- Der schiefe Turm von Pisa
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Der Schiefe Turm von Pisa ist das wohl bekannteste schiefe Gebäude der Welt und Wahrzeichen der Stadt Pisa in Italien (wenngleich nicht der schiefste Turm der Welt, als dieser gilt der Schiefe Turm von Suurhusen).
Der Turm war als freistehender Glockenturm (Campanile) für den Dom in Pisa geplant. Zwölf Jahre nach der Grundsteinlegung am 9. August 1173, als der Bau bei der 3. Etage angelangt war, begann sich der Turmstumpf wegen eines Grundbruches Richtung Südosten zu neigen. Daraufhin wurde der Bau für rund 100 Jahre unterbrochen. Die nächsten vier Stockwerke wurden dann schräg gebaut, um die Schieflage auszugleichen. Danach musste der Bau nochmals unterbrochen werden, bis 1372 auch die Glockenstube beendet war.
Die Schieflage des Turms beruht auf dem Untergrund aus lehmigem Morast und Sand, der sich unter dem Gewicht verformt. Neuesten Ausgrabungen zu Folge steht er am Rand einer ehemaligen Insel direkt neben einem antiken, zur Bauzeit bereits versandeten Hafenbecken. Die Schieflage des Turms beträgt 3,97 Grad[1].
Der Legende nach hat der aus Pisa stammende Galileo Galilei bei Versuchen auf dem Turm die Fallgesetze entdeckt.
Im Jahre 1987 wurde das Ensemble aus dem Turm, der benachbarten Kathedrale, dem Baptisterium und dem Friedhof von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.
Inhaltsverzeichnis
Architektur
Der 54 m hohe und 12 m durchmessende Campanile besteht aus 14.200 Tonnen weißem Carrara-Marmor und hat sieben Glocken, die aber längere Zeit wegen der Einsturzgefahr nicht läuten durften. Er sollte der Höhepunkt der ganzen Anlage der Piazza dei Miracoli sein. Er unterscheidet sich von den üblichen quadratischen Türmen Mittelitaliens und steht in einem großen Gegensatz zu den spitz zulaufenden Türmen des nördlichen Europa. Er ruht auf einem spiralförmigen Fundament aus 700 m³ Bruchstein und Mörtel, in 100 Meter Höhe wollte sein Erbauer Bonanno die Glocken läuten lassen. Der Mauerring um diesen Bereich herum ist 3,57 Meter dick. Neben dem Eingang sind Monat und Jahr des Baubeginns eingemeißelt: August 1173. In Urkunden wird jedoch stets 1174 genannt, denn für die Pisaner begann nach damaligem Kalender das neue Jahr bereits am 25. März.
Der Campanile hatte — außer dass er die Glocken tragen sollte — noch eine andere Funktion. Bei äußerer Gefahr flüchtete damals der Klerus in den Turm. Maueröffnungen und -vorsprünge im Zylinderschacht machten es möglich, bei Bedarf in jedem Stockwerk Gebälk und Fußböden einzuziehen.
Jedes Stockwerk hat eine Tür hinaus auf die Säulengalerie, die jeweils aus 30 Säulen besteht. Auf der Südseite führen oben sechs Stufen zur Glockenstube hinauf, auf der Nordseite nur vier. Die Treppe zur obersten Aussichtsterrasse soll Brunelleschi inspiriert haben, einen ähnlichen Aufgang zur Laterne auf der Kuppel des Doms in Florenz zu bauen.
Vom 7. Januar 1990 an musste der 14.500 Tonnen schwere Turm für Besucher gesperrt werden, da die Schräglage zu gefährlich wurde. Nach 12-jährigen Sanierungsmaßnahmen, bei denen der Turm wieder um 44 Zentimeter aufgerichtet wurde, ist er seit Dezember 2001 wieder für Touristen geöffnet. Zur Zeit (2008) werden Gruppen von maximal 40 Besuchern im Abstand von 20 Minuten, zu einem Preis von 15 € pro Person, eingelassen.
Rettungsmaßnahmen
Versuche im Mittelalter, den Bau durch besondere Baumaßnahmen wie geneigte Böden und dünnere und leichtere Mauern auf der überhängenden Seite zu retten, schlugen fehl, so dass von den ursprünglich geplanten 100 Metern Höhe nur 54 Meter tatsächlich gebaut wurden.
