Dehnungsvokal

Dehnungsvokal

Ein Dehnungszeichen zeigt an, dass der vor ihm stehende Vokal lang gesprochen wird. Im Deutschen geschieht dies durch einen Buchstaben, der jedoch nicht mitgesprochen wird, sondern nur diakritische Funktion hat. In der deutschen Rechtschreibung kommen neben der Vokalverdoppelung die Buchstaben e und h als Dehnungszeichen vor, in einigen Eigennamen auch das i und das w.

Inhaltsverzeichnis

Dehnungs-h

Das Dehnungs-h wird in der deutschen Rechtschreibung dazu benutzt, die Länge eines vorangehenden Vokals (resp. seine geschlossene Aussprache) zu kennzeichnen. Es kommt nach allen Vokalbuchstaben vor (nach y nur in Eigennamen), nach dem i seltener, da dort (außer am Wortanfang) regelmäßig ein Dehnungs-e steht. Im In- und Auslaut kommt es auch in Kombination mit dem Dehnungs-e vor: ieh. Ursprünglich stand das Dehnungs-h in Wörter wie sehen und ziehen und wurde dort auch ausgesprochen, der vorausgehende Vokal frühneuhochdeutsch gedehnt, weil er in offener Silbe steht. Mit dem Verstummen des h im Standarddeutschen wurde es als Dehnungszeichen verstanden und so auch auf Wörter übertragen, die historisch kein h hatten. In manchen Dialekten (z. B. Schweizerdeutsch) wird das h dagegen weiterhin artikuliert.

Beispiele:

  • Bahn, mahnen, wahr, fahnden, Naht.
  • Fähnrich, wählen, ungefähr.
  • Wehr, fehlen, Lehm.
  • Ihle, ihm, ihn, ihnen, ihr, ihrzen, Schlemihl.
  • ziehen, stiehlt, Vieh.
  • Mohr, besohlen, roh.
  • Möhre, stöhnen, Föhn.
  • Fuhre, suhlen, Kuh.
  • Bühne, fühlen, kühl.
  • Byhleguhre-Byhlen.

Systematik: Die Schreibweisen sind durch vielfache Übernahme (oder Nicht-Übernahme) der individuellen Entscheidungen einzelner Schreiber über viele Generationen hin historisch üblich geworden, ohne dass ein System vorgegeben war. Auch generationenlange Bemühungen, die Kennzeichnung der Vokal-Längen einem lückenlos anwendbaren System einzupassen, haben kein überzeugendes Ergebnis gebracht. Dennoch hat sich eine gewisse Systematik herausgebildet, da bestimmte lautliche Umgebungen, in denen es vorkam, analogiebildend gewirkt haben:

  • In der Regel vor l, m, n, r in einheimischen Wörtern, wenn im Anlaut nicht mehr als ein Konsonantenbuchstabe (oder wenn dort pf, st, oder auch dr, pr, str) steht. (Bei i nur am Wortanfang, da sonst vor Konsonantenbuchstaben regelmäßig ie geschrieben wird.)

z. B. Zahl, Uhr, Ihle, wohl, Rahmen, bohnern, Höhle; Pfuhl, Stahl, stehlen, stöhnen; Naht, Draht; Drohne, prahlen, Strähne.

  • Fast immer im Auslaut (inkl. vor [ə]/[ɐ] und Endungen wie -en, -ig, -ung usw.) einheimischer Wörter, regelmäßig ausgenommen sind nur Funktionswörter und die Formen des Hilfsverbs tun.

z. B. Reh, Vieh, gehen, fähig, geschehen, Schuh, Brühe, früh, Ziehung, Floh, wiehern, Ehe.

  • In verwandten Wortformen und Ableitungen bleibt das h erhalten (solange der Vokal lang bleibt), besonders häufig vor den Flexionsendungen -t, -st. In substantivischen Ableitungen vor t, d, m und st bleibt es teils erhalten, teils fällt es aus.

z. B. geht, näht, ziehst, ruhst, des Rehs, fröhlich, Frühling, begehbar, mühsam; Naht, Mahd, aber: Blüte, Blume, Glut, Nadel, Schuster.

  • Gelegentlich kommt es auch bei nicht (mehr) ableitbaren Wörtern vor t, d und st vor.

z. B. Fehde, Draht.

  • In Fremdwörtern nur ausnahmsweise.

z. B. Schah, Schlemihl.

Das Dehnungs-h erscheint fast ausschließlich in Silben, die auf einen Vokal oder auf einen einzelnen Konsonanten auslauten (z. B. Reh, wahr). Nur in äußerst seltenen Fällen kommt es in Silben vor, die auf zwei oder mehr Konsonanten auslauten (gehst, stehst).

Dehnungs-e

Nach i

Ein Dehnungs-e zeigt an, dass der vorausgehende Vokal i (vgl. auch i) lang zu sprechen ist. Historisch ist das Dehnungs-e auf einen mittelhochdeutschen fallenden Diphthong zurückzuführen, wie er z. B. in bairisch liab weiterhin vorkommt. Später wurde das Dehnungs-e auch auf Fälle übertragen, die nicht durch die neuhochdeutsche Monophthongierung dieser Diphthonge entstanden waren.

