De Gaulle

De Gaulle
Charles de Gaulle (1942)

Charles André Joseph Marie de Gaulle [ʃaʀl ɑ̃ˈdʀe ʒoˈzɛf maˈʀi dəˈgol] (* 22. November 1890 in Lille, Nord; † 9. November 1970 in Colombey-les-Deux-Églises, Haute-Marne) war ein französischer General und Politiker. Im Zweiten Weltkrieg führte er den Widerstand des Freien Frankreichs gegen die deutsche Besatzung an und war danach von 1944 bis 1946 Chef der Provisorischen Regierung. Im Zuge der Algerienkrise wurde er 1958 mit der Bildung einer Regierung beauftragt und setzte eine Verfassungsreform durch, mit der die Fünfte Republik begründet wurde, deren Präsident er von 1959 bis 1969 war. Gleichzeitig war er Kofürst von Andorra. Die auf ihn zurückgehende politische Ideologie des Gaullismus ist bis heute einflussreich in der französischen Politik.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft und Bildung

De Gaulle wuchs in einer gebildeten, katholischen, konservativen, aber sozial fortschrittlichen Intellektuellenfamilie in Lille auf: Sein Großvater war Historiker, seine Großmutter Schriftstellerin. Sein Vater, der an verschiedenen katholischen Privatschulen lehrte, bevor er seine eigene gründete, ließ ihn die Werke von Barrès, Bergson, Péguy und Maurras entdecken. Während der Dreyfus-Affäre distanzierte sich die Familie von konservativen, nationalistischen Kreisen und unterstützte den aus antisemitischen Gründen verurteilten Alfred Dreyfus. 1908 trat de Gaulle in die Militärschule Saint-Cyr ein, die er 1912 mit Diplom und Ernennung zum Leutnant verließ. Anschließend trat er in die französische Armee ein. Er wurde dem 33. Infanterieregiment in Arras zugeteilt, dessen Kommandeur seit 1910 Oberst Henri Philippe Pétain war.

Erster Weltkrieg

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurde er vom Leutnant zum Hauptmann befördert. Während seines ersten Gefechts bei Dinant wurde er am 15. August 1914 verwundet. Er kehrte dann zum 33. Infanterieregiment an die Champagne-Front zurück, um die 7. Kompanie zu befehligen. Am 10. März 1915 wurde er erneut während eines Gefechts verwundet. Er war entschlossen, weiterzukämpfen, und widersetzte sich seinen Vorgesetzten, indem er auf die feindlichen Gräben feuern ließ. Wegen dieses Akts des Ungehorsams enthob man ihn für acht Tage seiner Funktionen. Als ihm der Kommandeur des 33. Infanterieregiments anbot, sein Adjutant zu werden, hatte sich de Gaulle als fähiger Offizier, wiederholter Freiwilliger und durch seine Intelligenz und seinen Mut unter Beschuss hervorgetan.

Am 2. März 1916 wurde sein Regiment bei der Verteidigung des Dorfes Douaumont in der Flanke des Forts von Douaumont in der Nähe von Verdun vom Feind attackiert. Seine Kompanie wurde während des Gefechts fast vollständig vernichtet und die Überlebenden in einer Ruine eingeschlossen. Laut offiziellem Bericht versuchte de Gaulle daraufhin einen Ausbruch, wurde durch einen Bajonetthieb schwer verwundet und ohne Bewusstsein aufgefunden. Nach anderer Darstellung mehrerer Beteiligter ergab sich de Gaulle einer deutschen Einheit, ohne - angesichts der aussichtslosen Situation - einen Ausbruchsversuch unternommen zu haben. Von den Deutschen gefangen genommen, wurde er zunächst im Krankenlager gepflegt und dann interniert. Nach einem erfolglosen Fluchtversuch wurde er 1917 von der Festung Rosenberg (in Kronach) in die Festung von Ingolstadt in Bayern verlegt, ein für aufsässige Offiziere vorgesehenes Repressalienlager. 1918 kam er schließlich auf die Wülzburg bei Weißenburg in Bayern, aus der er im November 1918 entlassen wurde. Ein „jämmerliches Exil“ („lamentable exil“), mit diesem Ausdruck beschrieb er seiner Mutter sein Schicksal eines Gefangenen. Um die Langeweile zu ertragen, organisierte de Gaulle für seine Mitgefangenen umfangreiche Exposés über den Stand des laufenden Krieges. Seine fünf Fluchtversuche scheiterten alle an seiner Körpergröße, die ihn weithin für jeden sichtbar machte. Darüber hinaus unterstützte er mehrere teilweise erfolgreiche Fluchtversuche anderer inhaftierter Kameraden. Nach dem Waffenstillstand wurde er freigelassen. Er erhielt den französischen Ausbrecherorden. In der Gefangenschaft lernte er M. N. Tuchatschewski kennen, den er in französischer Sprache unterrichtete. Von den zweieinhalb Jahren der Gefangenschaft behielt er eine bittere Erinnerung und schätzte sich selbst als „Heimkehrer“ und Soldat ein, der nichts genützt hatte.

Während des polnisch-russischen Krieges von 1919 bis 1920 wurde er freiwillig Mitglied der französischen Militärmission in Polen und Infanterieausbilder der polnischen Armee. Er nahm an den Kämpfen am Fluss Zbrucz teil und erhielt dafür die höchste polnische Militärauszeichnung Virtuti Militari. Durch diese Kriegsteilnahme wurde seine spätere Taktik stark beeinflusst, die sich insbesondere durch schnelle Manöver, den Einsatz von Panzern und den Verzicht auf Schützengräben auszeichnete. Aufgrund seiner Erfahrungen in Polen, die sich von denen des Ersten Weltkrieges fundamental unterschieden, veröffentlichte er einige Bücher und Artikel zur Reorganisation der Armee, insbesondere „Vers l'Armée de Métier“, in denen er die damals neuen Ideen von mechanisierten Truppen und spezialisierten Panzerdivisionen auf der Grundlage eines Berufsheeres vorstellte, die im Gegensatz zu den statischen französischen Theorien seiner Zeit standen. Diese manifestierten sich in der Maginot-Linie. Während Heinz Guderian und der deutsche Generalstab die Schriften de Gaulles interessiert zur Kenntnis nahmen und sich in ihren eigenen Bestrebungen bestärkt sahen, lehnte Marschall Philippe Pétain die Ideen de Gaulles ab, weshalb das Verhältnis zwischen den beiden Militärs immer schroffer wurde. Nach seinem Einsatz in Polen hielt de Gaulle Vorlesungen an der Ecole militaire St. Cyr (1921) und der Ecole de guerre (1922 bis 1925), bevor er schließlich 1925 in den persönlichen Stab des Marschalls Pétain berufen wurde. Im Jahre 1928 sah er außerdem Deutschland wieder: Er diente in diesem Jahr bei den französischen Besatzungstruppen. 1929 bis 1931 besetzte er einen Posten in Beirut, damals französisches Mandatsgebiet. Von 1931 bis 1937 diente er im Generalsekretariat des Nationalen Verteidigungsrates, bevor er 1937 Kommandeur des 507ten Panzerregiments in Metz wurde.

