Denunzierung

Denunzierung
Venedig: durch "Löwenmäuler" (Bocca di Leone), wie hier am Dogenpalast, konnten Denunzianten ihre geheimen Anzeigen einwerfen. Der italienische Text lautet übersetzt: „Geheime Denunziationen gegen diejenigen, die Gefallen und Pflichten verheimlichen oder sich im Geheimen absprechen, um deren wahren Gewinn zu verbergen“

Unter Denunziation (Herkunft: lat. denuntiare = absprechend berichten, Anzeige/Meldung machen, lat. denuntiatio = Ankündigung, Anzeige, Androhung) versteht man die (häufig anonyme und/oder öffentliche) Beschuldigung oder Anzeige einer Person. Der Begriff enthält eine persönliche negative Wertung dieses Vorgangs und wird z. B. nicht verwendet, wenn die Anzeige gesellschaftlich akzeptiert ist, wie etwa bei Mord oder Vergewaltigung.

Im ethischen Sinn wird allgemein von Denunziation gesprochen, wenn in einem nicht freiheitlichen System Menschen bei staatlichen Vollzugsbehörden angezeigt werden, obwohl dem Anzeigenden klar sein muss, dass er sie damit der Gefahr der politisch motivierten Verfolgung aussetzt. (Siehe beispielsweise: Heimtückegesetz)

Klatsch und Denunziation sind eng miteinander verwobene Kommunikationsprozesse, die häufig der Ausgrenzung Einzelner dienen. Die Denunziation zeichnet dabei die Besonderheit aus, dass sie an eine übergeordnete Instanz (Vorgesetzte, Partei, staatliche Stellen) ergeht, von der – in aller Regel unausgesprochen – Sanktionen gegen die Betroffenen erwartet werden. Insofern ist sie ein Mittel der sozialen Kontrolle, das die „höhere Instanz“ gern zu instrumentalisieren versucht. Nicht selten treten Neid und Rachegefühle als Motive für Denunziation zu Tage, die dann als gesellschaftspolitisches oder gar staatserhaltendes Anliegen verbrämt wird.

Im Gegenzug kann Denunziation aber auch ganz gezielt Mittel zum Zweck staatlicher Informationsbeschaffung sein und dabei so unterschiedlichen Zwecken dienen wie der Entnazifizierung in den Ost- und Westzonen Nachkriegsdeutschlands oder der „Volkskontrolle“ beim Aufbau einer neuen Gesellschaft in der DDR. So kann Denunziation je nach Sichtweise als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und als Straftatbestand gewertet, aber auch als Zeichen „antifaschistischer Wachsamkeit“ (Erich Mielke 1948) anerkannt werden.[1]

Vielfach besteht in Diktaturen eine gesetzliche Pflicht zur Denunziation. So regelte § 225 des Strafgesetzbuch der DDR die Pflicht der DDR-Bürger zur Strafanzeige, wenn sie Kenntnis von bestimmten als schwer eingestuften Straftaten hatten. Derartige Regelungen bestehen auch in Rechtsstaaten (z. B. in Deutschland in § 138 StGB). In der DDR umfasste die Aufzählung der schweren Straftaten deutlich mehr Handlungen als in der Bundesrepublik Deutschland und umfasste auch Sachverhalte wie Republikflucht oder die „Weitergabe von nicht geheim zu haltenden Nachrichten zum Nachteil der DDR“ (§ 99), die im Rechtsstaat nicht verfolgt werden. Auch war Anzeigebehörde für diese Sachverhalte nicht die Polizei oder Staatsanwaltschaft sondern die Anzeige musste beim Ministerium für Staatssicherheit vorgenommen werden.

Im Nationalsozialismus wurde das Gesetz zur Bestrafung von falscher Anschuldigung verschärft, zugleich aber eine Fülle von Denunziationsmöglichkeiten geboten – ohne dabei jedoch eine Denunziationspflicht zu statuieren. Im Westen Nachkriegsdeutschlands hingegen wurde – sieht man von den Aufforderungen der Militärregierung zur aktiven Mithilfe bei der Entnazifizierung ab – auf einer eher informellen Ebene über Denunziation als Mittel zur Lösung von Konflikten wie als Positionsbestimmung in der neuen demokratischen Ordnung verhandelt. „Der Vergleich der Gesellschaftsformen gibt uns auch einen Einblick, wie sich Rechts- und Unrechtsbewusstsein des Einzelnen auf Grund der Interventionen von Staat und Justiz verändern und verhaltensanleitend werden können“.[1]

Eine Denunziation unter Kindern oder Schülern wird umgangssprachlich als Petzen bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Andere Wortbedeutung

Im älteren Diplomatendeutsch war die „Denunziation“ auch der Widerruf eines Vertrages.

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b „Denunziation – Instrument sozialer Kontrolle“ zum sozialen Hintergrund

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Millu — Liana Millu (* 21. Dezember 1914 in Pisa, Toskana; † 6. Februar 2005 in Genua) war eine italienische Schriftstellerin und Überlebende des Holocaust. Inhaltsverzeichnis 1 Biografie 2 Im Widerstand 3 …   Deutsch Wikipedia

  • Bartholomäusnacht — Die Bartholomäusnacht (auch Pariser Bluthochzeit genannt) bezeichnet die Nacht zum 24. August 1572, in der Admiral Gaspard de Coligny und weitere Führer der Hugenotten zusammen mit Tausenden von Glaubensgenossen auf Befehl Katharinas von… …   Deutsch Wikipedia

  • Bombenattentat — Unter Terrorismus (lat. terror „Furcht“, „Schrecken“) sind Gewalt und Gewaltaktionen (wie z. B.: Entführungen, Attentate, Sprengstoffanschläge etc.) gegen eine politische Ordnung zu verstehen, um einen politischen Wandel herbeizuführen. Der… …   Deutsch Wikipedia

  • Buchillustrator — Albrecht Dürer: Das Blatt Die apokalyptischen Reiter ist das vierte von 15 Blättern aus der Apokalypse von 1498. Dürer illustriert in diesem Werk die Offenbarung des Johannes Evangelista. Als Buchillustration (frz. illustration, bildliche… …   Deutsch Wikipedia

  • Burkina — Faso Burkina Faso Flagge …   Deutsch Wikipedia

  • Burkina Faso — Burkina Faso …   Deutsch Wikipedia

  • Clemente Soto Vélez — (* 1905 in Puerto Rico; † 1993) war ein Dichter, Journalist und politischer Aktivist. Leben Soto Vélez gründete literarische und gemeinschaftliche Organisationen. Dazu gehörte u. a. die Puerto Rican Merchants Association, die Ladenbesitzern half …   Deutsch Wikipedia

  • Die Träumer — Filmdaten Deutscher Titel Die Träumer Originaltitel The Dreamers Produktio …   Deutsch Wikipedia

  • Elfriede Scholz — (* 25. März 1903 in Osnabrück; † 16. Dezember 1943 in Berlin Plötzensee; geborene Elfriede Remark) ist ein Opfer des Nationalsozialismus. Elfriede Remark kam – fünf Jahre nach ihrem Bruder, dem späteren weltbekannten Schriftsteller Erich Maria… …   Deutsch Wikipedia

  • Grauer Krieg — Unter Terrorismus (lat. terror „Furcht“, „Schrecken“) sind Gewalt und Gewaltaktionen (wie z. B.: Entführungen, Attentate, Sprengstoffanschläge etc.) gegen eine politische Ordnung zu verstehen, um einen politischen Wandel herbeizuführen. Der… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”