. In: Merkur online, 13.09.2002.
  10. Speicheltest: Ein Mann fehlt. In: Merkur online, 13. September 2002.
  11. Zweiter Speicheltest im Fall Wudy. In: Merkur online, 18. März 2003.
  12. Angeklagter legt Teilgeständnis ab. BR online, 27. Oktober 2004.
  13. a b Briefbomben-Attentäter. In: BR online, 26. November 2004.
  14. a b Ein ganzes Dorf steht unter Verdacht. In: Die Welt, 26. November 2004.
  15. Briefbomben-Serie in Bayern geht weiter. In: Die Welt, 11. November 2004.
  16. „Wir schaffen 90 Speichel-Entnahmen pro Stunde“: Nach Briefbombenserie in Bayern beginnt das LKA in Niederbayern mit einem DNA-Test an 2300 Männern. Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung, 26. November 2004.
  17. Briefbomber sprengte sich in die Luft. In: Die Welt, 27. November 2004.
  18. Briefbomben-Attentäter. In: BR online, 26. November 2004.
  19. Kaum Resonanz bei DNA-Test nach Mord. Rheinische Post online, 19. April 2007.
  20. Mord an Stewardess: Polizei geht in Offensive. RP online, 24. April 2007.
  21. WAZ, 14. Juli 2008
  22. KMassengentest nach Frauenmord. Rheinische Post online, 02.08.2008.
  23. Polizei startet Massen-Gentest im Hochwald Saarbrücker Zeitung vom 06. November 2008
  24. Briefeschreiber gefasst - Hochwaldmörder nicht ermittelt Lawgical vom 21. November 2008
  25. Gentest am Straßenrand wird Routine Ludwigsburger Kreiszeitung vom 05. Januar 2009
  26. "Eine sehr peinliche Geschichte" Spiegel Online vom 26. März 2009

Literatur

  • Thomas Hombert: Der freiwillige genetische Massentest - Verfassungsrechtliche Zulässigkeit und Grenzen unter Darstellung des Falls Christina Nytsch. 2003, ISBN 3898738191
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