Zweiter Weltkrieg

General de Gaulle und General Mast, Tunis 1943

Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, war de Gaulle Oberst. Am 14. Mai 1940 wurde ihm der Befehl über die neue 4. Panzerdivision (5.000 Mann und 85 Panzer) übertragen. Am 17. Mai führte er mit 200 Panzern ohne Luftunterstützung einen Gegenangriff Richtung Montcornet nordöstlich von Laon. Am 28. Mai hatte er mehr Erfolg, als seine Panzer die Deutschen bei Caumont zum Rückzug zwangen. Er war in der Phase der deutschen Invasion in Frankreich der erste und einzige französische befehlshabende Offizier, dem es gelang, die Deutschen zu einem Rückzug zu zwingen. Am 1. Juni hatte er den temporären Dienstgrad eines Brigadegenerals. Am 6. Juni ernannte Premierminister Paul Reynaud ihn zum Staatssekretär des Kriegsstaates und zum Verantwortlichen für die Koordination mit Großbritannien. Als Kabinettsmitglied lehnte er den Waffenstillstand ab, verließ Frankreich am 15. Juni und setzte nach Großbritannien über. Dort vereinbarte er mit Winston Churchill am 16. Juni eine britisch-französische Kooperation gegen Deutschland. Als er am Abend nach Bordeaux zurückkehrte, den provisorischen Sitz der französischen Regierung, schickte sich Marschall Philippe Pétain an, legal die Macht zu übernehmen. De Gaulle missbilligte die Politik Pétains, der den Waffenstillstand mit dem Deutschen Reich zu unterzeichnen bereit war, weshalb er Pétains Tun als illegitim ablehnte. Mit 100.000 Goldfranc aus einem geheimen Fonds Paul Reynauds ausgestattet, floh er am Morgen des 17. Juni 1940 an Bord eines Flugzeugs nach England. Er entkam auch der deutschen Luftwaffe.

Appell vom 18. Juni

Text des Aufrufs

Als sich de Gaulle vorbereitete, über BBC von London aus zum französischen Volk zu sprechen, wollte das britische Kabinett sich dem widersetzen, aber Winston Churchill unterstützte ihn. In Frankreich konnte man den Appell zuerst am 18. Juni 1940 um 19 Uhr hören. Er wurde in den Zeitungen des noch unbesetzten Südfrankreich abgedruckt und in den folgenden Tagen von der BBC wiederholt ausgestrahlt. Seit diesem Tag ist der Text eine der berühmtesten Ansprachen der Geschichte Frankreichs.

Ihr Kernsatz lautet: "Frankreich hat eine Schlacht verloren! Aber Frankreich hat nicht den Krieg verloren."

Das britische Kabinett hatte im Vorfeld dem französischen Innenminister Georges Mandel vorgeschlagen, sich nach England zu begeben und selbst einen Appell an die Franzosen zu richten. Mandel hatte durch seine wiederholten Mahnungen über die Bedrohungen durch das Deutsche Reich – und im Gegensatz zu seinem Freund und ehemaligen Ministerpräsidenten Léon Blum – charakterlich wie ein Staatsmann gewirkt. Mandel weigerte sich jedoch, Frankreich zu verlassen, um sich nicht dem Vorwurf der Desertion auszusetzen (er war Jude ebenso wie Blum) und empfahl, die Aufgabe de Gaulle zu übertragen.

Freies Frankreich

Charles de Gaulle begrüßt Kinder vor der Residenz in Tunis

Am 25. Juni 1940 gründete de Gaulle in London das Komitee „Freies Frankreich“ und wurde Chef der „Freien Französischen Streitkräfte“ (Forces Françaises Libres, FFL) und des „Nationalen Verteidigungskomitees“. Daraufhin wurde de Gaulle vom Kriegsrat der Vichy-Regierung im August 1940 wegen Hochverrats in Abwesenheit zum Tode verurteilt.

Die meisten Staaten erkannten das Vichy-Regime Marschall Pétains als die legitime Regierung Frankreichs an. Churchill bemühte sich zwar anfangs diplomatisch um das Vichy-Regime, unterstützte aber de Gaulle und ließ die in Nordafrika in Mers-el-Kébir unter dem Kommando von Pétains Marineminister Admiral François Darlan vor Anker liegende französische Kriegsflotte mit ungefähr 1.300 Mann an Bord zerstören. Mehrere französische Kolonialbesitzungen, vornehmlich in Afrika, darunter Kamerun und Tschad, später ab 1942 Diego Suarez auf Madagaskar und Dakar in Französisch-Westafrika unterstellten sich im Laufe des Krieges dem von de Gaulle organisierten Freien Frankreich, das von seinem Comité National Français regiert wurde. Er sorgte besonders dafür, dass Frankreich im Lager der Alliierten durch seine „Freien Französischen Streitkräfte“ (FFL), die an verschiedenen Fronten den Kampf fortsetzten, stets präsent blieb. U. a. stimulierte und förderte er dank Colonel Passy, Pierre Brossolette und besonders Jean Moulin die Résistance. Mit der Transformation zum „France combattante“, zum kämpfenden Frankreich strich er die politische Einheit des „France libre“ mit der „Résistance intérieur“ heraus.

De Gaulle gilt als Inkarnation Frankreichs während des Krieges. Er stützte sich seit Juni 1940 auf das Freie Frankreich und verteidigte fortdauernd die Interessen Frankreichs im Krieg und für die Zeit danach, was in seinem Ausspruch gipfelt, „Frankreich hat keine Freunde, es hat nur Interessen“. Er bekam von Churchill die Unterschrift für den „accord des Chequers“ (7. August 1940), nach dem Großbritannien die Integrität aller französischen Besitzungen und die „integrale Restauration und Unabhängigkeit und die Größe Frankreichs“ erhalten sollte. Außerdem erbot sich die britische Regierung, die Ausgaben des freien Frankreichs zu finanzieren, aber de Gaulle bestand darauf, dass die Summen rückzahlbare Vorschüsse und keine Spenden wurden, die später einen Schatten auf ihn und die Unabhängigkeit seiner Organisation werfen würden. Die genannten Summen wurden tatsächlich zurückgezahlt, noch vor dem Ende des Krieges. In Prinzipienfragen war de Gaulle unerbittlich.