  • regelmäßig durch ein Dehnungs-e angezeigt (Beispiele: Bier, verlieren, zierlich, hier).
  • Bei den Pronomen ihr, ihm, ihn etc. durch ein Dehnungs-h
  • Ganz selten erscheint auch ieh (Vieh, lieh, sieht, ziehen).
  • Am Wortanfang steht jedoch kein Dehnungs-e (stattdessen Dehnungs-h vor l, m, n, r oder keine Kennzeichnung).
  • Vereinzelt unterbleibt die Kennzeichnung (mir, dir, wir, Lid, wider); regelmäßig unterbleibt sie in Fremdwörtern (außer in den Endungen -ier(en) und -ie).
  • Das Dehnungs-e erscheint hauptsächlich in Silben, die auf [i:] oder auf einen einzelnen Konsonanten auslauten (z. B. Knie, Tier). Vereinzelt kommt es jedoch auch in Silben vor, die auf mehrere Konsonanten auslauten (hielt, zu viert, Biest, er agiert).

Ausnahme

Im Namen der brandenburgischen Stadt Ziesar wird das "e" getrennt vom "i" ausgesprochen. Hier wirkt die slawische Herkunft des Namens (von „za jezero” = „hinter dem See“) nach.

Nach anderen Vokalen

Hinter anderen Vokalen blieb das Dehnungs-e als Längenzeichen nur in Eigennamen erhalten. Dies ist vor allem am Niederrhein und in Westfalen verbreitet, wo es in Ortsnamen wie Soest, Gelsenkirchen-Buer, Flaesheim, Hoetmar, Oer-Erkenschwick, Coesfeld, Raesfeld, Raestrup oder Laer vorkommt. Am Niederrhein gibt es zum Beispiel die Ortsnamen Straelen, Kevelaer, Schaephuysen und Duisburg-Baerl. Beispiele aus Norddeutschland sind Itzehoe und Bad Oldesloe oder die Gemarkungen Vaensen, Buensen und Suerhop der Stadt Buchholz in der Nordheide. Das zu Bernkastel-Kues gehörende Kues hat ebenfalls ein Dehnungs-e. Auch viele (norddeutsche) Familiennamen enthalten ein Dehnungs-e, das man nicht als Umlaut mitsprechen, sondern nur als Dehnungszeichen lesen darf. Beispiele:

Ausnahme

In süddeutschen Namen kann Dehnungs-e Anzeige eines Diphthongs sein, der dann auch gesprochen wird. Der Familienname Hueber lautet daher richtig ['hʊəbər]. Im bayerischen Ortsnamen Buchloe wird das e vom o getrennt als eine dritte Silbe ausgesprochen: [ˌbuːx.ˈloː.ə].

Wörter ohne Dehnungszeichen

Beispiele von Wörtern, in denen die Länge eines Vokals durch Doppelung oder gar nicht angezeigt wird:

  • Maar. Tat, raten, rar.
  • Bär, quälen, spät.
  • See, leeren, scheel. Segen, pflegen, rege.
  • dir, mir, wir.
  • Moor, ausbooten, moosig. Hof, holen, tot, vor.
  • Stör, hören, schön.
  • Stute, spuren, stur, nur.
  • Gespür, spülen, ungestüm.

Das rheinische Dehnungs-i

Das Dehnungs-i hat sich in der deutschen Rechtschreibung nur in Eigennamen erhalten. Es wird nicht ausgesprochen, sondern zeigt nur an, dass der vorangehende Vokal lang zu sprechen ist. Verbreitet ist es hauptsächlich im Rheinland und am Niederrhein (Ortsnamen wie Troisdorf, Roisdorf und Boisheim). Typische Familiennamen mit Dehnungs-i sind Voigt oder Fußbroich.

Gerade das Wort Broich (ursprünglich Sumpfland) ist in vielen Städtenamen und Stadtteilnamen am Niederrhein zu finden. Beispiele sind Korschenbroich, Grevenbroich, Kleinenbroich, Hardterbroich, Ratherbroich und Rollesbroich.

Auch im Ortsnamen Duisburg hatte das i ursprünglich diese Funktion. In den letzten Jahrhunderten (der genaue Zeitraum ist unbekannt) hat sich hierbei ein Wandel vollzogen, so dass das vorangehende u nicht mehr als [] (langes u), sondern als [] (langes ü) ausgesprochen wird. Duisburg wird heutzutage allgemein als [ˈdyːsbʊrk] ausgesprochen.

