- Der Lindberghflug
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Der Ozeanflug, auch unter den (früheren) Titeln Der Lindberghflug und Der Flug der Lindberghs bekannt, ist ein musikalisches Hörbild aus dem Jahr 1929 mit Text von Bertolt Brecht.
Hintergrund / Entstehung
Der Text des Lindberghflugs behandelt die erste in einem Flugzeug geglückte Alleinüberquerung des Atlantischen Ozeans, die Charles Lindbergh 1927 durchgeführt hatte. Brecht war von Lindberghs Buch We (1927, in dt. Übersetzung: Wir zwei, 1927; gemeint sind Lindbergh selbst und sein Flugzeug) beeindruckt, und übernahm aus der deutschen Übersetzung sowohl reine Fakten über den Flug als auch (fast unverändert) einige längere Textabschnitte. Brechts Text beschreibt das Ereignis aus mehreren verschiedenen Blickwinkeln. Neben dem Flieger kommen der Nebel, der Schneesturm und der Schlaf, mit denen er kämpft, sowie der amerikanische und der europäische Kontinent zur Sprache.
Brecht schrieb den Text ursprünglich für Kurt Weill, der ihn für das Baden-Badener Musikfest 1929 vertonen sollte. Einige Teile des dabei noch nicht ganz vollendeten Textes erschienen im April 1929 in der Berliner Zeitschrift Uhu (unter dem vorläufigen Titel Lindbergh).
Dabei hatten Brecht und Weill bereits mit Paul Hindemith eine Zusammenarbeit vereinbart. Hindemith schrieb etwa die Hälfte der Musik zur Uraufführung in Baden-Baden, Weill die andere Hälfte. Es wirkten bei der Uraufführung des Lindberghflugs in Baden-Baden Orchester, Chor und Gesangssolisten unter der Leitung von Hermann Scherchen mit.
Noch 1929 entschied sich Weill dafür, wie ursprünglich geplant den gesamten Text selbst zu vertonen. Neben weitgehender Übernahme seines Materials aus der Baden-Badener Fassung vertonte er nun auch die Teile, die früher Hindemith zugefallen waren, neu. Das neue Werk, eine "Kantate für Soli, Chor und Orchester", wurde am 5. Dezember 1929 an der Berliner Krolloper unter der musikalischen Leitung von Otto Klemperer aufgeführt.
Zu diesem Zeitpunkt arbeitete Brecht seinerseits den Text gründlich um. Dieser Text sollte jetzt ausdrücklich „nicht die Beschreibung eines Atlantikflugs” sein, sondern ein „Radiolehrstück für Knaben und Mädchen” werden, das nicht mehr Der Lindberghflug, sondern Der Flug der Lindberghs betitelt wurde. Vor allem durch die Hinzufügung des neuen Abschnitts "Ideologie" setzte Brecht nun einen ganz anderen inhaltlichen Schwerpunkt als zuvor und passte den Text marxistischem Gedankengut an. Die neue Fassung erschien 1930; die neuen Textteile wurden nicht vertont.
Nach dem Krieg, anlässlich einer Anfrage durch den Südwestdeutschen Rundfunk, gab Brecht 1950 eine neue Bedingung für die Aufführung des Werkes bekannt, und zwar, dass der Titel in Der Ozeanflug geändert werde und dass sämtliche Nennungen des Namens Lindberghs aus dem Text entfernt werden. Brecht war der Meinung, Charles Lindbergh wäre Sympathisant des Nationalsozialismus gewesen und hätte den „Hitler-Schlächtern” sogar das „Fliegen mit tödlichen Bomben” (so Brecht im neu geschriebenen Prolog) gezeigt. Im Text heißt es deswegen an keiner Stelle mehr „Lindbergh”, sondern stattdessen z. B. „der Flieger”. Die Darstellung des Fliegers „Mein Name ist Charles Lindbergh” wurde in „Mein Name tut nichts zur Sache” geändert.
Die Kantate Weills wird nach wie vor Der Lindberghflug genannt, da Weill, der wenige Monate nach der letzten Titeländerung starb, von ihr nichts mehr erfuhr und mit ihr nicht mit Sicherheit einverstanden gewesen wäre. Allerdings wird bei heutigen Aufführungen der Kantate der Name Lindberghs im Text selbst meistens ausgelassen.
Interpretation
In „Der Ozeanflug” personifiziert Brecht das Flugzeug und die Naturgewalten, welche gegen den tollkühnen Piloten ankämpfen, sodass eine verbale Auseinandersetzung zwischen dem Wetter, dem Piloten, seiner Maschine und dem Abflugs- und Ankunftskontinent entsteht.
Brecht wendet in diesem Text einen Verfremdungseffekt auf den Piloten an, da er diesen die Vergänglichkeit einsehen lässt, die die Erinnerung an sein Unterfangen hat, seine Motivation jedoch nicht darunter leidet.
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