General Charles de Gaulles Rede zur Bevölkerung Cherbourgs, 20. August 1944

Trotz des durch die Verträge zwischen Churchill und de Gaulle besiegelten Vertrauens waren die Beziehungen teilweise gespannt, aber niemals ungesund. Als Churchill mangels besserer Argumente de Gaulle vorwarf: „Aber Sie sind nicht Frankreich! Sie sind das kämpfende Frankreich, das haben wir alles schriftlich festgelegt“ erwiderte de Gaulle sofort: „Ich agiere im Namen Frankreichs. Ich kämpfe an der Seite Englands, aber nicht auf Rechnung Englands. Ich rede im Namen Frankreichs und bin ihm zur Rechenschaft verpflichtet.“ Churchill erwiderte daraufhin resignierend: „Ich hatte gehofft, mit Ihnen Seite an Seite zu kämpfen. Aber meine Hoffnungen wurden enttäuscht, denn wenn Sie so kämpferisch wie unzufrieden sind, gegen Deutschland, Italien und Japan zu kämpfen, wollen Sie bestimmt auch gegen England und Amerika kämpfen…“. De Gaulle rückte die Debatte zurecht, indem er präzisierte: „Ich fasse dies als einen Scherz auf, aber er ist nicht von bestem Geschmack. Falls es einen Mann gibt, über den sich die Engländer nicht beschweren können, dann bin wohl ich es.“ Die Beziehungen zu Franklin Delano Roosevelt waren problematischer, da der amerikanische Präsident kein Vertrauen in de Gaulle hatte. In der Tat verabscheuten sie sich. Ein Zitat von de Gaulle an Churchill erklärt in Teilen die französische Haltung angesichts der amerikanischen Arroganz: „Ich bin zu arm, um mich zu beugen.

Sieg

Trotz seines Ausschlusses von der anglo-amerikanischen Landung in Nordafrika (Operation Torch) durch Roosevelt und vor allem trotz dessen Unterstützung für Admiral François Darlan und General Henri Giraud, die nach der Landung in Nordafrika das diktatorische Vichy-Regime mit US-amerikanischer Duldung in Algier fortzusetzen suchten, gelang es de Gaulle im Mai 1943, in Algier Fuß zu fassen. Er schuf von dort das französische Komitee für die nationale Befreiung (CFLN), um die politischen Richtungen des befreiten Frankreichs zu vereinigen und stand alsbald an dessen Spitze. Das CFLN nahm im Juni 1944 den Namen Gouvernement provisoire de la République Française (GPRF) an und zog am 25. August 1944 in das befreite Paris ein.

Es gelang de Gaulle, eine alliierte Militärregierung für die besetzten Gebiete in Frankreich zu verhindern und schnell den freien Französischen Kräften die Regierungsgewalt für die befreiten Gebiete zu übertragen. In weiten Teilen der Bevölkerung wurde er als „Befreier“ gefeiert, obwohl er bei der Landung in der Normandie und dem folgenden Vormarsch der Alliierten keine militärische Rolle gespielt hatte. Auf der anderen Seite verstörte de Gaulle viele Résistants, als er sich nach dem Einmarsch in Paris nicht zuerst bei den Kämpfern der Forces françaises de l'intérieur (FFI), sondern bei den Gendarmes für ihre Unterstützung bedankte, die erst am letzten Tag die Seiten gewechselt hatten. Auch damit wollte er jede Auseinandersetzung unter den bewaffneten Franzosen vermeiden, die den Alliierten den Vorwand für eine Besatzungsregierung geliefert hätte. Gleichzeitig erklärte er mit seiner Rückkehr in das Kriegsministerium die Kontinuität der Dritten Republik und die Illegitimität des im Gefolge der Deutschen nach Sigmaringen geflohenen Vichy-Regimes.

De Gaulle wollte die Reinigung von der Kollaboration nicht den Siegermächten überlassen, sondern betrachtete dies als originäre Aufgabe der Franzosen. Am 4. April 1944 nahm das CFLN zwei kommunistische Kommissare auf. Am 27. November 1944 amnestierte de Gaulle den bei Kriegsbeginn in die Sowjetunion desertierten Generalsekretär der KPF Maurice Thorez und erreichte damit im Februar 1945 die Anerkennung Frankreichs durch die drei großen Alliierten als eine der zukünftigen Besatzungsmächte Deutschlands auf der Konferenz von Jalta. Anfang Dezember unterzeichnete de Gaulle einen auf zwanzig Jahre abgeschlossenen Hilfs- und Freundschaftsvertrag mit der UdSSR.

De Gaulle sprach sich bei der Befreiung für das Frauenwahlrecht aus. Diese Reform war nur einer von mehreren Aspekten der gaullistischen Reformen der Befreiung, insbesondere die Bewerkstelligung eines modernen, staatlichen Sozialsicherungssystems. De Gaulle führte seine Visionen in Bayeux am 16. Juni 1946 aus.

Unmittelbare Nachkriegszeit

Bereits am 16. Mai 1945 erreichte de Gaulle die Aufnahme Frankreichs in den Weltsicherheitsrat der UNO als ständiges Mitglied. Nach dem Krieg wurde er am 13. November 1945 zum Ministerpräsidenten der provisorischen Regierung ernannt, trat aber nach Meinungsverschiedenheiten mit den seit den Wahlen im Oktober das Parlament dominierenden Sozialdemokraten und Kommunisten am 20. Januar 1946 zurück, weil er die neu ausgearbeitete Verfassung der Vierten Republik missbilligte. Er verlangte eine stärkere Stellung des Staatspräsidenten in der Verfassung, während die Mehrheit in der Nationalversammlung die Macht beim Parlament konzentrieren wollte. Möglicherweise ging de Gaulle davon aus, dass man ihn in das Amt zurückrufen würde, was seine Position gestärkt hätte. Nachdem dies nicht geschah, gründete er 1947 eine politische Bewegung, die RPF (Rassemblement du Peuple Français), um auf diesem Weg eine neue Verfassung durchzusetzen. Als dies misslang, zog er sich 1953 nach Colombey-les-Deux-Églises zurück.

Algerienkrise

Im Anschluss an den Misserfolg der Vierten Republik in Französisch-Indochina und im Zuge der Algerienkrise und der daraus folgenden konstitutionellen Krise ließ sich de Gaulle vom Staatspräsidenten René Coty am 1. Juni 1958 zum Ministerpräsidenten nominieren und mit den von ihm geforderten weitreichenden Notstandsmachtbefugnissen für sechs Monate ausstatten. Er nutzte diese Gelegenheit, um eine neue Verfassung beschließen zu lassen. Im September nahm das Volk in einem Referendum die neue Verfassung mit 83 % an, wodurch die Fünfte Republik entstand. Alle Kolonien – Algerien wurde nicht als Kolonie, sondern Bestandteil der Republik betrachtet – konnten wählen, ob sie an der Abstimmung teilnehmen oder ihre sofortige Unabhängigkeit wählen wollten – unter Fortfall aller weiteren französischen Unterstützung. Alle Kolonien nahmen an dem Referendum teil – mit Ausnahme Guineas. Im November gewann de Gaulle die Parlamentswahlen und erhielt eine komfortable Mehrheit. Am 21. Dezember wurde er zum Präsidenten der Republik mit 78 % der Stimmen in indirekter Wahl gewählt.