Das brandenburgische Dehnungs-w

In den ehemaligen slawischen Siedlungsgebieten (heute Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Ostteil Sachsen-Anhalts und Wendland) kommen viele Ortsnamen slawischen Ursprungs mit der Endung -ow vor. Das w ist slawischen Ursprungs, im Sorbischen, der slawischen Sprache, die heute noch in manchen Gegenden dieser Region gesprochen wird, steht es heute allgemein für den Laut [w] (unsilbisches "u"). Im heutigen Standarddeutschen ist es aber stumm und hat dort so die Funktion übernommen, das voranstehende o als lang zu charakterisieren (genauer: das o dem Phonem /o:/ eindeutiger zuzuordnen).

Beispiele:

Man findet das Dehnungs-w aber auch in Familiennamen, siehe als Beispiel Hans Modrow.

Das ck in einigen norddeutschen Eigennamen

Bei norddeutschen Orts- und Familiennamen findet sich teilweise ein ck auch nach langen Vokalen. Beim Ortsnamen Lübeck, dessen /e/ ursprünglich lang ausgesprochen worden ist, wird heute häufig bereits ein kurzes artikuliert, auch Mecklenburg (ˈmeː-) wird bereits von vielen falsch ausgesprochen. Diese Schreibungen zeigen also entgegen der heutigen Schreibkonvention keine Kürzung an. Entgegen landläufiger Meinung kann das /c/ jedoch nicht als Längenzeichen angesehen werden, da es keine eindeutige Markierung darstellt, die im Gegensatz zu einer unmarkierten Schreibung steht, der üblicherweise die kurze Aussprache entspräche.[1] Diese Schreibungen sind Überreste älterer Schreibweisen, wie sie noch im 16. Jahrhundert anzutreffen waren, z. B. bei merckenn, lauffenn oder vnndt, die auch als Letternhäufelung bezeichnet werden.[2] Aus heutiger Sicht handelt es sich also um einen nicht regelgerechten Gebrauch doppelt dargestellter Konsonanten (in Familien- und geografischen Namen ist dieser nicht nur bei ck, sondern auch bei ff, ss, tz und seltener auch bei pp, tt u.a. verbreitet, vgl. Hauff, Heuss, Holtzbrinck, Schwartzkopff, Lietzensee; Kneipp, Württemberg, Domagk, Bodelschwingh). Weitere Beispiele für Ortsnamen:

Um die ursprüngliche Aussprache zu erhalten, wurde mancherorts das c aus der Namensschreibung entfernt. Die Stadt Hamburg etwa hat 1949 alle Flurnamen, die -beck enthielten (z. B. Barmbeck, noch erhalten im Lord von Barmbeck), in -bek umbenannt. Der heutige Bezirk Hamburg-Wandsbek war bereits 1877 umbenannt worden.

Auch in zahlreichen norddeutschen Familiennamen findet sich ck nach langem Vokal, am bekanntesten ist vielleicht Buddenbrock, andere Beispiele sind Brockmann oder Brackmann. Auch hier vollzieht sich der Übergang zur kurzen Aussprache des dem c vorstehenden Vokals.

Dehnungszeichen in anderen Sprachen

Im Ungarischen werden Langvokale konsequent markiert. Dies geschieht nicht wie im Deutschen durch einen nachfolgenden Buchstaben, sondern durch ein Diakritikum: Die entsprechenden Langvokale zu A, a, E, e, O, o, Ö, ö, U, u, Ü und ü sind ´A, á, É, é, ´O, ó, Ő, ő, ´U, ú, Ű und ű. Nur in Namen kommen auch abweichende Schreibweisen vor, etwa (am Deutschen orientiertes) Dehnungs-h oder Vokalverdoppelung, z. B. im Familiennamen Gáal.

Im Niederländischen werden Vokale in geschlossenen Silben (Silben, die auf Konsonant enden) regelmäßig kurz, in offenen Silben (Silben, die auf Vokal enden) dagegen gedehnt gesprochen. Entsprechend müssen Langvokale im Niederländischen nur dann markiert werden, wenn sie in geschlossener Silbe stehen. Dies geschieht im Allgemeinen durch Vokalverdoppelung, bei I durch ein angehängtes E. Die konsequente Anwendung dieses Systems im Niederländischen führt dazu, dass aufgrund der abweichenden Aussprache im Singular und Plural die Vokale auch unterschiedlich geschrieben werden: zoon ('Sohn') vs. zonen ('Söhne'). Im Gegenzug muss die kurze Silbe durch nachfolgenden Doppelkonsonant angezeigt werden, wenn in einer Wortform der Konsonant zur Folgesilbe fällt: zon 'Sonne' vs. zonnen 'Sonnen'.

Siehe auch

Weblinks

Nachweise

  1. Vgl. Lasch, Agathe: Mittelniederdeutsche Grammatik, Halle 1914, S. 176, § 336: "ck steht nach langem, zerdehntem oder kurzem vokal oder nach konsonant."
  2. Polenz, Peter von: Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart, Bd. 1, 2. Auflage Berlin, New York 2000, S. 175 f. Speziell für das Mittelniederdeutsche siehe Lasch, Mittelniederdeutsche Grammatik, S. 136, § 236.

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