Deutsche Kriegsmarine

Deutsche Kriegsmarine
Dieser Artikel befasst sich mit der deutschen Kriegsmarine in der Zeit von 1935 bis 1945. Für andere Bedeutungen, siehe Kriegsmarine (Begriffsklärung).
Flagge der Kriegsmarine

Kriegsmarine war die offizielle Bezeichnung der deutschen Seestreitkräfte unter nationalsozialistischer Herrschaft, seit die Reichsmarine des Deutschen Reiches am 1. Juni 1935 umbenannt worden war. Gleichzeitig wurde aus der bisherigen Marineleitung das Oberkommando der Marine.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Vorkriegszeit

Die noch aus der Kaiserlichen Marine stammenden Linienschiffe Schlesien und Schleswig-Holstein

Deutschland durfte nach den Bestimmungen des Versailler Vertrages nur eine recht kleine Reichswehr unterhalten. Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten 1933 begann bald die Wiederaufrüstung Deutschlands. Das Flottenabkommen mit Großbritannien vom 18. Juni 1935 erlaubte den Aufbau einer Flotte von 35 % der britischen Überwassertonnage und 45 % der Tonnage bei den U-Booten, deutsche Schlachtschiffe sollten nicht mehr als 35.000 Tonnen haben dürfen. Die Kriegsmarine sollte nach dem so genannten Z-Plan bis 1947 eine große Zahl neuer Schiffe erhalten, darunter Flugzeugträger, Schlachtschiffe, eine große Zahl von Kreuzern, U-Booten und anderen leichten Seestreitkräften.

1935 wurde als neue Kriegsflagge der Wehrmacht und damit auch zur See die Hakenkreuzflagge mit dem Eisernen Kreuz im linken Obereck, sowie einem schwarzen, weiß unterlegtem „Deutschordenskreuz“ eingeführt (siehe auch: Reichskriegsflagge).

Erstmals kam die Kriegsmarine im Spanischen Bürgerkrieg zum Einsatz. Sie beteiligte sich zusammen mit Seestreitkräften Großbritanniens, Italiens und Frankreichs an der internationalen Seeblockade zur Durchsetzung eines Waffenembargos gegen Spanien, wobei ihr ein Küstenbereich im Mittelmeer etwa zwischen Almería und Valencia zugewiesen war. Faktisch diente dieser Einsatz der Unterstützung der putschenden spanischen Nationalisten unter Franco. Am 29. Mai 1937 wurde das Panzerschiff Deutschland vor Ibiza bombardiert und beschädigt.

Zweiter Weltkrieg

Zwar wuchs die Personalstärke bis Kriegsbeginn 1939 von 15.000 auf über 78.000 Mann an. Jedoch war von den umfangreichen materiellen Plänen bei Kriegsbeginn noch zu wenig umgesetzt, als dass die Kriegsmarine für den Zweiten Weltkrieg vorbereitet gewesen wäre. Ihr Oberbefehlshaber, Großadmiral Erich Raeder notierte am 3. September 1939 im Kriegstagebuch der Seekriegsleitung:

„Die Überwasserstreitkräfte sind aber noch so gering an Zahl und Stärke gegenüber der englischen Flotte, daß sie - vollen Einsatz vorausgesetzt - nur zeigen können, daß sie mit Anstand zu sterben verstehen und damit die Grundlage für einen späteren Wiederaufbau zu schaffen gewillt sind.“

Gleichwohl war die Kriegsmarine von der ersten Minute an am Krieg beteiligt. Es war das Linienschiff Schleswig-Holstein, das am 1. September 1939 um 4.45 Uhr in Danzig das Feuer auf die Westerplatte eröffnete. Damit begann der Zweite Weltkrieg in Europa. Schon lange vor dem Angriffstermin waren U-Boote, das Panzerschiff Admiral Graf Spee und Trossschiffe ausgelaufen und hatten Wartepositionen auf See eingenommen.

Von Beginn des Krieges an begann die Marine einen Handelskrieg im Atlantik, dessen Ziel es war, die britische Handelsschifffahrt zum Erliegen zu bringen. Trotz der Beschränkungen durch die Prisenordnung führte dies bald zu Versorgungsengpässen in Großbritannien. Die Panzerschiffe der Deutschland-Klasse, U-Boote sowie Hilfskreuzer konnten schnelle Erfolge erzielen. Vor allem im ersten Kriegsjahr wurde noch nach der Prisenordnung gekämpft, spätestens nach dem Kriegseintritt der USA im Dezember 1941 fielen aber alle Beschränkungen im Seekrieg weg.