Präsidentschaft der Republik

De Gaulle übernahm die Funktionen des Präsidenten der Republik am 8. Januar 1959. Er ergriff einschneidende Maßnahmen, um das Land zu revitalisieren, besonders mit der Einführung des neuen Franc (der 100 alten Francs entsprach). Er lehnte die Dominanz der USA und der Sowjetunion in der internationalen Szene ab, behauptete Frankreich als unabhängige Großmacht, die mit einer eigenen Nuklearschlagkraft ausgestattet wurde, die letztlich die Großbritanniens übertraf. Als Gründungsmitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) legte de Gaulle sein Veto gegen den Beitritt Großbritanniens ein. Was den Algerienkrieg betraf, merkte de Gaulle schnell, dass es nicht möglich war, ihn zu gewinnen, und unterstützte die Unabhängigkeit Algeriens. Diese Haltung provozierte starken Widerstand in einigen nationalistischen Gruppen, und de Gaulle sah sich gezwungen, Widerstände der „pieds-noirs“ in Algerien zu unterdrücken. Er wurde auch zur Zielscheibe von terroristischen Organisationen, wie der „Organisation de l'armée secrète“ (OAS). 1962 unterzeichnete er einen Waffenstillstand in Algerien (Abkommen von Evian) und ließ ein Referendum durchführen, das die Unabhängigkeit verfügte und im April 1962 in Kraft trat. Im April 1962 wurde der Premierminister Michel Debré durch Georges Pompidou ersetzt. Im September 1962 schlug de Gaulle vor, die Verfassung dahingehend zu ändern, den Präsidenten der Republik durch eine Direktwahl zu wählen. Die Reform der Verfassung trat trotz des Widerstandes des Parlaments in Kraft. Im Oktober votierte die französische Nationalversammlung für einen Misstrauensantrag gegen die Regierung Pompidous, aber der General lehnte die ihm vom Premierminister angebotene Demission ab und entschied sich, die Nationalversammlung aufzulösen. Aus den Neuwahlen ging die gaullistische Parlamentsmehrheit gestärkt hervor. Bei den Präsidentschaftswahlen am 5. und 19. Dezember 1965 setzte sich de Gaulle in der Stichwahl gegen François Mitterrand mit 55,2 % der Stimmen durch.

Außenpolitik

Staatsbesuch in Bonn im September 1962
de Gaulle und Adenauer, 1963

De Gaulle musste das Ende des Konflikts in Algerien abwarten, um seine Außenpolitik zu lancieren. In der Tat reduzierte die Bürde Algeriens („boulet algérien“) beträchtlich die französische Manövrierfähigkeit, und in der einen oder anderen Weise musste der Konflikt beendet werden. Die Politik der „nationalen Unabhängigkeit“ („l'indépendance nationale“) und der Lösung von „amerikanischer Bevormundung“ wurde danach verstärkt. Am 19. Dezember 1965 wurde er für ein weiteres Mandat von sieben Jahren zum Präsidenten der Republik wiedergewählt, jedoch erst im zweiten Wahlgang, bei der er in der Stichwahl gegen François Mitterrand mit 13.083.699 Stimmen bzw. 55,19 % gewann. Seine Gegner warfen ihm seinen Nationalismus vor und argumentierten mit der abgeschwächten wirtschaftlichen Konjunktur in Frankreich.

International förderte de Gaulle die Unabhängigkeit Frankreichs weiter: Er trat 1962 nachdrücklich für ein „Europa der Vaterländer“ unter der Führung Frankreichs ein, zu dem er neben den EWG-Staaten (ohne Großbritannien) Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Griechenland gewinnen wollte und nahm dafür den Rücktritt von Ministerpräsident Debré in Kauf. Er verurteilte die militärische Hilfe der USA an die Republik Vietnam gegen die vom Việt Minh geführte kommunistische Rebellion der selbstproklamierten Volksrepublik Vietnam und forderte die USA im Interesse eines dauerhaften Friedens zum Abzug ihrer Truppen auf. Er verurteilte ebenfalls den israelischen Gegenschlag gegen die ägyptische Blockade der Meerenge von Tiran während des Sechstagekriegs und die dauerhafte Besetzung des Gazastreifens und des Westjordanlands. Unter de Gaulle näherte sich der einst engste Verbündete Israels, Frankreich, der arabischen Welt, insbesondere Ägypten, aber auch Syrien und Libanon an, verhängte ein Waffenembargo gegen Israel, ließ die bereits bezahlten Mirage-Kampfflugzeuge nicht ausliefern und überließ es von da an den Amerikanern, Israel mit Waffen zu beliefern. Bis zur Präsidentschaft Jacques Chiracs war die israelkritische, proarabische Orientierung französischer Außenpolitik eine gaullistische Konstante.

1958 lehnte de Gaulle die Unterstellung der französischen Mittelmeerflotte unter das NATO-Kommando ab. 1964 beendete de Gaulle das amerikanische Projekt einer multilateralen Atomstreitmacht (MLF), welche, unter internationaler Kontrolle stehend, zum Schutze Europas eingesetzt werden sollte. Zwei Jahre später forderte de Gaulle Strukturänderungen der NATO und drohte mit dem Austritt. Nach einem Ultimatum, in dem er den Abzug der NATO-Truppen bzw. ihre Unterstellung unter französisches Kommando forderte, zog sich Frankreich 1966 aus der integrierten militärischen Kommandostruktur der NATO zurück, während es weiterhin Mitglied der atlantischen Allianz blieb. Gleichzeitig wurde das europäische NATO-Hauptquartier SHAPE von Rocquencourt (Yvelines) nach Brüssel verlegt. Am 14. Dezember 1965 erklärte de Gaulle: „Selbstverständlich kann man auf den Stuhl wie ein Zicklein springen und rufen: ‚Europa, Europa, Europa!‘ Aber das führt zu gar nichts und bedeutet gar nichts.“ Dennoch war es Europa, das den Rahmen seiner Ambitionen festlegte, ein Europa, das selbst vom „Atlantik bis zum Ural“ geht, einen Strich durch den provisorischen Eisernen Vorhang ziehend.

De Gaulle bei der Einweihung der Deutschen Botschaft in Paris (1968)

In der Tat war die Hauptstütze der französischen Außenpolitik die Annäherung an den anderen Schwerpunkt des Kontinents: Deutschland. Es war der alte Traum der französischen Diplomatie, den de Gaulle wiederholte, während er den „Angelsachsen“ den Rücken kehrte. Sein vertrauensvolles Verhältnis zu Konrad Adenauer und seine strategische Politik verhinderten den Revanchismus Georges Clemenceaus, der das ohnehin schwierige Verhältnis Frankreichs zu Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg vergiftet hatte. Gemeinsam betrieben de Gaulle und Adenauer die deutsch-französische Freundschaft, die mit einem deutsch-französischen Jugendwerk und zahlreichen Begegnungen gefördert wurde. Sie gipfelte im Élysée-Vertrag am 22. Januar 1963.