Seit 1990 sind diverse Rettungsmaßnahmen unternommen worden. Im Mai 1992 wurde der Campanile mit Stahlreifen im 2. Geschoss gesichert, wo sich gefährliche Risse im tragenden Marmor zeigten. Insgesamt wurden 18 dieser eisernen Reifen angebracht. Zusätzlich wurden im Juli 1993 im Fundament 600 Tonnen Bleibarren als Gegengewicht auf der Nordseite eingelagert. Dadurch ist die Schieflage des Turmes auch tatsächlich millimeterweise verringert worden [2], 1993 um einen ganzen Zentimeter [3], auf Anweisung des Bodenexperten John Burland wurde die höhere Seite des Fundaments mit 900 Tonnen Blei beschwert [4]. Ein Fernsehfilm von 1999 [5] dagegen behauptet, 1995 habe die Neigung um 1 mm jährlich zugenommen. Schon vorher war die Neigung des Turmes wieder zurückgegangen, und zwar in den drei Monaten März bis Mai 1991 um 2,9 Millimeter [6]. Ursache waren nach Ansicht der Pisaner Wissenschaftler Gero Geri und Brunello Palla die zahlreichen Regenfälle des Frühjahres, die den Grundwasserspiegel ansteigen ließen und damit den Untergrund des Turmes anhoben, ähnlich wie schon 1936, 1939, 1957 und 1961[7].
Das Komitee von internationalen Fachleuten, das über die Rettung des Turmes diskutieren sollte, wurde Ende 1996 von der italienischen Regierung aufgelöst, weil es keine eindeutige Lösung des Problems gefunden hatte. Diese Haltung der Regierung änderte sich schlagartig nach dem großen Erdbeben im September 1997. Das Komitee wurde wieder zusammengerufen, und im Herbst 1998 stimmte eine Mehrheit für eine neue Maßnahme, die sogenannte Bodenextraktions-Methode. Dazu wurden 1999 lange Löcher in den Boden unter dem nördlichen Teil des Turmes gebohrt, so dass ca. 50 m³ Material entfernt wurden. Der Boden und das Erdreich sackten langsam nach, schließlich auch der Boden des Turmes, und der ganze Turm neigte sich zunehmend nach Norden zurück. Der Plan war, von der Gesamtneigung des Turmes 10 % zurückzunehmen, erreicht wurden 44 cm. Damit ist er jetzt voraussichtlich für die nächsten 300 Jahre gesichert, und man konnte ab dem 15. Dezember 2001[8] wieder Publikum zulassen.
Zur Sicherung während dieser Arbeiten wurde der Turm 1998 mit zwei großen Metallkabeln von 103 Metern Länge so befestigt, dass er nicht mehr durch unerwartete Bewegungen einstürzen konnte. Bei Bauarbeiten zur Sicherung des Turmes ist eine alte Römerstraße entdeckt worden, die noch in alten Plänen verzeichnet war, außerdem ein mittelalterliches Grab samt vollständigem Skelett.
Siehe auch
Weblinks
- Informationen zum Turm aus technischer Sicht
- Offizielle Seite (englisch)
- UNESCO World Heritage List: „Piazza del Duomo, Pisa“ (englisch)
- Hanno Rauterberg: Ein Leuchtturm für Pisa (Artikel in der Zeit 23/2001)
- Andreas Englisch: Das Geheimnis der Matrosen von Pisa (Artikel im Hamburger Abendblatt vom 16. Juni 2004 zu den Ausgrabungen des Hafenbeckens)
Einzelnachweise
- ↑ Sueddeutsche.de: Der schiefste Turm der Welt
- ↑ KÖLNER STADT-ANZEIGER 19.5.1992
- ↑ KÖLNER STADT-ANZEIGER vom 27.1.1994, S. 39
- ↑ KÖLNER STADT-ANZEIGER vom 14. April 1997, S. 36
- ↑ Fällt der schiefe Turm von Pisa? Chris Durlacher 1999
- ↑ KÖLNER STADT-ANZEIGER vom 25.6.91
- ↑ KÖLNER STADT-ANZEIGER vom 11. September 1995, S. 28: In einer Nacht um 2,5 mm zusätzlich geneigt. Grund: im vergangenen Jahrhundert wurde ein Mörteluntergrund angelegt, der in den 1930er Jahren unfachmännisch durch Zement und Stahlrohre ergänzt wurde, ohne dass diese Maßnahme in den Archiven verzeichnet wurde
- ↑ MSN Encarta über Pisa, abgefragt am 14. Dezember 2008
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