Sperrbrecher 131: Kleinere Fahrzeuge wie dieses trugen einen großen Teil der Last bei der Küstenkriegführung

Die Marine war maßgeblich an dem Unternehmen Weserübung beteiligt. Während der Besetzung Norwegens verlor die Kriegsmarine neben dem Schweren Kreuzer Blücher und den beiden Leichten Kreuzern Königsberg und Karlsruhe 9 U-Boote sowie 10 Zerstörer in der Schlacht um Narvik. Unter Hinzurechnung der beim Norwegenunternehmen gesunkenen deutschen Handelsschiffe waren dies 50% der eingesetzten Transportkapazität.[1] Aufgrund dieser hohen und nicht mehr zu ersetzenden Verluste, musste die Marine trotz der erfolgreichen Besetzung Norwegens diese Operation als strategische Niederlage hinnehmen.

Im Sommer 1940 sollte die Marine zusammen mit Heer und Luftwaffe das Unternehmen Seelöwe durchführen. Infolge der hohen Verluste, insbesondere bei der Transportkapazität, sowie dem Versagen der Luftwaffe während der Luftschlacht um England konnte das Unternehmen nicht wie geplant durchgeführt werden. Raeder hatte bereits in der Planungsphase des Unternehmens eine vollkommene Luftherrschaft über den Landungsgebieten einfordern müssen, da die Kriegsmarine allein nicht in der Lage gewesen wäre die Royal Navy abzuhalten.

Nachdem sich abzeichnete, dass das Unternehmen Seelöwe nicht durchgeführt werden würde, begann die Kriegsmarine ihr Augenmerk auf die Atlantikschlacht zu richten. Auf Grund der deutlichen zahlenmäßigen Unterlegenheit, vor allem bei den größeren Kampfschiffen, die durch frühe Verlusten noch verstärkt wurde (Admiral Graf Spee (1939), Blücher (1940), Bismarck (1941)), verlegte sich die Kriegsmarine mehr und mehr auf den Krieg mit U-Booten, maßgeblich forciert durch deren Befehlshaber, Admiral Karl Dönitz. Daneben machte die Küstenkriegführung mit kleinen Fahrzeugen wie Minensuchbooten und Schnellbooten einen Großteil der deutschen Marineaktivitäten im Zweiten Weltkrieg aus.

U 995 ist ein Boot des meistgebauten Typs VIIC

Trotz anfänglicher Erfolge im Nordatlantik, die Großbritannien zeitweise in eine Versorgungskrise brachten, gelang es nicht, den Gegner mit U-Booten in die Knie zu zwingen. Wie im Ersten Weltkrieg beherrschten die Alliierten die See und schnitten Deutschland vom Seehandel und von der überseeischen Versorgung ab. Der damit verbundene Mangel an Ressourcen für die Kriegführung war einer der Gründe dafür, dass der Krieg nicht zu gewinnen war. Großadmiral Raeder trat Anfang Januar 1943, nach dem Scheitern der Operation Regenbogen und einem darauffolgenden Wutanfall Hitlers, in dem dieser Raeder und die gesamte Marine beleidigte, von seinem Posten als Oberbefehlshaber zurück. Hitler versuchte erst ihn zum Bleiben zu bewegen, aber diesmal hatte er keinen Erfolg. Der Befehlshaber der U-Boote Admiral Dönitz wurde am 30. Januar 1943 zu seinem Nachfolger berufen. Raeder selbst wurde zum Admiralinspekteur der Kriegsmarine ernannt, ein Posten ohne Befehlsgewalt und ohne Befugnisse.

Schlachtschiff Tirpitz in der Bogenbucht des norwegischen Ofotfjords (1944)

