Deutsche Kriegsverbrechen in Italien

Deutsche Kriegsverbrechen in Italien

Deutsche Kriegsverbrechen in Italien wurden zwischen dem 8. September 1943, als Italien aus dem Zweiten Weltkrieg ausschied, und dem 2. Mai 1945, an dem die deutschen Truppen in Italien kapitulierten, begangen. Dabei handelte es sich um das gesamte Spektrum von Kriegsverbrechen, um als Verbrechen gegen die Menschlichkeit definierte Gewalttaten und um Deportationsdelikte, begangen an italienischen Militär- und Zivilpersonen.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Ende 1942, Anfang 1943 erlitten die Truppen der Achsenmächte an der deutsch-sowjetischen Front gravierende Verluste. Auch die Verbündeten Deutschlands waren betroffen, die 8. italienische Armee wurde von der Roten Armee in der Winteroffensive 1942 zerschlagen, ihre Reste kehrten im Frühjahr 1943 nach Italien zurück. Zu ihrer Rückkehr an die Ostfront fehlte eine neue Ausrüstung. Aus Nordafrika mussten die Achsenmächte sich unter schwersten Verlusten zurückziehen, die Heeresgruppe Afrika kapitulierte am 13. Mai 1943, Italien verlor seine afrikanischen Kolonien. Ab Mai 1943 begann eine Luftoffensive der Alliierten gegen Italien. In der Nacht vom 9. zum 10. Juli landeten zwei angloamerikanische Armeen auf Sizilien. Daraufhin brach Mussolinis Regime zusammen. König Viktor Emanuel III. ließ Mussolini am 25. Juli verhaften. Die neue Regierung unter Pietro Badoglio kämpfte noch ein paar Wochen auf Seiten des Reiches, bis sie am 3. September 1943 den Waffenstillstand von Cassibile abschloss, der am 8. September 1943 bekannt wurde. Am 13. Oktober 1943 erklärte sie Deutschland den Krieg und trat an der Seite der Alliierten wieder in den Krieg ein. Das OKW hatte das Ausscheiden Italiens aus dem Bündnis kommen sehen und Pläne ausgearbeitet, Italien zu besetzen und die italienischen Positionen auf dem Balkan und in Südfrankreich zu übernehmen. Bis zum italienischen Waffenstillstand waren bereits mehr als 20 Divisionen nach Italien verlegt worden, um sofort die Initiative ergreifen zu können. Nach Bekanntwerden des Waffenstillstands wurden diese Pläne (Deckbezeichnung „Achse“) ausgelöst. Etwa die Hälfte des 1,52 Millionen Mann starken italienischen Heeres wurde entwaffnet und gefangen genommen. Deutschland errichtete in den besetzten Gebieten eine erneuerte faschistische Marionettenregierung, die Italienische Sozialrepublik. Deren Milizen und militärische Verbände wurden hauptsächlich zur Bekämpfung der Partisanen eingesetzt. Einheiten von Wehrmacht und Waffen-SS, teilweise von der Ostfront abgezogen, versuchten, das Vordringen der Alliierten in Italien aufzuhalten und bekämpften den Widerstand im Land mit härtesten Mitteln.

Die Behandlung der italienischen Armee

11.400 italienische Militärangehörige verloren ihr Leben aufgrund verbrecherischer oder völkerrechtswidriger Befehle. 44.720 Partisanen wurden getötet, oft unter Missachtung geltender internationaler Bestimmungen. 9.180 Zivilisten wurden getötet, Männer, Frauen, Kinder. Viele und die wahrscheinlich wichtigsten Verbrechen sind durch Quellen belegt, aber nicht alle. Daher muss man davon ausgehen, dass die Zahlen noch höher liegen. [1]

Italienische Truppenkommandeure wurden als Freischärler standrechtlich erschossen, falls es ihnen nicht gelang, ihre Soldaten innerhalb kurzer Zeit dazu zu bringen, ihre Waffen an die Wehrmacht abzugeben und sich zu ergeben. Nach der Haager Landkriegsordnung waren diese Soldaten aber als Kriegführende berechtigt, sich der Entwaffnung zu widersetzen, und sie durften nicht als Freischärler behandelt werden. Dies wurde im Prozess gegen die wegen Kriegsverbrechen angeklagten Südostgeneräle eindeutig festgestellt.

Auf Hitlers Befehl hin ließen einige Wehrmachtsoffiziere italienische Einheiten bei der Waffenübergabe und Gefangennahme niederschießen: Die 1. Gebirgsdivision auf der Insel Kefalonia exekutierte 5.200 bereits entwaffnete italienische Soldaten (Massaker auf Kefalonia). Ähnliche Massenhinrichtungen an Italienern geschahen in Albanien und Jugoslawien. Hinzu kamen deutsche Morde auf italienischem Boden an Kriegsgefangenen, die sich ihrer Entwaffnung widersetzt hatten.