Insbesondere gegenüber Großbritannien zeigte sich de Gaulle in seinen politischen Positionen unnachgiebig. Für de Gaulle und übrigens auch für Churchill hatte Großbritannien lediglich seine „Hausaufgaben“ gemacht, und de Gaulle betrachtete Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg weder gegenüber London noch gegenüber Washington als „in ihrer Schuld“, wie dies US-Präsident George W. Bush bei der Feier anlässlich des 60. Jahrestages der Landung in der Normandie selbstverständlich annahm. Gerade um diese außenpolitische Freiheit zu besitzen, hatte de Gaulle seit seiner legendären Rede am 18. Juni 1940 während des Zweiten Weltkrieges soviel Wert auf die Teilnahme französischer Verbände an allen Phasen des Krieges gelegt. In seinen Augen hatte Frankreich sein Territorium auch aktiv selbst befreit und sich nicht passiv befreien lassen. De Gaulle war ein Mann von Prinzipien und die Position Großbritanniens als „Vasall“ der USA seit dem Zweiten Weltkrieg war für ihn albern und keine Frage der Akzeptanz eines „amerikanischen trojanischen Pferdes“ („cheval de troie américain“) in der Mitte Europas. Die Briten mussten also bis 1973 warten, bevor sie der Europäischen Union beitreten konnten.

Die Position de Gaulles angesichts der kommunistischen Welt war unzweideutig: Er war fanatisch anti-kommunistisch und prophezeite als erster den Fall dieses Systems. Seit seiner Rückkehr zur Macht 1958 urteilte er, dass die Bedrohung durch eine „russische Invasion“ quasi Null sei. Er propagierte folglich die Normalisierung der Beziehungen mit diesen in den Augen der Geschichte „vorübergehenden“ Regimen. Die Anerkennung des kommunistischen China ab dem 27. Januar 1964 ging in diese Richtung, wie auch seine Reise in die UdSSR im Juni 1966. Damit nahm er auch die Erkenntnis Richard Nixons vorweg, der mit seiner spektakulären Chinapolitik den gleichen Schwenk acht Jahre später vollzog.

De Gaulle entließ zwar die ehemaligen französischen Kolonien in Afrika aus der Französischen Union in die Unabhängigkeit, schuf jedoch mit der Communauté Française (dt. Französische Gemeinschaft) ein Gegenstück zum britischen Commonwealth, wobei die Communauté Française die Außen-, Verteidigungs- und Währungspolitik bestimmte. Alle ehemaligen Kolonien führten Referenden durch, in denen die Gründung bestätigt wurde. Lediglich in Guinea entschied sich die Mehrheit anders. Mitglieder wurden Dahomey, Côte d'Ivoire, Gabun, Kongo, Madagaskar, Mauretanien, Niger, Obervolta, Tschad, Senegal, Mali, Togo und Kamerun. Dabei spielte auch die Communauté Financière d'Afrique des CFA-Franc eine große Rolle, bei der die französische Zentralbank die Parität des CFA zum FF jahrzehntelang stabil hielt. Durch Kooperationsabkommen sicherte sich de Gaulle starke französische Einflussmöglichkeiten. Ein Teil der Communauté Française schloss sich zur Westafrikanischen Zollunion (UDAO) zusammen. 1966 wurde sie zur Zoll- und Wirtschaftsunion (UDEAO) ausgebaut. Weitere Einflussmöglichkeiten schuf sich de Gaulle auch mit der Gründung der staatlichen Vorläufergesellschaft von Elf Aquitaine, ERAP, die unter dem Einfluss ihres langjährigen Chefs, des ehemaligen französischen Verteidigungsministers und Gründers des Auslandsgeheimdiensts DGSS, Pierre Guillaumat, dem französischen Nachrichtendienst eine hervorragende Tarnung und immense finanzielle Ressourcen für seine Präsenz in Afrika bot.

Hauptsächlich in der Außenpolitik kam das gaullistische Denken vom Wesen der Nation zum Ausdruck: „eine gewisse Idee Frankreichs“. De Gaulle schöpfte seine Stärke aus dem Wissen über die Geschichte Frankreichs. Nach ihm war das Gewicht dieser Geschichte der Art, dass sie Frankreich eine besondere Position inmitten des Konzerts der Nationen gab. Für ihn und für zahlreiche Franzosen waren England und die USA nur Sprösslinge Frankreichs. Gleichfalls bewertete er die Institution der UNO als lächerlich und nannte sie „das Ding“ („le machin“), was ihn jedoch nicht daran hinderte, den ständigen Sitz Frankreichs im Weltsicherheitsrat einzunehmen.

Attentat von Petit-Clamart

Jean-Marie Bastien-Thiry, ein durch de Gaulle eigenhändig beförderter Oberst der französischen Armee, war mit dessen Algerien-Politik nicht länger einverstanden. Er beschloss daher, mit Unterstützung der Organisation de l'armée secrète (OAS, Organisation der geheimen Armee) de Gaulle zu entführen oder – falls sich eine Entführung als unmöglich herausstellen sollte – zu töten. Ein Attentat wurde am 22. August 1962 auf der Kreuzung von Petit-Clamart bei Paris organisiert, die heute nicht mehr existiert. Der Anschlag scheiterte, da die elf Attentäter das verabredete Signal in der Dunkelheit übersahen und das Feuer zu spät eröffneten. Obwohl das Präsidentenfahrzeug, ein Citroën DS, von mehreren Kugeln getroffen wurde, blieben de Gaulle und seine Frau unverletzt. Eine Kugel verfehlte die Gesichter des Präsidentenpaares jedoch nur um einige Zentimeter. „Dies hätte ein schönes, sauberes Ende gemacht“, kommentierte de Gaulle, während er das Loch ansah, welches der Einschlag hinterließ.

Obwohl das Attentat scheiterte, stoppte die OAS ihre Aktivitäten nicht, und noch heute ist de Gaulles Algerien-Politik teilweise heftig umstritten. Die französische Justiz verfolgte die Attentäter mit aller Härte, und Bastien-Thiry wurde nach kurzem Prozess zum Tode verurteilt und hingerichtet. Seine gefassten Komplizen kamen mit zum Teil geringeren Strafen davon. De Gaulle hatte eine Begnadigung von Bastien-Thiry abgelehnt.

Das Attentat von Petit-Clarmart diente Frederick Forsyth als Vorlage für seinen 1971 erschienen Roman Der Schakal. Der Stoff wurde 1973 und 1997 (komplett abgewandelt) verfilmt.

