Dampflokomotive Bauart Garratt

Dampflokomotive Bauart Garratt
Werkfoto der K1, der ersten Garratt

Die Bauart Garratt ist eine spezielle Bauart von Dampflokomotiven mit zwei separaten Triebwerkseinheiten, welche durch einen Brückenrahmen, der Dampfkessel und Führerstand trägt, verbunden sind.

Der Name Garratt geht auf den Ingenieur Herbert William Garratt zurück, der zusammen mit der Firma Beyer, Peacock & Co. in Manchester diese Bauart der Lokomotiven entwickelte. Die erste Garratt, die TGR-Klasse K der Tasmanian Government Railways, wurde 1909 für die North-East Dundas Tramway in Tasmanien ausgeliefert.

Technische Merkmale

Prinzipieller Aufbau einer Garratt

Die Garratt-Dampflokomotive wurde unter der Anforderung entwickelt, auf Strecken mit leichtem Oberbau und engen Bögen genügend Zugkraft für schwere Züge aufzubringen. Dazu wurden Garratts mit zwei separaten Fahrwerken mit jeweils eigener Dampfmaschine gebaut. Das vordere Fahrwerk wurde unter einem vorausfahrenden Rahmen mit Wasserkasten montiert, das hintere Fahrwerk unter dem hinteren Tender mit einem weiteren Wasserkasten und dem Treibstoffbehälter. Der Kessel einschließlich des Führerhauses stützte sich auf einem brückenartigen Rahmen mit dessen Enden über Drehzapfen auf den beiden Fahrwerken ab. Wegen dieser Bauweise und aufgrund der dadurch begünstigten tiefen Kessellage kann der Kessel vollkommen frei und ohne Behinderungen durch Treibräder und Rahmenkomponenten hinsichtlich thermischer und wartungstechnischer Eigenschaften optimal gestaltet werden:

  • Großer Durchmesser, zahlreiche und enge Heizrohre
  • Tiefe Feuerkiste mit frei zugänglichem Aschkasten
  • Allseits gerade Stehkesselwände, dadurch Vorteile bei Herstellung und Wartung

Die Bauarten Mallet und Meyer sind hinsichtlich dieser Merkmale vergleichsweise im Nachteil. Problematisch ist bei Garrat-Maschinen wegen des Wasserkastens auf dem vorderen Laufwerk der Zugang zur Rauchkammer und zu den Kesselrohren, gelegentlich auch die Streckensicht des Personals.

Durch die besonders günstige und thermisch effektive Kesselkonstruktion der Garratt-Bauart, welche auch insbesondere bei engen Lichtraumprofilen möglich ist, sowie durch die günstige Verteilung der Fahrzeugmasse auf viele Achsen und eine große Länge und nicht zuletzt die verglichen mit anderen Gelenkkonstruktionen hervorragenden Laufeigenschaften wurde die Konstruktion von äußerst leistungsfähigen Maschinen mit geringer Achslast möglich. Besonders bewährten sie sich auf den mit wenig Aufwand gebauten Strecken in den ehemaligen afrikanischen Kolonien. Nachteilig sind die nötigen beweglichen Dampfleitungen und die im Betrieb schwankende Reibungslast, die in dieser Form bei Schlepptenderlokomotiven der Regelbauart nicht auftritt.

Der Erfolg der Garratts ließ Konstrukteure bei Beyer Peacock von Super-Garratts mit jeweils einem Mallet-Triebwerkspaar unter jedem Tender träumen. Das Patent wurde erteilt, die Maschinen kamen allerdings nie über die Planungsphase hinaus.

Einsatzgebiete

Garratt-Lokomotiven waren vor allem in Afrika, Asien, Australien und Brasilien weit verbreitet. Hauptproduzent war Beyer, Peacock & Co., worauf sich auch die häufig verwendete Bezeichnung Beyer-Garratt erklärt. Unter Lizenz bzw. nach Ablaufen des Patents wurden sie auch von anderen Herstellern gebaut, u. a. von den Henschel-Werken in Kassel oder bei Cockerill-Sambre in Lüttich.

Heute sind Garratts hauptsächlich bei Museumsbahnen im Einsatz, zum Beispiel bei der Welsh Highland Railway oder bei der Schinznacher Baumschulbahn in der Schweiz. Die Staatsbahnen von Zimbabwe setzen allerdings noch einige Exemplare im Rangierbetrieb kommerziell ein.


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