Der Kugelerlass vom 4. März 1944 sah vor, dass wiederergriffene flüchtige kriegsgefangene Offiziere und nicht arbeitende Unteroffiziere an die Gestapo übergeben werden sollten. Von der Gestapo wurden sie in das KZ Mauthausen gebracht und dort durch Genickschuss ermordet. Wenn es eine größere Anzahl war, wurden sie vergast.

Ein Befehl des Kommandierenden Generals des XXII. Gebirgs-Armeekorps, Hubert Lanz, besagte, dass in Zivil angetroffene italienische Soldaten völlig formlos zu erschießen seien. Er setzte sich damit über die primitivsten Regeln des Standrechts hinweg.

Über 13.000 italienische Kriegsgefangene ertranken, als sie 1943 in hoffnungslos überladenen Dampfern von den griechischen Inseln auf das Festland gebracht werden sollten. Der Befehl, sie abzutransportieren ohne Rücksicht darauf, ob Rettungsmittel an Bord der Schiffe vorhanden waren, stellt einen schweren Verstoß gegen das Kriegsvölkerrecht dar.

Der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine Großadmiral Karl Dönitz befahl, dass alle führenden Offiziere von Submarina und anderen italienischen Marinedienststellen standrechtlich abzuurteilen seien, wenn sie Kampfhandlungen gegen deutsche Seestreitkräfte zu verantworten hatten. Dieser Befehl verlangte von seinen Untergebenen Kriegsverbrechen.

Etwa 600.000 Soldaten der italienischen Streitkräfte wurden entwaffnet, interniert und zur Zwangsarbeit auf das Gebiet des Reiches verschleppt. Sie wurden als „Militärinternierte“ eingestuft, um ihnen den Status von völkerrechtlich geschützten Kriegsgefangenen nicht zuerkennen zu müssen. Sie galten kollektiv als „Verräter“ und wurden daher im Reich oft noch schlimmer behandelt als die „Ostarbeiter“. Bis Kriegsende starben etwa 40 bis 45.000 von ihnen. [2] Die Überlebenden wurden 1944 in den Status von Zivilgefangenen überführt und danach besser versorgt.[3]

Die deutsche Besatzungsherrschaft

Innerhalb weniger Wochen nach Italiens Waffenstillstand erhöhte Deutschland die Truppenstärke der Heeresgruppe C in Italien auf 32 Divisionen, die dem Oberbefehl von Generalfeldmarschall Albert Kesselring unterstanden. Auch die in Italien operierenden Divisionen der Waffen-SS unterstanden taktisch der Heeresgruppe C. Das besetzte Gebiet, etwa zwei Drittel Italiens, wurde zur Verwaltung in drei Zonen aufgeteilt. Zehn Provinzen im Norden wurden in den beiden „Operationszonen“ „Adriatisches Küstenland“ und „Alpenvorland“ (Südtirol) zusammengefasst. Sie erhielten eine Zivilverwaltung, die den Gauleitern der angrenzenden Reichsgaue Tirol und Kärnten, Franz Hofer und Friedrich Rainer unterstanden und wie deutsche Provinzen verwaltet wurden. Eine weitere, etwa 60 km breite Operationszone „Nordwest-Alpen“ entlang der Schweizer und der französischen Grenze wurde direkt dem Armeeoberkommando 14 unterstellt. Auch das Territorium, das sich an die Kampflinie der Truppen anschloss, unterstand in der militärisch jeweils notwendigen Ausdehnung den Kommandierenden Generalen der Armeekorps. Im gesamten restlichen Gebiet wurde eine Militärverwaltung der Wehrmacht eingerichtet. Nach der Befreiung des inhaftierten Mussolini übernahm er offiziell wieder die Führung dieses ständig schrumpfenden Gebietes. Die deutsche Militärverwaltung bestand aber parallel dazu und übernahm immer häufiger die Exekutive, weil die italienische Verwaltung infolge der Kriegsmüdigkeit und der wachsenden Widerstandstätigkeit der Bevölkerung immer wirkungsloser wurde. Das gesamte besetzte Gebiet wurde dem Höchsten SS- und Polizeiführer SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Karl Wolff unterstellt, dessen Dienststelle aus je einem Befehlshaber Waffen-SS, Ordnungspolizei und Sicherheitsdienst des Reichsführers SS gebildet wurde. Ihre nachgeordneten Behörden koordinierten Aufbau, Überwachung und Einsatz italienischer Polizei- und Waffen-SS-Einheiten, die die italienische Widerstandsbewegung unterdrücken sollten. Italienische Behörden, Kommandanturen der Wehrmacht und die Behörden der SS mit jeweils eigenen Truppen bestanden in der Italienischen Sozialrepublik nebeneinander.