Atomstreitmacht

Überzeugt von der strategischen Bedeutung der Atomwaffe, engagierte de Gaulle das Land unter Protest der Opposition für die kostspielige Entwicklung der „force de frappe“ (Spötter, die sie nur als ein „Bömbchen“ („bombinette“) ansahen, nannten sie „farce de frappe“). Die Antwort de Gaulles war: „In zehn Jahren werden wir etwas haben, womit wir 80 Millionen Russen töten können. Ich glaube nicht, dass man ein Volk angreift, welches die Fähigkeit hat, 80 Millionen Russen zu töten, selbst wenn man 800 Millionen Franzosen töten könnte, vorausgesetzt es gäbe 800 Millionen Franzosen“. Dafür ließ er 1960 in der algerischen Wüste, ab 1966 auf dem Mururoa-Atoll im Pazifik Kernwaffentests durchführen. Präsident Jacques Chirac folgte in diesem Punkt seinem Vorbild Charles de Gaulle mit demonstrativen Nukleartests im September 1995 auf dem Mururoa-Atoll.

John F. Kennedy hatte für die französische Unterstützung bei der Berlin- und Kubakrise Hilfe in der Nuklearfrage versprochen, aber hielt sein Versprechen nicht. Die Nuklearfrage vergiftete die franko-amerikanischen Beziehungen während der ganzen 1960er Jahre. Deshalb musste man auf Richard Nixon warten, um erstmalig einen amerikanischen Präsidenten zu finden, der klar profranzösisch war. Mit ihm teilte de Gaulle seine Geringschätzung für Ideologien, multilaterale Verträge und Institutionen. Nixon umschiffte zunächst die verpflichtende amerikanische Legislative in der Nuklearfrage, bevor er offiziell den Weg der nuklearen franko-amerikanischen Zusammenarbeit öffnete. Das Gros der Arbeit war schon geleistet, und die französischen „Bömbchen“ („bombinettes“) waren schon sehr effizient. 1968 gelang es Frankreich ohne Hilfe der Amerikaner, die Wasserstoffbombe zur Detonation zu bringen.

Die Briten, deren Nuklearstreitmacht eng mit der der Amerikaner verknüpft war, fassten es als Ohrfeige auf, als de Gaulle Frankreich zur dritten Atommacht des Westens erklärte. Die force de frappe bestand aus landgestützten Mittelstreckenraketen auf dem Plateau d'Albion (mittlerweile geschlossen), seegestützten Mittelstreckenraketen auf U-Booten und Atombomben, die von Flugzeugen abgeworfen werden konnten. Nicht zuletzt um auch auf diesem Gebiet von den beiden Supermächten unabhängig zu bleiben, forcierte er den Bau eigener französischer Kampf- (der Dassault Mirage III) und Zivilflugzeuge (der Caravelle) und unterzeichnete mit Deutschland den Airbusvertrag zur Entwicklung des Großraumflugzeuges A300. Auch die europäische Trägerraketentechnik, deren ziviler Zweig ELDO mit den Europa-Raketen war, wurde von de Gaulle in diesem Zusammenhang vorangetrieben.

Während François Mitterrand sich heftig gegen dieses „Bömbchen" sperrte, versagte sich de Gaulle nicht das Vergnügen, die Aufsicht des Projekts dessen Bruder Jacques Mitterrand anzuvertrauen. Dabei stichelte er: „Ist es, dass einer kritisiert, dann stellt der andere es sicher.“ Während der Amtszeit Präsident Mitterrands wurde sogar die Neutronenbombe eingeführt.

Konversion des Dollars

Aufgrund der Empfehlung des Ökonomen Jacques Rueff, der durch den Vietnamkrieg die amerikanische Zahlungsbilanz aus dem Gleichgewicht geraten sah, ersuchte de Gaulle die USA um einen Transfer der französischen US-Dollar-Währungsreserven in Gold, wie übrigens auch die Bundesrepublik Deutschland zu diesem Zeitpunkt einen beträchtlichen Teil ihrer Goldreserven auf diesem Wege erhielt. Die Operation war legal, da der Dollar zu dieser Zeit offiziell im Verhältnis 1:35 Goldunzen definiert war. Die USA entsprachen ihren eigenen Verpflichtungen von Bretton Woods, und das Gold wurde nach Frankreich transferiert. 1971 machten die USA der Parität ein Ende, um den Kurs des Dollar floaten zu lassen. Von 1973 bis 1975, nach dem Ölpreisschock, stieg der Kurs des Goldes, während der Kurs des Dollar zunehmend verfiel. Der Ratschlag von Jacques Rueff erwies sich also auf lange Sicht als richtig.

Die Affaire des „Québec Libre“

De Gaulle wollte an der 100-Jahr-Feier der Nation in Kanada und der Weltausstellung 1967 teilnehmen, provozierte jedoch die Empörung der Föderalisten, als er in Montréal vor einer Menge von 100.000 Québécois ausrief: „Es lebe das freie Québec!“ („Vive le Québec libre!“), begleitet von allgemeinem, großem Beifall, falls man den gefilmten Ausschnitten der Zeit glaubt. Dies löste eine Regierungskrise in Kanada aus. In der Folge der Rede de Gaulles, die ein gewisses Maß an Augenzwinkern enthielt („Aber nach alledem fühlt man sich wie zu Hause hier“, „ich werde euch ein kleines Geheimnis verraten, das Ihr niemandem weitererzählen werdet: auf meinem Weg habe ich eine Atmosphäre gesehen, die mich an die Befreiung erinnert hat“), erklärte der kanadische Premierminister Lester B. Pearson seine Worte für „inakzeptabel“. De Gaulle antwortete, dass das Wort „inakzeptabel“ selbst inakzeptabel sei, und sagte die vorgesehene Visite in Ottawa ab. Er kehrte auf der Stelle an Bord des Kreuzers Colbert nach Frankreich zurück – die Wahl eines Kriegsschiffs als Transportmittel war offensichtlich eine Botschaft. Das Ziel de Gaulles war es nicht, Aufruhr zwischen Québec und Kanada zu provozieren, sondern eher die Franzosen in Kanada angesichts der angelsächsischen Nachbarn zu stärken und aufzumuntern. Er sagte außerdem bei dem Schritt der Visite in Québec:„Ich habe sie 30 Jahre gewinnen lassen“. Über seine Kritiker hatte er ungefähr diese Worte: „Es gibt drei Kategorien von Leuten, die dies ärgern wird. Die Diplomaten, aber gut, um die kümmern wir uns, die Journalisten, aber wir pfeifen auf sie, da sie nicht die Geschichte schreiben, und schließlich die Angelsachsen. Die haben mich noch nie gemocht, insofern…“

Die Regierung von Ottawa musste seit dieser Zeit mit einer besonderen Achtsamkeit auf die Forderungen der Québécois achten, die, von dieser Ermunterung bestärkt, weil sie von einer gegebenenfalls starken Unterstützung Frankreichs ausgingen, anfingen, über eine Sezession zu reden.