In den Jahren 1943 bis 1945 verfolgte Dönitz weiterhin seine Strategie des U-Boot-Krieges, fast alle Überwasseroperationen wurden eingestellt. Ein großangelegtes U-Boot-Bauprogramm wurde gestartet. Durch die überlegene Technik der Alliierten, insbesondere durch ASDIC und später Sonar konnten die Deutschen U-Boote aber nicht mehr an alte Erfolge anknüpfen. Allein im Jahr 1943 gingen 237 U-Boote verloren, wobei die versenkte Tonnage von 8 Millionen BRT im Jahr 1942 auf 3,5 Millionen Tonnen im Folgejahr zurückging. Diese Entwicklung setzte sich bis zum Kriegsende fort: 1944 und 1945 wurden nur noch 1,5 Millionen BRT versenkt. Dem gegenüber standen 241 verlorene U-Boote im Jahre 1944 und weitere 153 U-Boote von Januar bis Mai 1945. Gleichzeitig konnten die Alliierten durch das Liberty-Frachter-Bauprogramm sogar ihre Frachtkapazität erhöhen. Trotz der hohen Verluste wurde der U-Boot Krieg bis zum Kriegsende fortgesetzt. Dönitz hoffte, dadurch zumindest Material und Personal der Alliierten zu binden und somit das Heer zu entlasten.

Ein Schnellboot transportiert Truppen aus Libau ab

Von Anfang 1945 bis zum Teil über das Kriegsende im Mai 1945 hinaus beteiligten sich Schiffe von Kriegs- und Handelsmarine maßgeblich an der Rückführung deutscher Wehrmachtsangehöriger und ziviler Flüchtlinge über die Ostsee. Trotz einer hohen Zahl umgekommenener Menschen (u. A. bei der Versenkung der Wilhelm Gustloff, der Goya und der Steuben) gelang es, über zwei Millionen Menschen aus den von der Eroberung durch die Roten Armee bedrohten Küstengebieten der südlichen Ostsee zu retten - die größte Evakuierung in der Geschichte der Menschheit. Die Anzahl der Getöteten entsprach etwa 1% der transportierten Personen. Trotzdem sind die einzelnen Schiffsverluste als traumatische Ereignisse in die jüngere deutsche Geschichte eingegangen. Die Durchführung der Operation Regenbogen wurde von Dönitz zwar verboten; trotzdem wurden viele U-Boote von ihren Besatzungen selbst versenkt.

Nach Kriegsende

Nach Kriegsende wurden Teile der Kriegsmarine unter alliierter Kontrolle weiterhin eingesetzt, um die Seeminen an den deutschen Küsten räumen zu lassen. Dieser Deutsche Minenräumdienst bestand bis Ende 1947 und hatte mit bis zu 300 Fahrzeugen mit 27.000 Mann zeitweise einen größeren Umfang als die Reichsmarine vor 1935. Neben sowjetischen Protesten war es vor allem der Zusammenhalt und Korpsgeist dieser ehemaligen Kriegsmarineteile, die die Alliierten 1947 zur Auflösung dieser letzten Reste der Kriegsmarine veranlassten.

Oberkommando der Kriegsmarine

Das OKM war seit 1934 im so genannten Shell-Haus am damaligen Tirpitzufer in Berlin untergebracht. Bei Kriegsbeginn wurde für die Seekriegsleitung ein verbunkertes Kriegshauptquartier (Deckname Koralle) in Lobetal bei Berlin auf einem Areal eingerichtet, das ursprünglich zu den Hoffnungstaler Anstalten gehörte.[2]

Oberbefehlshaber der Kriegsmarine

Kommandoflaggen der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine

Verweise

Literatur

  • Erich Gröner & Dieter Jung: Die Schiffe der deutschen Kriegsmarine und Luftwaffe 1939-1945 und ihr Verbleib, Bernard & Graefe Verlag, ISBN 3-76376-215-9
  • Siegfried Breyer & Ulrich Erfrath: Die Deutsche Kriegsmarine 1939-1945, 4 Bände, Podzun-Pallas Verlag, ISBN 3-893-50699-3
  • Cajus Bekker: Verdammte See, Ullstein Verlag, ISBN 3-548-03057-2
  • Jürgen Thorwald: Seemacht Deutschland Bd.1: Der Wiederaufstieg der dt. Kriegsmarine 1941; Bd. 2: Die Kriegsmarine im Kampf um Norwegen 1944. Essen: Essener Verlagsanstalt
  • Maik Nolte: „[…] mit Anstand zu sterben verstehen.“ – Flottenrüstung zwischen Tirpitzscher Tradition, strategischer Notwendigkeit und ideologischem Kalkül 1933 - 1943, Der Andere Verlag, 2005, ISBN 3-89959-386-3

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Axis History Factbook: Naval losses during Unternehmen Weserübung
  2. Zur Organisation der Kriegsmarine siehe: Konrad Ehrensberger, 100 Jahre Organisation der deutschen Marine, Bonn 1993, ISBN 3-7637-5913-1

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