Deutsch-Italienische Beziehungen nach dem Krieg

Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und Italiens unterzeichneten am 2.Juni 1962 einen Vertrag über Leistungen zugunsten italienischer Staatsangehöriger, die von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen worden sind. Im vom Bundeskabinett dazu beschlossenen Gesetzentwurf heißt es dazu: In dem Vermögensvertrag hatte sich die Bundesrepublik verpflichtet, an Italien 40 Millionen DM für noch offene wirtschaftliche Fragen zu zahlen. Damit sollen alle italienischen Forderungen aus der Zeit vom 1. September 1939 bis zum 8. Mai 1945 abgegolten sein. Im Gegenzug dazu hatte sich Italien verpflichtet, die noch nicht liquidierten Vermögenswerte sowie beschlagnahmte deutsche Fabrik- und Handelsmarken freizugeben. Im Wiedergutmachungsvertrag war eine Zahlung von ebenfalls 40 Millionen DDM an italienische Staatsangehörige gezahlt worden, die durch nationalsozialistische Verfolgungsmaßnahmen Freiheits- oder Gesundheitsschäden erlitten haben. Diese Zahlung sollte ebenfalls die Frage der Wiedergutmachung abschließend regeln.[4]
Vor italienischen Gerichten sind derzeit 53 Einzel- und Sammelklagen wegen NS-Kriegsverbrechen anhängig. Im Jahre 2008 entschied das oberste italienische Berufungsgericht, der Corte Suprema di Cassazione, drei Verfahren, in denen Entschädigungsansprüche gegen Deutschland gestellt worden waren, in letzter Instanz für die Kläger. Im Urteil vom Mai 2008 ging es um Entschädigungen für die Deportation zur Zwangsarbeit nach Deutschland, im Fall Distomo (Juni 2008) hatten Angehörige von Griechen geklagt, die Opfer einer Vergeltungsaktion der 4. SS-Polizei-Panzergrenadier-Division für einen Partisanenüberfall wurden[5]. Am 21. Oktober wurden Angehörigen von zwei Opfern eine Entschädigung zugesprochen, die bei einem SS-Massaker am 29. Juni 1944 in Civitella in Val di Chiana getötet worden waren.[6]. Nach Auffassung des italienischen Berufungsgerichtes steht der deutsch-italienische Vertrag diesen Entschädigungsansprüchen nicht entgegen. Deutschland hat gegen diese Entscheidung den Internationalen Gerichtshof in Den Haag angerufen und beruft sich darauf, dass es als souveräner Staat an italienischen Gerichten Immunität genieße, außerdem für nationalsozialistische Verbrechen nach bilateralen Verträgen bereits eine pauschale Entschädigung an Italien bezahlt habe.[7]

Siehe auch

Einzelbelege

  1. Schreiber: Deutsche Kriegsverbrechen in Italien. S. 8
  2. Gerhard Schreiber: Die italienischen Militärinternierten im deutschen Machtbereich 1943–1945, Oldenbourg, 1990, S. 507
  3. Gerhard Schreiber: Militärsklaven im Dritten Reich. In: Wolfgang Michalka (Hrsg.): Der Zweite Weltkrieg. Analysen, Grundzüge, Forschungsbilanz. Hrsg. im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes. München 1989, ISBN 3-932131-38-X, S. 764ff
  4. zitiert nach: Heinz-Joachim Fischer: Urteile und Klagen. Deutsch-italienische Konsultationen in Triest. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. November 2008, S. 10
  5. Der Spiegel. 24/2008, 9. Juni 2008, S. 38: Das Erbe von Lager Nummer 7
  6. Der Spiegel. 47/2008, 18. November 2008: Steinmeier will gemeinsame Historikerkonferenz mit Italien
  7. FAZ. 27. November 2008, S. 5

Literatur

  • Hamburger Institut für Sozialforschung (Hrsg.): Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941–1944. 2. Auflage. Hamburger Edition, 2002, ISBN 3-930908-74-3.
  • Rolf-Dieter Müller, Hans-Erich Volkmann (Hrsg.): Die Wehrmacht. Mythos und Realität. Hrsg. im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes. München 1999, ISBN 3-486-56383-1.
  • Gerhard Schreiber: Die italienischen Militärinternierten im deutschen Machtbereich, 1943–1945. Oldenbourg, München 1990, ISBN 3-486-55391-7.
  • Gerhard Schreiber: Deutsche Kriegsverbrechen in Italien. Täter, Opfer, Strafverfolgung. München 1996, ISBN 3-406-39268-7.
  • Joachim Staron: Fosse Ardeatine und Marzabotto: Deutsche Kriegsverbrechen und Resistenza. Geschichte und nationale Mythenbildung in Deutschland und Italien 1944-1999. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2002, ISBN 3-506-77522-7.
  • Joachim Staron: Fosse Ardeatine e Marzabotto: Storia e memoria di due stragi tedesche. Il Mulino, Bologna 2007, ISBN 978-88-15-11518-8
  • Gerd R. Ueberschär: NS-Verbrechen und der militärische Widerstand gegen Hitler. Primus, Darmstadt 2000, ISBN 3-89678-169-3.
  • Gerd R. Ueberschär: Orte des Grauens. Verbrechen im Zweiten Weltkrieg. Primus, Darmstadt 2003, ISBN 3-89678-232-0.
  • Wolfram Wette: Die Wehrmacht – Feindbilder Vernichtungskrieg Legenden. Fischer, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-7632-5267-3.

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