Die Fürsorglichkeit Charles de Gaulles gegenüber den frankophonen Kanadiern verwundert ein wenig angesichts der Tatsache, dass sie während des Zweiten Weltkriegs vielfach Pétainisten und feindlich gegenüber dem Freien Frankreich waren, im Gegensatz zu den anglophilen Kanadiern und der Bevölkerung der Vereinigten Staaten, die zu jener Zeit de Gaulle gegen das Vichy-Regime unterstützt hatten.

Mai 1968

de Gaulle mit Richard Nixon und dessen Kabinett

Die Mai-Unruhen von 1968 waren eine weitere Herausforderung. De Gaulle war bereit, die Forderungen der Demonstranten nach drastisch höheren Löhnen zu akzeptieren. Er wollte ein Referendum über die Reformen durchführen lassen, aber Georges Pompidou überredete ihn, eher die Nationalversammlung aufzulösen. Aufgrund von Straßenschlachten und bürgerkriegsähnlicher Umstände, bei denen das öffentliche Leben in Frankreich wegen Treibstoffmangel zum Erliegen zu kommen drohte, konzentrierte de Gaulle Truppen um Paris. Das politische Leben in Frankreich geriet noch weiter durcheinander, als de Gaulle am 29. Mai plötzlich verschwand. Erst nach seiner Rückkehr wurde bekannt, dass er sich bei dem algerienerfahrenen General Jacques Massu in Baden-Baden aufgehalten hatte. Die Motive der Reise sind unklar. Die Heimlichkeit und die Überstürztheit (de Gaulle reiste im Helikopter) haben zahlreiche Spekulationen provoziert. Es ist umstritten, ob de Gaulle mit Massu den Einsatz der Armee zur Niederschlagung der Unruhen erörtert hatte, ob seine plötzliche Abwesenheit ein rein taktischer Zug zur Mobilisierung der eigenen Anhängerschaft war, oder ob er de Gaulle der Situation in Paris schlicht entfliehen wollte.

Wieder zurück, kündigte de Gaulle am 30. Mai 1968 in einer Rundfunkrede Neuwahlen an. Die Sätze waren kurz, jeder einzelne fast eine Entscheidung:

  • Als Inhaber der nationalen und republikanischen Legitimität habe ich seit 24 Stunden alle Eventualitäten, ohne Ausnahme, erwogen, die es mir ermöglichen würden, sie zu erhalten.“
  • Ich habe meine Entschlüsse gefasst. Unter den gegenwärtigen Umständen werde ich mich nicht zurückziehen.
  • Ich werde nicht den Premierminister wechseln, der die Anerkennung von uns allen verdient.
  • Ich löse heute die Nationalversammlung auf.
  • Ich beauftrage die Präfekten, die Kommissare über das Volk geworden oder wieder geworden sind, die Subversion zu jeder Zeit und an jedem Ort zu verhindern.
  • Was die Legislativwahlen angeht, so werden sie in den von der Verfassung vorgesehenen Fristen stattfinden, zumindest bis man hört, dass das ganze französische Volk mundtot gemacht wird, indem man es davon abhält, sich auszudrücken und gleichzeitig davon abhält, zu leben, durch dieselben Maßnahmen, durch die man versucht, die Studenten vom Studieren abzuhalten, die Lehrer vom Lehren, die Arbeiter vom Arbeiten. Diese Mittel sind Einschüchterung, Vergiftung und Tyrannei, ausgeübt seit langer Zeit in Folge durch organisierte Gruppen und eine Partei, die eine totalitäre Unternehmung ist, selbst wenn es schon Rivalen diesbezüglich gibt.“

Letzteres zielte auf die Kommunistische Partei Frankreichs.

Nach den vorangegangenen, enttäuschenden Reden schienen seine Anhänger den de Gaulle der großen Tage wiederzuentdecken: Eine Demonstration wurde für den 30. Mai 1968 organisiert, die nach Angabe der Organisatoren von einer Million Teilnehmern, nach Angaben des Polizeipräsidiums von 300.000 Teilnehmern besucht wurde. Die Wahlen vom Juni 1968 wurden ein großer Erfolg für die Gaullisten, die 358 von 487 Sitzen erhielten. Im Juli wurde Georges Pompidou durch Maurice Couve de Murville abgelöst.

Das Referendum

In einem Referendum schlug de Gaulle den Transfer einiger Machtbefugnisse an die Regionen und die Transformierung des Senats vor, in dem er Regionalräte aus Repräsentanten der professionellen und gewerkschaftlichen Organisationen einzuführen beabsichtigte. Sein ganzes Gewicht in das Referendum einbringend, kündigte er im Voraus im Falle des Sieges des „non“ seinen Rücktritt an. Die Gegner der vorgeschlagenen Reformen, zu denen auch Valéry Giscard d'Estaing gestoßen war, gewannen das Referendum mit 52,46 % der Stimmen und de Gaulle gab am 28. April 1969 kurz nach Mitternacht seinen Rücktritt vom Amt des Präsidenten der Republik bekannt.

Charles de Gaulle nahm alsdann Urlaub, erholte sich in Irland (von wo aus er per Brief wählte) und zog sich schließlich nach Colombey-les-Deux-Églises zurück, wo er an seinen Mémoiren arbeitete und wo er – nach einer weiteren Reise nach Spanien im Juni 1970 – am 9. November 1970 starb.

Begräbnis

Monument auf der Höhe über Colombey-les-Deux-Églises
Das Grab
Wandbild im Office de Tourisme von Colombey
de-Gaulle-Statue in Moskau nach der Enthüllung 2005

Sein Testament stammte aus der Zeit des Begräbnisses von General Jean de Lattre de Tassigny im Januar 1952. Dieser war nach seinem Tod vom offiziellen Frankreich und seinen Politikern in einer Art und Weise vereinnahmt worden, die de Gaulle mit Abscheu erfüllte. Dem entsprechend regelte er detailliert die Modalitäten seines Begräbnisses:

  • Ich möchte in Colombey beerdigt werden.
  • Bei meiner Beisetzung weder Politiker noch Minister!“ (Der Finanzminister Valéry Giscard d'Estaing nahm trotzdem teil, argumentierend, dass er nicht als Minister käme, sondern als einfacher Franzose) „Lediglich die Compagnons der Befreiung“ (was Jacques Chaban-Delmas und André Malraux einschloss). Alle anderen Offiziellen, inklusive Präsident Nixon, mussten sich mit der Teilnahme an einer einfachen Messe zu seinen Ehren zur selben Zeit in Notre Dame in Paris zufrieden geben.
  • Auf meinem Grab: Charles de Gaulle, 1890-19… Nichts anderes

Erinnerung

Zahlreiche öffentliche Straßen und Gebäude in Frankreich tragen seinen Namen. Im Besonderen die Place Charles de Gaulle in Paris und außerdem der Flughafen Paris-Roissy – Charles de Gaulle. Sein Name wurde auch dem gegenwärtig letzten Flugzeugträger, der Charles de Gaulle gegeben. Einige Jahre nach dem Tode de Gaulles fingen erstaunlicherweise viele seiner Kritiker zu Lebzeiten an, sich auf ihn zu berufen. Dies erinnert an einen berühmten Ausspruch des Generals: „Alle waren, sind oder werden Gaullisten sein.“ Sein Wohnhaus in Colombey - die «Boisserie» ist heute ein Museum und wird rege besucht.

Die Zitate auf dem Monument über Colombey - einem gigantischen Lothringer Kreuz - geben ein gutes Beispiel für die Gedenkenwelt de Gaulles:

EN NOTRE TEMPS LA SEULE QUERELLE QUI VAILLE EST CELLE DE L'HOMME - C'EST L'HOMME OU IL S'AGIT DE SAUVER DE FAIRE VIVRE ET DE DEVELOPPER - Die einzige Schwierigkeit unserer Zeit ist der Mensch; eben jener Mensch, dem es darum geht (die Vergangenheit) zu bewahren, (in der Gegenwart) zu leben und (die Zukunft) zu entwickeln.

IL EXISTE UN PACTE VINGT FOIS SECULAIRE ENTRE LA GRANDEUR DE LA FRANCE ET LA LIBERTE DU MONDE - Seit zwanzig Jahrhunderten sind die Größe Frankreichs und die Freiheit der Welt untrennbar miteinander verbunden.

Anekdoten

In einem Interview mit dem Monatsmagazin Sciences et Vie sagte der Präsident des Mensa (der Klub der großen IQs) im Vereinigten Königreich „Der General de Gaulle würde ohne die geringsten Schwierigkeiten den Aufnahmetest der Mensa bestehen“. Zur selben Frage, die Königin Elisabeth II. des Vereinigten Königreichs betreffend, weigerte er sich zu antworten.

Charles de Gaulle bezeichnete sich selbst als Monarchist: "Je suis un Monarchiste, la République n'est pas le régime qu'il faut à la France."[1] ("Ich bin ein Monarchist, die Republik ist nicht die Regierungsform, die Frankreich braucht.").

Familie

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Charles de Gaulle ehelichte am 6. April 1921 Yvonne Vendroux (24. Mai 1900 bei Calais – 8. November bei Paris 1979). Das Paar bekam drei Kinder:

  • Philippe de Gaulle (28. Dezember 1921 bei Paris), Admiral, danach Senator.
  • Élisabeth de Gaulle, geboren am 15. Mai 1934 in Paris.
  • Anne de Gaulle (1. Januar 1928 bei Trier – 7. Februar 1948 bei Colombey-les-Deux-Églises), wurde mit dem Down-Syndrom geboren.

Charles hatte drei Brüder, von denen zwei Résistants waren:

  • Xavier de Gaulle (1887-1955), Kriegsgefangener, danach Résistant während des Zweiten Weltkriegs, er ist der Vater von Geneviève de Gaulle-Anthonioz.
  • Jacques de Gaulle (1893-1946), 1926 behindert nach einer Gehirnentzündung.
  • Pierre de Gaulle (1897-1959), Résistant, Politiker, danach Unternehmensverwalter.

Ein Enkel (* 1948), Sohn von Philippe, trägt auch den Namen Charles de Gaulle.

Werke

  • La discorde chez l'ennemi (1924)
  • Histoire des troupes du Levant (1931) geschrieben von den Majoren de Gaulle und Yvon, bei der finalen Fassung in Zusammenarbeit mit dem Kolonel de Mierry
  • Le fil de l'épée (1932)
  • Vers l'armée de métier (1934)
  • La France et son Armée (1938)
  • Trois études (1945) (Rôle historique des places fortes; Mobilisation économique à l'étranger; Comment faire une armée de métier) suivi par le Mémorandum du 26 janvier 1940.
  • Mémoires de Guerre
    • Volume I - L'Appel, 1940-1942 (1954)
    • Volume II - L'Unité, 1942-1944 (1956)
    • Volume III - Le Salut, 1944-1946 (1959)
  • Mémoires d'Espoir
    • Volume I - Le Renouveau, 1958-1962 (1970)
  • Discours et Messages
    • Volume I - Pendant la Guerre, 1940-1946 (1970)
    • Volume II - Dans l'attente, 1946-1958 (1970)
    • Volume III - Avec le Renouveau, 1958-1962 (1970)
    • Volume IV - Pour l'Effort, 1962-1965 (1970)
    • Volume V - Vers le Terme, 1966-1969

Referenzen

  1. http://www.evene.fr/celebre/biographie/charles-de-gaulle-413.php?citations

Siehe auch

Literatur

chronologisch

  • Frédéric Turpin: De Gaulle, les gaullistes et l'Indochine: 1940 - 1956, Paris 2005, ISBN 2-84654-099-3
  • Dominique Venner: De Gaulle, la grandeur et le néant. Éditions du Rocher, Monaco 2004
  • Philippe de Gaulle: Entretiens avec Maurice Tauriac. De Gaulle, mon Père. Plon, Paris 2003
  • Paul-Marie Coûteaux: Le génie de la France. Tome I: De Gaulle philosophe. Jean-Claude Lattès, Paris 2002
  • Vincent Jouvert: L'Amérique contre De Gaulle. Seuil, Paris 2000
  • Peter Schunk: Charles de Gaulle - Ein Leben für Frankreichs Grösse. Propyläen, Berlin 1998. ISBN 3-549-05699-0
  • Jean-Louis Crémieux-Brilhac: La France Libre. Gallimard, Paris 1996
  • Jean Lacouture: De Gaulle. (3 volumes): 1 — Le Rebelle (1890-1944), 2 — Le Politique (1944-1959), 3 — Le Souverain (1959-1970), 1984, 1985 et 1986. Points Histoire, Paris 1990
  • Jean Lacouture: De Gaulle. Éditions du Seuil, Paris 1984
  • Yves Maxime Danan: La vie politique à Alger de 1940 à 1944. Librairie générale de Droit et de Jurisprudence, Paris 1963

Filme

  • Charles de Gaulle - Ich bin Frankreich! (OT: Le Grand Charles.) TV-Spielfilm in 2 Teilen, Frankreich, 103 Min. und 105 Min., Buch und Regie: Bernard Stora, Produktion: arte, dt. Erstsendung: 9. Mai 2008, Inhaltsangabe von Teil 1 und Teil 2 von arte

Weblinks


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